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Archiv "„Geistheiler“ dürfen nicht im Internet werben" (16.07.2007)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 28–2916. Juli 2007 A2079

S T A T U S

T

ausende britische Assistenz- ärzte bangen in diesen Tagen:

Entweder sie werden am 1. August ganz ohne feste Beschäftigung sein oder sie bekommen eine Stelle weit entfernt vom Wohnort zugewiesen.

Für viele werden befristete Verträge für „Non-Training Posts“ (nicht zur Weiterbildung anerkannte Stellen und damit berufliche Sackgassen) den einzigen Ausweg darstellen.

Von der Reform des Weiterbil- dungssystems sind 30 000 Ärztin- nen und Ärzte betroffen. Rund 12 000 von ihnen werden im August wohl zunächst arbeitslos werden.

Die bisherige Weiterbildung zum Facharzt in Großbritannien wurde als unstrukturiert und zu wenig planbar

angesehen. Unter dem Titel „Modern- ising Medical Careers“ (MMC) wur- de 2003 ein neues standardisiertes nationales Weiterbildungsprogramm beschlossen. Studienabgänger folgen diesem Curriculum seit 2005. Ein zweijähriges „Foundation Year Pro- gramme“ zu Beginn der Weiterbil- dung zielt in erster Linie auf die Ent- wicklung allgemeiner klinischer Fähigkeiten ab. Die jungen Medi- ziner durchlaufen Viermonatsrota- tionen in verschiedenen Fachrichtun- gen. Dies soll unter anderem die Wahl einer Fachrichtung am Ende des Programms erleichtern, wenn sich die Ärzte in Weiterbildung auf das „Specialist“ oder „General Practice Training“ bewerben. Nach

diesem je nach Fachrichtung drei bis sieben Jahre dauernden „Run Through Training“ (unterteilt in

„Basic Specialist Training“ und

„Higher Specialist Training“) erhält der Kandidat nach regelmäßigen

„Assessments“ ein „Certificate of the Completion of Training“ (CCT).

Dies erlaubt den Eintrag als „Consul- tant“ in das „Specialist Register“

oder als „General Practitioner“ in das

„General Practitioner Register“.

Insgesamt wird durch dieses neue System die Facharztweiterbildung verkürzt. Viele sehen darin aber auch eine Abwertung des ursprüng- lichen Trainingsstandards und die Vorbereitung für eine weitere Verän- derung, nämlich die Einführung von

„Sub-Consultant“-Stellen.

In diesem Jahr sollen nun alle Ärz- tinnen und Ärzte, die bisher noch gemäß dem alten Curriculum ausge- bildet wurden, in das neue System eingegliedert werden und auch dem neuen Weiterbildungsplan folgen.

Für Unruhe sorgt vor allem die Vergabe der Weiterbildungsstellen.

Denn diese scheint sich nur selten nach harten Daten zu richten. So war nur für Allgemeinmediziner eine Multiple-Choice-Prüfung Grundla- ge des Rankings. In allen anderen Fächern wurde einzig der Eindruck in zehnminütigen Vorstellungsge- sprächen zur Vergabe des Rankings herangezogen. Das Logbuch des Re- formchaos:

6. Dezember 2006:Die Kriterien für die Bewerbung auf eine Weiter- bildungsstelle werden bekannt ge- geben. Ärzte, die ihr Medizinstudi- GROSSBRITANNIEN

Wütende Assistenzärzte

Die Reform des Weiterbildungssystems ist geprägt von Pleiten, Pech und Pannen. Ab August sind viele Ärzte ohne Stelle, zugleich drohen Engpässe bei der Versorgung.

Fotos:RemedyUK

Ärzteparadies Großbritannien?

Aufgebrachte Ärzte protestieren in London gegen die Verteilung der Weiterbildungs- stellen.

RECHTSREPORT

„Geistheiler“ dürfen nicht im Internet werben

Werbung im Internet durch sogenannte Geist- heiler verstößt gegen das Heilmittelwerbegesetz.

Das hat das Bundesverfassungsgericht entschie- den. Im zugrunde liegenden Fall hatten „Geist- heiler“ in einem Internetauftritt behauptet, sie könnten einen Beckenschiefstand in Sekunden- schnelle ohne Körperberührung beheben. Weiter machten sie darauf aufmerksam, dass sie weder Ärzte noch Heilpraktiker seien und ausschließlich durch geistige Kraft heilten.

In einem zivilrechtlichen Verfahren wurden sie verurteilt, die beanstandete Werbung zu unter- lassen. Daraufhin legten die sogenannten Geist- heiler Verfassungsbeschwerde ein und rügten eine Verletzung ihrer Grundrechte. Die Tätigkeit eines Geistheilers sei nicht als Behandlung im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes aufzufassen.

Geistige Heilung sei ein spiritueller Vorgang und keine Tätigkeit im ärztlichen Sinne.

Im Heilmittelwerbegesetz sind die Grenzen zulässiger Werbung für Arznei- und andere Mittel zur Behandlung von Krankheiten festgelegt. Das

Gesetz soll in erster Linie Gefahren begegnen, welche der Gesundheit des Einzelnen und den Gesundheitsinteressen der Allgemeinheit durch unsachgemäße Selbstmedikation drohen.

Darüber hinaus soll mithilfe des Heilmittel- werbegesetzes verhindert werden, dass durch eine mit Übertreibungen arbeitende suggestive oder marktschreierische Werbung Kranke, besonders ältere Menschen, zu Fehlentschei- dungen, zum Beispiel beim Arzneimittelge- brauch, verleitet werden.

Im Fall der sogenannten Geistheiler befand das Bundesverfassungsgericht, der Schutz vor wirtschaftlicher Übervorteilung privater Verbrau- cher sei nicht deswegen weniger einschlägig oder weniger dringend, weil der Heiler jenseits der Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis- se und Überprüfbarkeiten arbeite. Anlass der gesetzlichen Regelungen sei nicht die Sicher- stellung der Befähigung und der fachlichen wie charakterlichen Eignung des Heilenden, sondern die Schutzbedürftigkeit erkrankter oder älterer Menschen vor unangemessener, beeinflussender Werbung. (Urteil vom 20. März 2007, Az.: 1 BvR

1226/06) RA Barbara Berner

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A2080 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 28–2916. Juli 2007

S T A T U S

um nicht in Englisch absolviert ha- ben, müssen trotz oft jahrelanger Tätigkeit in Großbritannien einen anerkannten Englischtest ablegen.

Dessen Ergebnis musste bis zur ei- gentlichen Bewerbung per Compu- terfragebogen im Januar vorliegen.

20. Januar bis 4. Februar 2007:

Der offizielle Bewerbungsbogen ist online zugänglich. Der Bewerber soll auch „eine peinliche Situation aus dem Klinikalltag“ und „eine Situati- on, in der Sie maßgeblich zur Besse- rung eines Patienten beigetragen ha- ben“ beschreiben. Die Antworten be- einflussen das Ranking. Zahlreiche Pannen stören das Onlineverfahren.

Wegen Serverproblemen können nicht alle Bewerbungen zu jeder Ta- geszeit akzeptiert werden. Die Frist zum Ausfüllen des Fragebogens wird schließlich um einen Tag verlängert.

Im Februar:„Consultants“ (Ober- ärzte/Chefärzte) der verschiedenen Fachrichtungen werten die Online- fragebögen aus und geben die Ergeb- nisse bekannt. Erste Stimmen unter den „Consultants“ werden laut, die kritisieren, dass die Fragen im Be- werbungsbogen nur eine sehr geringe

„Discriminative Power“ hätten. Zwar könnten sehr gute Bewerber von ex- trem schlechten unterschieden wer- den, aber anhand der online abgefrag- ten Informationen sei es unmöglich, Kenntnisse und Können eines extrem großen Mittelfelds auszuloten. Basie- rend auf den Rankings der „Consul- tants“ erhalten manche Bewerber vier Vorstellungsgespräche vermittelt.

Viele Bewerber gehen aber auch leer aus. In Onlineforen wie www.doc tors.net.uk wird berichtet, dass zu den

Gesprächen auch Kandidaten einge- laden wurden, die die Grundkriterien des jeweiligen Jobs nicht erfüllten.

17. März: Der Unmut über das neue System erreicht einen ersten Höhepunkt: Tausende Ärzte versam- meln sich zu einem Protestmarsch in London. Der Marsch wird hauptsäch- lich von der Ärztegruppe „Reme- dyUK“ organisiert. Im Dezember 2006 gegründet, hat diese Organisation jetzt bereits 8 000 Mitglieder. Auf dem Rechtsweg erreicht „RemedyUK“, dass jedem Bewerber ein Vorstel- lungsgespräch für die Weiterbil- dungsstelle seiner Erstwahl angebo- ten werden muss. Dies bedeutet je- doch nicht, dass es damit genug Stel- len für alle Ärzte in Weiterbildung gibt. Diejenigen, die bereits Vorstel- lungsgespräche geführt haben, wer- den nicht erneut eingeladen.

30. März:Alan Crockard, Natio- nal Director of MMC, tritt zurück. Er habe den Eindruck, „verantwortlich zu sein, aber zunehmend weniger Einflussmöglichkeiten“ zu haben.

Im April:Aufgrund einer Panne sind sensible Daten aller Bewerber für „Foundation-Year-1“-Stellen und

„Specialist-Training“-Stellen (ethni- sche Zugehörigkeit, sexuelle Orien- tierung, Religion etc.) einen Tag lang über das Internet abrufbar. Wegen der Sicherheitslücke wird die Homepage von MTAS (Medical Training Ap- plication System) geschlossen. Die im Januar und Februar ausgefüllten Be- werbungsfragebögen gehen nicht in die Bewertung ein. Die Mühe der Be- werber und Auswerter war umsonst.

24. Mai:James Johnson, Vorsit- zender des britischen Ärztebun-

des, tritt zurück. Er hatte das MMC gelobt.

1. Juni: Die Bewerber erfahren, ob sie eine Weiterbildungsstelle er- halten. Die Tragweite der Reform wird sichtbar: 18 000 Mediziner ge- hen leer aus. Viele andere wissen im- mer noch nicht, wo genau sie am 1. August ihre Stelle antreten sollen.

Sie kennen das Dekanat, nicht aber das Krankenhaus.

Doch nicht nur die Assistenzärzte sind die Leidtragenden der Reform.

Krankenhausdirektoren und „Con- sultants“ warnen inzwischen vor Engpässen bei der Patientenversor- gung. Denn durch die Verzögerungen bei der Vergabe der Weiterbildungs- stellen konnte bislang nur die Hälf- te der Stellen besetzt werden. Zum 1. August werden zu wenige Ärzte angestellt sein. Denn die „zweite Runde“ der Jobvergabe kann nicht vor August 2007 abgeschlossen wer- den. Deshalb haben viele Kranken- häuser Stellen ausgeschrieben, die je nach Verfügbarkeit von „MMC-Ärz- ten“ vergeben werden. Viele dieser Stellen sind „Non-Training Posts“.

Die Folge: Für junge deutsche Ärz- tinnen und Ärzte wird es deutlich schwieriger, eine anerkannte Weiter- bildungsstelle in Großbritannien zu finden. Denn die Konkurrenz ist groß.

In der Chirurgie kommen derzeit bei- spielsweise 75 Bewerber auf eine Stelle. Und: Auch wenn EU-Recht be- rufliche Qualifikationen innerhalb der EU anerkennt, ist in der Praxis die Weiterbildung in den EU-Mitglied- staaten so verschieden, dass EU-Be- werber nicht mit lokalen Bewerbern gleichziehen.

Eine Abwanderung von britischen Ärzten und bisher in Großbritannien tätigen Ärzten, wird hauptsächlich in englischsprachige Länder wie Aus- tralien, Neuseeland, Kanada oder die USA erwartet. Es gibt aber auch Ärz- te, die versuchen wollen, dem neuen britischen Weiterbildungssystem in Richtung Deutschland zu entfliehen.

Eine Abwanderung von Deutsch- land nach Großbritannien kann der- zeit besonders vor der Facharztprü- fung nicht empfohlen werden und bringt zudem auch finanziell keine

Vorteile. n

Dr. Katharina Schramm-Gajraj, Dr. Julia Ferié, Peter Mahr, Maximilian Zoettl Nichts wie weg –

viele Betroffene wollen Groß- britannien den Rücken kehren.

Experten befürchten bereits Versorgungs- defizite.

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