M E D I Z I N
Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 3029. Juli 2005 AA2107
auf übliche Maßnahmen nicht anspre- chen, kann ein individueller Behand- lungsversuch mit Cannabinoiden, das entweder als Fertigarzneimittel über die internationale Apotheke (Marinol) oder als Rezepturmedikament (Drona- binol) erhältlich ist (Abbildung 2), ver- sucht werden (52, 73).
Hyperbare Oxygenation (HBO)
Aufgrund viel versprechender Experi- mente bei Tiermodellen und positiver Fallberichte wurden neun kontrollierte klinische Studien mit HBO bei 504 MS- Patienten durchgeführt. Die Ergebnisse sind in einer Metaanalyse zusammenge- fasst (5). Bis auf zwei Studien (24, 60) wa- ren die Untersuchungen negativ (5, 44) oder wiesen sogar auf eine klinischer
Verschlechterung hin (56). Sowohl die Risiken als auch die Kosten der HBO sind beträchtlich, sodass von dieser The- rapie bei MS abgeraten werden sollte.
Fazit
Für keine der unkonventionellen The- rapien liegt ausreichend wissenschaftli- che Evidenz vor, um sie empfehlen zu können. Die klinischen Studien sind überwiegend klein und methodisch mangelhaft. Die Studienergebnisse sind aber keinesfalls durchgehend negativ, es gibt zahlreiche Hinweise auf die Wirksamkeit mancher Therapien. Eini- ge Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich unkonventionelle Therapien weniger auf objektiv messbare Befunde der MS auswirken als vielmehr auf
Selbstwahrnehmung, psychisches Wohl- befinden und Lebensqualität. Diese Hypothesen sollten mit geeigneten Zielkriterien in größeren Studien ge- prüft werden.
Manuskript eingereicht: 8. 11. 2004, revidierte Fassung angenommen: 5. 1. 2005
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2102–2107 [Heft 30]
Anschrift für die Verfasser:
Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Schwarz Neurologische Universitätsklinik
Klinikum Mannheim GmbH, der Universität Heidelberg Theodor-Kutzer Ufer 1–3
68135 Mannheim
E-Mail: s.schwarz@neuro.ma.uni-heidelberg.de Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3005 abrufbar ist.
Durch eine geringe kumulative Strahlen- exposition erhöht sich das Risiko, an ei- nem Krebsleiden zu sterben, um zehn Prozent.Dies berichtet ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Elisabeth Cardis von der International Agency for Research on Cancer, Lyon, Frankreich, im British Medical Journal.
Die mögliche Gefahr einer geringen Strahlendosis wurde bisher meist an- hand der erfolgten Exposition überle- bender Atombombenopfer in Hiroshi- ma und Nagasaki extrapoliert. Um das Risiko direkt zu bestimmen, initiierten die Autoren eine umfangreiche Studie mit mehr als 400 000 Arbeitern aus 15 Staaten. Die Studienteilnehmer hatten mindestens ein Jahr lang größtenteils in Atomkraftwerken gearbeitet und wur- den durchschnittlich 13 Jahre nachbeob- achtet. Dies entsprach 5,2 Millionen Personenjahren.
Nach den heutigen Empfehlungen sollen Arbeiter in der Nuklearindustrie einer kumulativen Strahlenbelastung von höchstens 100 mSv innerhalb von fünf Jahren ausgesetzt werden. Weniger als fünf Prozent der Studienteilnehmer erreichten diesen Wert. Für eine Strah-
lenexposition von 100 mSv bestimmten die Autoren ein gegenüber der Allge- meinbevölkerung erhöhtes Sterberisiko für Krebs (außer Leukämie) von 9,7 Prozent (Konfidenzintervall [KI]: 1,4 bis 19,7 Prozent). Wenn hierbei neben Leukämie auch Tumoren der Lunge und Pleura nicht berücksichtigt wurden, ergab dies ein Mortalitätsrisiko von 5,9 Prozent (KI: –2,9 bis 17,0 Prozent). Als korrespondierenden Wert für Leukä- mie (ohne CLL) errechnete man 19 Pro- zent (KI: 0 bis 84,7 Prozent) . Das ermit- telte Krebsrisiko war somit höher als je- nes, das durch Extrapolation der Strah- lenbelastung nach den Atombomben- abwürfen erwartet wurde.
Ausgehend von diesen Zahlen vermu- ten Cardis und Mitarbeiter, dass für ein bis zwei Prozent der auf Krebserkran- kungen zurückgeführten Todesfälle in der untersuchten Kohorte die Strahlen- belastung am Arbeitsplatz verantwort- lich war. Cardis betont, dass der Großteil der Strahlendosis in den Anfangsjahren der Nuklearindustrie emittiert wurde, wohingegen heute strengere Sicherheits- bestimmungen gelten. Obwohl die in dieser Studie kalkulierten Risiken höher
seien als diejenigen, auf denen die Strah- lenschutzbestimmungen basieren, lägen sie in der gleichen Größenordnung, erklären die Forscher. me Cardis E, Vrijheid M, Blettner M et al.: Risk of cancer after low doses of ionising radiation – retrospektive cohort stu- dy in 15 contries. BMJ online veröffentlicht 29. 6. 2005;
doi:10.1136/bmj.38499.599861
Elisabeth Cardis, International Agency for Research on Cancer, Lyon, Frankreich, E-Mail: cardis@iarc.fr
Risikofaktoren des Cholangiokarzinoms
Es lässt sich ein Anstieg der intrahepa- tischen Cholangiokarzinome (CCC) beobachten.
Die Autoren führten eine Risikoana- lyse bei 625 Patienten durch, deren Da- ten mit 90 834 Kontrollpersonen vergli- chen wurden. Ein erhöhtes CCC-Risiko bestand bei Hepatitis-C-Virus, HIV-In- fektion, Leberzirrhose, Diabetes melli- tus sowie chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen. w
Shaib Y H et al.: Risk factors of intrahepatic cholangio- carcinoma in the United States: A case-control study.
Gastroenterology 2005; 128: 620–626.
Dr.Y. H. Shaib,The Houston Veterans Affairs Medical Center, 2002 Holcombe Blvd. (152), Houston,TX 77030, USA E-Mail: yshaib@bcm.tmc.edu
Leicht erhöhtes Krebsrisiko durch geringe Strahlenexposition
Referiert