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Archiv "Die Zahl der Virus-Arthritiden steigt an" (26.02.1987)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

B

ei den Virus-Arthritiden ist infolge des ausge- dehnten Reiseverkehrs in alle Welt eine anstei- gende Tendenz zu ver- zeichnen. Von den rund 400 bisher bekannten humanpathogenen Viren gelten derzeit 20 als arthritogen. Die meisten von ihnen gehören zu der Gruppe der RNA-Viren (Röteln, Mumps, Hepatitis-A).

Unter den DNA-Viren ist der Human-Parvo-Virus (HPV) kürzlich wieder ins Blickfeld gerückt, der 1983 als Erreger des Erythema infec- tiosum infantium beschrieben wur- de. Bereits 1981 wurde erkannt, daß es bei Sichelzellanämikern schwere aplastische Krisen verursacht, HPV steht neuerdings im Verdacht, Ver- ursacher der akuten Polyarthritis zu sein.

Professor N. Gerber, Bern, be- tonte anläßlich des Gemeinsamen Kongresses der Schweizerischen Ge- sellschaften für Rheumatologie und Physikalische Medizin in Lugano, daß es vom Alter abhängt, wie ein Organismus auf einen HPV-Infekt reagiert. Nur fünf Prozent der befal- lenen Kinder nämlich entwickeln Arthritiden, während es bei den Er- wachsenen 70 Prozent sind. Auch der Organbefall ist offenbar alters- spezifisch, da Hautexantheme bei Erwachsenen nur ausnahmsweise auftreten. Beim Kind hingegen sind Polyarthralgie und Polysynovitis sel- ten. Das Befallsmuster ist, wie bei der klassischen Polyarthritis, streng symmetrisch.

Nach Parvo-Virus-Infektion zei- gen sich zunächst grippeartige Pro- drome. Erst vier bis zwölf Wochen später bildet sich das Exanthem und treten Gelenk- oder Wirbelsäulen- beschwerden auf.

bei starken Gelenkschmerzen und kurzdauerndem, selbstlimitieren- dem Verlauf der Erkrankung.

Die Pathogenese viraler Arthri- tiden ist noch nicht völlig geklärt.

Ein viraler Gelenkinfekt ist gut belegt nur für Röteln-Viren und -Vakzine. Die Erreger vermehren sich in der Gelenkflüssigkeit, es kommt zu Nekrosen, Entzündung und eliminierender Immunantwort.

Eine postinfektiöse Arthritis verur- sacht das Hepatitis-B-Virus, das be- reits während der Virämiephase im Blut zu einer Immunreaktion veran- laßt.

Die Symptomatologie ist unab- hängig vom Erreger. Als Prodromal- symptome gelten Müdigkeit, Frö- steln, Fieber, Kopfschmerz, Übel- keit, Erbrechen, Halsweh und Nak-

kensteife. Die Virämiephase ist ge- kennzeichnet durch Fieber und Un- behagen, die postinfektiöse durch Hautrötung und Magen-Darm-Syn- drome. Die Gelenke zeigen klinisch gewöhnlich keine charakteristischen Befallsmuster.

Insbesondere die Influenza-Vi- rus-Arthritis ist begleitet von einem Schleimbeutelbefall.

Normale Blutsenkung

Außer bei Röteln-Arthritiden ist die Blutsenkung normal. Die Leukozytenzahl ist nur erhöht bei Hepatitis-B-, Röteln- und Mumps- Virus-Infektion. Bei Hepatitis-B-Vi- rus-Arthritis sind zudem gelegent- lich die Kryoglobulinwerte erhöht.

Die Zahl der

Virus-Arthritiden steigt an

Schweizer Rheumatologenkongreß in Lugano, 1986

Tabelle 1: Viren, die häufig Arthritiden verursachen (nach N. Gerber, Inselspital Bern)

Parvo-Viren 5% der befallenen Kinder

70% der befallenen Erwachsenen Röteln-Viren

nach Röteln-Impfung

Hepatitis-B-Virus Ross-River-Virus, Chikungunya-Virus, Sindbis-Virus ,

0 'Nyong-nyong-Virus

30-50% der erwachsenen Frauen 3% der geimpften Kinder 13% der geimpften Frauen 10-30% der infizierten Personen

Mehrzahl der Erwachsenen

Grippeartige Symptome

An eine Virus-Arthritis ist, laut Gerber, zu denken bei: akuter, erst- mals frisch aufgetretener Arthritis mit normaler Blutsenkung und un- auffälligem Blutbild; bei zusätzli- chem Hautexanthem, Fieber, Lymphadenitis und einem Virusin- fekt in der Umgebung des Patienten;

Dt. Ärztebl. 84, Heft 9, 26. Februar 1987 (63) A-503

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Da Virus-Antikörper in verschiede- nen Stadien auftreten — akut IgM- AK, nach vier bis acht Wochen IgG- AK —, muß deren Nachweis zwei- phasig erfolgen.

Prodrome des Hepatitis-B-Vi- rus-Infektes sind Unbehagen, Inap- petenz, Nausea und Frösteln. Die darauf folgende symmetrische Poly- arthritis oder Polyarthralgie (große und kleine Gelenke, Sehnenschei- den) geht meist mit einem urtikariel- len Exanthem einher. In der Arthri- tisphase der Infektion ist noch HBs- Antigen nachweisbar.

Kinder

sind kaum gefährdet

Eine Röteln-Vakzine kann zwei bis vier Wochen nach Impfung eine Polyarthralgie oder Polyarthritis verursachen. Inwieweit dieser Vor- gang durch den Immunkomplex be- dingt ist, konnte bisher nicht ab- schließend geklärt werden. Die Arthritis hält oft Wochen, selten Jahre an. Gefährdet sind Frauen,

die bereits früher einmal geimpft worden sind. Für präpubertäre Per- sonen ist das Risiko der Arthritis- Ausbildung klein.

Das Röteln-Virus-Exanthem bei entsprechender Arthritis bezeichne- te Gerber als sehr flüchtig. Fallen sie bei Erwachsenen oft schwer aus, sind Kinder stets ohne Prodrome.

Der Gelenkinfekt läßt sich durch den Virusnachweis in den Monozy- ten von Blut und Synovium belegen.

Die akute Polyarthritis ähnelt den Erscheinungsformen einer chroni- schen Polyarthritis.

Osteoporose und chronische Polyarthritis

Die Tatsache, daß die Diagnose der Osteoporose noch immer erst dann möglich ist, wenn bereits 30 Prozent der Knochensubstanz verlo- ren sind, ist Anlaß zur Suche nach neuen Methoden zur Früherfassung, insbesondere bei Patienten mit chro- nischer Polyarthritis. Aufgrund der häufig langzeitigen Steroidtherapie (mit der Gefahr der Steroid-Osteo- porose) und der körperlichen Inakti- vität der Erkrankten ist die Osteo- porose eine keineswegs seltene Komplikation der chronischen Poly- arthritis.

Als mögliches Verfahren zur Früherfassung der Osteoporose be- trachtet eine Arbeitsgruppe in Basel die Osteodensimetrie. Wie Dr. A.

Aeschlimann in Lugano betonte, er- laubt diese nichtinvasive Methode eine zuverlässige Beurteilung des Mineralgehalts. Die Untersuchung erfolgt im Bereich der (intakten)

Lendenwirbelkörper zwei bis vier, da dort die wenigsten osteoporose- bedingten Frakturen anfallen.

Komplikationen bei chronischer Polyarthritis

Erhebliche diagnostische Schwierigkeiten bereiten gelegent- liche pleuropulmonale Manifestatio- nen bei seropositiver chronischer Polyarthritis, insbesondere dann, wenn sie dem Gelenkbefall voraus-

gehen. Dr. P. Schlapbach, Bern, be- tonte, daß die betroffenen Patienten zumeist Rheumafaktor-positiv seien und die Krankheitsverläufe gewöhn- lich mild und wenig evolutiv ablie- fen.

Hauptcharakteristikum des rheumatoiden Pleuraergusses ist die tiefe Glukosekonzentration. Die Laktatdehydrogenase ist stark er- höht, im Zellsediment finden sich charakteristische Phagozyten. Wäh- rend die interstitielle Pneumopathie medikamentös schlecht zu beeinflus- sen ist — hier hilft nur Nikotinabsti- nenz —, empfehle sich bei rheumato- ider Pleuritis die Gabe von nichtste- roidalen Antirheumatika.

Methotrexat ist nicht

leberschädigend

Bei der Langzeitbehandlung der chronischen Polyarthritis mit Me- thotrexat galt die mögliche Leber- schädigung als noch ungelöstes Pro- blem. Vorübergehende Leberen- zymanstiege werden bei bis zu 50 Prozent der Patienten beobachtet.

Wie Dr. R. Rau, Ratingen, berich- tete, konnten in der histologischen Auswertung von 60 Leberbiopsien von Patienten unter Methotrexat- Therapie jedoch keine typischen Veränderungen gefunden werden.

Die Untersuchungen ergaben bisher keine Hinweise auf eine mor- phologisch faßbare Leberschädi- gung. Allerdings lag die wöchent- liche Dosis bei nur 10 bis 15 Milli- gramm, ein Bereich, in dem auch Nebenwirkungen auf das Knochen- mark selten sind.

Da die Häufigkeit der Therapie- abbrüche unter Methotrexat gerin- ger sei als unter Goldmedikation, empfahl Rau das Immunsuppressi- vum bereits an zweiter Stelle in der Hierarchie der Basistherapeutika für die chronische Polyarthritis. Eine bioptische Kontrolle während der Behandlung sei nicht generell erfor- derlich.

Brigitte Ronge-Zöller Via Scairolo D

CH-6912 Lugano-Pazallo Tabelle 2: Sinnvolle Serologie bei Verdacht auf Virus-Arthritiden

(nach N. Gerber, Inselspital Bern)

1. Hepatitis-A-Serologie: nach Tropenreise und bei Drogenkonsum 2. Hepatitis-B-Serologie: bei Risikopersonen

3. Röteln-Virus-Serologie: bei entsprechendem Kontakt 4. Parvo-Virus-Serologie: nur bei starkem Verdacht

(das Antigen ist noch rar!)

A-504 (64) Dt. Ärztebl. 84, Heft 9, 26. Februar 1987

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