Im vor fünf Jahren zu Ende ge- gangenen Golfkrieg waren insge- samt 697 000 Personen militärisch tätig. Bereits kurz nach Kriegsende wurden von einem Teil der Kriegsve- teranen Beschwerden geschildert, die mit dem Kriegseinsatz im Persi- schen Golf in Verbindung gebracht wurden. Die geklagte Symptomatik der Kriegsteilnehmer ließ sich we- gen der Vielfältigkeit der Beschwer- debilder jedoch nur schwer definier- ten Krankheitsbildern zuordnen.
Die Beschwerden ließen zu- nächst vermuten, daß die meisten von ihnen psychologisch begründet waren, wie zum Beispiel das aus dem Vietnamkrieg bekannte „posttrau- matische Streß-Syndrom“ oder funktionelle somatoforme Störun- gen und reaktive Depressionen. Bei genauerer Analyse der Beschwerde- bilder kristallisierten sich jedoch bei vielen der Patienten neurologische Symptomkomplexe heraus, die eher einer Schädigung mit neurotropen Toxinen zuzuordnen waren.
In der Zeitschrift der amerika- nischen Ärztevereinigung (JAMA) wurden vier Arbeiten zu diesem Thema publiziert. Aktive Kriegsteil- nehmer sowie als Kontrollgruppe nicht in den Golfkrieg involvierte Militärpersonen waren durch Frage- bögen sowie körperlich, neurolo- gisch und apparativ untersucht wor- den. Dabei ließen sich in allen vier Untersuchungen bei einem hohen Anteil der aktiven Golfkriegsteil-
nehmer (in einer Untersuchung bis 70 Prozent) ernsthafte Gesundheits- probleme nachweisen, die ein brei- tes Spektrum an Schäden am zentra- len, peripheren und autonomen Ner- vensystem reflektieren. Die Be- schwerden konnten sechs verschie- denen Symptomkomplexen zuge- ordnet werden:
¿ Verminderte Kognition (re- duzierte Aufmerksamkeit, Gedäch- nisstörungen, Schlaflosigkeit, De- pressionen, Müdigkeit, Kopfschmer- zen)À Konfusion/Ataxie (formale
Denkstörung, Desorientiertheit, Gleichgewichtsstörungen, Schwin- del, Impotenz)
Á Arthropathie, Myopathie, Neuropathie (Gelenk- und Muskel- schmerzen, Schwäche, Sensibilitäts- störungen)
 Phobie/Apraxie (selten) à Fieber/Lymphadenopathie (selten)
Ä Schwäche/Inkontinenz (sel- ten)
Die differentialdiagnostischen Überlegungen zu den möglichen Ur- sachen für die aufgeführten Sympto- me beinhalteten ein breites Spek- trum:
¿ Infektionen (zum Beispiel Leishmaniosen)
À Exposition gegenüber Che- mikalien (Benzin, Pestizide, Farb- stoffe, Rauch brennender Öltürme)
Á medikamentöse Prophylaxe (Anthrax-Impfstoff, Botulinum-To-
xin-Impfstoff, prophylaktische Ein- nahme von Pyridostigmin)
 Exposition gegenüber biolo- gischen und chemischen Kampfstof- fen à psychologische Stressoren
Ä kriegsunabhängig auftreten- de Erkrankungen
Å Simulationen („Rentenneu- rosen“)
Von allen vier Arbeitsgruppen wurde aufgrund der Untersuchungs- ergebnisse eine Schädigung durch neurotoxische Substanzen, die eine Hemmung der Cholinesterase ver- usachen, als wahrscheinlichste Ur- sache erachtet. Dies weist laut An- sicht der Autoren mit großer Wahr- scheinlichkeit auf einen Einsatz von chemischen Kampfstoffen im Kriegsgebiet hin, eine fehlerhaft durchgeführte medikamentöse Pro- phylaxe wird als weniger wahr- scheinlich erachtet. acc Iowa Persian Gulf Study Group: Self-re- ported illness and health status among gulf war veterans.
Haley RW et al.: Self-reported exposure to neurotoxic chemical combinations in the gulf war.
Haley RW et al.: Evaluation of neurolo- gic function in gulf war veterans.
Haley RW et al.: Is there a gulf war syn- drome? JAMA 1997; 277: 215–222, 223–230, 231–237, 238–245.
Dr. Schwartz, Department of Internal Medicine, SE318 GH, University of Iowa, College of Medicine, Iowa City, IA 52242-1081, USA.
Dr. R. Haley, Epidemiology Division, Department of Internal Medicine, Uni- versity of Texas Southwestern Medical Center, 5323 Harry Hines Blvd, Dallas, TX 75235-8874, USA.
A-2077
M E D I Z I N FÜR SIE REFERIERT
Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 31–32, 4. August 1997 (45)
Gibt es ein Golfkrieg-Syndrom?
Bei Patienten mit Silikonimplan- taten sind lokale Komplikationen durch Kapselbildung, allergische Re- aktionen, Rupturen und Auslaufen des Silikongels beschrieben. Ob darüber hinaus systemische Reaktionen auf ei- ne Silikonexposition bestehen ist un- klar. Eine Arbeitsgruppe von Immun- ologen aus New Orleans untersuchte Frauen mit Silikon-Brust-Implantaten auf das Vorliegen von Serum-Poly- mer-Antikörpern und einer eventuell bestehenden Korrelation mit klini- schen Problemen. Bestimmt wurde die Antikörper bei 259 Patientinnen mit Silikon-Brust-Implantaten, bei 20 Pa-
tienten mit Autoimmunkrankheiten und bei 23 Kontrollen. Positive Poly- mer-Antikörper konnten bei drei Pro- zent der Patientinnen mit Silikonim- plantaten ohne Beschwerden, bei acht Prozent mit milder Beschwerdesym- ptomatik, bei 44 Prozent mit mittel- gradigen Beschwerden und bei 68 Pro- zent mit starken Beschwerden nachge- wiesen werden. Bei den gesunden Kontrollpatienten kamen diese Anti- körper in 17 Prozent vor, bei Patienten mit anderen Autoimmunerkrankun- gen in zehn Prozent der Fälle.
Die Autoren sehen durch die Be- stimmung der Serum-Polymer-Anti-
körper eine objektivierbare Möglich- keit, zwischen Patienten mit leichter oder ausgeprägter Symptomatik als Folge der Silikonimplantate zu diffe- renzieren. Darüber hinaus ist eine Abgrenzung von anderen Autoim- munerkrankungen durch diesen Anti- körper zuverläßlich möglich. acc
Tenenbaum, SA et al.: Use of antipoly- mer antibody assay in recipients of sili- cone breast implants. Lancet 1997; 349:
449–454.
Dr. Robert Garry, Department of Micro- biology and Immunology SL 38, Tulane University School of Medicine, 1430 Tu- lane Avenue, New Orleans, LA 70112, USA.