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Archiv "Behandlungsfehler: Was der Arzt sagen darf" (17.12.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 50

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17. Dezember 2010 A 2529 BEHANDLUNGSFEHLER

Was der Arzt sagen darf

Viele juristische Auseinandersetzungen ließen sich vermeiden, wenn mehr Ärzte ihren Patienten den Ausgang einer Behandlung erklärten.

E

ine 2008 erschienene Disser- tation ermöglichte erstmals einen zuverlässigen Rückschluss auf die tatsächliche Größenordnung der Arzthaftungsfälle. Die Arbeit basierte auf dem Zahlenmaterial der Winterthur-Versicherung. Da- nach wird bei einem Drittel der Ver - sicherungsfälle zunächst eine der Schlichtungsstellen für Arzthaft- pflichtfragen eingeschaltet. Jährlich sind es bundesweit bis zu 13 000 Fälle, die den Schlichtungsstellen angetragen werden. Daraus kann gefolgert werden, dass jährlich in 39 000 Fällen ärztliche Fehler be- hauptet und deshalb Schadensersatz- ansprüche geltend gemacht werden.

Wiederum ausgehend vom Zah- lenmaterial der Schlichtungsstellen wird in etwa einem Drittel der Fälle festgestellt, dass ein Schaden zu re- gulieren ist. Bei einem weiteren Drittel zeigt sich nach medizini- scher Begutachtung, dass der Arzt lege artis vorgegangen ist und dabei kein Fehler unterlaufen ist. Ein letz- tes Drittel sind diejenigen Fälle, die eigentlich keine Fälle sein sollten.

Letztere beginnen regelmäßig damit, dass der Arzt seinem Patien-

ten weder den Behandlungsverlauf erklären noch Verständnis für den ungünstigen Ausgang wecken konn- te oder dass der Patient sich aus den verschiedensten Gründen schlecht behandelt fühlt. Was dann folgt, ist ein Teufelskreis: Der Patient will auf juristischem Weg Antworten auf seine medizinischen Fragen er- zwingen. Dazu muss zunächst ein Rechtsanspruch formuliert werden, in der Regel geht es um Schmer- zensgeld und Schadensersatz. Me- dizinisch zu beantwortende Sach- verhalte und Fragestellungen ste- hen damit unter dem Vorbehalt, ob sie aus juristischer Sicht nachvoll- ziehbar als Anspruch formuliert und relevant sind und dann auch noch zivilprozessrechtlich zugelas- sen werden. Erst wenn die Klage- schrift diesen Anforderungen ge- nügt und im weiteren Verlauf die Formalien erfüllt werden, wird das Gericht einen Arzt als Sachverstän- digen beauftragen. Dieser soll dem Gericht und allen Beteiligten medi- zinisch nachvollziehbar den Verlauf und Ausgang der Behandlung erklä- ren – also das machen, was bereits der Behandler hätte tun sollen.

Haftungsprozesse werden durch- weg hartnäckig und zeitaufwendig geführt, weil es nicht nur um den Anspruch gegen den Arzt auf Zah- lung von Schmerzensgeld und Schadensersatz geht. Hinzu kommt nämlich, dass bei einer für den Patienten günstigen Entscheidung dessen Krankenversicherung we- gen der Erstattung der häufig viel höheren Behandlungskosten an die Haftpflichtversicherung des Arztes herantritt. Es sollte deshalb alles unternommen werden, um solche Reibungsverluste schon im Früh- stadium durch eine umfassende Patienteninformation zu vermeiden.

Aus Sorge um den Versicherungs- schutz unterbleibt das aber häufig.

Bei der Haftpflichtversicherung gibt es strenge vertragliche Vorga- ben der Versicherung an das Ver - halten des Arztes im (behaupteten) Schadensfall. Dazu muss der Arzt bestimmte Obliegenheiten erfüllen.

Obliegenheiten sind die Verhaltens- vorschriften, welche der Arzt ein- halten muss, will er nicht den Versi- cherungsschutz verlieren. Aus den Versicherungsverträgen ergibt sich aber keineswegs, im Sinne eines Katalogs, wie sich der Arzt im Ernstfall verhalten soll und was er sagen oder nicht sagen darf.

2008 fügte der Gesetzgeber den

§ 105 in das Versicherungsvertrags- gesetz (VVG) ein. Damit entfiel das Anerkenntnis- und Befriedi- gungsverbot. Nach neuer Rechtsla- ge darf der Versicherungsnehmer, also der Arzt, einen gegen ihn erho- benen Haftpflichtanspruch anerken- nen, wenn er ihn für begründet hält – ohne deshalb den Deckungsan- spruch gegenüber der Haftpflicht- versicherung zu verlieren. Aller- dings wird die Versicherung den

„selbstregulierenden“ Arzt darauf hinweisen, dass nach Ziffer 5.1 der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung ein ohne rechtliche Verpflichtung abgegebe- nes Anerkenntnis oder eine geleiste- te Zahlung nur im Umfang der tat- sächlichen Rechtslage bindet. Der Arzt müsste dann, wenn er freige- stellt werden will, seiner Versiche- rung nachweisen, dass er zu Recht nach Grund und Höhe die Forde- rung des Patienten anerkannt und Im Schadensfall

zwischen Skylla und Charybdis – hüben der Patient mit bohrenden Fra- gen und drüben die Haftpflichtversiche- rung mit der Dro- hung, dass der Schutz entfällt. Wie für Odysseus in der griechischen My- thologie gilt es, den richtigen Weg zu finden, ohne Scha- den zu nehmen.

Foto: Superbild [m]

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17. Dezember 2010 beglichen hat. Faktisch führt dies

zu einer Beweislastumkehr zulas - ten des Arztes im Verhältnis zu sei- ner Versicherung. Die juristischen Kommentierungen raten daher über- einstimmend davon ab, von der neu- en gesetzlichen Freiheit Gebrauch zu machen. Die faktischen Folgen sind die gleichen wie bei einem Ver- stoß gegen das frühere gesetzliche Anerkenntnisverbot. Deshalb sollte

ein Arzt selbst dann, wenn er den Anspruch für begründet hält, diesen nicht anerkennen, sondern auf seine Versicherung verweisen.

Zweck des Anerkenntnisverbots war es, dem Versicherer im Interes- se der Versichertengemeinschaft die sachgerechte Abwicklung eines Falles zu ermöglichen und berech- tigte Einwendungen nicht abzu- schneiden. So kann etwa ein (scheinbarer) medizinischer Fehler juristisch ohne Folgen bleiben, wenn sich herausstellt, dass eine dem Arzt verborgen gebliebene oder verschwiegene Vorerkrankung die eigentliche Ursache war.

§ 105 VVG ist trotzdem kein ju- ristischer Maulkorb. Der Arzt kann und soll den Behandlungsverlauf erklären. Es besteht nach dem Ver-

sicherungsvertrag keine Verpflich- tung, Tatsachen zu unterdrücken oder falsch darzustellen. Wahrheits- gemäße Erklärungen über Tatsa- chen aus dem Verlauf der Behand- lung sind kein Verstoß gegen das (faktische) Anerkenntnisverbot. Es besteht kein schutzwürdiges Inter - esse daran, dass Tatsachen unter- drückt oder wahrheitswidrige Be- hauptungen aufgestellt werden. Das

gilt auch dann, wenn diese Tatsa- chen ohne weiteres eine Eintritts- pflicht begründen können. Jedoch muss deutlich erklärt werden, dass die Entscheidung, ob und in wel- chem Umfang Schadensersatz zu leisten ist, von der Versicherung ab- hängt. Deshalb kann und sollte der Arzt im Sinne einer „sprechenden Medizin“ das Gespräch mit dem Patienten suchen. Viele Fälle ent- stehen überhaupt erst deshalb, weil der Arzt in einer Krisensituation nicht mehr zu sprechen ist.

Kein Anerkenntnis oder kein Verstoß gegen die vertraglichen Obliegenheiten ist es, wenn der Arzt seine Erklärungen mit deutli- cher Einschränkung abgibt. Es ist auch kein unzulässiges Anerkennt- nis, dem Patienten freizustellen, ei-

Es besteht kein schutzwürdiges Interesse daran, dass Tatsachen unterdrückt werden.

Die Synergetik-Methode ist Ausübung der Heil- kunde und bedarf somit einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz. Dies hat das Bundes- verwaltungsgericht entschieden.

Ausübung der Heilkunde nach § 1 Absatz 2 Heilpraktikergesetz (HeilprG) ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit fallen nach der ständigen Rechtsprechung nur solche Heilbehandlungen darunter, die nach all- gemeiner Auffassung ärztliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verur- sachen können. Die Synergetik-Methode, gleich, ob als Therapie oder sogenanntes Profiling, soll

Krankheiten heilen oder lindern. Die Methode präsentiert sich als etwas grundsätzlich Neues im Gesundheitswesen, als die „vierte Kraft“ ne- ben den Methoden von Ärzten, Heilpraktikern und Psychotherapeuten sowie als höchste Stufe der Heilung – auf unterster Stufe steht danach die Schulmedizin mit einer bloßen Symptombe- kämpfung und -unterdrückung. Dem so vermit- telten Eindruck einer Heiltätigkeit kann nicht entgegengehalten werden, die Methode gebe kein Heilversprechen ab. Die Präsentation der Methode ist vielmehr genau darauf gerichtet.

Dies zeigt sich beispielhaft an den Aussagen zur Behandlung von Brustkrebserkrankungen. So werden in einer sogenannten Brustkrebsstudie zahlreiche Beispiele einer Behandlung durch die Synergetik-Therapie vorgestellt, zum Beispiel

mit Ultraschallaufnahmen, die angeblich das Verschwinden von Knoten in der Brust nach ei- nigen Synergetik-Sitzungen belegen können.

Anders als Wunder- oder Geistheiler setzt die Methode auch nicht auf eine bloße spirituelle oder rituelle Heilung, die sich derart vom Er- scheinungsbild einer medizinischen Behandlung entfernt, dass sie nicht mehr den Eindruck er- wecken kann, es handele sich um den Ersatz für medizinische Betreuung. Vielmehr wird nach Auffassung des Gerichts der gegenteilige Ein- druck erweckt. Dem Kläger, der sich als Grün- der der Methode versteht und an seinem Wohn- sitz ein Synergetik-Institut, das Therapien und Ausbildungskurse anbietet, betreibt, ist dem- nach diese Behandlung als unerlaubte Aus- übung der Heilkunde untersagt worden. (Bun- desverwaltungsgericht, Urteil vom 26. August 2010, Az.: 3 C 28.09) RAin Barbara Berner

RECHTSREPORT

Synergetik-Methode und Heilpraktikererlaubnis

ne Schadensanzeige einzureichen.

Der Hinweis auf die Haftpflichtver- sicherung und die Möglichkeit, sie in Anspruch zu nehmen, ist ebenso wenig ein Anerkenntnis.

Der Arzt muss seine Erklärungen erkennbar und verständlich unter Einschränkung abgeben, etwa: „Ich werde für den Schaden in Höhe meiner gesetzlichen Verpflichtung aufkommen. Ich verweise Sie des- halb an meine Haftpflichtversiche- rung.“ Darin liegt kein Eingeständ- nis einer fehlerhaften Behandlung.

Generell besteht ein Anspruch auf Herausgabe von Kopien der Patientenunterlagen. Nach Vorlage einer Schweigepflichtentbindungs- erklärung, sicherheitshalber auch, wenn der Patient persönlich die Ko- pien wünscht, kann der Arzt die Kopien herausgeben. Insoweit ist dringend davon abzuraten, die Un- terlagen zu „filtern“, denn in einem möglichen Gerichtsverfahren wer- den von den Gerichten durchweg nur die vollständigen Originalunter- lagen akzeptiert. Würden Lücken festgestellt werden, dann wäre dies zum Nachteil des Arztes und könnte wegen eines schwerwiegenden Do- kumentationsmangels sogar zu ei- ner Beweislastumkehr zum Nach- teil des Arztes führen. ■ RA Dr. Thomas Doms, Celle Internet: www.doms-siebert.de

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