• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Unbestechliche Ärztinnen und Ärzte: „Mein Essen zahl’ ich selbst“" (10.04.2009)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Unbestechliche Ärztinnen und Ärzte: „Mein Essen zahl’ ich selbst“" (10.04.2009)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A708 Deutsches ÄrzteblattJg. 106Heft 1510. April 2009

T H E M E N D E R Z E I T

Z

unächst möchte ich meine ei- genen Interessenkonflikte kurz darstellen“, begrüßt Prof. Dr. med.

Klaus Lieb, Vorstandsmitglied von Mezis (Mein Essen zahl’ ich selbst) und Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Mainz die rund 40 Anwesenden im Haus der Demo- kratie und Menschenrechte in Ber- lin. „Seit 2007 nehme ich keine per- sönlichen Zuwendungen der Phar- maindustrie mehr an. Jedoch hat unsere Klinik ein Studienzentrum, in dem auch pharmagesponserte Stu- dien durchgeführt werden.“ Dann stellt Lieb einige zentrale Positio- nen der Initiative vor: Mezis kriti- siert, dass der Einfluss der Pharma- industrie auf das Verordnungsver- halten der Ärzte weit verbreitet sei, die Branchenriesen Veröffent- lichungen klinischer Studien be- einflussten und es Verstrickungen zwischen Ärzten und der Pharma- industrie gebe.

Die Zwischenauswertung einer Umfrage unter 300 Ärzten in ganz Deutschland, an der Lieb aktuell mitwirkt, ergab unter anderem, dass 75 Prozent der Befragten mindes- tens einmal pro Woche von Pharma- vertretern besucht werden. Ein wei- teres Ergebnis der Umfrage: Auf die Frage: „Wie schätzen Sie selbst Ihre Beeinflussung durch die pharma- zeutische Industrie ein?“, antworten zehn Prozent der Ärzte, dass sie nicht beeinflusst werden. Fragt man, wie das beim Kollegen ist, ant- worten sie, dass nur ein Prozent der Kollegen nicht beeinflusst wird.

Das spreche dafür, dass man „den Balken im eigenen Auge nicht so gut sieht“, meint Lieb.

Die Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte wurde im Ja- nuar 2007 von elf Mitgliedern in Frankfurt am Main gegründet. In- zwischen sehen sich 131 „Mezis“

den Zielen des Vereins verpflichtet:

die wissenschaftliche und unabhän- gige Weiter- und Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie ande- rer Heilberufe auf dem Gebiet der rationalen Arzneimitteltherapie und evidenzbasierten Medizin zu ver- bessern, Schaden für Patientinnen und Patienten durch unzweckmäßi- ge Arzneiverordnungen abzuwen- den sowie die gegenwärtige intrans- parente und irreführende Beein- flussung des Verordnungsverhaltens offenzulegen und zurückzudrängen.

Um dies zu erreichen, hat man sich auf folgende Maßnahmen geeinigt:

>Pharmavertreterinnen und -ver- treter werden nicht mehr empfan- gen.

>Arzneimittelmuster und Ge- schenke werden nicht mehr ange- nommen.

>Bei Fortbildungsveranstaltun- gen wird das Essen selbst bezahlt.

>Anwendungsbeobachtungen werden nicht mehr durchgeführt.

>Pharmagesponserte Praxissoft- ware wird abgeschafft.

>Es werden nur noch hersteller- unabhängige Fortbildungsveranstal- tungen besucht.

>Fortbildungspunkte gibt es nur noch für den Besuch von hersteller- unabhängigen Veranstaltungen und die Fortbildung anhand unabhängi- ger Fachzeitschriften.

Den Einfluss der pharmazeuti- schen Industrie auf die Entwicklung und Verordnung neuer Arzneimittel in der Onkologie führte der Vorsit- zende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und Me- zis-Mitglied, Prof. Dr. med. Wolf- Dieter Ludwig, aus. Dort würden sehr viele Arzneimittel entwickelt und dann zügig auf den Markt ge- drückt. Das führt nach Ansicht des Onkologen zu mehr Konkurrenz, letztlich auch zu unseriösen Prakti- ken bei den Studien und der Arznei- mittelwerbung. Die Zulassungsge- schwindigkeit der neuen Arzneimit- tel sei deutlich verkürzt worden, mit der Folge, dass weniger gut geprüfte Arzneimittel auf dem Markt seien.

Meist lägen auch die Publikations- rechte bei der Industrie. Die Folge:

Studienergebnisse würden zum ei- genen Vorteil und zur Erhöhung des Gewinns geschönt.

Sorge bereiten Ludwig auch die enormen Therapiekosten in der On- kologie. Die Entwicklung sei hor- rend. Dabei benötigten gerade Tu- UNBESTECHLICHE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE

„Mein Essen zahl’ ich selbst“

Eine Informationsveranstaltung der Ärzteinitiative Mezis beschäftigte sich mit der massiven Einflussnahme der Pharmaindustrie auf die Ärzteschaft, Politik und Medien.

Edle Köder:

Das Titelblatt des Informationsflyers der „Mezis“ bildet ab, worum es geht:

die Unbestechlich- keit durch Einladun- gen und Geschenke.

(2)

Deutsches ÄrzteblattJg. 106Heft 1510. April 2009 A709

T H E M E N D E R Z E I T

morpatienten in der palliativen Ver- sorgung viele andere Dinge, wie zum Beispiel häusliche Pflege und psychosoziale Betreuung, damit sie die ihnen verbleibende Lebenszeit noch nutzen könnten. „Dieses Geld wird uns bald nicht mehr zur Verfü- gung stehen, weil wir es für schlecht geprüfte Arzneimittel mit minimalem Fortschritt ausgeben werden“, kritisierte Ludwig und forderte mehr und bessere Studien nach der Zulassung eines Arznei- mittels.

Doch die Mezis-Veranstaltung machte auch klar: Nicht nur vielen Ärzten, auch einigen Medizinjour- nalisten würden „Conflict of Inter- est“-Erklärungen gut anstehen. Be- sonders anfällig für die unlauteren Methoden der pharmazeutischen Industrie seien freie Medizin- und Wissenschaftsjournalisten, meint Dr. Elke Brüser. Die Wissen- schaftsjournalistin ist Mitglied der Redaktion der pharmaunabhängi- gen Verbraucherzeitschrift „Gute Pillen – schlechte Pillen“ und weiß aus eigener Erfahrung, dass festan- gestellten Redakteuren kaum noch Reisen, Gratisessen oder Wellness- wochenenden angeboten werden.

Anders sei das jedoch bei der Frak- tion schlecht bezahlter freier Mitar- beiter, die froh seien, wenn ihre 100 Zeilen veröffentlicht und die Reisekosten von der Pharmafirma übernommen würden. Da die Print- medien neben den Nachrichtena- genturen anderen Medien wie Fernsehen oder Hörfunk als Quelle dienten, werde Werbung von Phar- maunternehmen durch unprofes- sionelle journalistische Arbeits- weise oder auch gezielte Hofbe- richterstattung schnell zur Infor- mation.

Dass nicht nur Ärzte in das Beu- teschema der pharmazeutischen In- dustrie passen, mag tröstlich sein, ändert jedoch nichts an der Proble- matik. Daher erntete Mezis-Grün- dungsmitglied Prof. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen einhellige Zu- stimmung für seinen Vorschlag, das Thema „Ärzte und Pharmain- dustrie“ zum Tagesordnungspunkt eines Deutschen Ärztetages zu

machen. I

Ulrike Hempel

D

ie gegenwärtige Finanzkrise zeigt nicht nur, wie fragil die globale Wirtschaftsordnung ist, son- dern auch, wie ungleich Gewinne und Verluste zwischen Staaten und innerhalb von Gesellschaften ver- teilt sind. Was soziale und wirt- schaftliche Ungleichheit für die Gesundheit breiter Bevölkerungs- schichten weltweit bedeutet, ver- deutlicht der aktuelle Report einer von der Weltgesundheitsorganisati- on (WHO) eingesetzten Kommissi- on zu den sozialen Ursachen von Gesundheit und Krankheit (1). Der Report fasst das Ergebnis einer glo-

balen Bestandsaufnahme zum Aus- maß sozial ungleicher Krankheits- und Sterblichkeitsrisiken zusam- men. Das erwartbare Fazit ist, dass sich die Weltkarte der Gesundheit weitgehend mit der des Wohlstands deckt. Je ärmer ein Land ist und je geringer sein politischer Einfluss, desto geringer sind die Chancen sei- ner Einwohner auf ein gesundes und langes Leben. Solche Grenzen ver- laufen nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Staaten, in denen ein höherer Wohlstand in der Regel mit einer besseren Gesundheit ein- hergeht. Deutschland bildet da keine WELTGESUNDHEITSORGANISATION

Armut ist eine politische Entscheidung

Die Weltkarte der Gesundheit deckt sich weitgehend mit der des Wohlstands. So lautet das Fazit eines Reports zu den sozialen Ursachen von Erkrankungen.

Foto:dpa

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Im Kanton Bern besteht sei langem ein ausreichendes und flächendeckendes Angebot von Familienplanungs- und Beratungsstellen als Vollzug des Bundesgesetzes über

Ich warne im Interesse der Ärzteschaft immer wieder davor, diese wichtigen Funktionen der Kammer aus der Hand zu geben und sie so möglicherweise Personen zu überlassen, die

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer anteilig berücksichtigt werden (Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von

Auch wenn es im Genfer Gelöbnis heißt: „Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten

Zielgruppe: Die BLÄK bietet ein fünftägiges Wiedereinstiegseminar für Ärztinnen und Ärzte an, die nach einer beruflichen Auszeit, Famili- enpause oder Arbeitslosigkeit eine

In der Protestresolution heißt es unter anderem: „Die leitenden Ärzte wollen Sie (Minister Seehofer, die Red.) nachhaltig zur Kasse bit- ten, trotz bereits erheblicher Abga-

Helmut Pfleger, lange Zeit weltbester Schach-Amateur und auch heute noch einer der führenden deutschen Spitzen- spieler, wird an der Meisterschaft selbst nicht teilnehmen.. Aber

März, endet die Anmeldefrist für die Zweite Schachmei- sterschaft für Ärztinnen und Ärzte.. Das Turnier wird vom Deutschen Ärzteblatt in Zu- sammenarbeit mit dem Deut-