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Archiv "Psychiatrie: Einseitige Sichtweise" (30.03.2007)

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A854 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 13⏐⏐30. März 2007

B R I E F E

gen – wird der Reagenzglasembryo nicht implantiert, stirbt er. Wir alle – und der Embryo im Reagenzglas gehört zur menschlichen Gemein- schaft, wozu denn sonst? – tragen Verantwortung füreinander: Wir dür- fen Unschuldige nicht töten, und der Mächtigere hat den Schwachen zu schützen . . .

Dr. med. Maria Overdick-Gulden,Markusberg 24 e, 54293 Trier

Ein starkes Stück

. . . Völlig im Sinn einer huma- nitären Ethik bemüht sich die natur- wissenschaftliche Medizin, kranken Menschen mit embryonalen menschlichen Stammzellen zu hel- fen. Dagegen haben Ethiker ihr Veto eingelegt, weil embryonale Zellen schon „schutzwürdige Menschen- wesen“ seien, deren Recht auf Le- ben ganz im Sinn des Urteils unse- res Bundesverfassungsgerichts nicht gegen das Leben kranker Menschen aufgerechnet werden dürfe. Aller- dings hat das Bundesverfassungsge- richt auch schon einmal umgekehrt argumentiert. Das war bei der Frage des Schwangerschaftsabbruchs.

Würde er illegal bleiben, entschied unser hohes Gericht damals, dann möge zwar das eine und andere un- geborene Leben gerettet werden, es würde aber das Leben der Schwan- geren gefährdet, die in der Illega- lität beim Kurpfuscher abtreiben ließen, und laut Statistik sei die Zahl der gefährdeten Schwangeren größer als die der geretteten Kinder.

– Darauf erwidern Ethiker, das sei zwar eine gewisse moralische Nach- lässigkeit, aber doch kein Argu- ment, embryonale Stammzellen nicht als schutzwürdige Menschen- wesen anzusehen. Aber damit argu- mentieren sie nicht mehr kompetent auf ethischer Ebene, sondern auf biologischem Laienniveau. Denn ei- ne embryonale Stammzelle besitzt das biologische Potenzial, ein Mensch zu werden, ausschließlich im mütterlichen Uterus, aber nicht mehr im Reagenzglas, wenn keine Mutter da ist. Einen lebenden und leidenden Menschen mit einer em- bryonalen Stammzelle im Reagenz- glas zu vergleichen und beiden das gleiche Recht auf Leben zuzuspre-

chen, obwohl diese embryonale Stammzelle nie ein Mensch werden kann, für den allein ethische Maß- stäbe gelten, das ist schon ein star- kes Stück . . .

Prof. Dr. Dr. Hans E. Müller,

Alter Rautheimer Weg 16, 38126 Braunschweig

Inhuman

. . . Da zahlreiche befruchtete Eizel- len auf dem Weg in den Uterus vor- zeitig absterben, sollte man grund- sätzlich eher von befruchteten Eizel- len sprechen, bevor die Nidation ein- tritt, und nicht von Embryonen. Die- se befruchteten Einzellen sind im Morulastadium bestenfalls in man- chen Fällen mögliche nidationsfähi- ge Fortpflanzungszellen, aber nicht grundsätzlich. Unabhängig davon ist die Beschränkung der deutschen Wissenschaft durch engstirnige kon- fessionsgebundene Geister ein Ein- griff in die Freiheit der Wissenschaft, die in diesem Falle bemüht ist, Krankheiten zu heilen und Men- schenleben zu retten. Das ist aus meiner Sicht inhuman.

Dr. med. H. Walter sen.,Gartenstraße 2, 24211 Preetz

PSYCHIATRIE

Chancen und Miss- verständnisse bei der Zusammenfüh- rung zweier Versor- gungssysteme in der deutschen Psychia- trie nach der Wende (DÄ 51–52/2006: „Psychiatrie im Ost- West-Vergleich: Psychiatrie braucht Öf- fentlichkeit“ von Dr. med. Herbert Loos).

Enorme Vorurteile

Es wurde Zeit, endlich – nach der Wiedervereinigung – einen Blick auf die Psychiatrie in der ehemaligen DDR zu werfen, denn bei uns im Westen sind die Vorurteile noch im- mer enorm. Kaum jemand kennt die zitierten Rodewischer Thesen von 1963, mit denen die sozialpsychia- trische Entwicklung in der DDR be- gann, lange bevor sie bei uns im Westen in Gang kam. Ich konnte be- reits Anfang der 70er-Jahre in der psychiatrischen Universitätsklinik

Leipzig erstaunt erleben, wie bei of- fenen Türen auf demselben Flur mit der Chirurgie, Patienten frei be- handelt wurden, und wie weit die ambulante Nachsorge und die Zu- sammenarbeit mit Firmen bereits entwickelt war, lange bevor wir im Westen damit begannen. Wir haben damals in der Medizinischen Hoch- schule Hannover von den Leipzi- gern gelernt und eine gute Zusam- menarbeit und einen Austausch von Ideen und Praktiken gesucht und ge- funden.

Prof. Dr. med. Alfred Drees, Friedrich-Ebert-Straße 26, 47799 Krefeld

Einseitige Sichtweise

Das Bild, das Dr. Loos von der DDR-Psychiatrie zeichnet, er- scheint mir einseitig und fragmenta- risch . . . Sicher haben diktatorische Machtstrukturen und besonders feh- lende Öffentlichkeit die Psychiatrie beeinflusst und die Entwicklung moderner, humaner Betreuungsfor- men gehemmt. Auch hatte das Sys- tem Einfluss auf die Relation von Emanzipation und Integration, von Befreiung und Disziplinierung, der wurde aber gebrochen von den Menschen und den konkreten Be- dingungen. Wie viele andere soziale Bereiche war die Psychiatrie nicht, wie von Dr. Loos einem allgemei- nen Trend folgend gesehen, einlinig kausal durch die Machtstrukturen des Systems bestimmt . . . Psychia- trie war eine relativ eigenständige soziale Substruktur, die nur be- grenzt vom politischen System ko- lonisierbar war. Das hatte nichts mit politischem Widerstand zu tun, son- dern mit der Differenzierung unter- schiedlicher sozialer Strukturen in einer modernen Gesellschaft und der Dialektik von System und Le- benswelt . . . Es ist falsch, wenn

Die Redaktion veröffentlicht keine ihr anonym zugehenden Zuschriften, auch keine Briefe mit fingierten Adressen. Alle Leserbriefe werden vielmehr mit vollem Namen und voller Anschrift gebracht. Nur in besonderen Fällen können Briefe ohne Namensnennung publiziert werden – aber nur dann, wenn der Redaktion bekannt ist, wer geschrieben hat.

ANONYM

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 13⏐⏐30. März 2007 A855

B R I E F E

Dr. Loos sagt, dass es positive Ent- wicklungen in der DDR nur bis 1970 gegeben habe, und nur die Ro- dewischer Thesen nennt. Von 1970 bis zur Wende wurden im Rahmen eines staatlichen Forschungspro- jekts Modelle gemeindepsychiatri- scher Versorgung erprobt. Sie wur- den Grundlage eines modernen Ent- wicklungsprogramms der Psychia- trie, das allerdings nur insulär reali- siert wurde. Hemmnis waren neben materiellen Defiziten vor allem die von Prof. Bach genannten konserva- tiven, biologisch-naturwissenschaft- lichen Tendenzen im Fachgebiet. In der DDR gab es auch in der Psy- chiatrie Bemühungen um demokra- tische Lebensformen, offen geführte Kliniken mit Formen der Patienten- selbstverwaltung etc. Bekannt wur- den besonders die „Brandenburger Thesen zur therapeutischen Ge- meinschaft“. Die Grenzen solcher

Bemühungen, die auch mit den auf der Ebene des herrschenden Sys- tems zu Leerformeln verkommenen Idealen des Sozialismus begründet werden konnten, wurden nicht ge- setzt vom politischen System und seinen Machtstrukturen, sondern vor allem von den traditionellen au- toritär-hierarchischen Strukturen von Medizin und Psychiatrie. Das Fehlen einer „Vielfalt von Betreu- ungsangeboten und Vereinsinitiati- ven“ jenseits des Krankenhausareals in der DDR war eher ein Vorteil.

Psychisch Kranke und Behinderte wurden nicht in neuen gemeinde- psychiatrischen Strukturen betreut, die ja immer ausgrenzende Effekte haben, sondern in normalen Betrie- ben, Wohnbereichen, in Clubs und anderen sozialen Angeboten von Gemeinde oder Gewerkschaften, d. h. „bürgerzentriert“, ein Versor- gungsprinzip, das K. Dörner kürz-

lich als Zukunftsvision gezeichnet hat . . .

Prof. Dr. em. Klaus Weise,Hauptstraße 3 a, 04416 Markkleeberg

EURONOTRUF

Die von der Europäi- schen Union be- schlossene einheitli- che Notrufnummer ist noch nicht in al- len Mitgliedstaaten zuverlässig umge- setzt (DÄ 5/2007: „Noch nicht perfekt“

von Heike E. Krüger-Brand).

Noch weniger perfekt

Dass es europaweit noch keine Eini- gung über eine Notrufnummer für le- bensbedrohliche Notfälle gibt, ist sehr bedauerlich. Offenbar spielen bürokratische Hürden hier eine we-

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