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A342 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 6½½9. Februar 2001
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inen völlig neuen Ansatz zur Therapie allergischer Erkrankungen bietet die Anwendung eines monoklo- nalen anti-IgE-Antikörpers.Nach Prof. Klaus Rabe (Lei- den) weisen Forschungser- gebnisse darauf hin, dass IgE an der Entstehung der unspe- zifischen bronchialen Über- empfindlichkeit beteiligt ist.
Auch bei Patienten mit chro- nisch obstruktiver Lungener- krankung fanden sich Zusam- menhänge zwischen erhöhten IgE-Spiegeln im Serum und einer Überempfindlichkeit der Atemwege.
Der in Kooperation von Novartis und Genentech ent- wickelte monoklonale anti- IgE-Antikörper Omalizumab (rhuMAb-E25) greift über drei Wirkmechanismen in die IgE-vermittelte Immunreak- tion ein. Der Antikörper geht eine Komplexbindung mit frei- em IgE ein. Dabei werden vorwiegend Hexamere gebil- det, die über die Niere ausge- schieden oder über das retiku- loendotheliale System der Le- ber abgebaut werden. Experi- mentell und in klinischen Stu- dien konnte ausgeschlossen werden, dass der gebildete IgE-anti-IgE-Komplex sich in Gefäßwänden ablagert oder Nierenstörungen hervorruft.
Omalizumab konkurriert am Rezeptor mit IgE und verhin- dert die IgE-Bindung.
Langfristig folgt eine Her- unterregelung der IgE-Rezep- torexpression und eine Hem- mung der IgE-Produktion (Grafik). Die Wirkung von Omalizumab führt zu einer Hemmung der allergischen Frühreaktion und der Spätre- aktion. Die Wirkung des An- tikörpers ist unabhängig vom auslösenden Allergen und von
der Organmanifestation der all- ergischen Erkrankung. Oma- lizumab ist ein humanisierter Antikörper mit weniger als fünf Prozent murinem Anteil.
Dies ist für die wiederholte Anwendung des Antikörpers wichtig.
Die Therapie mit anti-IgE erfordert eine individuelle Do- sierung, die sich nach dem Ausgangsspiegel von IgE im Serum und dem Körperge-
wicht des Patienten richtet.
Aus Tabellen können Dosis und Dosierungsintervall ab- gelesen werden. Die obere Grenze des Ausgangs-IgE- Spiegels für eine Therapie mit Omalizumab wird derzeit bei 700 E/ml gesehen. Die Therapie ziele darauf ab, den Spiegel an freiem IgE im Serum auf unter 10 U/ml zu senken, so Dr. Peter Kardos (Frankfurt/Main).
In therapeutischen Studien wurde Omalizumab bei Pati- enten mit Asthma und aller- gischer Rhinitis eingesetzt.
Hierbei wurden mehr als 1 000 Erwachsene im Alter von zwölf bis 75 Jahren mit mittelschwerem bis schwerem
allergischem Asthma und 334 Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren mit meist mittel- schwerem Asthma behandelt.
Alle Patienten benötigten in- halative Kortikoide zur Kon- trolle ihrer Symptome und waren gegen perenniale All- ergene aus der Umwelt sensi- bilisiert und exponiert.
Die Patienten wurden zu- nächst während einer vier- wöchigen Phase auf Beclo- methason Dipropionat in in- dividueller Dosierung von 500 bis 1 200 µg/Tag und Sal- butamol eingestellt. Anschlie- ßend erhielt ein Teil der Pati- enten nach Randomverfah- ren zusätzlich Placebo oder Omalizumab in den aus IgE- Spiegeln und Körpergewicht errechneten Dosen. Die In- jektionen erfolgten subkutan alle zwei oder vier Wochen.
Nach 16 Wochen wurde über
einen Zeitraum von zwölf Wochen eine Anpassung der inhalativen Kortikoid-Dosis versucht. Dabei wurde alle zwei Wochen eine Reduktion um 25 Prozent angestrebt, wenn dies der klinische Zu- stand des Patienten zuließ.
Omalizumab verringert Bedarf an inhalativen Kortikoiden Primäres Zielkriterium der Studien sei, so Prof. Roland Buhl (Mainz), die Inzidenz der Asthmaexazerbationen gewesen. Als weitere Parame- ter wurden das Ausmaß der möglichen Dosisreduktion in- halativer Kortikoide und die mit dem „Asthma Quality of
Life Questionnaire“ nach Ju- niper erfasste Lebensqualität bestimmt. In allen drei Stu- dien war die durchschnittliche prozentuale Verringerung der inhalativen Kortikosteroide bei den mit Omalizumab be- handelten Patienten deutlich größer als bei den Patienten der Placebogruppen.
Zugleich zeigten sich unter dem Einfluss von Omalizu- mab signifikante Besserungen hinsichtlich Lebensqualität, Exazerbationen und Asthma- symptomatik, vor allem auch nächtlicher Beschwerden und entsprechend günstige Einflüs- se auf den Bedarf an Bron- chodilatatoren.
Statistisch signifikante, kli- nisch geringfügige Besserun- gen fanden sich in Parametern der Lungenfunktion (FEV1, PEF). Omalizumab wurde gut vertragen. Im Nebenwirkungs- profil zeigten sich im Ver- gleich zu Placebo keine qualitativen oder quanti- tativen Unterschiede.
In einer zwischen März und Juli 1998 in Schweden, Finnland und Norwegen durchgeführ- ten Studie wurde Oma- lizumab bei Patienten mit Birkenpollenallergie eingesetzt. Nach Ran- domverfahren erhielten die 251 in die Studie ein- bezogenen Patienten je nach Höhe ihres IgE- Serumspiegels und Kör- pergewichts entweder 300 mg (zwei Ampullen zu 1,2 Milliliter) Omalizumab subkutan alle drei oder vier Wochen oder Placebo.
Die Patienten der Verum- gruppe hatten einen deutli- chen Therapiegewinn hinsicht- lich der allergischen Beschwer- den in Nase und Augen; sie benötigten nur halb so vie- le Antihistaminika wie die Placebogruppe und hatten in 60 Prozent der Fälle eine Besserung der Lebensqua- lität erfahren (Placebo 39 Prozent). Völlig frei von all- ergischen Beschwerden blie- ben in der Verumgruppe 21 Prozent der Patienten und in der Placebogruppe zwei Pro- zent. Dr. med. Elisabeth
Gabler-Sandberger
Immunmodulation
Asthmatherapie mit anti-IgE-Antikörper
Omalizumab greift über drei Wirkmechanismen in die IgE-vermittelte Immunreaktion ein.
Unternehmen
Grafik: Novartis