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mpfehlungen sind gut, ein Kodex und Sanktionen sind besser: Die Mitglieder des Verbands Forschen- der Arzneimittelhersteller (VFA) haben einen Verein „Freiwillige Selbstkontrol- le für die Arzneimittelindustrie“ gegrün- det. Er wurde am 16. Februar in Berlin aus der Taufe gehoben und soll die kor- rekte Zusammenarbeit zwischen phar- mazeutischen Unternehmen und Ärzten überwachen. VFA-Vorsitzender Dr. Dr.Andreas Barner betonte: „Wir können es uns nicht leisten, dass durch einzelne Missbrauchsfälle immer wieder die ganze Branche in Misskredit gebracht wird.“ In Zukunft
soll per Vereinskodex geregelt und kontrol- liert werden, was bei- spielsweise bei Anwen- dungsbeobachtungen, Fortbildungsveranstal- tungen oder Bewirtun- gen von Ärzten durch Pharmafirmen zu be- achten ist.
Vermutete Verstöße kann jeder der Schieds- stelle des Vereins mel- den. Dort entscheidet in erster Instanz der Geschäftsführer über Vorwürfe; er kann Geldstrafen bis zu 50 000 Euro verhän- gen. Bei Einspruch
gegen seinen Entscheid sowie wieder- holten Verstößen geht das Verfahren in die zweite Instanz. Dann entscheiden neun Personen, darunter drei Ärzte und ein Patientenvertreter.
Barner verwies darauf, dass es bereits Empfehlungen zur Zusammenarbeit zwischen Industrie und Ärzten gebe.
2003 wurde auf dem Deutschen Ärzte- tag die (Muster-)Berufsordnung ent- sprechend novelliert. Kurz danach ver-
öffentlichten die Pharmaverbände „Ver- haltensempfehlungen für die Zusam- menarbeit der pharmazeutischen Indu- strie mit Ärzten“. Bereits im Jahr 2000 wurde der „Gemeinsame Standpunkt zur strafrechtlichen Bewertung der Zusammenarbeit zwischen Industrie, medizinischen Einrichtungen und de- ren Mitarbeitern“ erarbeitet.
Der VFA-Vorsitzende schränkte je- doch in Bezug auf die Verhaltensemp- fehlungen der pharmazeutischen Indu- strie ein: „Diese Standards sind nur dann ein Mittel zur wirksamen Selbstre- gulierung, wenn Verstöße sanktioniert werden.“ Deshalb sei der Verein gegründet worden. Barner appel- lierte an alle Phar- maunternehmen, sich der VFA-Initiative an- zuschließen. Er stellte zugleich klar, dass Nichtmitglieder kei- nesfalls vor Sanktio- nen geschützt sein sol- len. Der neue Zusam- menschluss hat beim Bundeskartellamt die Zulassung als Wettbe- werbsverein beantragt und will gegen jegliche Verstöße vorgehen.
„Für uns ist das eine überflüssige Veranstal- tung“, betonte Uwe Dolderer, Pressesprecher des Bundes- verbandes der Pharmazeutischen Indu- strie. Die bisherigen Verhaltensempfeh- lungen und Sanktionsmöglichkeiten reichten aus. Auch Rechtsanwältin An- drea Schmitz vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller weist darauf hin, dass es genug Regelungen gebe, die Korruption unter Strafe stellten.
Zustimmung kam von Prof. Dr. med.
Ingo Flenker. Der Vorsitzende des Aus-
schusses Berufsordnung der Bundes- ärztekammer verwies zwar ebenfalls darauf, dass das Miteinander von Arzt und Industrie durch die Überarbeitung der (Muster-)Berufsordnung 2003 klar geregelt worden sei. Gleichwohl be- grüßte Flenker die neuen Standards.
Damit werde „eine wichtige Grundlage für ein konstruktives Miteinander von Arzt und Industrie geschaffen“.
Dr. med. Leonhard Hansen, Zwei- ter Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, bezeichnete die Vereinsgründung als „Schritt in die richtige Richtung“. Er bemängelte je- doch, dass im Kodex die erforderliche seriöse Produktinformation der nieder- gelassenen Ärzte durch Pharmavertre- ter praktisch nicht angesprochen werde.
Das sei aber notwendig, denn die Phar- maindustrie traktiere die Ärzteschaft mit nicht belegbaren Werbeaussagen.
SPD-Gesundheitsexperte Klaus Kirsch- ner erklärte, er begrüße die Verhal- tensstandards, der Schritt gehe jedoch nicht weit genug, Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundes- tags kritisierte zweierlei: Es fehle die Verpflichtung der Arzneihersteller, auf Naturalrabatte an Apotheker zu ver- zichten. Zudem müssten Unternehmen noch nicht veröffentlichen, welche Ho- norare an Wissenschaftler und Gutach- ter gezahlt wurden, die in Studien Emp- fehlungen zu Medikamenten abgeben.
Der Staatssekretär im Bundesge- sundheitsministerium, Dr. Klaus Theo Schröder, begrüßte die Vereinsgrün- dung der VFA-Unternehmen. Er be- dauerte allerdings, dass sich nicht alle Pharmaverbände der Initiative ange- schlossen haben. Ein Grund dafür ist nach seiner Darstellung die Befürch- tung, sich einer doppelten Bestrafung auszusetzen: einmal durch den Verein, ein zweites Mal durch den Staat. Eine Selbstverpflichtung der Industrie kön- ne Ermittlungen durch die Strafverfol- gungsbehörden aber nicht ersetzen, be- tonte Schröder. „Es ist aber zu erwar- ten, dass sich eine wirksame freiwillige Kontrolle auf die Praxis der Behörden bei der Ermittlung und Verfolgung von Verstößen positiv auswirkt.“Sabine Rieser P O L I T I K
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A542 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 927. Februar 2004
Ärzte und Pharmaindustrie
Benimmkodex mit Lücken
Ein Verein soll die Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie fördern, überwachen und bei Verstößen Firmen abstrafen.
Dr. Klaus Theo Schröder: Erfolgrei- che freiwillige Kontrolle wirkt sich auf staatliche Ermittlungen aus.
Die Satzung, die Verfahrensordnung und der Kodex des Vereins sowie die Empfehlungen im Internet: www.aerzteblatt.de/plus0904
Foto:dpa