Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 112|
Heft 9|
27. Februar 2015 A 345A
uf den ersten Blick scheint es paradox zu sein:Die Zahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland steigt – und trotzdem werden der Man- gel an ärztlicher Versorgung und die Lücken für die Pa- tienten in vielen Regionen immer größer.
Wer meint, dies würde an einer zu starken Abwande- rung von Ärztinnen und Ärzten ins Ausland liegen, irrt.
Deutsche Medizin-Absolventen sind zwar in aller Welt gefragt und werden geschätzt. Statistiken zeigen je- doch, dass dafür ausreichend ausländische Ärzte nach Deutschland kommen und im Gegenzug bei uns arbei- ten. Auch die Ausbildung an den medizinischen Fakul- täten für den Mangel verantwortlich zu machen, ist zu kurz gegriffen: Seit Jahren zeigt kein anderes Studien- fach eine so geringe Studienabbruchrate wie die Hu- manmedizin.
Doch was sind dann die Gründe für den vielerorts bereits realen Ärztemangel? Zum einen nimmt die Be- handlungsintensität in unserer alternden Gesellschaft zu. Aber auch der medizinische Fortschritt mit früher unbekannten Untersuchungen und Therapiemethoden sowie eine zunehmende Spezialisierung der Medizin erfordern eine erhöhte Zahl von Ärztinnen und Ärzten.
Diese ist doch gegeben, könnte man mit Verweis auf die Ärztestatistiken argumentieren. Und das wäre auch richtig, wenn man die Köpfe zählt. Für die Versorgung ist jedoch die Anzahl der pro Kopf geleisteten „Arzt- stunden“ entscheidend. Aufgrund des Arbeitszeitgeset- zes und einer Ärztegeneration, die ihrer Work-Life-Ba- lance eine höhere Bedeutung beimisst, sinkt diese Zahl jedoch. Beispielsweise hat sich der Anteil der Ärztin- nen und Ärzte, die in Teilzeit arbeiten, in den letzten zehn Jahren etwa verdoppelt.
Ein Ausweg aus der Misere wäre es, mehr Studien- plätze in der Humanmedizin zu schaffen. Deshalb ist es ein richtiges Signal, dass Medizinstudierende und ärzt- liche Organisationen im Rahmen der derzeit laufenden Diskussionen zum „Masterplan Medizinstudium 2020“
zwischen Bund und Ländern eine Erhöhung der Medi- zinstudienplätze in Deutschland fordern. In seinem am
20. Februar vorgestellten Positionspapier zur Reform des Medizinstudiums plädiert beispielsweise der Mar- burger Bund (MB) für ein Plus an Studienplätzen von mindestens zehn Prozent. „Mit den heutigen Kapazitä- ten, die weitgehend denen vor 25 Jahren entsprechen, wird sich das Niveau der ärztlichen Versorgung nicht aufrechterhalten lassen“, erklärte Dr. med. Andreas Botzlar, Zweiter Vorsitzender des MB, in Berlin. Not- wendig sei allerdings eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulmedizin. „Die Besonderheiten müssen sich sowohl im DRG-System als auch in der Investiti- onsfinanzierung widerspiegeln. Die schwierige Finan- zierungslage vieler Kliniken beeinträchtigt nicht nur die Versorgung der Patienten und die Arbeitsbedingun- gen für das Personal, sondern auch die Lehre für die Studierenden vor Ort“, betonte er.
Die Bundesärztekammer mahnt ebenfalls mehr Stu- dienplätze in der Humanmedizin an. „Die ärztliche Ausbildung ist kein Punkt, an dem gespart werden darf“, betonte ihr Präsident, Prof. Dr. med. Frank Ul- rich Montgomery, gegenüber dem Deutschen Ärzte- blatt. Die Bundesärztekammer erwarte von Bund und Ländern, dass sie die Lehre in der Medizin weiterhin als staatliche Aufgabe verstehe und das Bildungsniveau in Deutschland auf akademisch hohem Niveau halte.
MEDIZINSTUDIUM
Mehr Studienplätze benötigt
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Eva Richter-Kuhlmann Politische Redakteurin