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Archiv "Weiterentwicklung des Arztberufs aus der Sicht der Spezialisierung" (01.07.1983)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 26 vom 1. Juli 1983

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Weiterentwicklung des Arztberufs aus der Sicht der Spezialisierung

Die Diskussion um die allge- meinärztliche Versorgung und die Bedeutung des Hausarztes in der allgemeinärztlichen Versor- gung hat zu dem irrigen Bild geführt, daß nur bei ihm die er- forderliche menschliche Zuwen- dung zum Patienten zu erwarten ist. Demgegenüber muß darauf hingewiesen werden, daß der Einsatz medizinischer Technik und spezialisierter Untersu- chungs- und Behandlungsver- fahren nicht ein Weniger, son- dern oftmals sogar ein Mehr an ärztlicher Zuwendung zum Pa- tienten erfordert, da die beim Patienten bestehende Scheu, seine Ängste gegenüber neuarti- gen und komplizierten Untersu- chungs- und Behandlungsver- fahren, im persönlichen Ge- spräch abgebaut werden müs- sen.

Wolfgang Bechtoldt

Wer die Aufgabe hat, über die Wei- terentwicklung in der Medizin aus der Sicht der Spezialisierung, das heißt aus der Sicht der Fachgebie- te, wie sie in der Akademie der

„Fachärzte" vertreten sind, zu be- richten, kann dieses nicht aus der Tagesaktualität heraus tun, er muß sich vielmehr in kritischer Analyse mit der Entwicklung der Medizin, und hier der Spezialfächer, aus- einandersetzen.

Dabei werden zwangsläufig Fra- gen der Aus-, Weiter- und Fortbil- dung ebenso anzusprechen sein wie die Entwicklung der moder- nen Medizin selbst, die beeinflußt wird durch den wissenschaftli- chen Fortschritt, nicht zuletzt aber auch durch die technische Ent- wicklung der Medizin.

Es wird aber auch die Frage zu stellen sein, inwieweit sich da- durch das Bild des Arztes, der sei- nen Beruf als Folge dieser Ent- wicklung aufgrund einer fachli- chen Spezialisierung in einem Ge- biet der Medizin ausübt, verändert hat. Denn das tradierte Leitbild des Arztes — Hand aufs Herz, gibt es das noch? Und wenn nicht, soll man das beklagen? Oder ist das nicht der ganz natürliche Weg zu neuen Ufern?

Die Beantwortung dieser Frage stellt den Referenten vor die Schwierigkeit, sich entweder dem Vorwurf der Unvollkommenheit seiner Betrachtungen aussetzen zu müssen oder aber zwangsläu- fig, wenn auch aus anderer Sicht,

Probleme ansprechen zu müssen, die in den bereits gehaltenen Re- feraten sowie in den Diskussionen aufgeworfen wurden und werden.

Ein solches, wie mir scheint, not- wendiges Vorgehen schließt damit sowohl von der einen wie von der anderen Seite Kritik an den Aus- führungen nicht aus. Trotzdem möchte ich es wagen.

Starker Trend zur Spezialisierung

Den Arzt der Jahrhundertwende, der mit Stethoskop, Perkussions- hammer und Fieberthermometer sowie mit seinen fünf Sinnen den Patienten umfassend mit all sei- nen Beschwerden und Krankhei- ten behandelte, gibt es nicht mehr.

An seine Stelle ist neben den All- gemeinarzt mit seiner in der Bun- desrepublik ebenfalls technisch hervorragend ausgestatteten Pra- xis der Spezialist getreten, der sich in der Ausübung seiner Praxis aufgrund einer qualifizierten Wei- terbildung auf ein medizinisches Fachgebiet konzentriert. Das Bild dieses Spezialisten wird in der Öf- fentlichkeit zum Teil bewußt schwarzweiß gezeichnet. Dem Facharzt wird Überspezialisierung und vorrangige Beschäftigung mit der Medizintechnik anstelle per- sönlicher Zuwendung zum Kran- ken vorgeworfen; andererseits zei- gen jedoch die auf der Vertreter- versammlung der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung und auch auf diesem Ärztetag darge- stellten Zahlen, daß in der Bundes- Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 26 vom 1. Juli 1983 53

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Spezialisierung

republik ein starker Trend zur In- anspruchnahme von Spezialisten auch im Rahmen der primärärztli- chen Versorgung besteht.

Zu dieser Entwicklung hat, so mei- ne ich, nicht zuletzt eine innerärzt- lich verbreitete Mentalität beige- tragen, die Spezialwissen und technische Perfektion über allge- meinärztliche Tätigkeit gestellt hat. Hieraus resultiert nicht nur bei den Ärzten der Drang zur fachärzt- lichen Weiterbildung, sondern auch der Glaube der Patienten an

den "Facharzt als den kompeten-

ten Arzt". Dies hat zur Abwertung des praktischen Arztes und bei der ärztlichen Jugend zu mangelndem Interesse an einer entsprechenden Weiterbildung geführt. Sehr zu Unrecht, wie ich meine!

Begünstigt wurde diese Entwick- lung durch falsches Wertigkeits- denken auch an den Hochschulen und durch die Arbeitsplatzsitua- tion am Krankenhaus als "Weiter- bildungsstätte". Letzteres ist mit- bedingt durch die Vorbehalte eini- ger Weiterbilder gegen die Be- schäftigung von Ärzten, die eine Weiterbildung in der Allgemein- medizin ableisten. Wie vielen jun- gen Kollegen in der Medizin ist, wenn sie es nicht schon während ihrer Ausbildung empfunden ha- ben, bei ihrer Tätigkeit am Kran- kenhaus deutlich gemacht wor- den, daß es wohl sinnvoller sei, notfalls eine verlängerte Weiterbil- dung in Kauf zu nehmen, wenn

damit das spätere Image des Fach-

arztes verbunden war.

Hier liegt meines Erachtens ein Grund für die augenblickliche Si- tuation. Eine viel zu große Zahl von Spezialisten drängt sich vor allen Dingen in Städten und Bai- lu ngszentren; auf dem flachen Land dagegen ist die Besetzung mit Spezialisten geringer. Dort wird nach ihnen gerufen, ohne ih- re Existenzsicherung zu beachten.

ln den Städten und Ballungszen- tren dagegen wird nach dem All- gemeinarzt gerufen, der sich wachsender Konkurrenz durch

seine Fachkollegen gegenüber- sieht. Da hinein spielt die Frage der Kompetenz, der Bewertung ärztlicher Leistung. Da stellen sich dann Schlagworte ein, die da hei- ßen: "Überbewertung technischer Leistungen" auf der einen, "mehr Humanität" auf der anderen Seite, und dann redet man vom Bedarf, ja sogar von einer "Bedarfspla-

nung". Und wird nicht auch die

Frage gestellt: Wer kontrolliert den Arzt, wer befähigt wen, die Heilkunde am Menschen auszu- üben- und in welcher Form?

Ich will damit nur skizzenartig die Fragestellungen aufwerfen, denen sich die "Akademie der Fachärz- te" gegenübersieht, wenn es dar- um geht, therapeutische Konse- quenzen oder gar Prognosen für die Weiterentwicklung zu stellen.

Dabei kann ich mich in vielen Punkten kurz fassen. ln meinem Referat in Trier "Zur Lage der All- gemeinmedizin aus der Sicht der

,Akademie der Fachärzte"' habe

ich bereits sehr viel dazu gesagt.

Über allem steht die Maxime, daß Spezialisierung fachliche Kompe- tenz und Qualität bedeuten muß.

Dieses setzt theoretisches Wissen, praktische Erfahrung und ärztli- che Haltung voraus, also Grundla- gen, die in guter Ausbildung und in qualifizierter Weiterbildung er- worben werden müssen.

Die Ausbildung

muß verbessert werden

Ohne auf die im Tätigkeitsbericht dargelegte Arbeit der "Akademie der Fachärzte" im letzten Jahr de- tailliert eingehen zu wollen, muß ich betonen, daß ein großer Teil der Diskussion sich mit der Ausbil- dung an unseren Fakultäten be- schäftigt hat. Nach dem bisheri- gen Stand der Diskussionen ver- tritt die "Akademie der Fachärzte"

die Meinung, daß als Ziel der Aus- bildung zum Arzt ein zur eigenver- antwortlichen Ausübung des Be- rufes befähigter Arzt stehen muß.

Er muß ein gutes Fundament bio- logischer, anatomischer und pa-

thophysiologischer Kenntnisse besitzen und die Zusammenhänge erkennen können, um therapeuti- sche Konsequenzen ziehen zu können. Er muß sie für den tägli- chen Umgang am und mit dem Patienten praktisch umsetzen können. Vor allem aber muß er in der Lage sein, die Grenzen seines Könnens zu erkennen und danach zu handeln.

Die "Akademie der Fachärzte" for- dert daher erneut die Reduzierung der Quantität an Medizinstuden- ten und eine Verbesserung der Qualität durch Änderung der Zu- lassungsbedingungen zum Stu- dium sowie eine Erweiterung der Praxisphase. Ein wesentlicher Schritt wäre zum Beispiel die Schaffung besserer Eingangsvor- aussetzungen zum Medizinstu- dium durch vorwiegende Berück- sichtigung der Abiturnoten in den Fächern Physik, Chemie, Biologie, Deutsch und eventuell Latein be- ziehungsweise die Einführung ei- nes propädeutischen Jahres. Dar- an sollte sich eine am qualitativen Bedarf entsprechend den wissen- schaftlichen Erkenntnissen und den technischen Entwicklungen des Gebietes, orientierte Weiter- bildung anschließen.

Selbstverständlich gilt:

~ Der Grundsatz der Freiwillig- keit ist schon begrifflich immanen- ter Bestandteil jeder Weiterbil- dung.

~ Die Verpflichtung des zur Wei- terbildung Ermächtigten ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag, sondern aus dem ärztlichen Be- rufsrecht.

Das heißt auch weiterhin: strikte Ablehnung einer Pflichtweiterbil- dung, gleichgültig in welcher Form.

Deswegen kann der Beschluß der KBV-Vertreterversammlung zum Entwurf der EG-Richtlinie "Aige- meinmedizin", soweit sie eine

Pflichtweiterbildung als Zulas-

sungsvoraussetzung vorsieht,

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Spezialisierung

nicht die Billigung der „Akademie der Fachärzte" finden. Nach Mei- nung der „Akademie der Fachärz- te" muß größter Wert auf die Qua- lifikation des zur Weiterbildung Ermächtigten wie auf die Ausstat- tung und Funktion der Weiterbil- dungsstätte sowie auf die Qualität des Inhaltes der Weiterbildung ge- legt werden.

Die Qualität

der Weiterbildung sichern Dies bedeutet insbesondere sicher auch, daß die Anforderungen an die Weiterbildung nicht im Hin- blick auf die zu erwartende große Arztzahl reduziert werden dürfen.

Vielmehr muß im Gegenteil, trotz anwachsender Zahl weiterbil- dungswilliger Ärzte, gewährleistet bleiben, daß die Qualität der Wei- terbildung im Interesse einer be- darfsgerechten Versorgung der Bevölkerung gesichert ist. Nicht jeder Arzt wird daher in Zukunft eine Weiterbildung in einem Fach- gebiet absolvieren können. Dies stellt entsprechend hohe Anforde- rungen an die Qualität der ärztli- chen Ausbildung, die ich vorste- hend kurz skizziert habe.

Bei Erfüllung dieser Forderungen sieht die „Akademie der Fachärz- te" die Voraussetzungen dafür ge- geben, auch in Zukunft einen qua- litativ hochwertigen Spezialisten in den einzelnen Fachgebieten an- zubieten, der den berechtigten Forderungen unserer Bürger nach kompetenter ärztlicher Beratung und Behandlung gerecht wird.

Über dieser Forderung nach dem in seinem Fachgebiet kompeten- ten Arzt darf die berechtigte For- derung der Patienten nach menschlicher Zuwendung durch den Arzt auch bei spezialisierter Tätigkeit nicht vergessen werden.

Spezialwissen und technische Kenntnisse dürfen den Arzt nicht hinter den Mediziner zurücktreten lassen. Der Arzt, auch oder gerade wenn er ein Fachgebiet vertritt, muß den ärztlichen Maximen des

hippokratischen Eides gerecht werden. Die Voraussetzungen da- für erwirbt er nur in ausreichender praktischer Erfahrung und durch vorbildhaftes Handeln des zur Weiterbildung Ermächtigten.

Die Diskussion um die allgemein- ärztliche Versorgung und die Be- deutung des Hausarztes in der all- gemeinärztlichen Versorgung hat zu dem irrigen Bild geführt, daß nur bei ihm die erforderliche menschliche Zuwendung zum Pa- tienten zu erwarten ist. Demge- genüber muß darauf hingewiesen werden, daß der Einsatz medizini- scher Technik und spezialisierter Untersuchungs- und Behand- lungsverfahren nicht ein Weniger, sondern oftmals sogar ein Mehr an ärztlicher Zuwendung zum Pa- tienten erfordert, da die beim Pa- tienten bestehende Scheu, seine Ängste gegenüber neuartigen und komplizierten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren, im persönlichen Gespräch abgebaut werden müssen.

Dieses Vertrauensverhältnis darf nicht durch ökonomische oder Rationalisierungszwänge gestört werden, auch nicht durch admini- strative oder sogenannte „epide- miologische Notwendigkeiten".

Ärztlich-moralische Grundwerte unseres Berufes müssen deshalb

— vielleicht mehr noch als im allge- meinmedizinischen Bereich — in- nerhalb und zwischen den Fach- gebieten einen hohen Stellenwert behalten.

Ein hessisches Modell für die Weiterbildung

Der Sicherung der Qualität der Weiterbildung zum Spezialisten dient auch das in der Akademie der Fachärzte bereits diskutierte, aber noch nicht abschließend be- ratene Modell der Landesärzte- kammer Hessen zur Neustruk- turierung der Weiterbildungser- mächtigung und der Zulassung der Weiterbildungsstätten. Da ich hier als Vorsitzender der „Akade- mie der Fachärzte" spreche und

nicht als Präsident der Landesärz- tekammer Hessen, kann ich noch nicht für das von mir als Kammer- präsident befürwortete Modell sprechen, sondern muß die end- gültige Stellungnahme der Akade- mie abwarten. Dies gilt auch für die Alternativvorschläge zur Ver- pflichtung des in der Weiterbil- dung befindlichen Arztes, die bei- den letzten Jahre seiner Weiterbil- dung bei voll ermächtigten Ärzten zu absolvieren. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß das von der Ärztekammer Hessen vorgelegte Modell mehrere Zielsetzungen hat, die der Verbesserung sowohl der allgemeinärztlichen als auch der fachärztlichen Versorgung dienen sollen.

1. Die Qualität der fachärztlichen Weiterbildung soll dadurch gesi- chert werden, daß sie an Kranken- häusern konzentriert wird, deren leitende Ärzte eine volle oder um ein Jahr reduzierte Weiterbil- dungsermächtigung haben.

Selbstverständlich müssen für ein- zelne Gebiete Ausnahmen ge- macht werden können.

2. Es wird erwartet, daß an Kran- kenhäusern der Grund- und Re- gelversorgung der Anteil der Ärzte mit Gebietsbezeichnungen in Dau- erstellungen vergrößert wird, was der besseren Versorgung der Pa- tienten mit qualifizierten Ärzten in den einzelnen Gebieten dient.

3. Eine Weiterbildung zum Allge- meinarzt soll dadurch gefördert werden, daß die Krankenhäuser, an denen eine fachärztliche Wei- terbildung nicht möglich ist — das sind besonders die Krankenhäu- ser der Grund- und Regelversor- gung —, dann ausschließlich für die Weiterbildung zum Allgemein- arzt zur Verfügung stehen würden.

Gleichzeitig damit kann — als Fol- ge der stärkeren Fluktuation von Assistenzärzten — eine größere Zahl von die Weiterbildung in All- gemeinmedizin suchenden Kolle- gen hierzu qualifiziert werden.

Die gestellten Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung zum Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 26 vom 1. Juli 1983 57

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Spezialisierung

Arzt beziehungsweise zum spezia- lisierten Arzt befreien selbstver- ständlich nicht von der Verpflich- tung, auch in der Berufsausübung selbst auf eine ausreichende Qua- lität der Leistungserbringung zu achten. Qualitätssicherung in die- sem Sinne ist nach Auffassung der

„Akademie der Fachärzte" daher ein wesentlicher Bestandteil ärztli- cher Fortbildung.

Auf dieser Grundlage müssen be- reits bestehende Systeme der Qualitätssicherung ausgebaut und neue Verfahren zur Qualitätssi- cherung, insbesondere im Rah- men der ärztlichen Behandlung, entwickelt werden. Für die „Aka- demie der Fachärzte" steht die Qualitätssicherung als wichtige Aufgabe des Berufsstandes mit der Weiterentwicklung im engen Zusammenhang.

Ein wesentliches Kriterium des in der Bundesrepublik bestehenden Systems der ambulanten ärztli- chen Versorgung ist nach Auffas- sung der „Akademie der Fachärz- te" die freie Wahlmöglichkeit des Patienten unter allen in eigener Praxis niedergelassenen Ärzten.

Die Arztzahlentwicklung und eine sich daraus ergebende verschärfte Konkurrenzsituation innerhalb der Ärzteschaft dürfen nach Auffas- sung der Akademie an diesem Grundprinzip unseres Versor- gungssystems nicht rütteln. Auch unter verschärften Konkurrenzsi- tuationen muß allerdings vom Arzt erwartet werden, daß er sich an die Grenzen seines Fachgebietes hält und zur kollegialen Zusam- menarbeit mit anderen Ärzten be- reit ist.

Zur „fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis"

In diesem Zusammenhang hat sich die „Akademie der Fachärz- te" auch für die Bildung ärztlicher Zusammenschlüsse in Form von Gemeinschaftspraxen und Praxis- gemeinschaften ausgesprochen.

Sie hat jedoch die Bildung fach- übergreifender Gemeinschafts-

praxen eindeutig abgelehnt, da sie das Recht auf freie Arztwahl ge- fährden und zu einer berufspoli- tisch schädlichen Vermengung der Fachgebietsgrenzen führen.

Die Akademie fühlt sich durch das neue Urteil des Bundessozialge- richtes dazu in ihrer Auffassung nicht widerlegt, sondern eher be- stätigt, da offensichtlich auch das Bundessozialgericht durch Aufla- gen an die Genehmigung fach- übergreifender Gemeinschafts- praxen in der kassenärztlichen Versorgung gewährleistet wissen will, daß eben diese Grundsätze der freien Arztwahl und der Ein- haltung der Fachgebietsgrenzen gewahrt bleiben. Es besteht auch aus fachärztlicher Sicht keine Not- wendigkeit, diese problematische

Form der Gemeinschaftsbildung zu fördern, da die fachgleiche Ge- meinschaftspraxis und die fach- verbindende Apparate- oder Pra- xisgemeinschaft alle Möglichkei- ten einer „modernen" Koopera- tion eröffnen — auch soweit es die Zusammenarbeit mit Angehörigen der Assistenzberufe betrifft — und sie somit konform mit der gültigen Berufsordnung sind.

Die neue GOÄ:

mit Bürokratie überfrachtet Zwangsläufig hat sich die „Akade- mie der Fachärzte" im vergange- nen Jahr ausgiebig auch mit den Auswirkungen der vom Gesetzge- ber festgelegten Gebührenord- nung (GOÄ) befassen müssen. In dieser Form, insbesondere mit der Koppelung an den Einheitlichen Bewertungsmaßstab, hat die Ge- bührenordnung ihre Leitfunktion als allgemein gültiger Taxrahmen für die Bewertung ärztlicher Lei- stungen verloren; sie ist zu einem mit Bürokratie überfrachteten Re- gelwerk für die Beihilfe und die private Krankenversicherung de- gradiert worden.

Die Analysen der „Akademie der Fachärzte" haben eindeutig erwie- sen, daß die aus früheren Gebüh- renordnungen übernommene Dis-

parität des Leistungsverzeichnis- ses innerhalb und zwischen den einzelnen Gebieten durch die Ni- vellierung des Gebührenrahmens zu unerträglichen Auswirkungen auf die einzelnen Fachgebiete führt. Insbesondere im stationären Bereich sind Reduzierungen in der Honorierung von durch- schnittlich 35 Prozent, in manchen Gebieten bis zu 50 Prozent, einge- treten. Dies wird sich negativ auf die Weiterentwicklung der Fach- gebiete auswirken.

Eine Weiterentwicklung dieser Fachgebiete in der freien Praxis, entsprechend den Fortschritten der Medizin, wird in Zukunft nicht oder nur eingeschränkt möglich sein, da Mittel zur Investition nicht im ausreichenden Umfange zur Verfügung stehen. Eine solche Entwicklung geht zu Lasten der Patienten, da die Reduzierung des Leistungsstandes zur Minderung der Qualität für die Versorgung führen muß.

Zusammenfassend möchte ich thesenhaft feststellen:

Wenn die bisherige Entwicklung der Medizin in den Spezialgebie- ten im Hinblick auf entscheidende Fortschritte für die Medizin nicht gebremst werden soll, müssen folgende Forderungen erfüllt werden:

1. Ein leistungsfähiges Gesund- heitssystem setzt auch in Zukunft

— neben der allgemeinärztlichen Versorgung — eine bedarfsgerech- te, in ihrer Qualität gesicherte fachärztliche Versorgung in der freien Praxis und am Krankenhaus voraus.

2. Basis für die Qualifikation des Arztes muß eine reformierte Aus- bildung sein, die durch verbesser- te Zulassungskriterien, Änderung der Kapazitätsverordnungen, Än- derungen des Prüfsystems und Einführung einer ausreichenden, mindestens zweijährigen Praxis- phase gewährleistet, daß der Arzt zur eigenverantwortlichen Berufs- ausübung fähig ist.

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

3. Aus der Sicht der „Akademie der Fachärzte" muß festgestellt werden, daß die für die Durchfüh- rung der Weiterbildung verant- wortlichen Ärzte sich in der Ver- gangenheit intensiv darum be- müht haben, Mängel, die sich aus einer unzureichend praxisbezoge- nen Ausbildung ergeben, auszu- gleichen. Dies wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, da ange- sichts der hohen Approbations- zahlen nicht jeder junge Arzt eine Weiterbildung absolvieren kann.

Deswegen müssen die von allen erkannten Mängel der Ausbildung durch Reform des Ausbildungs- rechtes behoben werden und nicht durch Verlagerung des Pro- blems auf die Weiterbildung.

4. Die zu erwartende Arztzahlent- wicklung darf nicht zu einer Min- derung der Qualität in der Weiter- bildung führen. Die Qualität der Weiterbildung muß durch die Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung, die Ausgestaltung der Weiterbildungsermächtigun- gen und die Zulassung von Weiter- bildungsstätten sowie die am En- de abzulegende Prüfung gewähr- leistet sein. Durch die Zulassung der Weiterbildungsstätten und durch die Weiterbildungsermäch- tigung muß insbesondere sicher- gestellt werden, daß einerseits die Qualität der fachärztlichen Weiter- bildung gesichert bleibt, anderer- seits ausreichende Weiterbil- dungsmöglichkeiten für Ärzte in der Allgemeinmedizin, insbeson- dere an den Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung, ge- schaffen werden.

5. Eine qualifizierte ärztliche Tä- tigkeit in den Fachgebieten muß nach den Grundsätzen der freien Arztwahl und des ungestörten Ver- trauensverhältnisses zwischen Pa- tient und Arzt erfolgen. Diese ärzt- liche Tätigkeit, die insbesondere in den Fachgebieten nach dem je- weiligen Stand der medizinischen Wissenschaft und Forschung so- wie der technischen Entwicklung durchgeführt wird, darf nicht durch leistungsfeindliche Vergü- tungsregelungen behindert wer-

Spezialisierung

den. Die Disparität im Leistungs- verzeichnis der neuen Gebühren- ordnung, die insbesondere durch Übernahme des Einheitlichen Be- wertungsmaßstabes und dazu er- gangener Abrechnungsbestim- mungen entstanden ist, muß bal- digst beseitigt werden, um einge- tretene Verzerrungen in der Be- wertung und Vergütung ärztlicher Leistungen zu revidieren.

6. Durch strukturelle Veränderun- gen im Bereich des Gesundheits- wesens, insbesondere der Kran- kenhäuser der Grundversorgung, sollte versucht werden, mehr Fachärzten eine Berufstätigkeit am Krankenhaus zu ermöglichen.

Die dadurch erreichbare Verbes- serung der stationären Versor- gung an diesen Krankenhäusern würde sich nicht zuletzt auch ko- stensenkend auf diesen teuersten Kostenfaktor unseres Gesund- heitswesens auswirken können.

Bei Erfüllung dieser Forderungen sieht die „Akademie der Fachärz- te" die Voraussetzungen für eine positive Weiterentwicklung der Medizin in den Spezialgebieten gegeben.

(Referat auf dem 86. Deutschen Ärztetag in Kassel, 13. Mai 1983)

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Wolfgang Bechtoldt Präsident der Landesärztekammer Hessen und Vorsitzender der

„Deutschen Akademie der Fachärzte"

Auf der Schlicht 9

6232 Bad Soden-Neuenhain

KURZBERICHTE

CDU-Gesundheitspolitik:

Prioritätenliste der Reformvorhaben

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion beabsichtigt, im Zuge der Weiter- entwicklung des Rechtes der ge- setzlichen Krankenversicherung (GKV) den Krankenhaus- und Arz- neimittelbereich an die Spitze der Prioritätenliste reformpolitischer Vorhaben zu setzen. Zu Beginn der Arbeiten in den zuständigen Arbeitsgruppen für Arbeit und So- zialordnung sowie für Jugend, Fa- milie und Gesundheit hat der Vor- sitzende der Arbeitsgruppe „Ju- gend, Familie und Gesundheit"

der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und gesundheitspolitische Spre- cher der CDU im Bundestag, Her- mann Kroll-Schlüter (44), im Zivil- beruf Landwirt in Warstein, be- tont, bei der Novellierung des

Kran ken hausfi nanzieru ngsgeset- zes von 1972/1981 müßten vor al- lem die geltende Mischfinanzie- rung zwischen Bund und Ländern

„entzerrt" oder ganz beseitigt werden und „mehr marktwirt- schaftlich, wettbewerblich ausge- richtete Alternativen" zum gelten- den dualen System der Kranken- hausfinanzierung (Investitionen durch die öffentliche Hand,

„Selbstkostendeckung" durch die Krankenkassen) offen diskutiert werden.

Ohne den Ergebnissen der Ende April 1983 vom Bundesarbeits- ministerium berufenen „Berater- gruppe für die Neuordnung der Krankenhausfinanzierung" und dem Gesamtvotum der Hauptbe- teiligten vorgreifen zu wollen, for- dert Kroll-Schlüter, die „starre Aufspaltung" der Finanzierung und die „willkürliche Trennung"

zwischen Investitions- und Be- nutzerkosten zu beseitigen.

Dem Bundestagsabgeordneten schwebt offenbar ein System einer gemilderten dualen Finanzierung vor, bei der neben der öffentlichen Investitionsförderung auch sämtli- che verfügbaren marktwirtschaftli- chen Quellen einschließlich eige- Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 26 vom 1. Juli 1983 61

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