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Archiv "Diagnostik der Suizidalität" (11.04.2003)

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E

ine Fallvignette: Der 32-jährige Pati- ent, ein Taxifahrer, war der nieder- gelassenen Allgemeinmedizinerin kaum bekannt. Sie war eigentlich die Hausärztin seiner Freundin, und er selbst war bisher nur zweimal wegen Erkältungskrankheiten bei ihr erschie- nen. Jetzt saß er an einem Freitagnach- mittag vor ihr in ihrem Sprechzimmer, er hing mehr, als dass er auf seinem Stuhl saß. Sein Schäferhund war mit ins Zimmer gekommen. Er hatte eine freundliche Art, war durchaus sympa- thisch, wirkte aber gleichzeitig sehr fern. Er erzählte von der Trennung von der Freundin vor einigen Monaten. Sie hatte einen Anderen. Damit würde er schon zurechtkommen. Heute aber sei sein Geburtstag, und sie habe für ihn kochen wollen. Diese gemeinsamen Es- sen habe er immer sehr geschätzt. Er sei sehr früh bei ihr erschienen – sie habe ihn nicht rein gelassen. Es war klar, der Freund war noch da. Der Mann erzählte dies alles ohne viel Affekt, so als berüh- re ihn eigentlich gar nichts. Die Ärztin hörte aufmerksam zu, sie war ihm zuge- wandt, aber wirklich erreichen konnten seine Worte sie nicht, sie war nicht alar- miert, verschrieb ein paar Schlaftablet- ten (N1), hatte aber keine Vorstellung davon, wann sie ihn wieder sehen wür- de. Als er ging, fühlte sie sich merkwür- dig langsam und leer. Fünf Stunden spä- ter rief die nahe gelegene Klinik an. Der Mann war in sein Taxi gestiegen, war an den Stadtrand gefahren, hatte dort Al- kohol und eine Überdosis eines Medi- kamentencocktails zu sich genommen und war eingedämmert. Der Sprech- funk blieb angeschaltet, die Taxizentra- le wurde aufmerksam, als er sich länge- re Zeit nicht meldete. Er wurde gefun- den.

Ärzte gehören für suizidgefährdete Menschen zu den wichtigsten Ansprech-

partnern. Entgegen einer landläufigen Meinung wendet sich ein hoher Pro- zentsatz derjenigen, die Suizidversuche unternehmen oder sich suizidieren, zu- vor an einen Arzt (22, 35, 38).

Dabei wenden sich Frauen häufiger als Männer in erster Linie an Ärzte, zu- meist Allgemeinmediziner, Hausärzte und Internisten (8, 40).

Allerdings, sehr häufig wird nicht di- rekt über die Suizidalität gesprochen.

Entsprechend der oft unbewussten Er- wartungen an ein ärztliches Gespräch, aber auch aus Gründen der Scham und Angst vor Verurteilung, stehen meist unspezifische Symptomschilderungen oder psychosoziale Beschwerden im Vordergrund. Immer noch fürchten vie- le Patienten eine verurteilende oder stigmatisierende Abweisung durch den Arzt, zum Beispiel in Form einer sofor- tigen Zwangseinweisung. Die Ambiva- lenz, einerseits Hilfe zu suchen, ande- rerseits Kontrolle und Verlust an Eigen- ständigkeit zu fürchten, ist gerade bei Suizidgefährdeten besonders groß. Das Erkennen und Verstehen der Suizida- lität gehört deshalb zu den schwierig- sten Aufgaben in der ärztlichen und psychologischen Diagnostik. Die Bezie- hung zwischen Patient und Arzt spielt dabei eine bedeutsame Rolle. Die Suizi- dalität kann bewusst, aber auch unbe- wusst verdeckt, latent, in ihrer Ausprä- gung über die Zeit schwankend und auch abhängig von der aktuellen Be- findlichkeit in einer Beziehung (auch der Beziehung zum Arzt oder Thera- peuten) auftreten.

Was ist Suizidalität?

Suizidalität ist ein komplexes Phäno- men. Alle Gedanken, Gefühle und Handlungen, die auf Selbstzerstörung durch selbst herbeigeführte Beendi- gung des Lebens ausgerichtet sind, sind unter dem Begriff der Suizidalität zu fassen. Suizidalität lässt sich verstehen als Ausdruck der Zuspitzung einer see-

Diagnostik der Suizidalität

Zusammenfassung

Suizidalität ist ein beinahe in allen Bereichen der Medizin vorkommendes komplexes Ge- schehen mit gesellschaftlich-kulturellen, indivi- duell-psychologischen und medizinisch-biolo- gischen Aspekten. Die hier vorgestellte Basis- diagnostik der Suizidalität beinhaltet das „prä- suizidale Syndrom“, Risikogruppen und Risiko- konstellationen für Suizid und Suizidalität, häufige Auslöser von Suizidalität (zum Beispiel Verlust und Trennungen) und Grundlagen des psychopathologischen Befundes. Weil stati- stisch ermittelte Risikofaktoren und psychiatri- sche Diagnosen allein keinen Hinweis auf das Vorhandensein und die Akuität der Suizidge- fahr beim einzelnen Patienten geben können, soll in diesem Aufsatz der diagnostische Blick auf die Bedeutung der Wahrnehmung typi- scher Beziehungskonstellationen zwischen Pa- tient und Arzt gerichtet werden, die eine wich- tige Quelle differenzialindikatorischer Überle- gungen sein können. Die Arbeit schließt mit der kurzen Darstellung von Handlungsoptio- nen bei Suizidgefahr in der ärztlichen Praxis.

Schlüsselwörter: Suizidalität, Depression, Risi- kofaktoren, Trennungserfahrungen, Arzt-Pati- ent-Beziehung

Summary

Diagnosis of Suicidality

Suicidality appears in nearly all medical disci- plines. It is a complex occurrence with cultural sociological, individual psychological and medi- cal biological aspects. Basic diagnosis contains the presuicidal syndrome, risk groups and risk constellations for suicide and suicidality, frequent triggering events (i.e. separation) and basic psychopathological knowledge. Because statistically gained risk factors and psychiatrical diagnosis alone give no sufficient indication for the presence and acuity of suicidality of a specific patient, this paper offers a view on the impor- tance of common constellations in the rela- tionship between patient and doctor. These are an important source for considerations on dif- ferential indications. The paper finishes with a brief presentation of options for action in suicidal threat in medical practice.

Key words: suicidality, depression, risk factors, separation, patient-doctor-relationship

Reinhard Lindner Georg Fiedler Paul Götze

Therapie-Zentrum für Suizidgefährdete (Leiter: Prof. Dr.

med. Paul Götze), Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Ärztl. Direktor: Prof. Dr. med. Dieter Na- ber), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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lischen Entwicklung, in der der Mensch hoffnungslos und verzweifelt über sich selbst, das eigene Leben und seine Per- spektiven ist und seine Situation als ausweglos erlebt. Die Verzweiflung kann in Wut, Ärger und Hass umschla- gen. Hinzu kommen Hilflosigkeits- und Schuldgefühle. Die zentrale Angst be- steht vor Verlust, und zwar sowohl vor dem Verlust wichtiger Menschen, als auch wichtiger Fähigkeiten und Aspek- te der eigenen Person, wie zum Beispiel den bisherigen Lebensentwürfen oder der Fähigkeit, eigene Affekte und (sui- zidale) Impulse kontrollieren zu kön- nen.

Suizidale Phantasien können um den Wunsch zu sterben, den Wunsch nach Ruhe, nach einer Pause oder einer Un- terbrechung im Leben kreisen (20, 34, 46). Gedanken an den Suizid können zwanghaft, impulshaft oder raptusartig mit hohem Handlungsdruck auftreten.

Auslöser sind dabei vorrangig interper- sonelle Konflikte, Trennungen oder der Tod von wichtigen Bezugspersonen so- wie Kränkungen, berufliche Probleme, schwere Erkrankungen und – beson- ders im hohen Lebensalter – Vereinsa- mung und Selbstwertverlust (5, 13, 14, 17). Derartige Ereignisse treffen beina- he jeden Menschen in seinem Leben.

Will man verstehen, warum ein Mensch suizidal wird, ein anderer aber bei gleicher Gelegenheit nicht, so müs- sen andere, in der jeweiligen Person und ihrer Lebensgeschichte verankerte Gründe gefunden werden (7, 14, 17, 21, 28, 29, 43).

Suizidalität tritt nur beim Menschen auf. Es gibt einen kulturellen Einfluss auf die Häufigkeit, die Phänomenolo- gie und die motivationalen Aspekte suizidalen Erlebens und Verhaltens. Sie tritt bei allen psychischen Krankheiten gehäuft auf (23). Eine Fülle körperli- cher und körpernaher Symptome kann mit Suizidalität einhergehen, zum Bei- spiel Schlafstörungen, muskuläre Ver- spannungen, Kopfschmerzen und die Merkmale des somatischen Syndroms bei affektiven Störungen.

Die neurowissenschaftliche Erfor- schung der Suizidalität ist im Wesent- lichen fokussiert auf Parallelen aus der neurochemischen Depressionsfor- schung. Störungen in der Regulation der HT2A-Rezeptoren und der prä-

synaptischen Serotonin-Transporter- bindung stehen dabei im Vordergrund der Forschungsaktivitäten (1, 6). Ein komplexes neurowissenschaftliches Modell der Suizidalität, welches soziale und lebensgeschichtliche Faktoren mit einbezieht, existiert jedoch derzeit noch nicht (15, 30, 31). Bislang gelang für kein Psychopharmakon der Nach- weis einer spezifischen antisuizidalen Wirkung (12, 37, 46). Zudem fehlt so- wohl für Psychopharmaka, als auch für die Krisenintervention ein Nachweis der Rezidivprophylaxe nach Absetzen, beziehungsweise Beendigung der Be- handlung (36, 42).

Basisdiagnostik der Suizidalität

Die diagnostische „Leerstelle“

Der zentrale Aspekt der Diagnostik der Suizidalität liegt darin, an sie zu denken, auch wenn der Patient nicht darüber spricht und sogar eine Ge- sprächsatmosphäre schafft, die gleich- sam die diagnostische Klärung verhin- dert.

Richtungweisend kann aber gerade die diagnostische „Leerstelle“ sein, die sich ergibt, wenn unspezifische psycho- soziale oder zwischenmenschliche Pro- bleme geschildert werden oder wenn der Arzt zu Verlegenheitsdiagnosen tendiert, wie „psychovegetative Dysto- nie“ oder „larvierte Depression“, die ihn letztlich nicht zufrieden stellen. Die Basisdiagnostik stützt sich auf vier Grundelemente (Textkasten): das prä- suizidale Syndrom, Risikofaktoren, ak- tuelle psychische Befindlichkeit und aktuelle Trennungserfahrungen.

Das präsuizidale Syndrom

Seit nahezu 50 Jahren ist das von Ringel (39) beschriebene präsuizidale Syn- drom von klinischer Relevanz, beson- ders dann, wenn man, wie zum Beispiel in allgemeinmedizinischen Praxen häu- fig, Patienten relativ selten, aber doch über einen längeren Zeitraum von Jah- ren in Behandlung hat. Es beinhaltet ei- ne syndromale Verknüpfung von drei psychischen Konstellationen:

Die zunehmende Einengung, so- wohl in sozialen Funktionsbereichen als auch im psychischen Erleben der ei- genen Selbst- und Weltwahrnehmung im Sinne eines sozialen und psychi- schen Rückzugs.

Eine erhöhte innere Aggressi- vität bei gleichzeitiger Wendung ag- gressiver Impulse gegen die eigene Per- son.

Bewusste Suizidphantasien: Die- ses Syndrom steht in deutlicher Nähe zum depressiven Erleben, wobei hinzu- kommende depressive, wahnhafte und psychotische Symptome das Gefähr- dungsrisiko deutlich erhöhen (46). Ei- ne derartige Befundkonstellation deu- tet auf ein erhöhtes Risiko für Suizida- lität, einschließlich suizidalem Handeln hin.

Risikofaktoren

Die breite epidemiologische Forschung der letzten Jahrzehnte hat einige be- deutsame Risikofaktoren, -gruppen und -konstellationen zu Tage gefördert.

Sie lassen sich in vier große Bereiche fassen:

Psychisch Kranke mit starker Angst, andauernder Schlaflosigkeit, Anhedonie, Hilf- und Hoffnungslosig- keit und gesteigerter Impulsivität,

Menschen in psychosozialen Kri- sen, die sich inneren oder äußeren Er- eignissen gegenüber sehen, die sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht bewältigen können und

Menschen mit bereits offensichtli- cher Suizidalität, vorhergehenden Sui- zidversuchen und Suiziden in der Fami- lie.

Im engeren Sinne keine Risikofak- toren, aber für die Diagnostik der Sui- zidalität sehr bedeutsam sind akute Trennungserfahrungen, die sich sowohl in wichtigen Beziehungen als auch in psychiatrisch psychotherapeutischen Behandlungen (zum Beispiel bei Ent- lassung, Therapeutenwechsel oder Ur- laub) ereignen können (16, 45). Bei Menschen mit bekanntem Suizidrisiko ist das Risiko suizidaler Dekompensa- tionen bei Trennungserfahrungen be- sonders hoch.

Die Kenntnis der Risikofaktoren er- möglicht zwar die Zuordnung eines Pa-

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tienten zu einer potenziell gefährdeten Gruppe, jedoch nicht die individuelle Beurteilung der aktuellen Suizidalität und auch kein tiefergehendes Verste- hen der persönlichen Hintergründe (10, 19, 41,44).

Suizidalität und psychische Krankheit

Suizidalität tritt im Vergleich zur Nor- malbevölkerung deutlich häufiger bei Menschen mit psychischer Erkrankung auf, besonders bei Depressionen, Psy- chosen, Alkoholmissbrauch und Alko- holabhängigkeit sowie Persönlichkeits- störungen.

Das Suizidrisiko ist besonders dann erhöht, wenn Komorbiditäten vorlie- gen, also zum Beispiel Depression und Alkoholmissbrauch oder Depression und Persönlichkeitsstörung (9, 11, 24).

Auch hier gilt, dass die ärztliche Basis- diagnostik für psychiatrische Störungen dazu dienen kann, die Möglichkeit, dass dieser Patient suizidal sein könnte, zu erheben. Jedoch erlaubt die Diagnose einer Depression oder einer Persönlich- keitsstörung weder eine Aussage über das Vorhandensein und die Akuität noch über die Funktion und Bedeutung der Suizidalität des Patienten. Suizida- lität ist nicht spezifisch an eine nosolo- gische Einheit gebunden.

Aus klinisch psychiatrischer Perspek- tive kann Suizidalität als ein eigenstän- diges Phänomen verstanden werden, das deutlich mit dem Erleben und weni- ger mit objektivierbaren Symptomen psychiatrischer Erkrankungen zusam- men hängt (3, 4, 47). Berücksichtigt man besonders die Ergebnisse von Mann et al. (32), so sollten sich die diagnosti- schen Fragen nicht allein auf typische depressive Symptome konzentrieren, wie depressive Stimmung, Interessever- lust, Freudlosigkeit und Antriebsman- gel. Vielmehr können Fragen nach ak- tuellen Lebensbelastungen, nach der Krankheitsverarbeitung (bei somati- schen und psychiatrischen Krankhei- ten) und nach der subjektiven Einschät- zung der aktuellen Lebensumstände das Gespräch auf zentrale, mit der Sui- zidalität verbundene Themen lenken und zu ihrer besseren Einschätzung führen.

Suizidalität und

Trennungserfahrungen

Besondere diagnostische Hinweise auf eine aktuelle Suizidalität bieten Schilde- rungen von Trennungserfahrungen, sei es eine kürzlich gescheiterte Partnerschaft, der Tod eines Angehörigen, Kränkungen durch wichtige Personen, aber auch Ent- wicklungskrisen, in denen der Patient sich von ihm bekannten Lebensweisen und Bindungen trennen müsste, wie zum Beispiel beim Auszug aus dem Eltern- haus, Ausbildungsabschluss, Partnerwahl oder bevorstehender Elternschaft (13).

Auch Konflikte mit wichtigen Personen können zu Trennungsbefürchtungen führen, bei denen der Gedanke an Suizid als ein Ausweg erscheint (17).

Besonders erwähnt werden sollte die Situation nach Entlassung aus einer sta- tionär psychiatrischen oder psychothera- peutischen Behandlung, die häufig mit hohen Erwartungen, geringer Frustrati- onstoleranz, Ängsten und Befürchtun- gen, abgelehnt zu werden oder zu schei- tern einhergehen. Dies kann auch der Fall sein, wenn die stationäre Behand- lung insgesamt von Patient und Kran- kenhaus als erfolgreich angesehen wird (18, 45).

Suizidalität ansprechen

Berichtet der Patient frei und vertrauens- voll von ihn belastenden Suizidgedan- ken, so ist es in der Regel einfach, sich im Gespräch ein genaueres Bild der Hinter- gründe zu verschaffen. Auch ist dann die Einschätzung der Akuität meist nicht problematisch. Erkenntnisleitend ist dann die Frage, wie viel Fürsorge der Pa- tient für sich selbst entwickeln kann.

Fremdanamnestische Informationen können diese Einschätzung unter Um- ständen absichern.

Entsteht jedoch eine Atmosphäre der Vermeidung, so muss die Aktivität vom Arzt ausgehen:Dabei geht es darum,höf- lich aber direkt die Suizidalität anzuspre- chen, zum Beispiel mit den Worten: „Ha- ben Sie in letzter Zeit darüber nachge- dacht, alles hinzuschmeißen?“, oder

„Haben Sie Gedanken, sich das Leben zu nehmen?“ Dabei sollte die jeweilige Re- aktion des Patienten genau beobachtet werden. Entsteht der Eindruck, ein offe-

nes Gespräch entwickelt sich nicht, so kann dies auch offen und freundlich an- gesprochen werden (zum Beispiel: „Ich habe den Eindruck, wir können über et- was für Sie sehr Wichtiges nicht spre- chen“). Öffnet dieses Gesprächsangebot nicht „die Tür“ zu einem offenen Ge- spräch über die aktuellen Belastungen und suizidalen Vorstellungen, so ist be- sonders bezüglich der Akuität der Suizi- dalität auf „Alarmzeichen“ zu achten.

Diese finden sich dann in den eigenen Gefühlen, zum Beispiel gar nicht alar- miert zu sein, oder selbst melancholisch- passiv und resignativ darüber zu sinnie- ren, „dass hier doch nichts zu machen ist“

(27).

Generell gilt, dass ein Erkennen und Beurteilen akuter und chronischer Suizi- dalität nicht in jedem Fall möglich ist.

Dies leistet weder eine differenzierte testpsychologische Diagnostik noch bie- ten klinisches Wissen und Erfahrung ei- nen vollständigen Schutz vor Irrtümern (2, 22, 26). Die hohe Ambivalenz vieler Suizidaler trägt wesentlich dazu bei, dass auch der Arzt in seinem Fühlen, Denken und Handeln unklar wird. Es ist thera-

Basisdiagnostik der Suizidalität Präsuizidales Syndrom

Soziale und psychische Einengung,erhöhte Ag- gressivität, gegen die eigene Person gerichtete Suizidfantasien

Risikofaktoren

Psychische Krankheit (Depression, Sucht, schizo- phrene Störung, Persönlichkeitsstörung), psycho- soziale Krisen, chronische Suizidalität, vorherge- hende Suizidversuche, Suizide in der Familie, Trennungserfahrungen

Aktuelle psychische Befindlichkeit Depressivität, Hoffnungslosigkeit, Angst, Schlaf- losigkeit, Anhedonie, süchtiges Verhalten, Impul- sivität, Aggressivität

Akute Lebensbelastungen, gestörte Krankheits- verarbeitung, unerträgliche Erinnerungen, negati- ve und resignative Einschätzung der Lebensum- stände, Identifikation mit destruktivem Verhalten wichtiger Bezugspersonen

Trennungserfahrungen

Kürzlich gescheiterte Partnerschaft, Tod eines An- gehörigen, Kränkung durch wichtige Personen, Entwicklungskrisen, Entlassung aus stationärer psychiatrischer und psychotherapeutischer Be- handlung

Textkasten

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peutisch besser, Verleugnung, Vermei- dung und auch bewusstes Verschweigen als einen, manchmal unvermeidlichen Aspekt der Suizidalität des Patienten an- zuerkennen, als sich selbst oder den Pati- enten dafür zu verurteilen.

Wenn die Beziehung zum Arzt zwar konfliktreich, vielleicht anstrengend und verärgernd ist, man aber in dieser Weise miteinander in Kontakt bleibt, ist die Suizidalität meist als weniger akut einzu- schätzen, als wenn der Kontakt flüchtig, unzuverlässig und von wenig Emotionen auf beiden Seiten getragen ist. Aller- dings ist bei emotional stürmischeren Kontakten darauf zu achten, ob man sel- ber Kränkungen setzt, die zu einem ab- rupten Abbruch des Kontakts mit erneu- tem Ansteigen der Suizidalität führen können.

Ärztliche Handlungsoptionen bei Suizidalität

Ärztliches Handeln bei Suizidalität ist stark bestimmt durch seine Rahmenbe- dingungen. Findet der Kontakt zum Pati- enten im Krankenhaus nach einem Sui- zidversuch, in der psychiatrischen Abtei- lung bei chronischer Suizidalität, in der niedergelassenen hausärztlichen oder nervenärztlichen Praxis oder im Rah- men einer psychotherapeutischen Be- handlung statt, so stehen unterschiedli- che Handlungsoptionen zur Verfügung.

Grundsätzlich sollte versucht werden, in einem ruhigen, vertrauenswürdigen Ge- sprächsangebot die aktuelle Lage zu klären und die diagnostische Einschät- zung zu gewinnen. Eine tragfähige thera- peutische Beziehung kann durchaus Är- ger und lebhafte Auseinandersetzungen beinhalten; wichtig ist dabei, ob bei allen emotionalen Stürmen auch beim Arzt ein Gefühl einer Verbindung entsteht, die nicht abbricht, wenn man sich nicht mehr sieht. Die Handlungsoptionen sind dann stark abhängig von den Möglich- keiten und Grenzen des Behandlers: In der niedergelassenen Praxis sollte man sich (zuvor) im Klaren darüber sein, mit wie viel Zeit und Engagement man sich dem Patienten zur Verfügung stellen kann, wie weit die eigenen Kenntnisse, zeitlichen Möglichkeiten, aber auch psy- chischen Ressourcen gehen. Dabei ist es besser, die Grenzen so zu stecken, dass

man nicht unter Druck gerät und dem Patienten frühzeitig klar zu vermitteln, wofür man zur Verfügung steht und was man nicht leisten kann. Besteht kein akuter Handlungsdruck (das heißt der Arzt bekommt die Vorstellung, dass der Patient wieder kommen wird), so sollte in dem Fall, dass man den Patienten nicht selbst behandeln will, eine Über- weisung in psychiatrische oder psycho- therapeutische Richtung erfolgen. Mit Zustimmung des Patienten sollte der weiterbehandelnde Arzt oder Therapeut direkt informiert werden. Der Patient sollte dabei, soweit möglich, aufgefor- dert werden, unabhängig von dem ärztli- chen Austausch den Kontakt zum Fach- arzt oder Psychotherapeuten direkt auf- zunehmen. Wenn gerade aufgrund der Beziehungsgestaltung der Patient-Arzt- Beziehung durch den Patienten der Ein- druck entsteht, dass kein tragfähiger Kontakt über einen Zeitraum von eini- gen Tagen möglich ist, sollte die stationä- re Behandlung angesprochen werden.

Besteht massive Ablehnung einer Kli- nikbehandlung bei gleichzeitigem hohen suizidalen Druck und Unsicherheit in der Beziehung zum Patienten, kann eine Zwangsunterbringung (zum Beispiel durch Fahndung und Zuführung zu einer psychiatrischen Klinik) indiziert sein.

Bei Unsicherheiten ist es besonders gün- stig, sich den Rat eines Fachkollegen einzuholen. Ein zweiter Blick auf eine schwierige Situation schafft häufig Klar- heit über das weitere Vorgehen.

Manuskript eingereicht: 20. 1. 2003, angenommen:

17. 2. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 1004–1007 [Heft 15]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1503 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Reinhard Lindner

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Therapiezentrum für Suizidgefährdete

Martinistraße 52 20246 Hamburg

E-Mail: tzs@uke.uni-hamburg.de Weitere Informationen im Internet:

www.uke.uni-hamburg.de/+zs www.suizidprophylaxe.de www.neunland.de

www.suizidpraevention-deutschland.de www.forlife.de

Mehr Sachlichkeit

Nichts verwirrt und verunsichert die Bevölkerung mehr als Schlagzeilen über Katastrophen in der Laienpresse sowie Ärzte und Patienten über schwerwiegende Nebenwirkungen mit tödlichem Ausgang in der medizini- schen Fachpresse. Vielfach handelt es sich um ephemere Mitteilungen, die dem Autor den Ruf eines kritischen Sachverwalters einbringen. Überprü- fungen und Widerlegungen bedürfen längerer Zeit, sind unpopulär, werden als einseitig bewertet und sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht mehr aktuell. Dies trifft auf die voreili- ge und sachlich nicht in allen Fällen nachvollziehbare Entscheidung des BfArM vom 14. Juni 2002 zu, die Zu- lassung von anxiolytisch wirkenden Kava-Extrakten mit sofortigem Voll- zug wegen schwerwiegender hepato- toxischer Wirkungen zu widerrufen.

Deshalb ist der Artikel von R. Teschke nach sorgfältiger Recherche, objekti- ver und fachspezifischer Beurteilung des Risikos und klaren Empfehlungen zur Anwendung von Kava-Extrakten zu begrüßen.

Bei Überprüfung des Sachverhaltes ergeben sich zahlreiche Ungereimt- heiten zur Auffassung des BfArM. Der Nutzen von Kava-Extrakten ist durch zahlreiche ältere und neuere klinische Studien, Metaanalysen und die Auf- nahme in den Hauptteil des Entwurfs der Positivliste durch die Experten- gruppe belegt (1, 2). Das Risiko von Kava-Extrakten ist bei bestimmungs- gemäßem Gebrauch nicht vorhanden.

zu dem Beitrag

Hepatotoxizität durch Kava-Kava

Risikofaktoren und Prävention von

Prof. Dr. med. Rolf Teschke in Heft 50/2002

DISKUSSION

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Stevinson et al. (3) befassten sich in der 2002 erschienenen Publikation mit den UAW von Kava-Kava und kom- men zur Schlussfolgerung, dass nach Post-Marketing und klinischen Studi- en mit kurzfristiger Anwendung das Risiko von Nebenwirkungen im Allge- meinen selten, gering und reversibel ist. Wegen der beobachteten Neben- wirkungen ist jedoch ein weiterer For- schungsbedarf zur Aufklärung erfor- derlich. Der angesehene Ethnobotani- ker Cox (2) weist die Kritik an der Südseedroge Kava zurück, wonach diese Leberschäden hervorrufen soll.

Seine Forschungsarbeiten im Südpazi- fik, wo die Droge regelmäßig konsu- miert wird, hätten keine Hinweise auf ein erhöhtes Lebererkrankungsrisiko ergeben. Dies belegt einmal der jahr- hundertelange Genuss des Kava-Tran- kes auf den Südseeinseln. Der inter- national renommierte Pharmakologe und Toxikologe P. Waller, Illinois/USA (2) kritisiert die unvollständige Doku- mentation der deutschen und schwei- zerischen Fälle und ist ebenfalls der Auffassung, dass Kava-Kava bei be- stimmungsgemäßem Gebrauch keine schwerwiegenden Leberschädigungen hervorruft. In der Mitteilung vom 27.

Juni 2002 teilt die FDA (2) mit, dass derzeit kein Handlungsbedarf für ei- nen Widerruf von Kava besteht, aber In-vitro-Studien zur Aufklärung des Metabolismus und möglichen Ursa- chen von unerwünschten Arzneimit- telwirkungen vorgesehen sind. Dieses Vorgehen mit einer sachlichen und wissenschaftlichen Überprüfung der hepatotoxischen Effekte der üblicher- weise kritischen FDA ist zu begrüßen.

Nach Ernst (4) wurden vom BfArM der Nutzen des pflanzlichen Anxiolyti- kums Kava unter- und die Risiken überschätzt. Diese Auffassung kann aufgrund eigener Überprüfung der experimentellen, klinisch pharmako- logischen und klinischen Ergebnisse nur zugestimmt werden (1, 2).

Zu Recht haben die Mitglieder be- ziehungsweise stellvertretenden Mit- glieder der Kommission E (2) beim BfArM ihr Befremden über das Vor- gehen des BfArM im Rahmen des Stu- fenplanverfahrens und des Widerrufs der Zulassung von Kava-Extrakten geäußert, fühlen sich in ihrer wissen-

schaftlichen Kompetenz übergangen und in ihrer Funktion infrage gestellt.

Sie sind im Gegensatz zur Meinung des BfArM der Auffassung, dass keine Gefahr im Verzug vorlag, die eine der- artige Maßnahme rechtfertigt. Dar- über hinaus teilen sie die Auffassung des BfArM bezüglich des Risikos bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht und halten die von Teschke vor- geschlagenen Empfehlungen für not- wendig und ausreichend. Diese und ähnliche Vorgänge in der Vergangen- heit mahnen zu mehr Sachlichkeit und Klärung von Entscheidungen im Vor- feld durch kompetente Sachverständi- ge.

Literatur

1. Loew D: Kava-Kava-Extrakt. Nutzen-Risiko oder ein gesellschaftliches Problem. Dtsch Apoth Ztg 2002;

142: 1012–1020.

2. Loew D, Gaus W: Kava-Kava, Tragödie einer Fehlbe- urteilung. Zeitschrift für Phytotherapie 2002; 23:

267–281.

3. Stevinson C et al.: A systematic review of the safety of kava extraction the treatment of anxiety. Drug and Safety 2002; 25: 251–267.

4. Ernst E: Marktrücknahme des pflanzlichen Anxioly- tikum Kava. Nutzen unter-, Risiken überschätzt?

MMW 2002; 40: 41.

Prof. Dr. med.

Dr. med. dent. Dieter Loew Am Allersberg 7

65191 Wiesbaden

Wirksamkeit nicht belegt

Die Argumentation des Autors ent- spricht im Wesentlichen derjenigen der E-Kommission hinsichtlich der von ihr kritisierten Widerrufung der Zulassung von Kava-Kava durch das BfArM. Die Schieflage des Artikels liegt darin, dass behauptet wird, die klinische Wirksamkeit von Kava-Kava sei durch „zahlreiche Studien belegt“.

Die hierfür angeführte Literatur stützt jedoch aus Sicht der Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) diese Behauptung nicht. Le- diglich in einer in Allgemeinarztpra- xen durchgeführten Doppelblindstu- die konnte ein Effekt von Kava-Kava bei Patienten mit ungenau definierten Angstzuständen und Anpassungs- störungen gezeigt werden. Diese Stu- die reicht neben einer weiteren Kurz- zeitstudie mit sehr kleiner Fallzahl

nicht aus, um eine Therapieempfeh- lung für eine nach modernen Kriterien definierte Angststörung auszuspre- chen. Alle anderen mit Kava-Kava durchgeführten Studien sind durch Mängel in der Methodik nicht für einen Wirksamkeitsnachweis geeig- net, auch nicht nach metaanalytischer Zusammenfassung im Rahmen eines qualitativ mäßigen Cochrane-Review.

Es fehlen bis heute Dosisfindungsstu- dien, Vergleiche mit etablierten Medi- kationen und Toxizitätsstudien. Die World Federation of Societies of Bio- logical Psychiatry (WFSBP) äußert sich übrigens in ihrer gerade erschie- nenen Leitlinie zur Behandlung von Angst- und Zwangsstörungen in glei- cher Weise.

Auch wenn schwere hepatotoxische Reaktionen wohl selten sind, war des- halb die Entscheidung des BfArM adäquat und wurde von der Arznei- mittelkommission der deutschen Ärz- teschaft unterstützt. Im Übrigen wur- den Kava-Kava-Präparate auch in Frankreich vom Markt genommen und in Großbritannien wird eine glei- che Maßnahme erwogen .

Prof. Dr. med.

Bruno Müller-Oerlinghausen Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Jebensstraße 3 10623 Berlin

Schlusswort

Für ihre Anmerkungen sei Loew und Müller-Oerlinghausen gedankt. Sie diskutieren die Frage der therapeuti- schen Effizienz einer Kava-Therapie, auf die ich mit acht Worten und drei Literaturstellen in der Einleitung mei- nes Artikels nur kurz eingegangen bin.

Müller-Oerlinghausen möge mir die Kürze meines Hinweises nachsehen, den ich zwar für wichtig aber nicht un- bedingt zum Thema meiner Arbeit gehörend angesehen habe. Trotz allem ist die von mir gemachte Aussage zur Effektivität einer Kava-Therapie durch die angegebene Literatur ein- wandfrei und wissenschaftlich fun- diert belegt. Wenn Müller-Oerlinghau- sen hier nun von einer „Schieflage“

spricht, so ist dies im Hinblick auf die

(6)

von mir angeführten Arbeiten ausge- wiesener Experten auf diesem Gebiet sicher nicht nachvollziehbar. Wohl mag dieser Ausdruck auf die eigene Argumentation zutreffen, die global, wenig differenziert und auch nicht durch entsprechende Literatur belegt ist. Seinen Ausführungen ist auch nicht zu entnehmen, welche der zahlreich durchgeführten und publizierten Stu- dien er im Einzelnen kritisieren möch- te. Die Kritik insgesamt ist auch des- halb ungewöhnlich, weil Kava-Kava- Extrakte nach EBM-Prüfung in den Hauptteil des Entwurfs der Positivli- ste aufgenommen wurden und dies auch Müller-Oerlinghausen bekannt sein müsste.

Bei der Frage der therapeutischen Effizienz hat Loew seine Pro-Argu- mente mit entsprechenden weiter- führenden Literaturhinweisen belegt, wie ich dies auch in meinem Artikel gemacht habe. Ausdrücklich hingewie- sen sei auch auf die von mir zitierte Arbeit von Ernst (1) aus England in der renommierten Fachzeitschrift An- nals of Internal Medicine. In diesem Artikel bezieht sich Ernst auf die zusammen mit seinem Mitarbeiter Pittler (2) veröffentlichte ausführliche Metaanalyse zur Effektivität einer Ka- va-Behandlung bei Angststörungen.

Pittler und Ernst (2) haben in ihre Me- taanalyse Doppelblindstudien einge- schlossen, die randomisiert und place- bokontrolliert durchgeführt worden waren. Eine Überlegenheit von Kava- Extrakten gegenüber Placebo fand sich in allen sieben ausgewerteten Stu- dien. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Kava-Extrakte gegen- über Placebo als symptomatische Be- handlung von Angststörungen überle- gen sind. Ernst (1) erwähnt auch, dass bei der Frage der Effektivität von Ka- va im Vergleich zu Oxazepam beide Medikamente ähnlich effektive Anxio- lytika sind. Insgesamt kann die exzel- lente Arbeit von Ernst (1) sowie Pittler und E. Ernst (2) zur Frage der Effekti- vität einer Kava-Therapie zur umfas- senden Information wärmstens emp- fohlen werden, da hier eine kritische Auseinandersetzung mit dieser wichti- gen Frage erfolgt.

Dankenswerterweise befassen sich Loew und Müller-Oerlinghausen auch

mit der internationalen Resonanz auf die vermutete Leberschädigung durch Kava. Müller-Oerlinghausen weist da- rauf hin, dass Kava-Präparate in Frankreich vom Markt genommen worden seien und in England eine glei- che Maßnahme erwogen werde. Die englische Gesundheitsbehörde MCA steht der vom BfArM vorgetragenen Kausalität jedoch sehr reserviert ge- genüber, da viele Fälle nicht ausrei- chend dokumentiert seien. In der Ta- belle 1 meiner Arbeit ist die Kausa- litätsbeurteilung der MCA detailliert dargelegt. Daher ist fraglich, ob eine Marktrücknahme in England über- haupt erfolgen wird. Auch die europäi- sche Gesundheitsbehörde EMEA hat ähnliche Bedenken wie die MCA, ob- wohl Deutschland mit dem BfArM selbst Mitglied der EMEA ist. Die von Loew vorgetragene internationale Kri- tik einschließlich der FDA (USA) an dem Vorgehen und der Beurteilung des BfArM weist nochmals auf die un- terschiedlichen Standpunkte hin.

Die Sorge von D. Loew betreffend der offensichtlich nicht ganz harmoni- schen Zusammenarbeit zwischen BfArM und den Mitgliedern der Kommission E beim BfArM ist gut nachvollzieh- bar. Die Mitglieder sind hochrangige Wissenschaftler, die ihre fachliche Kompetenz beim BfArM einzubrin- gen bereit sind. Das BfArM wäre da- her gut beraten, die Ratschläge der Mitglieder zu diskutieren und einver- nehmlich in die Praxis umzusetzen.

Auch Müller-Oerlinghausen könnte als Vorsitzendem der Arzneimittel- kommission der Deutschen Ärzte- schaft hier eine ausgleichende Funkti- on zukommen und sein Gewicht im Interesse der Ärzteschaft und der Pa- tienten einbringen. Mit Müller- Oerlinghausen besteht Einigkeit in der Beurteilung, dass schwere hepato- toxische Reaktionen durch Kava wohl selten sind. Im allgemeinen Interesse aber läge es, wenn nun endlich weitere Einzeldaten in anonymisierter Weise den internationalen Gesundheitsbe- hörden und den interessierten Wissen- schaftlern, die bereits vor langer Zeit vergeblich angefragt haben, ohne Ein- schränkungen zur Verfügung gestellt würden, damit eine endgültige Kausa- litätsbeurteilung erfolgen kann. Das

BfArM und die Arzneimittelkommis- sion der deutschen Ärzteschaft stehen in der Pflicht und sollten um Scha- densbegrenzung bemüht sein.

Literatur

1. Ernst E: The risk-benefit profile of commonly used herbal therapies: Ginkgo, St. John’s Wort, Ginseng, Echinacea, Saw Palmetto, and Kava. Ann Intern Med 2002; 136: 42–53.

2. Pittler MH, Ernst E: Efficacy of kava extract for treating anxiety: systematic review and meta-analy- sis. J Clin Psychopharmacol 2000; 20: 84–89.

Prof. Dr. med. Rolf Teschke Medizinische Klinik II Klinikum Stadt Hanau Leimenstraße 20 63450 Hanau

Nicht selten findet man als Ursache wässriger Durchfälle eine mikroskopi- sche Kolitis bei makroskopisch unauffäl- liger Schleimhaut. Bei der Kollagenkoli- tis findet sich dabei ein subepitheliales Kollagenband,das offensichtlich mit dem Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt in- terferiert.

Die Autoren zeigten, dass bei der Kol- lagenkolitis eine eingeschränkte Natri- um- und Chloridabsorption im Vorder- grund der Pathophysiologie der chroni- schen Diarrhö stehen. Das subepitheliale Kollagenband stellt dabei eine signifi- kante Diffusionsbarriere dar mit einer verminderten Expression der Tight-junc- tion-Moleküle. Eine Down-Regulation der Apoptose der Darmepithelien liegt

hingegen nicht vor. w

Bürgel N, Bojarski C, Schulzke JD et al.: Mechanisms of diar- rhea in collagenous colitis. Gastroenterology 2002; 123:

433–443.

Dr. J. D. Schulzke, Medizinische Klinik I, Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Freie Universität Berlin, Hindenburg- damm 30, 12200 Berlin, E-Mail: schulzke@medizin.fu- berlin.de

Referiert

Pathophysiologie der

Kollagenkolitis

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