uf etwas schärfere Töne hat- ten sich vermutlich die Teil- nehmer eines Presseseminars der Barmer Ersatzkasse Ende August in Berlin eingestellt. Angekündigt war nämlich ein Streitgespräch zwischen dem Präsidenten der Bundesärzte- kammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, und dem Vorstandsvorsitzen- den der Barmer, Dr. med. Eckart Fiedler, zum Thema „Ist eine Lei- stungsrationierung unausweichlich?“
Doch trotz der unterschiedlichen Sichtweisen debattierten Hoppe und Fiedler sachlich, zuweilen witzig und durchaus mit Über- einstimmungen.
Er sei sich sicher, daß die ge- plante Gesundheitsreform zu ei- ner Verschlechterung der Ver- sorgung von Patienten führen werde, weil sie ausschließlich ökonomisch ausgerichtet sei, be- kräftigte Hoppe. Selbst wenn er jede Rationalisierungsreserve anerkenne, über die man im Ver- lauf des Seminars gesprochen habe, werde man dennoch auf- grund des medizinischen Fortschritts mittelfristig in unüberwindbare Kon- flikte geraten.
Fiedler räumte ein, daß die Mobi- lisierung von Wirtschaftlichkeitsre- serven allein nicht ausreichen werde.
Man müsse zukünftig die strukturel- len Probleme im Gesundheitswesen in den Griff bekommen. Eine starre Ausgabengrenze hält Fiedler derzeit aber für unverzichtbar. Umfang und Konstruktion des geplanten Global- budgets seien aber unzureichend. So sei die einzelne Kasse zur Einhaltung des Globalbudgets verpflichtet. 80 Prozent ihrer Ausgaben würden je- doch entsprechend der gesetzlichen
Vorgaben innerhalb der GKV ge- meinsam und einheitlich festgelegt.
Hier gebe es einen Widerspruch zwi- schen kassenbezogener Verantwor- tung und nicht vorhandener Vertrags- kompetenz.
Fiedler meint zudem, daß das Budget zu niedrig ist. Er schätzt den Fehlbetrag für 2000 auf rund zwei Milliarden DM, weil beispiels- weise durch die Reform weitere Ausgaben auf die Kassen zukom- men. Zu niedrig seien auch die
Fortschreibungsraten – Prognosen, denen Hoppe nicht widersprach.
Größer waren die Unterschiede in anderen Bereichen. Fiedler kriti- sierte beispielsweise, daß Ärzte häu- fig von der Medizin als Heilkunst sprächen. Das bedeute dann: „Ich ma- che, was ich will.“ In einem solidarisch finanzierten Krankenversicherungs- system müsse aber rational therapiert werden. Erst wenn dies umfassend geschehe und wenn alle Rationali- sierungsreserven ausgeschöpft seien, müsse man überlegen, woher zu- sätzlich Geld kommen könne.
Hoppe widersprach: Manche Kri- tik an unsinnigen Therapien habe ihre
Berechtigung. Dennoch sei ihm wich- tig klarzustellen, daß die Medizin zwar auf den Naturwissenschaften aufbaue, aber selbst keine sei: „Vieles ist Heil- kunde, manches aber auch Heilkunst.“
Man solle die Rationalisierungsreser- ven ausschöpfen, müsse aber den me- dizinischen Fortschritt einbeziehen.
Der Präsident der Bundesärzte- kammer griff zudem das Thema
„Tempo von Veränderungen“ auf und erinnerte, daß vieles, was heute bei den Kassen und in der Politik disku- tiert werde, als Idee aus der Ärzte- schaft stamme. „Ein Drittel der Foli- en, die heute gezeigt wurden, könnte vom Marburger Bund stammen“, flachste Hoppe. Schon Mitte der 80er Jahre hätten dessen Mitglieder über eine bessere Verzahnung ambulant–
stationär und eine bessere hausärztli- che Versorgung gesprochen.
Manches Vorhaben brauche eben seine Zeit, meinte Hoppe und erinner- te an das jüngst gestartete Programm zur Förderung der Allgemeinmedizin.
Ein Stichwort für Fiedler: Und dann?
Am Ende habe man Allgemein- ärzte, aber die Patienten liefen doch zu den Fachärzten, kritisier- te er. Sie fänden ja heute keinen Hausarzt mehr, konterte Hoppe.
Inzwischen seien viele Patien- ten daran gewöhnt, erst einmal eine Selbstdiagnose zu stellen und dann einen entsprechenden Facharzt aufzusuchen. Das wer- de sich wieder ändern – aber sehr langsam.
Apropos Änderung: Was tun angesichts der Vorstellungen der politischen Mehrheit? Fied- ler unterbreitete den Vorschlag, die Kassen sollten gemeinsam mit der Ärzteschaft Vorschläge erarbeiten und dann gemeinschaftlich die Politik da- von überzeugen: „Wir sind Partner, für das Wohl der Kranken zu sorgen;
das muß uns verbinden.“ Hoppe er- läuterte seine Idee, in einem oder mehreren Ausschüssen von Kassen und Ärzteschaft auf der Basis evi- denz-basierter medizinischer Erkennt- nisse fortlaufend über neue Verfahren zu beraten und so den medizinischen Bedarf zu definieren. Er denke eben- falls, daß die Politik hellhörig werde, wenn Ärzte und Kassen auf einer Li- nie lägen. Sabine Rieser A-2196 (24) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 36, 10. September 1999
P O L I T I K AKTUELL
Streitgespräch Hoppe – Fiedler
Gemeinsam wäre man schon stärker . . .
Der Präsident der Bundesärztekammer und der Vorstandsvorsitzende der Barmer diskutierten über Leistungsrationierung.
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Jörg-Dietrich Hoppe Eckart Fiedler
Foto: Ärztekammer Nordrhein Foto: Bernhard Eifrig