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ine Äußerung von Bundes- außenminister Joschka Fi- scher hat bei der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Kassenärztli- chen Vereinigungen der Län- der für einigen Unmut ge- sorgt. Fischer hatte in einem Interview mit dem „Stern“ zu neuen Modellen für die Kran- kenversicherung gesagt: „Ich verstehe auch nicht, wozu wir die teuren Kassenärztlichen Vereinigungen brauchen.War- um kann meine Kasse nicht direkt mit Ärzten Verträge abschließen?“Nach Auffassung des KBV- Länderausschusses ist dies po- litischer Populismus. „Die Si- cherstellung der Versorgung“, sagte KBV-Vorsitzender Dr.
med. Manfred Richter-Reich- helm, „haben die Kassenärzt- lichen Vereinigungen per ge-
setzlichem Auftrag übernom- men und nicht durch ein von ihnen in Anspruch genomme- nes Monopol.“ In einer Reso- lution des Länderausschusses heißt es dazu weiter: „Es ist ein verhängnisvoller Irrglaube, bei wegbrechenden Einnahmen der Gesetzlichen Krankenver- sicherung (GKV) eine wirt- schaftlichere Versorgung durch den Verzicht auf das kollek- tivvertragliche System errei- chen zu wollen.“ Wenn die Krankenkassen die ambulante medizinische Versorgung der Bevölkerung mit Einzelverträ- gen sicherstellen sollen, würde dies nach Auffassung der KV- Chefs der Länder deren Ver- waltungskosten drastisch in die Höhe treiben.
Die KVen wehren sich entschieden dagegen, dass sie
„in populistischer Verken-
nung der Zusammenhänge für eine Ausgabenentwicklung der GKV verantwortlich gemacht werden, die sie mit den ih- nen zur Verfügung stehenden Mitteln gar nicht steuern kön- nen und somit auch nicht zu vertreten haben“.
Angriffe auf die KVen als angebliche Kartelle hatten schon zu Beginn der Diskus- sionen um die Gesundheitsre-
form eingesetzt. Lange Zeit war geplant, die niedergelasse- nen Fachärzte nur noch über Einzelverträge mit den Kas- sen an der ambulanten Versor- gung teilnehmen zu lassen. In dem endgültigen Gesetzestext ist davon nicht mehr die Rede.
Einzelverträge sind allerdings für die hausarztzentrierte Ver- sorgung vorgesehen, die von den Krankenkassen jedem Versicherten angeboten wer- den muss. Im GKV-Moder- nisierungsgesetz heißt es da- zu, dass die Krankenkassen nur mit „besonders qualifi- zierten Hausärzten“ Verträge zu schließen haben.
Neben der Resolution des Länderausschusses gab es auch verschiedene Einzelstellung- nahmen zu den Aussagen von Joschka Fischer. So schrieb beispielsweise der Vorsitzen- de der KV Sachsen, Dr. med.
Hans-Jürgen Hommel, an den Bundesaußenminister: „Ver- wundert hat uns Ihre Bemer- kung, Sie verstünden nicht, wozu die teuren Kassenärztli- chen Vereinigungen gebraucht würden. Da können wir Ihnen helfen: Kassenärztliche Verei- nigungen sind ein Konstrukt des Staates, welches 1931 be- wusst konzipiert worden ist, um unsinnige Kampfaktivitä- ten zwischen Krankenkassen und einzelnen Arztgruppen – zum Schaden der Patienten – zu beenden. Wichtig ist auch, dass zwischen den Kranken- kassen ein fairer Wettbe- werb stattfindet. Deshalb wur- de dieser Körperschaft be- wusst die Vertragshoheit zur Verhandlung mit den Kran- kenkassen für alle Arztgrup- pen übertragen.“ JM A K T U E L L
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A2614 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4110. Oktober 2003
Gewerbesteuer
Zusätzliche Belastung der Ärzte
Kassenärztliche
Bundesvereinigung warnt vor den Folgen
für den Arbeitsmarkt.
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nlässlich der Bundestags- anhörung zum Gesetz- entwurf über die Gemeinde- finanzreform hat der Vorsit- zende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Manfred Richter- Reichhelm, die Pläne der Bundesregierung kritisiert, die niedergelassenen Ärzte bei der Besteuerung wie Ge- werbetreibende zu behan- deln. Ärzte sicherten die me-dizinische Versorgung und nähmen dabei, anders als Ge- werbetreibende, Einschrän- kungen der Werbe- und Nie- derlassungsfreiheit sowie der Gewinnorientierung in Kauf.
Gleichzeitig warnte Rich- ter-Reichhelm vor den Fol- gen einer zusätzlichen finan- ziellen Belastung durch die geplante Gemeindefinanzre- form, die mehr als die Hälfte
der niedergelassenen Ärzte treffen würde. Mit weniger Geld in der Tasche seien sie gezwungen, „nicht über Neu- einstellungen, sondern über Entlassungen von Mitar- beitern nachzudenken“. Der KBV-Vorsitzende wies auch auf den zusätzlichen büro- kratischen Aufwand hin, den die Einbeziehung der Freien Berufe in die Gewerbesteu- er – selbst dort, wo kein Mehrertrag zu erwarten sei – nach sich ziehen würde. Wie der Bundesverband der Frei- en Berufe plädiert Richter- Reichhelm für einen System- wechsel bei der Finanzie- rung der Städte und Ge- meinden. Die Gewerbesteu- er solle durch ein kommu- nales Hebesatzrecht auf die Ertragsteuern ersetzt wer- den, sodass alle Einwohner an der Finanzierung der Städte und Gemeinden be- teiligt wären. TG Manfred Richter-Reichhelm
Foto:Bildschön
KBV-Länderausschuss
Kritik an Joschka Fischer
Kassenärzte werfen dem Bundesaußenminister
„politischen Populismus“ vor.
Joschka Fischer:
„Warum brauchen wir teure Kassenärztliche Vereinigungen?“
Foto:ddp