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Archiv "Vorschläge zur Therapie von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom" (18.08.1995)

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Manfred Kaufmann

1

Walter jonat

2

Heinrich Maass

2

Kurt Possinger3 Dieter Kurt Hossfeld

4

Z

um Thema "Therapeutische Maßnahmen bei metastasier- lern Mammakarzinom" fand im Jahre 1988 in München eine Konsensus-Konferenz statt, deren Er- gebnisse im Deutschen Ärzteblatt, 86 (1989) A-888-890 [Heft 13], mitge- teilt wurden. Seitdem konnten eine Reihe neuer Erkenntnisse gewonnen und neue Substanzen in die Therapie von Patientinnen mit metastasierlern Mammakarzinom eingeführt werden.

Dementsprechend ist eine Aktualisie- rung angezeigt. Die hier vorgelegten Vorschläge, auf die sich eine interdis- ziplinäre Expertengruppe unter Berücksichtigung einiger Besonder- heiten im deutschsprachigen Raum geeinigt haben, sollen Vorschläge für das Vorgehen in Klinik und Praxis darstellen, ohne daß dadurch der Klärung bestimmter Fragestellungen vorgegriffen wird.

Ziele der Therapie

Das metastasierte Mammakarzi- nom ist auch heute noch nicht heilbar.

Vor diesem Hintergrund können die folgenden Therapieziele definiert werden:

1. langfristige Erhaltung oder Verbesserung des Befindens,

2. langfristige Erhaltung oder Verbesserung der Leistungsfähigkeit und

3. Versuch, die Überlebenszeit zu verlängern.

In der täglichen Praxis steht die maximale Linderung der Symptome im Vordergrund. Bei klinische~ Studi- en dagegen ist der beste Maßstab für die Beurteilung der Wirksamkeit ei- ner Therapie die Zeit bis zum Thera- pieversagen bei minimaler thera- pieassoziierter Toxizität. Ob die me- dikamentöse Therapie mit Hormo-

•••••••••• 1 AKTUELL

Vorschläge zur Therapie von Patientinnen

mit metastasiertem Mammakarzinom

Zwar bleibt das metastasierte Mammakarzinom eine unheilbare Erkrankung. Wir verfügen jedoch über eine zunehmende Vielfalt an therapeutischen Möglichkei- ten, die geeignet sind, das Befinden der Patientinnen zu verbessern und in Einzel- fällen die Überlebenszeit zu verlängern. Die Wahl der Therapieart- Hormonthe- rapie, Chemotherapie, lokale und systemische Therapie - hängt von Prognose- faktoren ab. Noch immer gibt es zu einer optimalen Therapie zahlreiche Fragen, deren Beantwortung künftigen Therapiestudien vorbehalten bleibt.

nen oder Zytostatika allerdings eine Lebensverlängerung bewirken kann, ist nicht sicher, kann jedoch für be- stimmte Untergruppen von Patientin- nen erwartet werden.

Hormontherapie

Bei den meisten Patientinnen mit einer metastasierten Erkrankung soll- te der Einsatz von Hormonen die primäre Therapiemaßnahme sein.

Für die Entscheidung zur Hor- montherapie gelten die folgenden Kriterien:

~ein langes krankheitsfreies Intervall,

~ Weichteil-, Knochenmetasta- sen, geringfügige viszerale Metasta- sierung,

~ geringe Tumormasse und

~ Östrogen- und/oder Proge- steron-Rezeptor-positiver Tumor.

1 Abteilung für Gynäkologie und Onkologie (Direktor: Prof. Dr. med. Manfred Kaufmann) der Universität Frankfurt.

2 Universitäts-Frauenklinik und Poliklinik (Ge- schäftsführender Direktor: Prof Dr. med. Heinrich Maass) der Universität Hamburg 3 Medizinische Klinik II, Charite (Geschäfts- führender Direktor: Prof. Dr. med Kurt Possin· ger) der Humboldt·Universität zu Berlin.

4 Abteilung r Onkologie und Hämatologie (Direktor Prof. Dr. med. Dieter Kurt Hossfeld) der Universität Hornburg

Prinzipiell kann aber auch bei Pa- tientinnen mit hormonrezeptornega- tivem Tumor ein Ansprechen auf eine hormonelle Therapie erreicht wer- den. Falls möglich, sollte die Analyse des Rezeptorstatus an den Metasta- sen wiederholt werden, da in etwa 20 Prozent der Fälle ein Wechsel von po- sitiv (Primärtumor) zu negativ (Meta- stase) oder umgekehrt vorkommt.

Für postmenopausale Patientin- nen ist Tamoxifen die Primärtherapie der Wahl. Bei prämenopausalen Pati- entinnen stellt heute die Therapie mit GnRH-Analoga die Methode der Wahl dar, die gegenüber der Ovarek- tomie oder der Radiomenolyse den Vorteil der Reversibilität hat.

Patientinnen, die auf die primäre Hormontherapie eine Remission er- fahren hatten, sollten bei Progression einer erneuten Hormontherapie zu- geführt werden. Ähnlich kann man bei den Patientinnen verfahren, die auf die erste Hormontherapie nicht angesprochen haben, bei denen je- doch die Tumor- und Patientencha- rakteristika eine Hormonsensibilität vermuten lassen.

Als Sekundärtherapie bei post- menopausalen Patientinnen ist eine Behandlung mit Aromatasehemmern sinnvoll. Aufgrund der sehr geringen Nebenwirkungen der neuen Genera- tion von Aromatasehemmern (zum Beispiel 4-Hydroxy-Androstention) sollte diesen der Vorrang vor Amino- Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 33, 18. August 1995 (49) A-2189

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Chemotherapie Chemotherapie (+ GnRH-Anialoga)

Bei Ansprechen und erneuter Progression, jeweils nächster endokriner Schritt.

Bei primärer Progression, Umsetzen auf Chemotherapie.

Prämenopausal Postmenopausal

Ovarektomie GnRH-Analoga

Antiöstrogene (Tamoxifen)

Aromatasehemmer (4-OHA)

Antiöstrogene (Tamoxifen) GnRH-Analoga

Aromatasehemmer (4-OHA) GnRH-Analoga

Antiöstrogen (Tamoxifen)

Aromatasehemmer (4-OHA) 1

1

1 1

Gestagene Gestagene Gestagene

(MPA/MA) (MPA/MA) (MPA/MA)

GnRH-Analoga

1

Chemotherapie

Abbildung: Therapiesequenz beim metastasierten Mammakarzinom

Tabelle

Dosisempfehlung für die Hormontherapie des metastasierten Mamma- karzinoms

MEDIZIN

gluthethimid und Gestagenen gege- ben werden. Als dritter Therapie- schritt kann ein Gestagen (Medroxy- progesteronacetat, Megestrolacetat) verabreicht werden.

Bei prämenopausalen Patientin- nen mit meßbarem Ansprechen auf GnRH-Analoga sollte als Sekundär- therapie Tamoxifen gewählt werden.

Bei dieser Patientengruppe werden als dritte oder vierte Therapie eben- falls Aromatase-Inhibitoren oder Gestagene verwendet (Abbildung).

Obwohl sich aufgrund einzelner Stu- dien ein möglicher Vorteil für die eine oder andere Hormontherapie bei ge- wissen Patienten-Untergruppen er- gab, sind diese Resultate nicht derart überzeugend, um von den genannten Empfehlungen zur sekundären und tertiären Hormontherapie abzuwei- chen. Ebenso wenig gibt es derzeit Anhaltspunkte dafür, daß eine Kom- bination hormoneller Therapiemaß- nahmen in der täglichen Praxis von Vorteil ist. Eine endgültige Bestäti- gung, ob in der Prämenopause primär

AKTUELL

eine Kombination von GnRH-Analo- ga und Tamoxifen vorteilhaft ist oder ob bei sekundärer Therapie mit Ta- moxifen die Medikation mit GnRH- Analoga beibehalten werden sollte, steht noch aus.

Die Kombination von Chemo- und Hormontherapie ist in der tägli- chen Praxis nicht indiziert.

Es gibt keine eindeutigen An- haltspunkte für eine Dosis-Wirkungs- Beziehung der Hormontherapie.

Auch gibt es keine Hinweise dafür,

– Tamoxifen

– 4-Hydroxy-Androstendion – Medroxyprogesteronacetat – Megestrolacetat

– Goserelin

daß die i.m.-Gabe von Medroxypro- gesteronacetat einer oralen Applika- tion überlegen ist. Dosisempfehlun- gen siehe Tabelle.

Hinsichtlich der optimalen Dau- er einer hormonellen Therapie gilt weltweit die Fortsetzung bis zur Pro- gression als etabliert.

Zukünftige Untersuchungen müssen sich mit der Frage der zeitli- chen Abfolge von Hormon- und Che- motherapie sowie der alternierenden Hormontherapie befassen.

Chemotherapie

Generell ist das Nichtansprechen auf eine Hormontherapie das Haupt- kriterium für den Einsatz einer Che- motherapie. Insbesondere bei lebens- bedrohlicher, rasch progredienter Er- krankung kann jedoch der primäre Einsatz einer Chemotherapie indi- ziert sein. Möglicherweise gibt es be- stimmte Untergruppen von Patientin- nen, für die sich durch die Chemothe- rapie eine Verlängerung der Überle- benszeit erreichen läßt. Diese Unter- gruppen können derzeit jedoch noch nicht exakt definiert werden. Es wur- de andererseits nachgewiesen, daß der frühzeitige Einsatz einer intensi- ven Chemotherapie, beispielsweise bei älteren Patientinnen mit langsa- mem Krankheitsverlauf, schädlich ist.

Als Primärtherapie kann entwe- der eine Einzelsubstanz oder eine Wirkstoffkombination, die beispiels- weise Cyclophosphamid, Metho- trexat, 5-Fluorouracil, Doxorubicin, Epirubicin, Mitoxantron, Mitomycin- C enthält (im allgemeinen zwei bis drei Einzelsubstanzen), verabreicht werden. Bisher hat sich kein Vorteil für eine bestimmte Kombination er-

20 bis 30 mg/Tag p.o.

250 mg/alle 2 Wochen i.m.

250 bis 500 mg/Tag p.o.

160 mg/Tag p.o.

3,6 mg/alle 4 Wochen s.c.

A-2190 (50) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 33, 18. August 1995

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MEDIZIN

geben. Ebenso wenig wurde nachge- wiesen, daß eine Kombination in al- len Fällen einer Monotherapie über- legen ist.

Im allgemeinen lassen sich mit Kombinationstherapien, die Anthra- zykline enthalten, höhere Gesamtan- sprechraten erzielen. Von manchen Ärzten wird daher bei Patientinnen mit rasch progredienter, viszeraler Metastasierung ein Therapieschema mit Anthrazyklinen bevorzugt.

Derzeit können wir das optimale Dosierungs- und Applikationsschema für die meisten Chemotherapieregi- me noch nicht eindeutig festlegen.

Wir empfehlen deshalb den Einsatz von Chemotherapie in der ursprüng- lich veröffentlichten Form, bis Daten aus kontrollierten klinischen Studien abweichende Applikationen oder an- dere Dosierungsschemata nahelegen.

Ohne wichtigen Grund sollte außer- halb klinischer Studien weder die Do- sis erhöht noch reduziert werden.

Ebenso muß die Beziehung zwichen Dosierung und dem Grad des An- sprechens auf die Chemotherapie noch endgültig geklärt werden.

Die optimale Dauer einer Che- motherapie ist noch immer nicht be- kannt.

Wir empfehlen, die Patientinnen mindestens so lange zu behandeln, bis eine Linderung der Symptome einge- treten ist. Man kann davon ausgehen, daß dies innerhalb der ersten drei Theapiezyklen erreicht wird. Die Chemotherapie sollte nicht unbe- grenzt fortgeführt werden, im Gegen- satz zur Hormontherapie auch nicht bis zur Progression. Eine sinnvolle Behandlungsdauer liegt sehr wahr- scheinlich zwischen sechs und zwölf Monaten.

Bezüglich der Behandlung von Patientinnen, deren Metastasen auf ein erstes oder zweites Therapiesche- ma refraktär waren, ist anzunehmen, daß bei weiteren Chemotherapiever- suchen die Nebenwirkungen den po- tentiellen Nutzen nicht aufwiegen.

Vorausgegangene

adjuvante Therapie

Wenn die Patientinnen adjuvant vorbehandelt sind und zwischen The- rapieende und Rückfall ein deutlicher

AKTUELL

zeitlicher Abstand (mehr als zwölf Monate) liegt, ist die Wahrscheinlich- keit eines Ansprechens der Metasta- sen auf die Chemotherapie ähnlich wie bei nicht vorbehandelten Patien- tinnen; ist der zeitliche Abstand ge- ringer, muß auch mit einem geringe- ren Ansprechen gerechnet werden.

Die Mehrzahl unserer klinischen Be- obachtungen bei Patientinnen mit metastasierter Erkrankung stammt aus einer Zeit, in der die adjuvante Chemotherapie noch nicht weit ver- breitet war.

Heute dagegen stellen die adju- vant vorbehandelten Patientinnen das Hauptkontingent dar. Aufgrund der kurzen Beobachtungszeit sind da- her unsere Erfahrungen nur ungenü- gend abgesichert.

Lokal fortgeschrittenes Mammakarzinom

Für Patientinnen mit operablem, lokal fortgeschrittenen Mammakarzi- nom ist die medikamentöse Therapie ein akzeptierter erster Schritt. Die Gestaltung der Therapie sollte sich nach den selben Prinzipien richten wie bei der Behandlung der fernmeta- stasierten Erkrankung.

Neuere Medikamente und Verfahren

Bei der Suche nach neuen, akti- veren Substanzen zur Behandlung von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom sollten diese Sub- stanzen möglichst an Patientinnen mit nur geringer oder keiner zytostati- schen Vorbehandlung geprüft wer- den, da bei intensiv vorbehandelten Patientinnen wegen der Möglichkeit der Resistenzinduktion der Wirksam- keitsnachweis schwer zu erbringen ist.

Für solche Untersuchungen sind Pati- entinnen mit progredienten, sympto- menarmen Erkrankungen am besten geeignet.

Hoffnungen werden zum gegen- wärtigen Zeitpunkt in den Einsatz von Taxanen (Paclitaxel, Docetaxel) gesetzt. Diese Substanzen weisen auch bei anthrazyklinresistenten Tu- moren eine gewisse Effektivität auf.

Ihr Einsatz in die Primärtherapie wird

derzeit untersucht. Als Therapie der dritten oder vierten Wahl können aber auch mit diesen Medikamenten nur bei wenigen Patientinnen Tumor- rückbildungen erzielt werden, so daß in Anbetracht der nicht unbeträchtli- chen Toxizität eine äußerst strenge Indikationsstellung angezeigt ist.

Bezüglich der Antitumorwir- kung dürfte die Situation für den neu- en Antimetaboliten Gemcitabine ver- gleichbar sein bei geringerem Neben- wirkungsspektrum.

Zur topischen Behandlung diffu- ser oder inflammatorischer Hautme- tastasen hat sich Miltefosin alleine oder in Kombination mit einer syste- mischen Therapie bewährt.

Als Zusatztherapie können Di- phosphonate bei Patientinnen mit schmerzhafter Knochenmetastasie- rung, aber auch zur Bremsung der Skelettmetastasierung, eingesetzt werden.

Auch die Hochdosis-Chemo- therapie mit anschließender auto- loger Knochenmarktransplantation oder Reinfusion von hämatopoeti- schen Stammzellen vermag nach dem derzeitigen Stand unseres Wissens bei Patientinnen mit metastasierter Erkrankung keine Heilung zu erzie- len. Dieses Therapieverfahren ist mit deutlich erhöhter Toxizität und potentieller Letalität behaftet; als ei- ne experimentelle Therapie sollte sie ausschließlich in hochspeziali- sierten Einrichtungen durchgeführt werden.

Übertragbarkeit von Studienergebnissen auf die tägliche Praxis

Jede sogenannte Standardthera- pie muß auf der Grundlage von Er- gebnissen randomisierter klinischer Studien erfolgen. Resultate von The- rapiestudien, die retrospektiv und ins- besondere durch Analyse von Unter- gruppen erhoben wurden, sind mit Vorsicht zu betrachten. Sie bedürfen der Bestätigung in prospektiven, kon- trollierten, klinischen Studien, bevor sie in die tägliche Praxis umgesetzt werden. Da sich die Therapie des me- tastasierten Mammakarzinoms in ständigem Fluß befindet, besteht für alle Ärzte, die sich auf diesem Gebiet

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 33, 18. August 1995 (53) A-2191

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betätigen, die Notwendigkeit einer fortlaufenden Weiterbildung. In die- sem Sinne ist die vorgelegte Arbeit gedacht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärzteb11995; 92: A-2189-2192 [Heft 33]

An der Erarbeitung dieses Manu- skripts haben mitgewirkt:

Dr. med. K. Brunnert (Osnabrück) Prof. Dr. med. H. Caffier

(Würzburg)

Prof. Dr. med. W Eiermann (München)

Prof. Dr. med. J. Hilfrich (Hannover)

Prof. Dr. med. K. Höffken (Jena) Prof. Dr. med. F. Jänicke

(München)

Prof. Dr. med. W. Kleine (Freiburg) Prof. Dr. med. G. Köhler

(Greifswald)

Prof. Dr. med. R. Kreienberg (Ulm) Dr. med. M. Mahlke (Mainz) Dr. med. E. Merkle (Erlangen) Prof. Dr. med. A. Pfleiderer (Freiburg)

Prof. Dr. med. K. Schulz (Marburg)

Anschriften der Verfasser:

Prof. Dr. med Manfred Kaufmann Universitäts-Frauenklinik

Theodor-Stern-Kai 7 60596 Frankfurt

Prof. Dr. med. Walter Jonat Universitäts-Frauenklinik Martinistraße 52

20246 Hamburg

Prof. Dr. med. Heinrich Maass Universitäts-Frauenklinik Martinistraße 52

20246 Hamburg

Prof. Dr. med. Kurt Possinger Medizinische Klinik II, Charit6 Schumannstraße 20/21

10098 Berlin

Prof. Dr. med. Dieter Kurt Hossfeld Abteilung Onkologie-Hämatologie Medizinische Universitätsklinik Martinistraße 52

20246 Hamburg

MEDIZIN AKTUELL/FUR SIE REFERIERT

Vorkommen von Alzheimer-Krankheit mit zunehmendem Alter

Die Alzheimer-Krankheit ge- winnt infolge steigender Lebenser- wartungen an Bedeutung. Das alters- spezifische Vorkommen klinisch dia- gnostizierter Alzheimer-Krankheit wurde in einer Kohortenstudie an 2 313 gesunden, mindestens 65 Jahre alten Patienten einer Gemeinde während eines Beobachtungszeit- raums von durchschnittlich 4,3 Jah- ren untersucht.

Infolge von Verweigerung der Teilnahme oder Tod konnten die Da- ten von 1 601 Personen ausgewertet werden; 642 erhielten eine direkte strukturierte klinische Auswertung einschließlich neurologischer, neu- ropsychologischer und psychiatri- scher Untersuchungen.

Die Diagnose der Alzheimer- Krankheit erfolgte nach den Kriteri- en für wahrscheinlich vorliegende Alzheimer-Krankheit des National Institute of Neurological and Com- municative Disorders and Stroke und der Alzheimer's Disease and Related Disorders Association.

Das ermittelte jährliche Krank- heitsvorkommen in der Gemeinde betrug 0,6 Prozent bei 65- bis 69jähri- gen, 1 Prozent bei 70- bis 74jährigen, 3,3 Prozent bei 80- bis 84jährigen und 8,4 Prozent bei Personen von minde- stens 85 Jahren (etwa vierzehnmal häufigeres Krankheitsvorkommen als bei 65 bis 69jährigen).

Diese Raten sind berichtigt be- züglich Länge des Untersuchungs- zeitraums, Geschlecht, einzelner Le- bensjahre und Probandenauswahl (klinische Auswertung bei Personen guter, mittlerer und schlechter Ge- dächtnisleistung).

Frühere Untersuchungen liefer- ten niedrigere Ergebnisse. Dies er- klären die Autoren wie folgt:

Methodische Unterschiede — di- rekte Auswertung anstelle sekundä- rer Datenquellen — führen zur voll- ständigeren Erfassung vor allem mil- der Krankheitsfälle.

Variierende Anwendung der Kriterien für die Krankheitsdiagno- se, die bei Alzheimer- Krankheit auf- grund schleichenden Krankheitsein-

trittes ohnehin schwierig ist, können auch bei direkter Auswertung zu niedrigeren Ergebnissen führen, ebenso eine Einschränkung der klini- schen Auswertung auf Personen, die bei einem kurzen Gedächtnis-Test versagen (Screening). Falsch positive Ergebnisse schließen die Autoren aus, da die Krankheitsdiagnose stets auf der Veränderung einer Person im Vergleich zu einem früheren Zeit- punkt basierte. Häufig falsch negati- ve Auswertungen sekundärer Daten- quellen bei Personen, die während des Untersuchungszeitraums star- ben, wurden nicht vorgenommen Als weiteren Erklärungsansatz stell- ten die Autoren in Frage, ob die Pro- bandengemeinde repräsentativ war.

Dies können erst bislang fehlende, vergleichbare Studien an anderen Populationen zeigen. bs

Herbert LE, Scherr PA, Beckett LA, Al- bert MS, Pilgrim DM, Chown MJ, Fun- kenstein HH, Evans DA: Age-Specific Incidence of Alzheimer's Disease in a Community Population. JAMA 1995;

273: 1354-1359

Rush Institute an Aging, 1645 W.

Jackson Blvd, Suite 675, Chicago, IL 60612 (Dr. Herbert)

Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im me- dizinisch-wissenschaftlichen Teil — ausgenommen Editorials, Kongreß- berichte und Zeitschriftenreferate — können grundsätzlich in der Rubrik

„Diskussion" zusammen mit einem dem Autor zustehenden Schlußwort veröffentlicht werden, wenn sie in- nerhalb vier Wochen nach Erschei- nen der betreffenden Publikation bei der Medizinisch-Wissenschaftlichen Redaktion eingehen und bei einem Umfang von höchstens zwei Schreib- maschinenseiten (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen) wissenschaftlich begrün- dete Ergänzungen oder Entgegnun- gen enthalten.

Für Leserbriefe zu anderen Beiträgen gelten keine besonderen Regelungen (siehe regelmäßige Hin- weise). DÄ/MVVR

A-2192 (54) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 33, 18. August 1995

Referenzen

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