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Archiv "Arzt in der Praxis: Der Spezialist darf nicht sterben" (29.11.2002)

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P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4829. November 2002 AA3237

D

ie Koalitionsvereinbarung vom 16. Oktober 2002 kündigt Struk- turveränderungen in der ambu- lanten Versorgung an (Hervorhebun- gen vom Verf.): „Die Anbieter von Ge- sundheitsdienstleistungen und die Krankenkassen werden in die Lage ver- setzt, neben den notwendigen kollek- tiven Verträgen Einzelverträge mit festgelegten Qualitätsniveaus abzu- schließen. Der Kontrahierungszwang wird modifiziert. . . . Krankenhäuser, medizinische Zentren und andere Ge- sundheitsberufe werden in das System der Einzelverträge einbezogen. Der Si- cherstellungsauftrag wird entsprechend den veränderten Bedingungen ange- passt. . . . In der ambulanten Versor- gung können neben den freiberuflichen Ärztinnen und Ärzten Gesundheitszen- tren zusätzlich tätig werden.“

Das Strickmuster ist klar: Zuerst werden mit Einkaufsmodellen die at- traktiven Leistungen aus dem Sicher- stellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) herausgekauft.

Der KV bleibt dann der Sicherstel- lungsauftrag für den traurigen Rest – in modifizierter beziehungsweise ange- passter Form. Und schließlich werden Polikliniken und Gesundheitszentren zusätzlich und neben den freiberuflich tätigen Fachärzten tätig.

Diese Entscheidungskaskade läuft darauf hin, die ambulant spezialisiert tätigen Fachärzte aus der niedergelasse- nen, freiberuflichen Tätigkeit zu ver- drängen und entweder ans Kranken- haus zu binden oder durch angestellte Ärztinnen und Ärzte zu ersetzen. Dies

mag ein Reflex der rot-grünen Regie- rung auf Äußerungen einzelner KVen während des Wahlkampfes sein. Gleich- wohl sollte auch in der Politik ein wich- tiges Grundprinzip wirken, das aus Ta- rifverhandlungen gut bekannt ist: Am Tage nach der Wahl schließen vernünf- tige Partner einen Vertrag, in dem sie sich alle Sünden des Wahlkampfes (oder der Tarifauseinandersetzung) vergeben. Auch die Gesundheitspolitik wäre gut beraten, sich dieses Grundsat- zes zu erinnern und den konstruktiven Dialog zu suchen.

Wir brauchen das

intelligente Zusammenspiel

Es ist nun leider – selbst bei einigen ärztlichen Standesvertretern – mo- disch geworden, das Strukturprinzip

„niedergelassene Fachärzte in freier Praxis“ zu hinterfragen. Von der „dop- pelten Facharztschiene ambulant/sta- tionär“ oder dem „doppelten Fach- arztbesatz“ wird da geredet. Es muss doch klar sein, dass der Begriff der

„Doppelung“ in einem solidarisch fi- nanzierten System nicht wertfrei zu benutzen ist! Wer die „Doppelung“

betont, redet gewollt oder ungewollt der Abschaffung des niedergelassenen Spezialisten das Wort.

Aus drei Gründen muss man diese Politik ablehnen:

>Krankenhausfachärzte haben schon heute mit der Versorgung ihrer sta- tionären Patienten mehr als genug zu tun. Krankenhausärzte wollen keine

weiteren Aufgaben übernehmen, zumal nicht klar ist, ob die Krankenhausfinan- zierung uns wenigstens ausreichend Raum (und Budget) gibt, unsere Pflich- ten aus der stationären Versorgung op- timal zu erfüllen.

>Viele junge – in der Weiterbildung befindliche – Krankenhausärzte träu- men noch immer von der Chance auf Niederlassung. Wir alle müssen diese Alternative zur Kliniktätigkeit erhal- ten. Wer hier Chancen vernichtet, raubt Zukunftsperspektiven, demotiviert Nach- wuchs und macht die Tätigkeit als Arzt unattraktiv.

>Niedergelassene Fachärzte sind aus der Versorgung heute nicht wegzu- denken. Vernünftige, kostengünstige Versorgungsketten der ambulanten Medizin brauchen ein intelligentes Zusammenspiel von niedergelassenen

Fach- und Hausärzten. Krankenhäu- ser, Gesundheitszentren und Poliklini- ken sind komplementäre Institutio- nen, die den besonderen, schweren, außergewöhnlichen Fällen und Ver- läufen vorbehalten bleiben müssen.

Arzt in der Praxis

Der Spezialist darf nicht sterben

Der Kampf um Vorschaltgesetz und Nullrunde überlagert eine Diskussion der langfristigen Strukturkonzepte. Diese müssen indes intensiv debattiert werden – zum Beispiel deshalb, weil viele Elemente auf eine Abschaffung des niedergelassenen Facharztes (Spezialisten) zielen. Notwendig ist aber das Miteinander von Hausärzten, Spezialisten und Krankenhausärzten.

Frank Ulrich Montgomery

Zeichnung: Elke Steiner

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Aus diesen guten Gründen haben der Marburger Bund, die Bundesärz- tekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung 1998 ein Konsens- papier verabschiedet, das darauf auf- baut, dass wir in der Integration ambu- lanter und stationärer Leistungen nur ein definierbares Schnittstellenpro- blem haben. Dies löst man nicht da- durch, dass man einen Teil der Versor- gung komplett vernichtet, sondern in- dem man die Regeln des vernunftge- leiteten Übergangs der Patienten be- schreibt.

Niedergelassene Fachärzte in freier Praxis sind für die Qualität der Versor- gung unserer Patienten unabdingbar.

Dies hat auch die Kammerversamm- lung der Ärztekammer Hamburg er- kannt, die daher am 28. Oktober den folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Kammerversammlung der Ärz- tekammer Hamburg fordert die Bun- desregierung auf, die im Koalitionsver- trag vorgesehene Zulassung ambulan- ter Gesundheitszentren an Kranken- häusern zu unterlassen, da

– niedergelassene Fachärzte, die für die Qualität der Versorgung unserer Pa- tienten unabdingbar sind, hierdurch in ihrer Berufsausübung und ihrer Exi- stenz gefährdet werden und

– die Krankenhausärzte schon mit der Versorgung ihrer stationären Pati- enten mehr als ausgelastet sind.

Die notwendige Verzahnung von sta- tionärer und ambulanter Versorgung muss mit neuen Modellen gefördert werden.

Der Abschluss von Einzelverträgen mit dem Ziel einer Verschärfung des Wettbewerbes führt nicht zu mehr Inte- gration, sondern zum Tod von Facharzt- praxen.“

Zusammenfassend: Wir Ärzte sind bereit, vernünftige Strukturverände- rungen aktiv mitzugestalten. Dabei werden wir – im Interesse der Patien- tenversorgung, aber auch des innerärzt- lichen Friedens – auf ein ausgewogenes Miteinander von Hausärzten, niederge- lassenen Spezialisten und Krankenhaus zu achten haben.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Frank Ulrich Montgomery Präsident der Ärztekammer Hamburg Vorsitzender des Marburger Bundes Humboldtstraße 56, 22083 Hamburg

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A3238 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4829. November 2002

W

ir müssen das Rad nicht dau- ernd neu erfinden“, erklärte Prof. Dr. med. Bruno Müller- Oerlinghausen. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft (AkdÄ) setzte sich bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Medica in Düsseldorf kritisch mit den Plänen von Bundesgesundheits- ministerin Ulla Schmidt auseinander.

Die Ministerin plant, ein unabhängi- ges Institut zu schaffen, das Arznei- mittel, die zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet wer- den sollen, einer Kosten-Nutzen-Be- wertung unterzieht. „Eine solche In- stitution gibt es längst“, sagte Müller- Oerlinghausen. Mit ihren 40 ordentli- chen und mehr als 100 außerordent- lichen Mitgliedern befasse sich die AkdÄ seit Jahren mit der Erstellung evidenzbasierter Leitlinien – erst En- de November hat die Kommission ei- ne Leitlinie zur Behandlung des Dia- betes mellitus Typ 2 entwickelt –, mit regelmäßig aktualisierten Arzneimit- telinformationen und Fragen der Arz- neimittelsicherheit.

50-jähriges Jubiläum der AkdÄ

Sein Angebot an die Politik: „Wir sind bereit, sinnvolle politische Instrumente zur rationalen Arzneitherapie zu unter- stützen.“ Dazu gehört für Müller-Oer- linghausen auch die von Gesundheits- ministerin Schmidt geplante so ge- nannte 4. Hürde für die Arzneimittel- zulassung. Angesichts der Irrationalität der Zulassungspraxis müsse man die Wertigkeit von Arzneimittel-Innova- tionen tatsächlich überprüfen. „Wir müssen überlegen, welche Arzneimittel wir eigentlich in der vertragsärztlichen

Versorgung benötigen und wie viel sie uns wert sind“, so Müller-Oerlinghau- sen. Dass die Politik bei solchen Ent- scheidungen auf den Sachverstand der Kommission zurückgreifen müsste, steht für den AkdÄ-Vorsitzenden außer Frage. Es müsse verhindert wer- den, dass nur Pharmakoökonomen,

„EbM-Akrobaten“ und Kassenvertre- ter an diesem Prozess beteiligt seien.

Zu den sinnvollen Instrumenten der arzneitherapeutischen Qualitätssiche- rung gehört nach Ansicht der AkdÄ der jährlich erscheinende Arzneiverord- nungsreport ebenso wie die Positivliste für Arzneimittel, an deren Erstellung Mitglieder der AkdÄ mitgewirkt hätten.

Zudem beteilige sich die Kommission konstruktiv an den Vorbereitungen für

„vernünftige“ Regelungen zum „Off- Label-Use“ und zu aut idem. Angesichts solch konstruktiver Beiträge zu einer qualitativ hoch stehenden Versorgung leiste die verfasste Ärzteschaft wesent- lich mehr als nur „Geschrei von Lobby- isten“. Das hatte vor kurzem Ministerin Schmidt den Ärzten vorgeworfen, die gegen ihre Sparpläne protestierten. „Die AkdÄ kann ihren Sachverstand nur an- bieten. Wenn wir in dem neuen Institut nicht vertreten sind, ist das von vornher- ein ein Mangel“, lautete somit das Fazit des AkdÄ-Vorsitzenden.

„Wir sind auf einem schlechten Weg“, konstatierte auch der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr.

med. Jörg-Dietrich Hoppe, mit Blick auf die Regierungspläne. Die Selbst- verwaltung werde zur Auftragsverwal- tung degradiert, wenn ärztlicher Sach- verstand nicht mehr in Entscheidungen einbezogen werde. Dabei blickt die Arzneimittelkommission auf eine lan- ge Tradition zurück. In ihrer jetzigen Form existiert sie seit 50 Jahren – ein runder Geburtstag, den sie am 29. No- vember mit einem Festakt in Köln be- gehen wird. Heike Korzilius

Arzneimittelkommission

Auf Sachverstand setzen

Der Kommissionsvorsitzende bietet der Regierung eine Kooperation in anstehenden Arzneimittelfragen an.

Informationen über die Arbeit der Kommission können im Internet unter www.akdae.de abgerufen werden.

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