„Fertilitätsversicherung“
Spermadepots für Tumorpatienten
edem männlichen Tumorpatienten sollte generell vor der Therapie die Kryokonservierung von Sper- maproben angeboten werden, zumal heute durch die Fortschritte der assistierten Reproduktion nicht mehr so hohe Qualitätsansprüche an die Ejakulate gestellt wer- den wie früher. Eine Reihe von Malignomen wirkt sich negativ auf die Fruchtbarkeit des Mannes aus, und auch die Krebstherapie schädigt die Fertilität – zum Teil blei- bend. Bei Patienten mit Morbus Hodgkin liegt zu 70 Pro- zent vor der Therapie eine Oligo-, Astheno- oder Terato- zoospermie bei Normwerten von FSH, LH, Testosteron und Prolaktin vor. Die Ursache hierfür sei unklar, mögli- cherweise spielten immunvermittelte Reaktionen eine Rolle, sagte Dr. Matthias Imhoff (Frankfurt) bei einer andrologischen Fortbildung in Frankfurt. Bei Hodenkar- zinomen fände sich in mehr als der Hälfte der Fälle bei der Erstdiagnose eine Oligozoospermie.
or Orchiektomien wurden bei den Probanden zu 77 Prozent Sperma-Antikörper nachgewiesen (normal: zehn Prozent). „Einige Autoren sehen die stark verminderte Spermiogenese sogar als Leitsym- ptom für ein Hodenkarzinom an“, so Imhof. Der Einfluß der Therapie auf die Fertilität unterscheidet sich je nach Strategie: Beim operativen Vorgehen kommt es nicht sel- ten zur Durchtrennung sympathischer Nervenfasern mit der Folge einer ejakulatorischen Dysfunktion. Die Orchiektomie geht laut Imhof mit einer 50prozentigen Oligozoospermie einher. Bei der Radiatio sind proliferie- rende Spermatogonien besonders empfindlich; der Ef- fekt ist insgesamt dosisabhängig. Der Effekt der Chemo- therapie auf die Fertilität ist abhängig von Typ, Art und Dosierung der Zytostatika sowie der Zahl der Zyklen.
ur Überprüfung der Gonadenfunktion empfiehlt Imhof eine Kontrolle der Gonadotropine alle sechs Monate – vor, während und nach der The- rapie. Laut Dr. Stefan Rapprich werden die meisten Sper- madepots aufgrund von Neoplasien als „Fertilitätsver- sicherung“ angelegt. Die Wiederbelebungsrate des Kryospermas von Hodenkarzinom-Patienten läge bei rund 50 Prozent. Als Problem erweise sich allerdings oft der Zeitdruck vor der onkologischen Therapie, da vorab einige Laboruntersuchungen vorgenommen werden müssen. Auch die Kosten seien nicht unbeträchtlich: auf den Patienten kämen einmalige Ausgaben in Höhe von 800 bis 900 DM für das Einfrieren und nachfolgend jähr- lich rund 500 DM für die Lagerung zu, erläuterte Rapp- rich. Für Kryodepots an Universitätskliniken fallen nor- malerweise keine Kosten an. Bei Kryodepots von Karzi- nompatienten empfahl der Referent eine Lagerungsdau- er von etwa zwei Jahren. Dr. Renate Leinmüller A-1456
S P E K T R U M AKUT
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(4) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 22, 30. Mai 1997