• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Ein Katalog berufspolitischer Sorgen" (01.05.1975)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Ein Katalog berufspolitischer Sorgen" (01.05.1975)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen TAGUNGSBERICHT

Dem „Stammgast" bei den Interna- tionalen Fortbildungskongressen der Bundesärztekammer fällt auf, daß die Fragen der Teilnehmer beim Berufspolitischen Kolloquium, das ja nur einen ganz kleinen Teil des vielfältigen Fortbildungspro- gramms ausmacht, immer wieder um dieselben Themen kreisen:

Kann man ein besseres Auswahlsy- stem für die Medizinstudienanfän- ger finden? — Was kann man tun, um den „Ansehensverfall" der All- gemeinärzte aufzuhalten? — Wie kann man junge Ärzte mehr für die Kassenarzttätigkeit auf dem Lande, aber auch mehr für eine kassen- ärztliche Tätigkeit in den Kranken- häusern der Peripherie interessie- ren? Das sind also die zentralen Fragen aus der Ärzteschaft in Pra- xis und Klinik, in jüngster Zeit er- gänzt durch Fragen zur Situation nach dem §-218-Urteil des Bundes- verfassungsgerichts, nach dem Sinn der Entwicklung von „Sozial- stationen" oder nach dem „Warum"

des sogenannten Unfallheilverfah- rens.

Mit diesen Fragen sah sich dies- mal, beim Berufspolitischen Kollo- quium des Jubiläumskongresses der Bundesärztekammer in Bad- gastein am 11. März 1975, Prof. Dr.

Hans J. Sewering, der Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, konfrontiert.

Im Großen Saal des neuen Bad- gasteiner Kongreßhauses ging Se- wering in seiner überzeugend- sachlichen und herzlich-kollegialen Weise auf die Sorgen der in den verschiedensten Bereichen tätigen Ärzte ein; und er fand auch Ver- ständnis für seine Sorgen — für die Sorgen nämlich, die einen für den gesamten Stand quasi Verant-

wortlichen heute bedrücken, Sor- gen um die Entwicklung der Politik der Regierungen in Bund und Län- dern, um die Meinungs- und Wil- lensbildung in Teilen der politi- schen Parteien, um das Verhältnis der Öffentlichkeit und der Publizi- stik zur Ärzteschaft, um das Schicksal des Kassenarztrechts, um die Kostenentwicklung im ge- samten Gesundheitswesen und um anderes mehr. Dies alles füllte das mehrstündige Kolloquium in Frage und Antwort, in Rede und Gegenre- de aus, ebenso spannend wie lehr- reich von der ersten bis zur letzten Minute.

Sewering gab einleitend einen La- gebericht und ging schon dabei auf Fragen ein, die ihm in den vor- aufgegangenen Tagen von einzel- nen Kongreßteilnehmern gestellt worden waren. In Anwesenheit ei- ner ganzen Reihe von Journalisten aus den verschiedensten Berei- chen der allgemeinen und der Fachpresse machte er zum Thema

„Ärzteschaft und Öffentlichkeit"

detaillierte Ausführungen, die ge- eignet waren, bei den anwesenden Ärzten mehr Verständnis für die Notwendigkeit des (gegenseitigen) Verstehens zu wecken.

Der Arzt und der Journalist gehen von völlig verschiedenen Ausgangs- punkten an ihre Arbeit heran. Der einzelne Arzt ist dem einzelnen Pa- tienten zugewandt, der Öffentlich- keit dagegen abgewandt (Schwei- gepflicht!). Dieses berufsgegebene Verhalten darf aber nicht ohne wei- teres auf das Verhältnis der Ärzte- schaft insgesamt zur Öffentlichkeit übertragen werden. Der Journalist benötigt Informationen und will sie an die Öffentlichkeit weitergeben.

Sewering: Soweit es in den Kräften der Bundesärztekammer stehe, wolle sie gern zur intensiveren In- formierung der Presse und der Öf- fentlichkeit beitragen, weil ein bes- seres gegenseitiges Verstehen al- len nütze, letztlich sogar der Be- rufsausübung des Arztes wie bei- spielsweise auch der Lebensfüh- rung des Patienten.

Im Rahmen einer seit Oktober 1973 entwickelten Konzeption ist Anfang 1974 von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereini- gung gemeinsam die Pressestelle der deutschen Ärzteschaft wieder- errichtet worden; die Wartezim- merzeitschrift „medizin heute"

wurde finanziell so gesichert, daß sie in allen Praxen ihre Aufgabe als Vervielfältiger ärztlich-medizini- scher Aufklärung erfüllen kann; es wurde eine gemeinsame „Informa- tionsabteilung der Bundesärzte- . kammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung" gebildet, die sich der Informierung der ärztli- chen wie der allgemeinen Öffent-

lichkeit widmen wird.

Umgekehrt hat auch die Ärzte- schaft zunehmend größeres Ver- ständnis für Belange der Publizistik gefunden; dabei fällt es gar nicht leicht, sich einfach damit abfinden zu müssen, daß in der Presse von einzelnen (negativen) Zwischenfäl- len berichtet wird, während von der ungeheuren Vielfalt der (positi- ven) täglichen Arbeit nichts in der Zeitung steht. Es wird eben über das berichtet, was außergewöhn- lich ist; so zum Beispiel über den Dr. jur. und Heilpraktiker Manfred Köhnlechner, der sogar — mitunter seitenweise — in die seriöse Presse gelangt. Bei der Ärzteschaft be- steht aber trotz solcher Erschei- nungen der gute Wille, von der Konfrontation zur Zusammenarbeit mit der Presse zu gelangen.

Kassenarztfragen

Zehn schwache Arztjahrgänge ha- ben zu einer Situation geführt, die jetzt den Gesetzgeber auf den Plan ruft, nachdem die kassenärztliche Selbstverwaltung sich seit Jahren

Ein Katalog

berufspolitischer Sorgen

Kolloquium beim Jubiläumskongreß der Bundesärztekammer in Badgastein

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 18 vom 1. Mai 1975 1307

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Badgastein beging ein Jubiläum: Zum XX. Male wurde der Internationale Fortbildungskongreß der Bundesärztekammer er-

öffnet Fotos: Gastuna (3) und Reiner Korbmann (6)

intensiv bemüht, hie und da auftre- tende Engpässe in der kassenärzt- lichen Versorgung der Bevölkerung aus eigener Kraft zu beseitigen.

Zwei Gesetzentwürfe, einer der bayerischen Staatsregierung (Pirkl- Plan), einer der Bundesregierung (Arendt-Entwurf), wollen neue ge- setzliche Grundlagen für die Si- cherstellung der kassenärztlichen Versorgung der Bevölkerung schaffen.

Zu den Entwürfen, die in Kürze in das Gesetzgebungsverfahren des Deutschen Bundestages gelangen, führte Prof. Sewering grundsätzlich aus, daß junge Ärzte weiterhin in die freie Praxis gehen werden, wenn die Politik die Lebensmög- lichkeiten in der freien Praxis er- hält! So könne der Arendt-Entwurf zumindest im Prinzip akzeptiert werden, weil er, soweit bis jetzt be- kannt, keine Grundsätze der frei- en Berufsausübung anzutasten scheint, wenn auch die als letzte

„Sicherstellungsmaßnahme" vor- gesehenen Zulassungsbeschrän- kungen so unnötig und überflüssig erscheinen, wie die Schaffung von Eigeneinrichtungen der Kran- kenkassen utopisch ist.

Der über den Pirkl-Plan hinausge- hende Entwurf der CDU/CSU-Mehr- heit im Bundesrat erscheine viel- leicht auf den ersten Blick eben- falls recht akzeptabel, aber man- ches stehe auch darin, „was einem die Haare sträubt". Beispielsweise eine Zulassungsquote für Studen- ten, die sich für eine künftige

Landarzttätigkeit „verpflichten" sol- len. Sosehr das gegenwärtige Zu- lassungsverfahren mit der Überbe- wertung der Abiturnoten zu kritisie- ren ist, so wenig helfe ein Zulas- sungssystem mit Sonderquoten weiter. Das müßten die Regierun- gen doch eigentlich aus den Erfah- rungen mit den Studienprivilegien für Stipendiaten der Bundeswehr gelernt haben. Von zehn Stipendia- ten der Bundeswehr, die bevorzugt zum Medizinstudium zugelassen worden sind, zahlen acht bis neun nach erhaltener Approbation ihre Stipendien zurück; höchstens einer oder zwei von ihnen bleiben also

„im bunten Rock". Und für die Sonderquote des Öffentlichen Dienstes haben sich Bewerber in so großer Zahl gemeldet, daß doch wieder auf ein umstrittenes Ausle- severfahren zurückgegriffen wer- den mußte.

Der Bundesratsentwurf wimmelt denn schließlich auch vor Andro- hungen von Repressalien gegen solche künftigen jungen Ärzte, die sich vor dem Studium zur Tätigkeit als Landarzt „verpflichtet" haben, aber während oder nach dem Stu- dium doch eine Vorliebe zur Chirur- gie oder für die Nervenheilkunde entwickeln, beispielsweise ...

Es wird Aufgabe der Ärzteschaft sein, den Bundestag im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sachver- ständig zu beraten, um Fehlent- wicklungen zu vermeiden, die die künftige ärztliche Versorgung der ganzen Bevölkerung verschlech- tern könnten.

Kostenentwicklung

Sewering warnte davor, etwa von einer Verlagerung ambulanter Dia- gnostik und Behandlung ins Kran- kenhaus Einsparungen zu erwar- ten. 85 Prozent aller Kosten im Krankenhaus sind Fixkosten (vor allem Personalkosten), und nur 15 Prozent der Gesamtkosten sind vielleicht beeinflußbar. Bei genauer Betrachtung bringt auch die Er- richtung von Ambulatorien an den Krankenhäusern keinen „Mehrge- winn", sondern einen Mehrbedarf (vor allem wiederum an Personal) und damit keine Ersparnis, son- dern eine weitere Kostensteige- rung.

Die Ärzteschaft muß daher das Er- fordernis der Ausschöpfung aller diagnostischen Möglichkeiten in der kostengünstigeren freien Pra- xis außerordentlich ernst nehmen.

Voruntersuchungen sind soweit wie möglich in der ambulanten Praxis vorzunehmen, um das Kran- kenhaus nicht unnötig zu belasten.

Die „Gegenseite" will erreichen, daß „nicht länger in die freie Pra- xis investiert" wird, sondern daß die Einrichtungen der Krankenhäu- ser absoluten Vorrang gewinnen.

So sind in einer SPD-Gruppe neu- erdings Pläne entwickelt worden, die sich in einem Bericht der Zei- tung „Die Welt" recht harmlos an- sehen, während einem das Original den Atem nimmt: Regionalverbän- de mit ominöser Drittelparität (die Ärzte jedenfalls immer in der Min- derheit, während — genau be-

(3)

Ehrung für vier verdiente „Badgasteiner": Prof. Sewering überreichte dem Stell- vertretenden Bürgermeister Anton Kerschbaumer (links) das diesem vom Vor- stand der Bundesärztekammer verliehene Ehrenzeichen der deutschen Ärzteschaft;

den deutschen Ärzten Dr. Wolfgang Pohl von Elbwehr (zweiter von links) und Dr. Wolfgang Schmidt (Mitte), die sich um den Badgasteiner Fortbildungskongreß in den zurückliegenden Jahren außerordentlich verdient gemacht haben, sowie dem Badgasteiner Kurarzt Dr. Alois Ringel (zweiter von rechts) überreichte er die Ernst-von-Bergmann-Plakette

Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

Fortbildungskongreß Badgastein

trachtet — die Gewerkschaftsver- treter immer in der Mehrheit sind) sollen nach diesen Vorstellungen einer SPD-Untergliederung, der

„Arbeitsgemeinschaft der Sozialde- mokraten im Gesundheitswesen", künftig die gesamte ärztliche Ver- sorgung der Bevölkerung komman- dieren. Die Diagnostik soll in medi- zinisch-technische Zentren verla- gert werden; die Arztpraxis soll neu „definiert" werden (Honorar des Arztes: BAT I); medizinische Gemeindezentren sollen eingerich- tet werden, was einen welterfahre- nen Arzt sofort an Polynesien, an Neuguinea, an die Papua denken läßt. Alles in allem: das Extremste an „Sozialisierung" (oder „Inte- grierung", „Vergesellschaftung"), was bisher angeboten wurde*).

Urteil des

Bundesverfassungsgerichts

Das Urteil des Bundesverfassungs- gerichts hat die „Reform" des al- ten § 218 durch die vom Deutschen Bundestag mit knapper Mehrheit

beschlossene sogenannte Fristen- lösung für verfassungswidrig er- klärt. Es hat aber über die bisher allein rechtmäßige medizinische Indikation zu einem Schwanger- schaftsabbruch hinaus die Mög- lichkeiten der eugenischen, der ethischen und der sozialen oder Notlagenindikation unter entspre- chenden Voraussetzungen konsta- tiert, was Prof. Sewering auch in einem Leitartikel des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES (Heft 12 vom 20.

März 1975) detailliert dargelegt hat. Es gibt zu letzterer eine kleine Diskrepanz zwischen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und einem Beschluß des Deut- schen Ärztetages: Aus der Sicht der Ärzteschaft wird die „nicht ab- wendbare sozialmedizinische Not- situation" als Indikation zum Schwangerschaftsabbruch aner- kannt, während das Verfassungs- gericht die „soziale Notlage", so- fern sie gleich schwerwiegend ist wie die übrigen Indikationsbegrün- dungen, als Indikation für den Schwangerschaftsabbruch für zu-

lässig hält. Hier wird es sehr gut auf eine sorgfältige Beratung an- kommen, für die sich die Vertreter der Ärzteschaft den Fraktionen des Deutschen Bundestages uneinge- schränkt zur Verfügung stellen.

Die Bundesärztekammer und ihr Wissenschaftlicher Beirat sind da- bei, für die verschiedenen Indika- tionen Grundsätze und Richtlinien zu erarbeiten, an denen sich der Arzt in Zukunft orientieren kann, wenn ein Schwangerschaftsab-

bruch zu erwägen ist.

Sewering gab in diesem Zusam- menhang seiner persönlichen Auf- fassung Ausdruck, daß im Interes- se der Frau und des Arztes unab- hängige Gutachterkommissionen bei den Ärztekammern eingerichtet werden, die sich in jedem Einzelfall zu der Frage äußern, ob aufgrund der erhobenen Befunde ein Schwangerschaftsabbruch begrün- det ist oder nicht. Das Verfahren, wie es sich in Bayern bereits seit langem bewährt hat, muß so ablau- fen, daß der antragstellende Arzt alle für die Beurteilung erforderli- chen Befunde in Zusammenarbeit mit den einschlägigen Fachkolle- gen erhebt bzw. ergänzen läßt und dann den Antrag zusammen mit den Befunden der Kommission zu- leitet. Diese soll ihr Gutachten auf der Grundlage der Befunde abge- ben, ohne daß es der Frau, bei der ein Schwangerschaftsabbruch er- wogen wird, zugemutet werden muß, persönlich vor einem Gutach- ter oder einer Gutachterkommis- sion zu erscheinen.

Dies wäre eine menschenwürdige Regelung, nicht nur eine patientin- nenfreundliche, sondern auch eine arztgerechte, weil sie dem Status des Arztes als Anwalt seiner Pa- tientin entspricht. Und käme die Gutachterkommission zu dem Er- gebnis, daß die vom Arzt vorgeleg- ten Befunde nicht ausreichen, so würde es immer möglich sein, durch den antragstellenden Arzt et-

*) Die Pläne der „Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswe- sen" sind inzwischen in Heft 16/1975, Seite 1095 ff. und Seite 1099 ff., sowie in Heft 17, Seite 1188 ff., des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES dokumentiert und kommentiert worden.

1310 Heft 18 vom 1. Mai 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(4)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Bei der Eröffnung des Jubiläumskongresses in Badgastein: Begrüßung durch die österreichische Bundesministerin für Ge- sundheit und Umweltschutz, Prim. Dr. med. Ingrid Leodolter; Prof. Dr. med. Dr. h. c. Gotthard Schettler beim Festvortrag „Arzt und Patient in der Leistungsgesellschaft" (veröffentlicht in den Heften 16 und 17 des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES); Prof.

Dr. med. H. J. Sewering beim Berufspolitischen Kolloquium, über das auf diesen Seiten berichtet wird

waige Ergänzungsbefunde zu be- schaffen, ohne daß die Frau auch dann vor einer Gutachterkommis- sion erscheinen müßte.

Wie gesagt, ein in Bayern bewähr- tes Verfahren, über das im Zusam- menhang mit der Neuregelung des

§ 218 noch zu beraten sein wird.

Unfallheilverfahren

Bei diesem Thema gingen die Wel- len hoch, war und ist es doch oft nicht leicht den betroffenen Ärzten klarzumachen, welch schwierige politische Frage hier zu lösen war.

Entweder wäre das „Unfallheilver- fahren" ganz aus der kassenärztli- chen Tätigkeit und aus dem Kas- senarztrecht herausgenommen worden (ä la berufsgenossen- schaftliche Heilverfahren) oder es war ein Vertrag zu schließen, der eine Gleichbehandlung der Unfall- rehabilitation auch für diejenigen Unfälle, die nicht „berufsgenossen- schaftlich" sind, organisierte. Ob- wohl vor Abschluß des Vertra- ges zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Kran- kenversicherungsträgern Gesprä- che mit Repräsentanten aller Be- troffenen stattgefunden haben, ist es offensichtlich nicht gelungen, Klarheit darüber zu schaffen, wie sich das „Unfallheilverfahren" in der Praxis auswirkt — jedenfalls nicht so einschneidend, wie in der ersten Aufregung vermutet worden war. Die Ärzte behandeln ihre un- fallverletzten Patienten weiter wie

bisher, und erst wenn schwierigere Fälle auftauchen oder eine Be- handlung über eine längere Frist geht, beraten sie sich mit einem be- sonders erfahrenen Kollegen. Im übrigen wird über eine Reform des Vertrages praktisch seit seinem zwangsläufigen Abschluß beraten.

Allgemeinmedizin

Besonders geeignet, dem ärztli- chen Nachwuchs — das heißt schon dem Studenten — Bedeu- tung und Qualität allgemeinärztli- cher Tätigkeit vor Augen zu führen, ist die Famulatur, die aber nicht dazu führen darf, daß dem Famulus etwa durch einen über die Arbeits- last stöhnenden und schimpfenden Allgemeinarzt der eigene Beruf madig gemacht wird. Die Vermitt- lung von Famuli in geeignete Allge- meinpraxen muß noch ausgebaut werden; das Interesse, von einigen Kassenärztlichen Vereinigungen nachhaltig gefördert, wächst jeden- falls bei Praktikern wie bei Studen- ten.

Medizinstudium von Arztkindern Tatsache ist, daß etliche Landarzt- praxen deshalb verwaisen, weil ein Kind oder die Kinder des Arztes beim gegenwärtigen Auswahlverfah- ren in vielen . Fällen keinen Studien- platz bekommen — von der grund- sätzlich falschen Selektion durch Überbewertung der Abiturnoten hier einmal ganz abgesehen. Ge-

wiß ist eine rechtliche Sonderrege- lung für Arztkinder nicht möglich, und entgegen einer kürzlich erho- benen Behauptung aufgrund einer falsch verstandenen oder falsch ausgelegten Publikation") werden Arztkinder auch keineswegs beim Ausleseverfahren „bevorzugt", wie Tausende von Ärzten beschwerde- führend bestätigen, deren Kinder trotz aller Bemühungen eben nicht zum Studium zugelassen worden sind. Als gerechtestes Auswahlsy- stem wurde von Diskussionsteil- nehmern das Losverfahren be- zeichnet (das aber ja auch keines- wegs sicherstellen würde, daß Arztkinder zum Studium gelangen und die väterliche Praxis überneh- men könnten).

Die gründliche, lebhafte Diskus- sion mündete schließlich in ein Plädoyer für ein Pflegejahr, bei dessen Einführung sich ja erweisen werde, ob die Einser-Abiturienten wirklich bereit wären, die Härte des Berufes auf sich zu nehmen, oder ob jene, die nur deshalb eben mal Medizin studieren wollen, weil ihr Abiturzeugnis für ein anderes Studium „zu gut" ist, dann nicht wegbleiben ...

Es geht ein Gespenst um: Die Vor- stellung von der Einführung einer Prüfung nach jeder Fortbildungs- veranstaltung, ja von Wiederholun- gen der Examensprüfung. Man- che politische Kräfte sähen so et-

*) Bochnik/DonikefPittrich: „Numerus clau- sus in der Medizin", Akademische Ver- lagsgesellschaft Frankfurt am Main.

(5)

Szenerie beim XX. Internationalen Fort- bildungskongreß der Bundesärztekam- mer im März 1975 in Badgastein. Bild oben: Fast schon Frühjahr (dann doch wieder eingeschneit) — das neue Kon- greßzentrum mit seinem Kuppeldach vor den Hohen Tauern. Bild unten: Ab- seits vom Verkehr im schönen Köt- schachtal bei Badgastein der Stubner- hof; ein Beispiel dafür, daß Badgastein jedem Geschmack etwas bietet, außer geradezu weltstädtischen Hotels im Zen- trum auch ländliche Hotels an der Peri- pherie. Bild rechts: Der Wasserfall mit ten in Badgastein beim „Jubiläum" (mit dem über die Schlucht gespannten Em- blem des Kongresses)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Badgastein

was aus ihrer Vorstellungswelt her- aus, die auf totale Reglementie- rung zielt, gewiß ganz gern. Die ak- tuelle Diskussion innerhalb der Ärzteschaft zielt aber auf etwas ganz anderes, nämlich darauf, un- ter Erhaltung der Freiheit für jeden einzelnen Arzt sich fortzubilden, wie und nach welcher Methode er will, die Effizienz der Fortbildung für sich selbst zu überprüfen und nach außen zu dokumentieren.

Selbstverständlich müssen erst noch Methoden entwickelt werden, wie solche Selbstüberprüfung sinn- voll und mit größtmöglichem Fort- bildungseffekt zu gestalten wäre.

Der Trend geht jedenfalls nicht zum Testat irgendwelcher „Absit- zungen" (obwohl in einem Paragra- phen des ursprünglichen „Arendt- Entwurfes" solches allein für Kas- senärzte anvisiert war oder ist), sondern nach wissenschaftlich be- gründeten Lehr- und Testmetho- den, die dem einzelnen, anonym bleibenden Arzt nützen und den Gesamteffekt einzelner Fortbil- dungsmaßnahmen und Fortbil- dungsmethoden dokumentieren.

Hier ist eine Entwicklung in Gang gekommen und unaufhaltsam, die von der Ärzteschaft sinnvoll ge- handhabt und genutzt werden soll- te.

Trend zur Niederlassung!

Es ist erfreulich, daß die Propagie- rung linksextremer Vorstellungen von einer Revolutionierung des Ge- sundheitswesens, gleichgültig un- ter welcher Firmierung, den Trend zu einer zunehmenden Niederlas- sung in freier Praxis nicht bremsen kann. Auch dieses Berufspolitische Kolloquium beim XX. Internationa- len Fortbildungskongreß der Bun- desärztekammer in Badgastein dürfte dazu ermutigt haben, die freie Praxis weiterhin zu wagen;

denn eine derart sachbezogen am Patienten orientiert diskutierende Ärzteschaft dürfte auch weiterhin die Überzeugungskraft haben, die nötig ist, um gefährliche Experi- mente theoretisierender Gesell- schaftsreformer zu verhindern. DÄ

1312

Heft 18 vom 1. Mai 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Eichhorn versah von 1962 bis 1973 einen Lehrauftrag für Betriebwirtschaftslehre der Öf- fentlichen Betriebe an der Wiso- Fakultät der Universität Köln, von 1965 bis 1972

Der Trend, eine Praxis zu über- nehmen oder in eine bereits bestehen- de Praxis einzutreten, ist in West- deutschland mit 58,8 Prozent aller Fi- nanzierungen hoch.. In Ostdeutsch-

Wir müssen aber auch Verständ- nis haben für alle, die seinerzeit ge- lebt haben, die das Unrecht nicht so erkannt haben, wie wir es heute er- kennen, und die sich dann in der

Eine Verringerung der Zahl der Medizin- studenten wird auch von der Ärzte- schaft seit langem gefordert, um die Zahl der Medizinstudenten, die der Hochschullehrer und die

Dazu gehö- ren Patienten mit einer chronisch- entzündlichen Darmerkrankung und Patienten mit einer chronischen Er- krankung und einem erhöhte Kom- plikationsrisiko im Hinblick auf

Und dann noch der tägliche Stress mit völlig verstopften Stra- ßen, und kein Schwein interessiert sich blickfangmäßig für den eige- nen Ferrari, gibt es in Monaco doch derartige

Wie sollen aber, fragte Profes- sor Sewering, die rund 35 000 Ab- iturienten, die sich jährlich ums Me- dizinstudium bewerben, überhaupt Pflegedienstplätze finden, selbst wenn

Seit dem Jahr 2000 vertreibt Chiron Behring mit Fluad eine adjuvierte Grippevakzine für Personen ab 65 Jahre. Durch die unterstützende Substanz MF59 ist Fluad hoch immuno- gen,