Das Mammakarzinom ver- läuft bei älteren Patientinnen nur marginal anders als bei jüngeren Frauen; wegweisend für die Therapieentscheidung sind neben Begleiterkrankun- gen der Erhalt der Alltags- aktivitäten und das soziale Umfeld.
Für die Behandlung des Mammakarzinoms bei Frauen älter als 65 Jahre existieren kei- ne Standards; in den großen Studien macht der Anteil die- ser Patientinnen gerade neun Prozent aus. Andererseits nimmt aufgrund der höheren Lebenserwartung die Zahl der älteren Brustkrebs-Patientin- nen zu: In den USA würden 35 Prozent der primären Mam- makarzinome bei über 70-Jäh- rigen diagnostiziert, erläuterte Dr. Achim Rody (Frankfurt/
Main). Eine 70-Jährige habe heute aber noch eine Lebens- erwartung von rund 15 Jahren, betonte Rody.
Begleiterkrankungen limitieren Therapie
Der Verlauf der Erkrankung – sei es lokal, regional oder fernmetastasiert – unterschei- det sich nur marginal von demjenigen jüngerer Patien- tinnen. Limitierend für die Therapieoptionen sind jedoch Begleiterkrankungen: Rund die Hälfte der 70-Jährigen wei- sen eine Hypertonie auf, zu- sätzlich 15 Prozent eine schwer- wiegende und etwa zehn Pro- zent eine moderat ausgeprägte Herzerkrankung.
Nur aus zwei Studien liegen Ergebnisse für ältere Brust- krebs-Patientinnen vor: Beim operablen Mammakarzinom ist hinsichtlich des Gesamt- überlebens kein Unterschied zwischen alleiniger Mastekto- mie oder aber endokriner Therapie – der Eingriff schnei- det jedoch in Bezug auf loko- regionäre Rezidive signifikant besser ab. Wird eine bruster- haltende Operation mit endo-
kriner Therapie kombiniert, zeigt sich ein klarer Vorteil beim Risiko der Fernmeta- stasierung gegenüber der al- leinigen Mastektomie, wäh- rend bei lokoregionärer Tu- morkontrolle und Gesamt- überleben kein Unterschied besteht.
Auch die Radiatio nach brusterhaltender Kombinati- on mit endokriner Therapie ist kein Muss bei fehlenden Fernmetastasen – es kommt nur zu weniger Lokalrezidi- ven, das Gesamtüberleben ist vergleichbar. Beides gilt auch für das operable Mamma- karzinom, wenn Operation und endokrine Therapie mit einer axillären Lymphkno- tenresektion verbunden wer- den oder darauf verzichtet wird. „Es ist trotz der be- grenzten Daten demnach mög- lich, primär endokrin zu the- rapieren, und es gibt auch operative Verzichtbarkeiten“, kommentierte Prof. Jörn Hilf- rich (Hannover).
Bei gutem Allgemeinzu- stand ist auch die adjuvante Chemotherapie eine Option.
Dabei seien unter dem CMF*- Standardregime und beim FEC**-Schema mit reduzier- ter Anthrazyklin-Dosis die Abbruchraten relativ niedrig, während fast alle Zyklen mit der Normaldosis Epirubicin abgebrochen werden muss- ten, betonte Rody. Der Re- ferent wies darauf hin, dass bei älteren Patientinnen die bekannten Nebenwirkungen der Chemotherapie – Übel- keit und Erbrechen – deutlich seltener auftreten als bei jün- geren. Dafür komme es häu- figer zur Myelosuppression, und Mukositiden fallen schwe- rer aus; aufgrund der hä- matologischen Toxizität sei deshalb die prophylaktische
Gabe von Wachstumsfakto- ren Standard.
Knapp die Hälfte der Brust- krebs-Patientinnen älter als 65 Jahre weisen Fernmetasta- sen auf. Hier können auch wöchentliche Taxan-Regimes erwogen werden. Beim Ein- satz von Docetaxel (Taxo- tere®, 35 bis 40 mg/m2) sind nach einer retrospektiven Analyse Ansprechraten von 36 Prozent und eine Stabilisie-
rung in der gleichen Größen- ordnung zu erreichen – ohne wesentliche Grad-4-Toxizität und bei geringer Grad-3-Hä- motoxizität. Für die wöchent- liche adjuvante Gabe beste- he noch keine ausreichen- de Datenlage, betonte Rody.
Docetaxel ist derzeit für die First- und Second-Line-Be- handlung zugelassen. Im Früh- jahr 2005 wird auch die Zulas- sung für die adjuvante Be- handlung erwartet.
Dr. rer. nat. Renate Leinmüller
6. Frankfurter Interdisziplinäres Fortbil- dungsseminar „Therapie des Mammakar- zinoms – Anspruch und Realität“ in Frank- furt/Main, Veranstalter: Sanofi Aventis V A R I A
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 1–2⏐⏐10. Januar 2005 AA67
Brustkrebs bei der älteren Patientin
Standards fehlen weitgehend
*CMF = Cyclophosphamid+Metotrexat+
5-Fluorouracil
**FEC = 5-Fluorouracil+Epirubicin+ Cyclo- phosphamid