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Archiv "Zu viele Betten im Kinderkrankenhaus?: Ein Ausweg aus einer verfehlten Finanzierungsmechanik" (20.08.1982)

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Humanität im Großklinikum

So wird auch die Verweildauer der Patienten bei stationärer Behand- lung so kurz wie nur möglich ge- halten werden. An dem Tage, an dem die Fäden aus der Opera- tionswunde entfernt werden, wird der Patient entlassen. Eine Ein- stellung, die wir früher nur aus Amerika kannten, deren Gültigkeit aber jetzt auch bei uns nicht mehr aufzuhalten ist.

Die Entpersönlichung des Patien- ten wird, fast unbemerkt von der Bevölkerung, in so großen Klini- ken zunehmend wirksam. Zur glei- chen Zeit wird überall die Forde- rung: „Humanisierung der Kran- kenhäuser" erhoben.

In diesen hochgezüchteten medi- zinisch-technischen Anstalten ist diese Forderung besonders wäh- rend der Phase der akuten Dia- gnostik und akuten Therapie fehl am Platze. Allerdings könnte da- nach im stationären Bereich vieles getan werden, falls dafür die Zeit bis zur Entlassung ausreicht.

Die Patienten wurden früher „ar- beitsfähig" oder „nicht arbeitsfä- hig" entlassen. Stets waren sie aber „umwelt-fähig", das heißt, sie waren den täglichen Anforderun- gen des häuslichen Lebens ge- wachsen.

Von den großen Kliniken wird der Zustand des Patienten bei der Ent- lassung jetzt als „klinische Be- handlung nicht mehr erforderlich"

bezeichnet.

Der noch pflegebedürftige Patient wird jetzt also seiner eigenen Ver- antwortung oder der Verantwor- tung der Familie überlassen. Das ist — obwohl unbeabsichtigt — mit Einschränkungen zu begrüßen, denn es könnte hierdurch wieder die Vorstellung von der sozialen Aufgabe der Familie belebt, ja auf- gewertet werden.

Für viele Unverheiratete und Al- leinstehende, besonders in der Großstadt, bedeutet dieses Ver- fahren aber eine unzumutbare Härte. Eine Einweisung wegen des

gleichen Leidens in ein anderes Krankenhaus ist sehr erschwert.

Eine Zwischenlösung muß hier ge- funden werden. Sozialstationen können hier manchmal Härte mil- dern.

Preußische Einfachheit

Der Patient bedauert es trotzdem nicht, das Klinikum auch schon vorzeitig zu verlassen, denn die tägliche Umgebung auf der Sta- tion läßt alle Gemütlichkeit ver- missen.

Nicht preußische Einfachheit, son- dern Uniformismus beherrscht das Lebensmilieu auf den Statio- nen und anderer Aufenthaltsräu- me. Angeblich aus hygienischer Notwendigkeit sind nur Sperrholz- Stahlrohr-Möbel ohne Polsterung, keine Tischdecken, keine Zahn- putz- oder Trinkgläser, sondern nur Pappbecher und ähnliches vorhanden.

Das Essen trägt alle Kennzeichen der Großkantinen-Herstellung und wird auf ungedeckten Plastikta- bletts freudlos serviert. Und doch haben die Mahlzeiten für das psy- chische Wohlbefinden der Patien- ten sehr große Bedeutung. Sie stellen die einzige angenehme Ab- wechslung während des sonst so gleichförmigen Krankenhausallta- ges dar. Ist das Essen enttäu- schend, so ist für den Patienten auch vieles andere im Kranken- haus enttäuschend,

Der Uniformismus erstreckt sich auch auf die Ein- und Zweibett- Zimmer. Der nicht unerhebliche Aufpreis, der dafür bezahlt wird und den die Verwaltung sehr schätzt, bezieht sich nur auf die vermehrte Anzahl Kubikmeter Luft, die dem Patienten jeweils zur Verfügung steht. Alles an- dere entspricht der allgemeinen Klasse!

Wenn das Klinikum trotzdem durchschnittlich zu 90 Prozent be- legt ist, die Patienten aber zum

frühestmöglichen Termin das Krankenhaus verlassen, so spricht das nur für die vorzügliche Arbeit der Ärzte und des medizinischen Hilfspersonals. Ihnen wird die Ar- beit dabei nicht leicht gemacht, da die Organisation im Krankenhaus in vielem zentralisiert ist.

Dazu nur ein Beispiel:

Der Krankentransport wird von ei- ner Zentrale geleitet. Etwa 30 Mann stehen zur Verfügung, um die Patienten von den Statio- nen zu diagnostischen Einrichtun- gen oder zur Behandlung zu brin- gen.

Der Patientenfluß zwischen den Stationen und den Behandlungs- räumen und damit das reibungslo- se Arbeiten der verschiedenen hochqualifizierten Ärzte-Gruppen wird also allein von dem prompten Arbeiten dieses an sich unterge- ordneten Krankentransportes be- stimmt. Der „Erfolg": Häufig tre- ten Engpässe auf.

Die Verlegung eines Patienten von einem Operationssaal in den an- deren verzögert sich, das betroffe- ne Operationsteam muß wertvolle Zeit wartend verbringen,

Den Architekten und den Kranken- hausplanern wird jedenfalls für die Zukunft etwas einfallen müssen, damit den Menschen wieder ein menschenwürdiges Kranksein er- laubt ist.

Und Politiker werden darauf ach- ten müssen, daß nicht unter dem Motto: „Moderne Techniken ver- langen modernes Management"

vermehrt sozialistische Vorstellun- gen in neue Groß-Krankenhäuser eingeführt werden.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Wilhelm Föllmer Frauenarzt Poststraße 34

2408 Timmendorfer Strand

42 Heft 33 vom 20. August 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

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Zu viele Betten

im Kinderkrankenhaus?

Ein Ausweg aus einer verfehlten Finanzierungsmechanik

Hans Ewerbeck

Die Geburtenrate ist in Deutschland niedrig, und bei zunehmender Effizienz stationärer Betreuung steht zu erwarten, daß der Bedarf an Betten in Kinderkrankenhäusern sinken wird. Daraus ergeben sich Strukturprobleme, Kostenfragen und nicht zuletzt neue Ansprüche der betroffenen Eltern an ambulante und stationäre Behandlung. Der Verfasser spricht sowohl denstatusqua als auch Entwicklungstendenzen an, und er zeigt dabei Probleme auf, die gleichzeitig strukturelle Chancen bieten- beispielsweise bei der Kooperation zwischen stationärem Bereich und dem Bereich der niedergelassenen Ärzte. (Zum Thema hat sich auch der 85. Deut- sche Ärztetag, dazu Bericht in Heft 21, geäußert).

Zur Zeit gibt es im Bundesgebiet rund 27 300 Betten für kranke Säuglinge und Kinder. Nach Aus- wertung der Selbstkostenblätter der Deutschen Krankenhausge- sellschaft betrug ihr Ausnutzungs- grad 1980 68,1 Prozent. Die 1981er Zahlen liegen noch nicht vor, sie werden noch schlechter sein. Es wäre allerdings verfehlt anzuneh- men, daß heute mindestens 30 Prozent aller Betten im pädiatri- schen Bereich nutzlos und kosten- verursachend umherstehen, weil sie nicht belegt sind. Jeder weiß, daß im pädiatrischen Bereich die oberste Belegungsgrenze bei höchstens 85 Prozent, viele sagen sogar bei 80 bis 75 Prozent der vorgehaltenen Betten liegt, und zwar aus naheliegenden Gründen:

..,.. Die großen Altersunterschiede der Patienten (Frühgeborene, Säuglinge, Kleinkinder, Schul- kinder).

..,.. Isolierungspflicht bei übertrag- baren Krankheiten.

..,.. Trennungspflicht zwischen Mädchen und Knaben in der Pu- bertät.

Geht man von einer maximalen Auslastung von 85 Prozent aus, besteht zur Zeit ein Überschuß von 4700 bereitgehaltenen Betten. Es wird sich kaum vermeiden lassen, daß hier eine Umstrukturierung stattfinden muß. Dabei dürfen aber zwei generelle Ziele und Auf- gaben nicht aus den Augen verlo- ren werden:

l> Die klinische Kinderheilkunde ist ein Servicebetrieb. Sie muß ih- ren Dienst dort anbieten, wo er von der Bevölkerung verlangt wird. Stichwort: bürgernahe Be- treuung.

l> Ein bestimmter Bereich der

stationären Kinderbetreuung ist sehr kostenintensiv, weil außer ln- tensivpflege das gesamte Gebiet der inneren Medizin abgedeckt werden muß.

Wenn also Strukturänderungen notwendig sind, ist zu prüfen, wo besteht welcher Bedarf und wie kann er möglichst kostenneutral befriedigt werden. Um diese Fra- ge zu beantworten, fehlen zur Zeit zwei wichtige Vorausset- zungen:

THEMEN DER ZEIT

1. Es besteht noch kein Struktur- plan der im Bundesgebiet beste- henden Einrichtungen für statio- näre Kinderheilkunde,

2. Es gibt keine Zahlen über den tatsächlichen Aus'nutzungsgrad der einzelnen Einrichtungen, und zwar quantitativ und qualitativ, das heißt, über die Zusammenset- zung des jeweils versorgten Kran- kengutes pro Leistungsjahr und den Schweregrad der behandelten Krankheiten.

Erst wenn beide Voraussetzungen geschaffen sind, kann eine sinn- volle Kürzung des Bettenangebo- tes stattfinden.

Die vorhandenen Einrichtungen Nach der amtlichen Krankenhaus- statistik des Statistischen Bundes- amtes (Fachserie 12, Reihe 6) sind die 27 800 Betten für Säuglings- und t<inderkrankheiten zur Zeit in 350 Kliniken, Abteilungen und Sta- tionen aufgestellt. Davon sind 51 Fachkrankenhäuser für Säug- lings- und Kinderkrankheiten je- der Größenklasse zuständig. ·wie unbrauchbar aber die statisti- schen Zahlen heute noch sind, geht daraus hervor, daß nur fünf Universitätskliniken in der Stati- stik den Status "eigenständiges Fachkrankenhaus" erhalten ha- ben, während man die restlichen 27 Universitätskliniken unter

"Fachabteilungen in allgemeinen Universitätskrankenhäusern" fi n- det, obwohl sie zweifellos der höchsten und kostenintensivsten Versorgungsstufe angehören trotz ihrer Bezeichnung "Fachabtei- lung".

Von den restlichen 299 Einrichtun- gen verfügen über 200 nur über ein bis zwei Stationen. Das bedeu- tet, daß rund die Hälfte der vorhan- denen Einrichtungen vermutlich weniger als 40 Betten besitzt. Ge- naue Zahlen über die Größe dieser Ein- bis Zweibettstationen sind aber nicht vorhanden. Man kann sie nur aus einer Hochrechnung entnehmen, die auf einer Be-

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Betten in Kinderkrankenhäusern

standsaufnahme beruht, die im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Gesundheit über die stationäre Unterbringung von Kindern im Bundesgebiet zur Zeit noch läuft. Nach einem Zwi- schenbericht über 182 von diesen 350 Einrichtungen entfallen davon etwas über die Hälfte auf Kinder- abteilungen, die allgemeinen Krankenhäusern angeschlossen sind, 15 Prozent auf Kinderkran- kenhäuser und ein Drittel auf so- genannte Spezialkliniken, also Or- thopädie, Otologie, Ophthalmolo- gie, Chirurgie. Von diesem letzten Drittel verfügen allerdings fast 80 Prozent nur über eine Station und rund 15 Prozent über zwei Statio- nen. Aufgrund dieses Zwischenbe- richtes also die Feststellung, daß rund die Hälfte der vorhandenen Versorgungseinrichtungen offen- sichtlich bürgernahe kleinste Ein- richtungen mit bis zu 50 Betten sind. Diese Hochrechnung wird auch bestätigt durch eine Untersu- chung in Niedersachsen von Bruk- kenberger aus dem letzten Jahr.

Er fand, daß beinahe 50 Prozent aller Kinderabteilungen in Nieder- sachsen weniger als 40 belegte Betti:m aufwiesen. Häufig stehen in diesen Abteilungen keine Kin- derkrankenschwestern und in über einem Drittel der Ein- bis Zwei-Stationsabteilungen nicht mal ein Facharzt für Kinderheil- kunde zur Betreuung der Kinder zur Verfügung (Oibing). Ein Blick auf die Liegedauer zeigt, daß diese in Universitätskliniken und Groß- krankenhäusern für Kinderheil- kunde (Gruppe I und II nach der Einteilung der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft) mit durch- schnittlich 11,8 Tagen kürzer ist als in den kleinen Krankenhäusern der Gruppe VI-VIII mit durch- schnittlich 12,3-13,2 Tagen. Eine fachgerechte, das heißt durch Kin- derärzte durchgeführte Versor- gung verkürzt also die Liegedauer, ein Faktor, den man im Rahmen der konzertierten Aktion zur Dämpfung der Krankenhausko- sten bedenken sollte.

Nur 23,4 Prozent aller Kindersta- tionen befinden sich in einem Ver-

band von mindestens fünf bis fünf- zehn Kinderstationen, und nur knapp 15 Prozent, also jede sech- ste Station für kranke Kinder be- findet sich im Verband einer Kin- derklinik oder eines Kinderkran- kenhauses der höchsten Lei- stungsstufe, die den gesamten kli- nischen Bereich der Kinderheil- kunde abdecken kann.

Zusammengefaßt kann man also sagen, die überwiegende Anzahl von Kinderbetten befindet sich heute in kleinen Abteilungen zur bürgernahen Versorgung. Viele Betten stehen noch in Erwachse- nenkliniken ohne sachgemäße Be- treuung durch Kinderfachärzte und Kinderkrankenschwestern.

Hier wird eine erhebliche Einspa- rung des Bettenüberhangs mög- lich sein. Im übrigen kann der Be- darf nur lokal geregelt werden.

Fehlende Bestandsaufnahme Eine Übersicht der von den einzel- nen Einrichtungen betreuten Pa- tienten in bezug auf Schweregrad und Bedarfsdeckung gibt es noch nicht. Es ist völlig unzureichend zu wissen, wieviel Betten nach Mitternachtsstatistik in den einzel- nen Abteilungen belegt sind. Bei der oben geschilderten großen Differenziertheil des Krankengu- tes kann eine Aussage über die bisherigen Leistungen der einzel- nen Abteilungen erst gemacht werden, wenn differenziert offen- gelegt wird, welche Krankheitsbil- der und welche Altersgruppen im einzelnen versorgt wurden. Da- durch wird der Bedarf offenkun- dig, der in dem jeweiligen Gebiet besteht,und anhand des Bedarfes kann über Rationalisierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen diskutiert werden. Nur von dieser Ausgangsbasis aus kann dann auch die notwendige und finan- zielle Mittel sparende Koordina- tion der einzelnen Einrichtungen untereinander und mit der ambu- lanten Betreuung kranker Kinder erfolgen. Eine rein lokale Um- strukturierung ist zwar einfacher, aber in bezug auf die Effizienz r!P.r

Leistung und der Kostendämp- fung nicht ausreichend, denn man darf nicht vergessen, daß der der- zeitige Bedarfsstand kein stationä- rer Zustand ist. Er wird sich auch in Zukunft dynamisch ändern.

Von den zur Zeit 24 800 Betten für Kinder- und Säuglingskrankheiten kann man also zusammenfassend sagen, daß sie in Zukunft nicht mehr alle benötigt werden. Bei dieser Reduktion und Umstruk- .turierung der stationären Kinder- heilkunde ergibt sich eine günsti- ge Gelegenheit, bestehende Män- gel zu beseitigen. Ein-Stations-Ab- teilungen als Anhängsel von Abtei- lungen für Innere Medizin oder Chirurgie, Kleinstationen ohne pädiatrische Betreuung bei Otolo- gen, Ophthalmologen, Orthopä- den, um Beispiele zu nennen. Das schwierige Problem, gleichzeitig Elternwünschen nach bürgerna- her Betreuung und Kostendämp- fung Rechnung zu tragen, ist lösbar.

Anknüpfend an obige Überlegun- gen, sollen im folgenden die Gren- zen des Bedarfs und die Kriterien eines Strukturplanes aus grund- sätzlicher Sicht definiert werden.

..,. Selbstverständlich bestimmen die in einem Kollektiv vorhandene Kinderzahl, ihr Gesundheitszu- stand und die Qualität der ambu- lanten Betreuung den Bedarf an Hospitalbetten. Hier befinden wir uns im Bundesgebiet in der Ge- genwart und in der Zukunft in ei- ner ziemlich überschaubaren Si- tuation:

Die Kinderzahl ist nieder oder gar noch weiter rückläufig,und die Ef- fizienz der ambulanten Betreuung ist hoch und wird zweifellos nicht abnehmen. Auf der anderen Seite hat auch die Effizienz der stationä- ren Betreuung zugenommen mit der Folge einer zunehmend ver- kürzten Liegedauer. Deren untere Grenze aber wird bestimmt durch die hohe Anzahl von arbeitenden Müttern und das Fehlen der Groß- familie, so daß sich im Bundesge- biet die derzeitige Liegedauer von

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11-12 Tagen kaum unter 10 Tage senken lassen wird.

..,.. Dabei ist gleichzeitig berück- sichtigt, daß der Bedarf an statio- närer Betreuung auf diesen Wert absinken wird, weil die Qualität der ambulanten Betreuung auch in Zukunft weiter ansteigen wird, zumal wenn es gelingt, die Anzahl der niedergelassenen Kinderärzte mehr in die Betreuung von Kin- dern einzuschalten, als das heute der Fall ist. Die Qualität der ambu- lanten Betreuung wird auch da- durch gesteigert, daß Spezial- sprechstunden in den Kinderklini- ken der höchsten Betreuungsstufe die ambulante Diagnostik seltener Krankheiten, die Betreuung chro- nisch kranker Kinder erleichtern, wie dies in den Vereinigten Staa- ten sehr deutlich gezeigt wird. Es ist deshalb nicht sehr sinnvoll, ge- gen die Existenz solcher Spezial- sprechstunden an hochspeziali- sierten Krankenhäusern anzu- kämpfen, denn sie steigern die Wirtschaftlichkeit durch Bettenab- bau, ohne das Arbeitsgebiet des niedergelassenen Arztes zu verrin- gern, weil er nicht über das Spe- zialwissen der an solchen Kliniken vorhandenen Spezialisten verfügt.

Er kann solche Patienten nicht be- treuen, er hat sie bisher nicht be- treut, sondern stationär eingewie- sen. Dies läßt sich durch Spezial- sprechstunden vermeiden mit dem volkswirtschaftlich günstigen Ergebnis eines weiteren Bettenab- baues und gleichzeitiger Amorti- sation der in den Schwerpunkt- krankenhäusern vorhandenen dia- gnostischen Einrichtungen und des Wissens der dort vorhandenen Spezialisten.

..,.. Eine weitere Grenze für das Angebot von stationären Einrich- tungen wird durch den Anspruch auf einen Standard des gesamten Gesundheitswesens festgelegt.

Soll dieser heute bestehende Standard weiterbestehen, dann muß im Bereich der Kinderheil- kunde nicht nur die Frühgebore- nenbetreuung und die Bekämp- fung von Säuglings- und Infek- tionskrankheiten gewährleistet

sein, sondern das ganze Gebiet der internen Krankheiten und der psychosomatischen Krankheiten muß abgedeckt sein, die Entwick- lungsdiagnostik und Rehabilita- tion von behinderten Kindern muß möglich sein, kurz neben der klini- schen Medizin muß auch der ge- samte sozialpädiatrische Bereich abgedeckt sein. Dazu ist ein hoher technischer Investitionsbedarf nö- tig, der dem der Inneren Medizin entspricht, ein Bedarf an Pädia- tern in Lebensstellungen für Spe- zialisten, an Psychologen, Heil- pädagogen, Logopädinnen, Kran- kengymnastinnen · und Sozialar- beitern, um alle die genannten Ge- biete zu versorgen.

Kooperativer Strukturplan Beim derzeitigen Gesundheitszu- stand unserer Kinder bedarf er- freulicherweise nur etwa ein Vier- tel der stationär behandlungsbe- dürftigen Fälle einen derartigen personellen und technischen Auf- wand. Nur die oberste Leistungs- stufe im stationären Bereich muß außer den Möglichkeiten der Grundversorgung über zusätzlich multidisziplinäre Einrichtungen zur Abdeckung der gesamten kli- nischen Pädiatrie verfügen, wie dies heute schon in den Universi- tätskliniken und pädiatrischen Großkrankenhäusern in der Regel der Fall ist.

Für den größeren Teil der stationä- ren Einrichtungen ist unter dem Gesichtspunkt der Kostendämp- fung deshalb eine kooperative Strukturierung im stationären Ser- vice möglich. Bei einem derarti- gen Strukturplan muß berücksich- tigt werden

t> die Notwendigkeit eines engen

Netzes an stationärer Neugebo- renenbetreuung. Überall wo Kin- der entbunden werden, müssen pädiatrische Einrichtungen zur Überwachung von übergangsge- störten Neugeborenen und Früh- geborenen vorhanden sein. Sie sollten Möglichkeiten zur Intensiv- überwachung besitzen.

Betten in Kinderkrankenhäusern

t> Je Einzugsgebiet von 6000-

10 000 Neugeborenen sollten päd- iatrische lntensivpflege-Einheiten vorhanden sein. Ihre Mindesgröße sollte aus bekannten medizini-

schen und wirtschaftlichen Grün- den nicht unter acht bis zehn Bet- ten liegen. Ihre Betreuer sollten gleichzeitig den pädiatrischen Transportdienst für bedrohte Kin- der durchführen, was im Personal- schlüssel zu berücksichtigen ist.

t> Ein gebietsübergreifender

Strukturplan muß eine bürgernahe Betreuung von leicht und mittel- kranken Kindern gewährleisten, weil viele leicht und mittelkranke Kinder mit akuten und chroni- schen Krankheiten nicht zu Hause gepflegt werden können.

Schließlich sind die Grenzen der stationären Betreuung durch den ärztlichen Dienst vorgegeben.

Wenn man davon ausgeht, daß im hauptamtlichen Angestelltenver- hältnis mit einer 40-Stunden-Wo- che zu rechnen ist, dann müssen einer Abteilung der mittleren Ver- sorgungsstufe mindestens fünf bis sechs hauptamtliche Ärzte zur Verfügung stehen, um einen lük- kenlosen 24-Stunden-Dienst zu gewährleisten. Bei den kleinsten stationären Einheiten lautet die Frage also nicht .,wieviel Betten sind eine funktionsfähige Einheit (20, 30, 40)?", sondern .,welcher Umfang an kinderärztlich statio- när zu betreuenden Patienten ist fünf bis sechs hauptamtlichen Ärz- ten zuzumuten?". Der von dieser Arztgruppe zu leistende Arbeits- umfang bestimmt die untere Gren- ze der BettenzahL Damit ist gleich die nächste Grenzziehung ange- deutet: werden aus Bedarfsgrün- den nur weniger Betten benötigt, dann ist für kleinere Einheiten ein Belegarzt-System zu diskutieren.

Mehr Flexibilität in Zukunft nötig Voraussetzung aber für alle regio- nalen Strukturpläne eines koope- rativen stationären Betreuungssy- stems ist eine Analyse der von den vorhandenen Einrichtungen be-

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Betten in Kinderkrankenhäusern

treuten Frühgeborenen, Säuglin- gen, intern und infektionskranken Kindern sowie der bisherigen am- bulanten Leistungen in Spezial- sprechstunden und der Notfallam- bulanz.

Eine solche zentrale Registrierung mag für viele ein ungewöhnlicher Gedanke sein, aber ohne diese kann ein kooperatives und wirt- schaftlich vertretbares stationäres Betreuungssystem nicht vorge- schlagen oder gar angeordnet werden. Dabei wird sich heraus- stellen, daß in der stationären Kin- derheilkunde die Intensiv- und Spezialmedizin immer mehr an Gewicht gewinnen, so daß ein Um- denken bei der Bemessung des personellen und Investitionsbe- darfes unumgänglich wird.

Auf der anderen Seite hat auch die quantitativ zunehmende Betreu- ung kranker Kinder durch nieder- gelassene Ärzte und die Übernah- me von Aufgaben in diesem Be- reich, die bisher von den Kranken- häusern geleistet wurden, durch niedergelassene Ärzte eine Konse- quenz, die nur ungern zugegeben wird. Die Bevölkerung verlangt nämlich immer energischer, daß auch schwierige diagnostische Verfahren, die der niedergelasse- ne Arzt nicht erbringen kann, trotzdem ambulant durchgeführt werden. Sie verlangt auch, daß langdauernde eingreifende Be- handlungen nicht mehr stationär ablaufen, auch wenn den nieder- gelassenen Ärzten weder die Spe- zialkenntnisse noch die notwendi- ge Zeit zur Verfügung stehen — ich nenne nur Leukämie, chronische Nierenkrankheiten oder immun- suppressive Behandlung.

In der Erwachsenenmedizin löst man dieses auch dort vorhandene Problem durch den Zusam- menschluß von Spezialisten zu Praxisgemeinschaften mit be- stimmten Schwerpunkten. In der Kinderheilkunde verbietet sich diese Lösung in der Regel wegen des quantitativ zu kleinen Kran- kengutes. Trotzdem bleibt das Verlangen der Eltern, schwierige

diagnostische Verfahren und die genannten therapeutischen Maß- nahmen nicht mit dem Zwang zur Krankenhausaufnahme zu ver- quicken, wie dies bisher immer noch die Regel ist, wobei der Wunsch des Krankenhausträgers nach belegten Betten der Rigidität und fehlenden Bereitschaft der Kassen, den Abteilungen und Krankenhäusern eine Ambulanz- genehmigung zu erteilen, entge- genkam, zumal die Kassenärztli- che Vereinigung hier prinzipielle Bedenken zu erkennen gab. Dies gilt auch für die Versuche, im sta- tionären pädiatrischen Bereich Tagesbetten im Sinne einer Tages- klinik einzuführen.

Auch dieses Modell würde dem Wunsch der Bevölkerung nach vermehrter ambulanter Betreuung entgegenkommen, die Leistungs- fähigkeit des ambulanten Berei- ches erheblich und sinnvoll erwei- tern und im stationären Bereich Personal und Kosten sparen, weil die Kinder nur bei Tag im Kranken- haus sind und damit die teuren Nachtwachen entfallen.

Zusammengefaßt bleibt festzuhal- ten, daß die Grenzen der stationä- ren Betreuung im Bereich der Kin- derheilkunde im Augenblick stark in Bewegung geraten sind. Es gibt, wie dargestellt wurde, unter bestimmten Voraussetzungen er- hebliche Möglichkeiten, ökono- misch zu handeln, ohne gesund- heitspolitisch leichtfertig zu sein und ohne die Qualität der stationä- ren pädiatrischen Betreuung zu vermindern. Die Innovationen im pädiatrischen ambulanten und kli- nischen Bereich sind so umfang- reich, daß die Probleme der Zu- kunft nicht durch Abwarten, son- dern nur durch große Elastizität aller Beteiligten und Verständnis von seiten der Krankenhausträger zu lösen sind.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Hans Ewerbeck

Amsterdamer Straße 59 (Kinderkrankenhaus) 5000 Köln 1

TAGUNGSBERICHTE

Strukturreform im Gesund- heitswesen:

Wissenschaftler fordern mehr Wettbewerb

Die Intensivierung des Wettbe- werbs im Gesundheitswesen, mehr Kosten- und Leistungstrans- parenz sowie eine stärkere Beto- nung der Eigenverantwortung sei- en mehr denn je das Gebot der Stunde, um die vordringlichsten strukturellen Reformprobleme im System der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) zu lösen und mit Hilfe einer reaktivierten sozia- len Selbstverwaltung auch die Ko- stenproblematik wieder in den Griff zu bekommen. Dies war das übereinstimmende Fazit der Grundsatzreferate von Prof. Dr.

Peter Oberender, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschafts- lehre (Wirtschaftstheorie) an der Universität Bayreuth, und Prof. Dr.

Frank E. Münnich, Ordinarius für Nationalökonomie an der Univer- sität München, beim Bonner Sym- posion über Strukturreform der GKV, veranstaltet vom Bundesmi- nisterium für Arbeit und Sozialord- nung Ende Juni.

Oberender fordert eine Abkehr von unmotivierten staatlichen Ein- griffen und dirigistischen Plafon- dierungen (etwa: Zweites Arznei- mittelgesetz, KVKG und KVEG), da gesetzliche Interventionen nicht nur auf den Widerstand der betei- ligten Gruppen stoßen würden, sondern zu einer Interventionsspi- rale eskalieren müßten, ohne die Probleme politisch lösen zu kön- nen. Einen Ausweg aus dem Di- lemma sieht Oberender in einer konsequenten Realisierung markt- wirtschaftlicher Lösungen in allen Bereichen. Gleichzeitig sollte ein angemessener Schutz für chro- nisch Kranke und sozial Schwa- che gesetzlich eingeräumt wer- den. Für den Arzneimittelbereich

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