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Archiv "AIDS-Gefährdung: Anmerkungen" (11.02.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Zu dem Beitrag

Eine vorläufige Stellungnahme zur Gefährdung von Ärzten, Schwestern und technischem Personal`

Heft 16 vom 16. April 1987

AIDS-Gefährdung

Anmerkungen

Mit Sorge haben wir von der vorläufigen Stellungnahme von Goebel Kenntnis genommen, dessen Fazit möglicherweise zu einer Un- terschätzung des Infektionsrisikos für das medizinische und zahnmedi- zinische Personal mit entsprechend nachteiligen Konsequenzen, inbe- sondere zu einer Nichtbeachtung an- erkannter hygienischer Regeln füh- ren kann.

Grundsätzlich muß berücksich- tigt werden, daß man erst am An- fang einer Epidemie steht, deren auslösender Erreger im Gegensatz zu den meisten anderen Infektionen lebenslang ausgeschieden wird und dem das medizinische Personal erst seit relativ kurzer Zeit exponiert ist.

Weiterhin ist davon auszugehen, daß die Zahl der HIV-positiven Pa- tienten noch deutlich zunehmen wird. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die epidemiologischen Kenntnisse bereits zu diesem Zeit- punkt ausreichen, um das Infek- tionsrisiko sicher einschätzen zu können. Das Fazit der Stellungnah- me einer „extrem seltenen Infek- tionsgefahr" des medizinischen Per- sonals basiert im wesentlichen auf der „Cooperative Needlestick Sur- veillance-Studie", die jedoch nicht in den wesentlichen Inhalten wieder- geben wurde. In dieser Studie wird die Serokonversions-Rate nach pa- renteraler Blutexposition (Nadel- stichverletzung) mit 0,94 Prozent an- gegeben. Dies bedeutet, daß medizi-

nisches und zahnmedizinisches Per- sonal nach parenteralem HIV-Blut- kontakt in ca. ein Prozent mit einer HIV-Infektion zu rechnen hat. Da- bei ist es sicher eine Frage der Tole- ranz, ob eine derartige Serokonver- sions-Rate als „äußerst gering" be- ziehungsweise „extrem selten" — wie in der Stellungnahme — einge- stuft werden darf. Auch ein Prozent erscheint den Verfassern als ein nicht zu vernachlässigendes Risiko, da nach entsprechender Exposition das Personal bis zu zwölf Monaten wiederholt untersucht werden muß, um eine HIV-Infektion erkennen zu können, was eine erhebliche psycho- logische Belastung darstellt.

Zur richtigen Einschätzung der Infektionsgefährdung ist darüber hinaus von Bedeutung, daß in der Cooperative Needlestick Surveillan- ce-Studie in erster Linie medizini- sches Personal erfaßt wurde, wel- ches Patienten mit klinisch manife- stem Aids exponiert war. In der Stu- die wird jedoch darauf hingewiesen, daß bei HIV-positiven Personen oh- ne klinische Manifestation höhere zirkulierende Titer des HIV-Virus vorhanden sind. In diesem Fall ist laut dieser Studie bei parenteralem Blutkontakt ein möglicherweise hö- heres Infektionsrisiko anzunehmen.

Eine genaue Risikoabschätzung kann jedoch erst in zukünftigen Stu- dien gegeben werden.

Bei einer Diskussion des HIV- Infektionsrisikos für das medizini- sche Personal muß auch auf die Be- deutung von Sekundärinfektionen beim HIV-infizierten Patienten wie

zum Beispiel die Tuberkulose hinge- wiesen werden, welche auch für das medizinische Personal von Bedeu- tung sein kann. Entsprechende Un- tersuchungen zeigen, daß Aids-Pa- tienten eine hundertfach oder höhe- re Tuberkuloseinzidenz aufweisen als die Allgemeinbevölkerung (2).

Es steht außer Zweifel, daß es nicht zu einer Hysterisierung des medizinischen und zahnmedizini- schen Personales kommen darf. Ei- ne Unterschätzung des Infektionsri- sikos und eine hierdurch bedingte Sorglosigkeit und Nichtbeachtung anerkannter hygienischer Regeln wird jedoch im Endeffekt die Ver- unsicherung erhöhen und kann dazu beitragen, daß ansonsten vermeid- bare Infektionen auftreten. Nach der Einschätzung der Cooperative Needlestick Surveillance-Studie können bis zu 40 Prozent aller HIV- Expositionen vermieden werden, wenn das medizinische Personal ent- sprechende Verhaltensregeln beach- tet. (1).

Aus diesem Grunde müssen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Hy- gieneregeln zur Verhütung der Wei- terübertragung von HIV und hiermit assoziierten Sekundärinfektionen wie der Tuberkulose gezielt und de- tailliert bekannt gemacht und auf deren Einhaltung geachtet werden.

Der Hinweis, daß die gleichen Prä- ventivmaßnahmen wie bei Hepatitis B einzuhalten sind, ist in keinem Fall ausreichend. Die Hygienemaß- nahmen müssen von der Hygiene- kommission für jeden Klinikbereich detailliert festgelegt und jedem Mit- arbeiter bekannt sein.

Ziel dieser Hygienemaßnahmen muß sein, daß das Risiko einer Übertragung von HIV und anderen sekundären Infektionserregern auch bei unwissentlicher Behandlung von HIV-positiven Patienten auf ein Mindestmaß reduziert ist. Die Stra- tegie muß derart sein, daß zum ge- genwärtigen Zeitpunkt die hygieni- schen Maßnahmen möglichst hoch angesetzt werden. Bei Erweiterung des epidemiologischen Kenntnis- standes können diese gegebenenfalls wieder reduziert werden. Es er- scheint sinnvoll, mit derartigen Be- mühungen bereits zu einem Zeit- punkt zu beginnen, wo die Anzahl A-308 (64) Dt. Ärztebl. 85, Heft 6, 11. Februar 1988

(2)

HIV-positiver Patienten noch nicht das zu erwartende Ausmaß erreicht hat, und nicht erst, wenn vermeidba- re Infektionen bei medizinischem Personal aufgetreten sind.

Literatur

1. Mc Cray, E.: The Cooperative Needlestick Surveillance Group. Occupational risk of the Acquired Immunodeficiency Syndrome among Health Care Workers. N. Engl. J.

Med. 314 (1986) 1127-1132

2. N. N.: Tuberculosis and Aids. MMWR 36 (1987) 133-135

3. N. N.: Recommendations for Prevention of HIV Transmission in Health Care Settings.

MMWR 36 (1987) No. 2 S

Priv.-Doz. Dr. med. Martin Exner Arzt für Hygiene, Bonn

Dr. M.-Th. Linner Krankenhaushygienikerin München

Dr. med. G. Gregori Arzt für öffentliches

Gesundheitwesen, Straubing

Korrespondenzanschrift:

Privatdozent Dr. med.

Martin Exner Neumarkt 15-21 5000 Köln 1

Schlußwort

Der Leserbrief von Exner und Mitarbeitern zeigt exemplarisch das Dilemma, in dem sich die Diskus- sion im Zusammenhang mit AIDS heute befindet. Der Mangel an aus- reichenden epidemiologischen Da- ten läßt allen Spekulationen über die weitere Entwicklung dieser Krank- heit weiten Raum. Je nach dem eige- nen Glaubensbekenntnis wird die Meinung des anderen als Übertrei- bung oder gefährliche Unterschät- zung bezeichnet.

In meiner Stellungnahme habe ich den Versuch gemacht, die bisher in der Literatur bekannten Daten ei- ner berufsbedingten HIV-Infektion des medizinischen Personals zusam- menzutragen. Das Fazit aller bisher publizierten Originalarbeiten lautet einhellig: das Infektionsrisiko ist au- ßerordentlich gering. In Anbetracht der kleinen Zahl nachweislich be- rufsbedingter HIV-Infektionen bei weltweit 5 bis 10 Millionen Infizier- ten (WHO-Angabe) habe ich mich

dieser Einschätzung angeschlossen.

Die Aussage „extrem selten" galt nicht der Serokonversionsrate von unter ein Prozent bei Nadelstichver- letzungen, sondern dem Gesamtrisi- ko bei der Betreuung HIV-Infizier- ter. Da wir alle die Zukunft nicht vorhersagen können, habe ich mei- ner Einschätzung den unübersehba- ren Zusatz „nach dem derzeitigen Stand der Kenntnisse" angefügt und darauf hingewiesen, daß nur durch sorgfältige Einhaltung hygienischer Vorschriften eine Zunahme der be- rufsbedingten HIV-Infektionen ver- hindert werden kann.

An der Einschätzung der Infek- tionsgefährdung ändert die Spekula tion der zitierten Autoren der Co- operative Needlestick-Surveillance Studie nichts, HIV-Träger ohne Krankheitszeichen könnten beson- ders hohe Titer des HIV haben. Die- se Spekulation wird in der Arbeit aus den noch normalen T-Lympho- zytenzahlen bei HIV-Trägern ohne Krankheitszeichen hergeleitet, sie erscheint jedoch wirklichkeitsfremd.

Tatsächlich besteht eher ein inverses Verhältnis zwischen T-Lymphozy- tenzahl und Virämie. Es ist bekannt, daß die Viruskultivierung umso leichter gelingt, je weiter das Krank- heitsstadium des Patienten fortge- schritten ist (was mit einer Abnahme der Helfer-Lymphozytenzahl ein- hergeht).

Ich danke Herrn Exner und Mit- arbeitern für ihre Zuschrift, weil sie mir Gelegenheit gibt, mit ihnen ge- meinsam noch einmal auf die Not- wendigkeit der Einhaltung hygieni- scher Vorschriften hinzuweisen. Die mir von der Schriftleitung zugestan- dene Länge meiner Stellungnahme zum Infektionsrisiko ließ keinen Raum für detaillierte Beschreibun- gen dieser Vorschriften oder den richtigen Hinweis auf eine potentiel- le Gefährdung des medizinischen Personals durch opportunistische In- fektionen der AIDS-Patienten zum Beispiel durch die Tuberkulose.

Professor Dr. med.

Frank-Detlef Goebel Medizinische Poliklinik der Universität München Pettenkoferstraße 8 a 8000 München 2

Misoprostol

bei der chronischen Antrumgastritis

Zwischen einer chronischen An- trumgastritis und dem Ulcus-duode- ni-Leiden bestehen offensichtlich Beziehungen, die über eine Besied- lung der Mucosa mit Campylobacter pyloridis hinausreichen. Die thera- peutischen Bemühungen richten sich deshalb derzeit auch dahin, zum Beispiel durch eine Behandlung mit Wismutpräparaten eine Abheilung der Antrumgastritis zu erreichen.

Offensichtlich führt auch die orale Gabe von Misoprostol 4mal 200 .tg zu einer Abheilung der An- trumgastritis. In einer großen kon- trollierten Studie in Hongkong er- hielten 229 Patienten mit einem flo- riden Ulcus duodeni entweder ein Plazebopräparat (n = 76), Misopro- stol 800 tg in vier Einzeldosen oder 4mal 300 p,g/d. Bei 99 Prozent der Patienten lag eine chronische An- trumgastritis vor, nur bei 1.5 Pro- zent eine Corpusgastritis. Zwischen der Abheilung der Ulzera und einem Rückgang der Entzündungszeichen in der Magenschleimhaut ließ sich eine signifikante Korrelation her- stellen. Unter Misoprostol war der Therapieeffekt besonders ausge- prägt; wesentlich häufiger als unter der Plazebomedikation kam es zu ei- nem Verschwinden der Entzün- dungsparameter in der Antrum- schleimhaut. Alkohol- und Nikotin- konsum zeigten überraschenderwei- se keinen Einfluß auf diese Rückbil- dungstendenz.

Hui, W.-M., S.-K. Lam, J. Ho, et al:

Chronic antral gastritis in duodenal ulcer.

Natural history and treatment with prosta- glandin E,. Gastroenterologoy 91, 1095-1101, 1986

Department of Medicine, University of Hongkong, Queen Mary Hospital, Hong Kong

Dt. Ärztebl. 85, Heft 6, 11. Februar 1988 (65) A-309

Referenzen

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