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Archiv "Brustkrebs beim Mann" (26.04.2002)

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B

rustkrebs beim Mann (ICD 175) ist eine seltene Erkrankung. In den westlichen Ländern beträgt das Verhältnis von Brustkrebs beim Mann zu dem bei der Frau 1:100. Jähr- lich erkranken 43 000 Frauen und et- wa 400 Männer in Deutschland an Brustkrebs (81). Die altersstandardi- sierte Erkrankungsrate beträgt welt- weit einen Fall pro 100 000 Männer- jahre (61, 81). Dabei steigt die Inzi- denz exponenziell mit dem Alter an (82). Männer erkranken durchschnitt- lich zehn Jahre später als Frauen, das mediane Erkrankungsalter liegt zwi- schen 61 und 65 Jahren (19, 25, 33, 41).

Im Jahr 1999 sind in Deutschland 182 Männer laut Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes an Brustkrebs verstorben. Die jährliche altersstandardisierte Mortalitätsrate lag in den vergangenen zehn Jahren im Saarland zwischen 0,27 und 0,36 pro 100 000 Männer (81). Dabei war die Mortalität in Europa in den vergan- genen Dekaden konstant (45). Die Prävalenz des männlichen Mamma- karzinoms variiert weltweit mit hohen Raten in Nordamerika und Europa, sehr hohen Raten in Zambia (4) und sehr niedrigen Raten in Asien (70, 97).

Schwarze Männer in den Vereinigten Staaten, aber auch in den afrikani schen Ländern, haben ein höheres Brustkrebsrisiko als weiße (4, 69, 82).

Klinische Charakteristika

Unter 229 männlichen Mammakarzi- nomen manifestierten sich 86 Prozent als schmerzloser, meist zentral sub- areolär lokalisierter Knoten, 26 Pro- zent wiesen eine Retraktion und 22 Prozent Ulzeration, Blutung oder Se- kretion der Mamille auf. Bei zehn Pro- zent bestanden Schmerzen und fünf Prozent waren inflammatorisch. (25, 60). Die Mehrzahl der Karzinome (61 Prozent) wurde von den Patienten selbst als Knoten getastet, 29 Prozent wurden durch andere Symptome be-

merkt und fünf Prozent fielen bei der ärztlichen Untersuchung auf. Die mittlere Dauer der Symptome bis zur Diagnose betrug zwischen sechs und 22 Monaten (14, 25, 33, 85). Bei Dia- gnosestellung hatte die Mehrzahl der Tumoren bereits einen Durchmesser von mehr als 2 cm (25, 41) und bei zahlreichen Patienten (60 Prozent) be- stand bereits ein axillärer Lymphkno- tenbefall (41). Zur Stadieneinteilung wird das TNM-System eingesetzt, das auch beim Mammakarzinom der Frau verwendet wird. Eine klinische Gy- näkomastie wurde bei 7 bis 20 Prozent der Männer mit Brustkrebs festge- stellt (25, 33). Allerdings ist diese bei 36 Prozent gesunder männlicher Ko- horten nachzuweisen und stellt keinen isolierten Risikofaktor für den männ- lichen Brustkrebs dar (9, 25).

Mammographisch erscheint das männliche Mammakarzinom als scharf begrenzte Raumforderung, Mikrokal- zifikationen sind grobkörniger und insgesamt seltener als bei der Frau (2).

Der diagnostische Nutzen der Mam- mographie ist bei adipösen Männern mit größeren Mammae höher und kann zur Differenzialdiagnostik ei- ner Gynäkomastie beitragen (6). Die Mammasonographie kann, insbeson- dere bei technisch schwierig durch- zuführender Mammographie aufgrund kleiner Mammae, komplementär zur Mammographie eingesetzt werden (38, 90). Es gibt mehrere Fallberichte von intrazystischen papillären Mam- makarzinomen bei Männern, die sonographisch diagnostiziert wurden (1, 37, 53, 94). Histopathologisch ist wie bei den Frauen das invasiv duktale Mammakarzinom mit 65 bis 80 Pro- zent der häufigste Tumortyp (6, 19, 33, 41). In etwa 17 Prozent der Fälle liegt ein Carcinoma ductale in situ der Mamma vor (6, 19, 33, 41, 105), das invasiv lobuläre Mammakarzinom wird hingegen sehr selten (0,5 bis 1 Prozent) diagnostiziert (56, 84). Ein hoher Prozentsatz von bis zu 90 Pro- zent der männlichen Mammakarzino- me sind immunhistochemisch positiv für den Östrogen- und Progesteron-

Brustkrebs beim Mann

Zusammenfassung

Brustkrebs beim Mann ist eine seltene Erkran- kung. Das Verhältnis von Männern zu Frauen mit Brustkrebs beträgt 1 : 100, wobei Männer im Median zehn Jahre später erkranken. Kli- nisch fallen meist zentral subareolär gelegene Resistenzen oder Veränderungen der Mamille auf. Es handelt sich vorwiegend um invasiv duktale Mammakarzinome, die zu einem ho- hen Prozentsatz Steroidrezeptoren exprimie- ren. Die Diagnosestellung erfolgt im Median nach sechs bis 22 Monaten in fortgeschrittenen Stadien. Darauf ist die insgesamt schlechtere Prognose des Mammakarzinoms beim Mann zurückzuführen. Heute sind Keimbahnmuta- tionen in den Mismatch-Repair-Genen, im BR- CA1, im PTEN, im Androgenrezeptor-Gen, vor allem aber im BRCA2 bekannt, die zu einem ge- ringen Prozentsatz mit dem Mammakarzinom des Mannes assoziiert sind. Ätiologisch wird ei- ne Erhöhung der Östrogen-Testosteron-Ratio und die Exposition zu verschiedenen Noxen diskutiert. Die Therapie des Mammakarzinoms beim Mann erfolgt analog zum Mammakarzi- nom der Frau.

Schlüsselwörter: Mammakarzinom, Klinefel- ter-Syndrom, BRCA2-Gen, Krebsdiagnostik, Krebstherapie

Summary

Male Breast Cancer

Breast carcinoma is a rare disease in men. The incidence is 1 per cent of the incidence in women.

It presents ten years later than in females and most frequently occurs in the central subareolar region or appears as nipple discharge. The majo- rity of tumours is the invasive ductal type and stains positive for steroid receptors. The less favourable prognosis is due to presentation in an advanced stage and to delay of diagnosis with a median duration of symptoms between 6 and 22 months. In recent years, germline mutations have been observed in male breast carcinoma patients in several genes including BRCA2, the mismatch repair genes, BRCA1, the androgen receptor gene and PTEN. Relative hyperestrogenism and environmental factors seem to be important in development of the disease. Treatment is similar to that in female breast carcinoma.

Key words: breast carcinoma, Klinefelter syn- drome, BRCA2 gene, cancer diagnosis, cancer therapy

Frauenärztliche Praxis und Medizinische Genetik, Würzburg

Jael Backe

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rezeptor, zu einem geringeren Pro- zentsatz auch für den Androgenrezep- tor (62, 75, 104, 105).

Prognose

Wie die klinischen und histopatho- logischen Charakteristika sind die Prognosefaktoren beim männlichen Brustkrebs ähnlich wie beim Mamma- karzinom der Frau (41, 75). Es werden 5-Jahres-Überlebensraten von 51 Pro- zent bis 86 Prozent und 10-Jahres- Überlebensraten von 24 Prozent bis 64 Prozent berichtet (19, 33). Das 10-Jah- res-Gesamtüberleben im Stadium I wird mit 57 Prozent, im Stadium II mit 26 Prozent und mit 0 Prozent im Stadi- um III angegeben (17). Die insgesamt schlechtere Prognose des Mammakar- zinoms beim Mann im Vergleich zur Frau ergibt sich aus dem höheren Er- krankungsalter und aus dem meist fortgeschrittenen Stadium bei Dia- gnosestellung (19). Nach Adaptation der Prognosefaktoren von Mamma- karzinomen bei Mann und Frau sind die Überlebensraten in beiden Grup- pen ähnlich (106). Das Vorkommen von weiteren an Brustkrebs erkrank- ten Familienangehörigen erwies sich in einer Studie mit 142 männlichen Brustkrebspatienten nicht als Progno- sefaktor, der axilläre Nodalstatus war der wichtigste prognostische Indikator (33).

Genetische Faktoren

In Abhängigkeit von der untersuchten Population haben 15 bis 30 Prozent der Männer mit Brustkrebs eine fami- liäre Brustkrebsanamnese (33, 58).

Das Brustkrebsrisiko für Männer steigt, wenn eine Verwandte ersten Grades bei Diagnose des Mammakar- zinoms jünger als 45 Jahre war (80).

Dies weist auf eine genetische Prädis- position hin. Männer mit dem Karyo- typ 47, XXY, der dem Klinefelter Syn- drom zugrunde liegt, haben ein 50- fach erhöhtes Risiko für die Entste- hung eines Mammakarzinoms (36, 51, 95). Phänotypisch besteht bei diesen Männern ein eunuchoider Habitus mit Gynäkomastie und kleinen festen Ho-

den. Das Klinefelter-Syndrom tritt bei einer von 400 bis 1 000 Geburten auf (40). Bei einer neueren schwedischen Untersuchung von 93 Männern mit Mammakarzinom wurden 7,5 Prozent mit Klinefelter-Syndrom identifiziert (36). In früheren Untersuchungen wurden niedrigere Raten von drei Prozent ermittelt (29, 31, 86). In den vergangenen Jahren wurden mehrere Gene identifiziert, die bei männlichen und weiblichen Mutationsträgern mit einer erhöhten Brustkrebs-Suszeptibi- lität einhergehen können (Tabelle 1).

BRCA2

BRCA2-Keimbahnmutationen sind hierbei eindeutig mit dem männlichen Brustkrebs assoziiert (74, 109). Der Prozentsatz von Männern mit Mam- makarzinom in Familien mit BRCA2- Mutationen beträgt 11 Prozent, in der allgemeinen Bevölkerung hingegen weniger als 1 Prozent (64). Das Vor-

kommen von männlichen Brustkrebs- patienten in einer Brust-, und Ovarial- karzinomfamilie kann als Indikator für BRCA2-Mutationen angesehen werden (23, 24, 28, 64, 102). Dabei wird das kumulative Risiko für einen männlichen BRCA2-Mutationsträger, bis zum Alter von 80 Jahren an Brust- krebs zu erkranken, mit 6,92 Pro- zent beziffert (101). Der Anteil von BRCA2-Mutationsträgern wurde in verschiedenen Studien analysiert (Ta- belle 2)und liegt in Abhängigkeit von der untersuchten Population zwischen 4 Prozent und bei 40 Prozent in Island (13, 18, 15, 24, 28, 44, 55, 102). Die Be- sonderheit der isländischen Untersu- chung besteht darin, dass 40 Prozent aller Männer, die in Island seit 40 Jah- ren an Brustkrebs erkrankt sind, die BRCA2-Mutation 999del5 aufweisen (102). Es handelt sich um eine „Foun- der“-Mutation, die in dieser isolier- ten Population besonders häufig ist.

Die Anzahl der Mutationsträger, bei denen eine familiäre Anamnese für

´ Tabelle 1 ´

Mit dem männlichen Brustkrebs assoziierte Gene

Gen Gen-Locus Erkrankung Symptome

BRCA1 17q21 Familiärer Brust- und „Early-onset“-Mammakarzinom, Eierstockkrebs Ovarialkarzinom BRCA2 13q12-13 Familiärer Brust- und „Early-onset“-Mammakarzinom,

Eierstockkrebs Ovarialkarzinom AR Xq11-q12 Androgenresistenz- Karyotyp 46, XY, weibliches

Syndrom äußeres Genitale, weibliche Mamma, Kryptorchismus

Partielles Androgen- Hypospadie, Mikropenis, resistenzsyndrom Gynäkomastie (Reifenstein-Syndrom)

Mismatch- Erbliches, kolorektales „Early-onset“-kolorektales Karzinom, Repair-Gene: Karzinom ohne Endometriumkarzinom, Karzinome hMSH2 2p16 Polyposis des oberen Gastrointestinaltrakts, hMLH1 3p21.3 (HNPCC) Karzinome des hepatobiliären Systems,

hPMS1 2q31–33 Urothelkarzinom, Ovarialkarzinom,

hPMS2 7p22 Pankreaskarzinom

PTEN 10q22–23 Cowden-Syndrom Multiple Hamartome: verruköse Haut- läsionen, Faciale Trichilemmome, pflastersteinartige Papeln der Mund- schleimhaut, intestinale Hamartome, Mamma-, Ovarial-, Zervixkarzinom,

follikuläres Schilddrüsenkarzinom, Kolonkarzinom, Meningeom

(3)

Brust- oder Ovarialkrebs vorliegt, va- riiert deutlich in den verschiedenen Untersuchungen (Tabelle 2). Dies weist auf die variable Penetranz der jewei- ligen Mutationen hin.

BRCA1

BRCA1 spielt eine untergeordnete Rolle als genetischer Faktor beim männlichen Brustkrebs. In mehre- ren bevölkerungsbezogenen Untersu- chungen konnten keine BRCA1-Mu-

tationen bei den betroffenen Männern festgestellt werden (15, 24), obwohl in 16 Prozent der Brustkrebsfamilien mit einem oder mehreren Fällen von männlichem Brustkrebs BRCA1-Mu- tationen gefunden wurden (23). Die Analyse einer Familie mit häufigem Vorkommen von Brust- und Eier- stockkrebs ergab eine BRCA1-Keim- bahnmutation bei einem männlichen Brustkrebspatienten (93), und in Israel wurde bei vier von 110 Männern mit Brustkrebs die BRCA1 „Founder“- Mutation 185delAG identifiziert (94).

Androgenrezeptor-Gen

Neben BRCA1 und BRCA2 wird das Androgenrezeptor- (AR-)Gen mit der Entstehung des männlichen Mamma- karzinoms in Verbindung gebracht (48, 108). Bei zwei Brüdern (108) und bei ei- nem weiteren Mann mit partieller An- drogenresistenz und Mammakarzinom (48, 49) wurden Keimbahnmutationen im Exon drei des AR-Gens nachgewie- sen. Die partielle Androgenresistenz, auch als Reifenstein-Syndrom bekannt, geht bei karyotypisch männlichen Indi- viduen mit Gynäkomastie, Infertilität, und Störungen der männlichen Genital- entwicklung einher (34). In der schwe- dischen und polnischen Untersuchung von 34 und 37 Männern mit Mamma- karzinom konnte jedoch keine Muta- tion im AR-Gen nachgewiesen werden (28, 44).

Mismatch-Repair-Gene

Mehrere Fallberichte geben Hinweise darauf, dass männlicher Brustkrebs auch als integraler Tumor des erbli- chen kolorektalen Karzinoms ohne Polyposis (HNPCC) auftreten kann, wobei in jedem Fall eine Keimbahn- mutation des Mismatch-Repair-Gens hMLH1 vorlag (5, 7, 26).

PTEN-Gen

In einer aktuellen Publikation wird ein Zusammenhang von männlichem Brustkrebs mit dem Cowden-Syndrom (CS) aufgezeigt (21). Das CS ist eine au- tosomal dominant vererbte Erkran- kung, die durch zahlreiche Hamartome, insbesondere mukokutane Trichilem- mome, akrale und palmoplantare Kera- tosen sowie durch eine Prädisposition für das Mamma- und Schilddrüsenkar- zinom gekennzeichnet ist (3). Das CS ist assoziiert mit Mutationen des Tu- morsuppressor-Gens PTEN, die bei 13 bis 81 Prozent der CS-Familien gefun- den werden (47, 63). Bei zwei Männern, die mit 41 und 43 Jahren an einem Mammakarzinom erkrankten und die die typischen morphologischen Zei- chen des CS aufwiesen, wurden PTEN- Keimbahnmutationen festgestellt (21).

´ Tabelle 2 ´

BRCA2-Keimbahnmutationen bei Männern mit Brustkrebs

Land Untersuchte BRCA2- Mutationsträger Literatur

Männer Mutationen mit familiärer Brustkrebs-

n n (%) anamnese n

USA54 2 (4) 1 24

Großbritannien 28 3 (11) 1 55

Polen 37 4 (11) 1 44

USA50 7 (14) 6 13

Schweden 34 7 (21) 1 28

Spanien 11 3 (27) 3 18

Ungarn 18 6 (33) 0 15

Island 30 12 (40) 9 102

Grafik

Mögliche Risikofaktoren für den männlichen Brustkrebs (modifiziert nach 82)

(4)

Dies weist auf die mögliche Bedeutung des PTEN beim früh auftretenden Mammakarzinom des Mannes hin.

Keimbahnmutationen in den bisher untersuchten Genen können heute nur einen Anteil von 4 bis 14 Prozent der Mammakarzinome bei Männern er- klären (94, 110, 111). Dabei kommt BRCA2-Mutationen die größte Bedeu- tung zu. Es gibt einige neuere Unter- suchungen, die den Einfluss weiterer genetischer Faktoren beim männlichen Brustkrebs nahe legen (83, 110, 111).

Genetische Beratung

Eine Fall-Kontroll-Studie mit 153 männlichen Brustkrebspatienten in Schweden zeigte eine signifikant erhöh- te Inzidenz von Mamma- und Ovarial- und Parotiskarzinomen bei den Müt- tern, Schwestern und Töchtern der be- troffenen Männer im Vergleich zu de- ren Ehefrauen (67). Das relative Brust- krebsrisiko der Töchter von Männern mit Brustkrebs wird in Abhängigkeit von der Studienpopulation mit 1,2 (32) bis 4,2 (91) beziffert. Diese Ergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit der ge- netischen Beratung bei Männern mit Brustkrebs und deren Angehörigen.

Diese ist in Deutschland in spezialisier- ten interdisziplinären Zentren für fami- liären Brust- und Eierstockkrebs, die von der Deutschen Krebshilfe geför- dert werden, möglich.

Endokrinologische und expositionelle Risikofaktoren

Epidemiologische Studien geben Hin- weise darauf, dass bei Männern mit Mammakarzinom Faktoren vorliegen, die direkt oder indirekt zu einer Er- höhung der Östrogen-Testosteron-Ra- tio führen (77, 82, 98) (Grafik). Hoden- erkrankungen wie die Mumps-Orchitis, nicht deszendierte Testes und Hoden- traumata gehen, möglicherweise be- dingt durch ein Androgendefizit, mit ei- nem erhöhten Brustkrebsrisiko einher (98). Ein weiterer prädisponierender Faktor ist die Leberzirrhose, bei der er- höhte endogene Östrogenspiegel wirk- sam werden (46, 57, 88). Die Adipositas stellt einen wichtigen Risikofaktor für

das Mammakarzinom des Mannes dar (20, 35). Dabei entsteht durch die peri- phere Aromatisierung von Testosteron zu Östradiol und von Androstendion zu Östron eine Östrogendominanz, die als kausaler Faktor bei der Pathogenese des Mammakarzinoms von Bedeutung ist. Die exogene Östrogenzufuhr im Rahmen der Therapie des Prostatakar- zinoms wird in Einzelberichten eben- falls mit dem männlichen Mammakarzi- nom assoziiert (66, 87). In der Literatur werden insgesamt drei männliche Transsexuelle beschrieben, die in der Folge einer hoch dosierten Östro- gentherapie ein Mammakarzinom ent- wickelten (73, 96). Eine Risikoer- höhung für männlichen Brustkrebs war auch bei erhöhten Östradiol-Serum- spiegeln und bei erhöhter Ausscheidung von Östradiol im Urin nachweisbar (8, 16, 65). Es gibt mehrere Fallberichte über das Auftreten von männlichem Brustkrebs in Zusammenhang mit Hy- pophysenadenomen, insbesondere mit Prolaktinomen (27, 103) und mit einer Hyperprolaktinämie (42, 68), die in Fall-Kontroll-Studien nicht bestätigt wurden (10, 46). Eine Studie wies eine signifikante Häufung von Schädelfrak- turen und von Commotio cerebri mit potenzieller Beeinträchtigung des Pro- laktinspiegels in der Anamnese männli- cher Brustkrebspatienten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe nach (68). Die berufliche Exposition gegenüber Hitze bei Arbeitern in Walzwerken, in Stahl- werken und an Hochöfen erwies sich in einer Studie als Risikofaktor (52, 71, 78), der möglicherweise über eine ther- mische Schädigung der Hoden wirksam wird. Als weitere Berufsgruppen mit er- höhtem Brustkrebsrisiko für Männer wurden Automechaniker (71) und Metzger identifiziert (46). Es gibt Hin- weise darauf, dass Männer, die in ihrer Jugend aufgrund einer Thymushyper- plasie oder aufgrund einer Gynäkoma- stie einer Radiatio des Thorax unterzo- gen worden sind, mit einer medianen Latenzzeit von 30 Jahren ein Mamma- karzinom entwickelt haben (14, 43, 79, 99, 100). Ein erhöhtes Mammakarzi- nomrisiko ergibt sich ebenso für Män- ner, die früher wiederholte Fluoroskopi- en der Brust erhalten hatten (12).

Die frühere Einnahme verschiede- ner Medikamente wie Isoniazid, Digita-

lis, Substanzen, die die Prolaktinsekre- tion steigern und insbesondere die Ein- nahme von Amphetamin wird in meh- reren kleineren Fall-Kontroll-Studien mit dem männlichen Brustkrebs in Ver- bindung gebracht (10, 20, 46, 98).

Die Diskussion über den Stellenwert niedrig frequenter elektromagnetischer Felder als Risikofaktor wird kontrovers geführt, wobei die Mehrzahl der größe- ren Fall-Kontroll-Studien (11, 78, 89) und retrospektive Analysen der Inzi- denzraten (71) keinen Einfluss auf das männliche Brustkrebsrisiko nachwei- sen konnte.

Therapie

Es gibt zurzeit noch keine prospektiven randomisierten Untersuchungen zur Optimierung des therapeutischen Vor- gehens beim männlichen Mammakarzi- nom (107). Während im Zeitraum von 1955 bis 1965 noch 47 Prozent der männlichen Mammakarzinome mit ra- dikaler Mastektomie operiert wurden, hat sich in den letzten zwei Dekaden die einfache oder modifiziert radikale Mastektomie durchgesetzt (25). Neuer- dings wird die „Sentinel“-Lymphkno- ten-Biopsie auch erfolgreich bei frühen Stadien des männlichen Mammakarzi- noms angewendet (72). Die adjuvante Radiatio der Brustwand erwies sich als wirksam zur lokalen Tumorkontrolle (92). Bei Patienten mit axillären Lymph- knotenmetastasen und Steroidrezeptor- positiven Tumoren wird, ähnlich wie beim Mammakarzinom der Frau, das Überleben durch adjuvante systemi- sche Chemotherapie und Hormon- therapie mit Tamoxifen signifikant ver- längert (19, 25, 54, 76). Der hohe An- teil rezeptorpositiver Tumoren macht die Therapie mit Tamoxifen viel- versprechend. Allerdings gibt es Be- richte über das Auftreten von Libido- verlust, Gewichtszunahme und Hitze- wallungen unter der Tamoxifen-Einnah- me bei Männern, die häufig zum Abset- zen des Medikamentes führen (59). Als weitere endokrine Verfahren werden die Orchiektomie (39), die Gabe von Releasing-Faktor des Luteinisierungs- hormons in Kombination mit einem Antiandrogen (50) und die Gabe von Aminoglutethimid diskutiert (30). ✁

(5)

Evaluierte Therapiekonzepte sind für die Prognose der betroffenen Män- ner ebenso wünschenswert wie eine verbesserte Früherkennung, durch die eine Verzögerung der Diagnosestellung vermieden werden könnte.

Manuskript eingereicht: 12. 9. 2001, revidierte Fassung angenommen: 28. 11. 2001

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 1168–1172 [Heft 17]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift der Verfasserin:

Priv.–Doz. Dr. med. Jael Backe Frauenärztin und Medizinische Genetik Domstraße 12, 97070 Würzburg E-Mail: jael.backe@t-online.de

zu dem Beitrag

Neurovaskuläre Kompression des Hirnstamms als eine mögliche Ursache der arteriellen Hypertonie

von

Prof. Dr. med. Helmut Geiger in Heft 50/2001

DISKUSSION

Weitere Ergebnisse

Zur arteriellen Hypertonie und neuro- vaskulären Kompression sind noch viele Fragen offen. Diese umfassen unter an- derem Pathomechanismen, Ursachen der arteriellen Hypertonie, Diagnostik und Therapie bis hin zu ethischen und ökonomischen Problemen. Über die vor- läufigen Ergebnisse aus unserer ersten prospektiven Studie zur operativen Be- handlung (mikrovaskuläre Dekompres- sion) der therapieresistenten arteriellen Hypertonie der seit 1992 bestehenden

Arbeitsgruppe an der Universität Erlan- gen-Nürnberg hat Herr Geiger 1998 be- richtet (1). Inzwischen hat die Gruppe in Erlangen einen Langzeitverlauf von über sechs Jahren vorgestellt und die opera- tiven Erfahrungen auf zwölf Patienten ohne wesentliche Morbidität erweitern können (2, 3). In diesem Kollektiv mit maligner Hypertonie wurde eine positive Beeinflussung des Blutdrucks mit Nor- malisierung beziehungsweise signifikan- ter Reduktion der erforderlichen Medi- kation zur Normalisierung bei 80 Prozent und bei 50 Prozent über fünf Jahre be- obachtet. Inwieweit eine Erweiterung der Indikation zur Operation auch auf Patienten in einem nicht so ungünstigen Stadium der Erkrankung einen noch bes- seren Erfolg ergeben wird, bleibt abzu- warten (3). Ein interdisziplinäres For- schungsprojekt mit dem Titel „Neuro- vaskuläre Kompression der ventrolate- ralen Medulla oblongata – ein patho- genetisches Prinzip für die essenzielle Hypertonie“ wird mit Unterstützung der DFG in Erlangen betrieben. Wie uns aus den Erfahrungen von anatomischen Studien und MRT-Untersuchungen von über 300 Patienten mit neurovaskulären Kompressionssyndromen bekannt ist, bedarf die Durchführung und Interpreta- tion von Kernspintomographien zur Se- lektion geeigneter Patienten für eine eventuelle Operation einer speziellen Erfahrung (4, 5). Wie auch Herr Geiger möchten wir nochmals betonen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die not- wendigen weiteren Erfahrungen nur an interdisziplinär kooperierenden Zentren mit entsprechender Expertise unter strengen kontrollierten Studienbedin- gungen vervollständigt werden sollen, um schmerzliche, nicht vertretbare Rück- schläge zu vermeiden (1, 2, 3). Dies macht auch die Notwendigkeit der weite- ren engen Zusammenarbeit der auf die- sem Gebiet aktiv Forschenden deutlich.

Literatur

1. Geiger H, Naraghi R, Schobel HP, Frank H, Sterzel B, Fahlbusch R: Decrease of blood pressure by ventro- lateral medullary decompression in essential hypertensi- on. The Lancet 1998; 352: 446–449.

2. Frank H, Schobel HP, Heusser K, Geiger H, Fahlbusch R, Naraghi R: Long-term results after microvascular de- compression in essential hypertension. Stroke 2001; 32:

2950–2955.

3. Naraghi R, Fahlbsuch R: Microvascular decompression for the treatment of hypertension. Operative techniques in neurosurgery 2001; 4: 153–161.

Dr. med. Ramin Naraghi Prof. Dr. med. Rudolf Fahlbusch Prof. Dr. med. Walter Huk Neurochirurgische Klinik Dr. med. Helga Frank Prof. Dr. med. Hans Schobel Medizinische Klinik IV Universität Erlangen-Nürnberg Schwabachanlage 6 91054 Erlangen

Prof. Dr. med. Friedrich Luft Nephrologie, Hypertensiologie, Genetik Humboldt-Universität zu Berlin

Schlusswort

Für die Zuschrift von Naraghi et al.

möchte ich mich bedanken, da darin noch einmal zum Ausdruck gebracht wird, dass weitere wissenschaftliche Stu- dien zur neurovaskulären Kompression der ventrolateralen Medulla oblongata nur an Zentren durchgeführt werden sollten, die eine ausreichende Expertise mit dieser Thematik haben. Dabei möchte ich darauf hinweisen, dass die Gruppe von Fahlbusch und Naraghi bis- her in Deutschland die meisten derarti- gen Operationen durchgeführt hat. Die interdisziplinäre Erforschung dieses in- teressanten Projektes, das zusammen mit den Unterzeichnern des Leserbrie- fes an der Universitätsklinik Erlangen initiiert wurde, hat in den letzten Jahren viele neue Aspekte zur Pathogenese der neurogenen Hypertonie eröffnet. Er- gänzend zu meinem Beitrag möchte ich auf die kürzlich publizierten Arbeiten zur Genetik (1) und zur Pathophysiolo- gie (2) der neurovaskulären Kompres- sion sowie zu den Langzeitergebnissen nach mikrovaskulärer Dekompression (3) hinweisen.

Literatur

1. Luft FC: Monogenic hypertension: Lessons from the ge- nome. Kidney Int 2001; 60: 381–390.

2. Schobel HP, Frank H, Naraghi R, Geiger H, Titz E, Heusser K: Hypertension in patients with neurovascular compres- sion is associated with increased central sympathetic outflow. J Am Soc Nephrol 2002; 13: 35–41.

3. Frank H, Schobel HP, Heusser K, Geiger H, Fahlbusch R, Naraghi R: Long-term results after microvascular decom- pression in essential hypertension. Stroke 2001; 32:

2950–2955.

Prof. Dr. med. Helmut Geiger Medizinische Klinik IV / Nephrologie Universitätsklinikum Frankfurt/Main Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt

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