eutschland nehme beim Ver- brauch von Opiaten in der Tu- mortherapie international ei- nen hinteren Rang ein. Das sagte Dr.
med. Hermann-Josef Verführt, Vorsit- zender der Ärztekammer (ÄK) Nord- rhein, Kreisstelle Neuss, bei einem Symposium zum Thema „Behandlung und Betreuung von schwerkranken onkologischen Patienten“ in Neuss. So würden in Deutschland rund sieben- mal weniger Opiate für Tumorkranke verordnet als zum Beispiel in Däne- mark. Dabei sei die Opiatgabe bei Tu- morkranken eine äußerst effektive und sichere Arzneimitteltherapie, be- tonte Verführt auf der von der ÄK Nordrhein, Kreisstelle Neuss, und der Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft (AkdÄ) gemein- sam veranstalteten Tagung.
In seiner Praxis, so Prof. Dr. med.
Eberhard Klaschik, Chefarzt im Mal- teserkrankenhaus Bonn, habe es noch nie einen Fall von psychischer Abhän- gigkeit gegeben, wenn eine konse- quente Therapie mit Opiaten vorge- nommen würde. Es gelte, die indivi- duell richtige Dosis und das optimale Zeitintervall zu finden. So könne das Wiederauftreten von Schmerzen ver- hindert werden.
Den Einsatz von mobilen, leicht bedienbaren Schmerzpumpen im häuslichen Bereich erläuterte der Neusser Anästhesist und Schmerzthe- rapeut Dr. med. Franz Heusgen. Die Akzeptanz bei den Patienten sei hoch, die Compliance gesichert. Die Patien- ten könnten schmerzgelindert oder schmerzfrei im häuslichen Bereich verbleiben und Lebensqualität gewin- nen. Leider würden die Schmerzpum- pen noch zu selten von den behan- delnden Ärzten angefordert.
Wesentliche Erleichterungen bei Verschreibungen von Betäubungsmit- teln nach Inkrafttreten der 10. Novel- le der Betäubungsmittel-Verschrei- bungs-Verordnung erläuterte die Amtsapothekerin Sigrid Mentgen aus Grevenbroich (dazu Deutsches Ärz- teblatt, Heft 5/1998).
Die Notwendigkeit der seelsorge- rischen Betreuung bei schwerkranken onkologischen Patienten unterstrich Pfarrer Volker Lehnert aus Neuss.
Auf der Grundlage einer effektiven Schmerztherapie könne dem Sterben- den die Möglichkeit gegeben werden, sich aktiv und unter Wahrung seines Selbstbestimmungsrechtes auf den Tod vorzubereiten: „Wer vor Schmerzen schreit, kann weder hoffen noch glau- ben, noch beten.“ Weiterer Aspekt der seelsorgerischen Betreuung sei aber auch, bei Familienangehörigen und Verwandten eine Akzeptanz des na- henden Todes zu erreichen.
Dr.-Ing. Wolfgang Boretzky von der Hospizbewegung in Kaarst stellte die Möglichkeit des ambulanten Hos- pizdienstes dar. Mit zur Zeit 42 ehren-
amtlichen, gut geschulten Helferin- nen und Helfern sei eine Tag- und Nachtbetreuung von schwerkranken Sterbenden möglich. Weitere ehren- amtliche Mitarbeiter würden aber dringend benötigt.
Nach Auffassung von Klaus Lim- pinsel, Leiter der AOK Neuss, sollte dem schwerkranken Patienten die Möglichkeit gegeben werden, in sei- nem gewünschten Umfeld zu Hause zu verbleiben und dort sterben zu kön- nen. Deshalb unterstützt die AOK Neuss mit einem Tagespauschalbetrag die Verwendung der Schmerzpumpen.
Limpinsel wünscht sich, daß die Kran- kenkassen weitere finanzielle Unter- stützung neben der hospizmäßigen Versorgung, auch im Bereich der pfle- gerischen Versorgung, bereitstellen könnten. Dies scheitere aber an den restriktiven Vorschriften der Gesetzli- chen Krankenversicherung. Trotzdem bliebe auf individueller Ebene noch genug Spielraum, Hilfe anzubieten.
Nach Darlegung von Dr. med.
Karl-Heinz Munter, Geschäftsführer der AkdÄ, engagiert sich die Arzneimittelkommis- sion seit vielen Jahren für eine bessere Schmerz- therapieversorgung von schwerkranken onkologi- schen Patienten. Die häusliche Versorgung, die von den meisten Pa- tienten ausdrücklich ge- wünscht wird, sei kosten- günstiger als eine sta- tionäre Betreuung im Krankenhaus. Trotz mög- licher finanzieller Ein- sparungen stelle das sek- torale Budgetdenken ein Hindernis dar, den ambulanten Hos- pizdienst und die seelsorgerische Be- treuung finanziell zu unterstützen.
Dr. Munter forderte die Kran- kenkassen sowie die Ärzteschaft auf, innovative Lösungen zu finden. Bud- getschranken müßten aufgehoben werden, damit eine Betreuung in ei- nem integrativen Netzwerk von medi- zinischer und pflegerischer, psychoso- zialer und seelsorgerischer Versor- gung ermöglicht würde. Das Selbstbe- stimmungsrecht und die Würde des sterbenden Menschen habe im Mit- telpunkt zu stehen und nicht das Sy-
stem. EB
A-2020 (32) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 34–35, 24. August 1998
T H E M E N D E R Z E I T TAGUNGSBERICHT
Behandlung von Tumorpatienten
Lebensqualität durch Schmerzfreiheit
Eine effektive Schmerztherapie, verbunden mit einer seelsorgerischen Betreuung bei schwerkranken
onkologischen Patienten, ist möglich und notwendig.
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Menschliche Zuwendung ist wesentlicher Bestandteil der psychosozialen
Betreuung. Foto: kna