• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Honorargespräch mit Begleitmusik: Hans Wolf Muschallik: Ein Zwischenbericht" (24.07.1975)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Honorargespräch mit Begleitmusik: Hans Wolf Muschallik: Ein Zwischenbericht" (24.07.1975)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Information:

Bericht und Meinung

72. Jahrgang / Heft 30 24. Juli 1975

Postverlagsort Köln

Redaktion:

5023 Lövenich Postfach 14 30 Dieselstraße 2 Ruf: (0 22 34) 70 11 - 1 Fernschreiber 8 89 168

Verlag und

Anzeigenabteilung:

5023 Lövenich Postfach 14 40 Dieselstraße 2 Ruf: (0 22 34) 70 11 -1 Fernschreiber: 8 89 168

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Honorargespräch mit Begleitmusik

Hans Wolf Muschallik: Ein Zwischenbericht

Polemik interessierter Kreise begleitet nicht nur die politischen Be- ratungen über die gesetzlichen Initiativen zur Änderung und Weiter- entwicklung der Reichsversicherungsordnung (worüber seit dem jüngsten Deutschen Ärztetag ausführlich berichtet worden ist), son- dern auch die (ebenfalls ausführlich geschilderten) Erörterungen um eine Dämpfung der Kostenentwicklung durch alle an der sozia- len Krankenversicherung beteiligten Kräfte, nicht zuletzt aber auch die Gespräche zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Bundesverbänden der RVO-Krankenkassen um eine et- waige Honorar-Empfehlungsvereinbarung auf Bundesebene.

Darüber hat Dr. Hans Wolf Muschallik (Köln) der Vertreterversamm- lung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein am 12. Juli 1975 in Köln einen Bericht erstattet, den wir nachstehend auszugsweise wiedergeben, weil er gewiß über Nordrhein hinaus das Interesse der Ärzteschaft findet:

Die Entwicklung seit dem Deutschen Ärztetag einschließlich der er- sten Lesung der Gesetzesentwürfe im Deutschen Bundestag (s.

auch DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Hefte 25, 26, 27/1975) hat keine verläßlichen Anhaltspunkte für eine Prognose über die voraussicht- lich politisch zu erwartenden Änderungen der RVO, insbesondere soweit sie das Kassenarztrecht betreffen, geliefert. Die frühestens nach der Sommerpause des Parlaments beginnenden Beratungen der Bundestagsausschüsse werden erst die Möglichkeit bieten, be- urteilen zu können, in welche Richtung sich politische Mehrheiten formieren werden.

Nach wie vor deutet alles darauf hin, daß das Tauziehen zwischen politischen Kräften, die an den Grundsätzen des bisherigen Kassen- arztrechts etwa im Sinne des von der Bundesregierung vorgeleg- ten

Gesetzentwurfes festhalten werden, und denen, die die bevor- stehenden Ausschußberatungen offensichtlich dazu benutzen wol- len, um eine mehr oder minder radikale Änderung des

bisherigen Systems ambulanter ärztlicher Versorgung im Sinne eines soge- nannten „integrierten" Gesundheitswesens herbeizuführen, unver- mindert anhält.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 30 vom 24. Juli 1975

2143

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung

Muschallik: Ein Zwischenbericht

Eine starke und ernst zu nehmende

„Begleitmusik" erhalten diese Be- ratungen schon seit geraumer Zeit durch die bis heute anhaltenden lauten Vorwürfe, die uns freiprak- tizierenden Ärzten wegen unserer angeblich zu hohen Umsätze und Einkommen, wegen ihrer angeb- lichen Überproportionalität zur Ent- wicklung des Bruttosozialprodukts und der dadurch angeblich wesent- lich mitverursachten „Kostenexplo- sion" in der sozialen Krankenver- sicherung gemacht werden.

Ärztliches Honorar — nur ein Bruchteil der Kosten Trotz der unbestrittenen Tatsache, daß der Anteil der Ausgaben der Krankenkassen für ambulante ärzt- liche Leistungen an ihrem Gesamt- volumen nur etwa 18 Prozent be- trägt und sich die Ausgaben der Krankenkassen für ärztliche Lei- stungen im Rahmen eines seit Jahrzehnten eingespielten relativ stabilen Prozentsatzes bewegen, und trotz der Tatsache, daß eine ständig zunehmende Zahl von Krankheitsfällen, die sich verän- dernde Altersstruktur der Bevölke- rung mit einem zunehmenden Pro- zentsatz von Rentnern, ein ausge- prägteres Gesundheitsbewußtsein sowie eine parallel zum Wohlstand steigende Krankheitsgefährdung wesentliche Ursachen für die stei- genden Ausgaben der Krankenkas- sen darstellen, wird diese Entwick- lung fälschlicherweise allein den Ärzten angelastet und ihnen der Vorwurf gemacht, eine egoistische Honorarpolitik betrieben zu haben.

Diese Vorwürfe, die im Zusammen- hang mit einer systematisch betrie- benen Diffamierung der niederge- lassenen Ärzte auch durch politi- sche Gruppierungen in fast allen Parteien sowie in Presse, Rundfunk und Fernsehen verstärkt in der letzten Zeit erhoben wurden, weise ich mit Entschiedenheit, aber auch mit Gelassenheit, zurück.

Ich bin sicher, daß sich unsere Be- völkerung und die verantwortlichen Politiker von einer solchen teilwei- se „geifernden Polemik" in ihrem

Urteil über den Wert unserer sozia- len Krankenversicherung und den Wert der Sicherstellung der ambu- lanten ärztlichen Versorgung durch freipraktizierende Ärzte als integra- len Bestandteil nicht irremachen lassen werden.

Ich hoffe auch zuversichtlich, daß alle Verantwortlichen klar erken- nen werden, daß in der derzeitigen Situation zur Eindämmung der zum Teil überproportional steigenden Kosten in unserem Gesundheitswe- sen — eine Gegebenheit, die sich gleichermaßen in der ganzen Welt abspielt — ein „Patentrezept"

nicht existiert, daß von einem Her- umreichen des „Schwarzen Pe- ters" keine Lösung zu erwarten ist und es der verantwortlichen An- strengung aller bedarf, um ange- sichts der derzeitigen gesamtwirt- schaftlichen Baisse Wege zu fin- den, die unserer sozialen Kranken- versicherung bezüglich der von ihr aufzubringenden Mittel wenigstens eine Verschnaufpause ermögli- chen. Ich glaube auch, daß dem Gesetz des Pendelns folgend diese Agitation eines guten Tages abneh- men und die Einsicht der Vernunft siegen wird.

Kassenärzteschaft ist sich ihrer Verantwortung bewußt Die überproportionalen Wachstums- raten in den Ausgaben der gesetz- lichen Krankenversicherung in den vergangenen Jahren, gekennzeich- net mit dem Begriff der „Kostenex- plosion", zwingen alle Beteiligten und dabei natürlich auch uns Kas- senärzte zu einer sehr verantwor- tungsbewußten Haltung in dieser Frage. Der Ernst der Situation wird unterstrichen durch die ange- spannte weltwirtschaftliche und die angespannte wirtschaftliche Situa- tion in unserem Land. Angesichts der hohen und möglicherweise noch steigenden Arbeitslosenzah- len, des hohen Prozentsatzes an Kurzarbeit und angesichts pessimi- stischer konjunktureller Progno- sen, die teilweise sogar ein Absin- ken des Bruttosozialproduktes für die kommende Zeit ins Kalkül zie-

hen, werden auch wir freiberuflich tätigen Kassenärzte nicht nur zu ei- ner verantwortungsbewußten Hal- tung gezwungen, sondern sogar auch mit der Frage konfrontiert, welches Honoraräquivalent der einzelne Kassenarzt zum Ausgleich der auch ihn treffenden wirtschaft- lichen Belastungen für die nächste Zeit wird erwarten können.

Bewährungsprobe für die Selbstverwaltung

Die deutschen Kassenärzte haben bereits vor längerer Zeit ihre Be- reitschaft erklärt, zusammen mit al- len anderen, die an den Ausgaben der Krankenkassen beteiligt sind, ihren Beitrag zu einer Stabilitäts- förderung zu leisten und dies bei ihren Honorarforderungen durch eine besondere Zurückhaltung wie durch Zustimmung zu langfristigen Honorarvereinbarungen beispiels- weise bis zum Ende 1976 zum Aus- druck zu bringen.

Eine solche Willensbekundung er- folgte erneut bei einem Gespräch mit dem Bundesarbeitsminister am 11. Juni dieses Jahres, bei dem alle Vorsitzenden der Kassenärztli- chen Vereinigung anwesend wa- ren. Ausdrücklich wurde dabei vom Bundesarbeitsminister darauf hin- gewiesen, daß er nicht vorhabe, sich bezüglich einer Honorarrege- lung in die Zuständigkeit von Ärzten und Krankenkassen einzu- mischen. Allen Beteiligten wurde jedoch nicht nur die bedrohliche wirtschaftliche Lage deutlich ge- macht, sondern auch die Notwen- digkeit, erneut immer wieder alle Anstrengungen zu unternehmen, um in Ausschöpfung des Selbstver- waltungsspielraums von Kranken- kassen und Ärzten bezüglich der Honorarregelung ein Ergebnis zu erzielen — auch um so publizi- stisch „Ruhe an der Honorarfront"

zu schaffen. Daß damit auch ein entscheidender Beitrag zur Schaf- fung eines sachlichen Klimas bei den anstehenden Beratungen zur Weiterentwicklung des Kassenarzt- rechts verbunden wäre, wurde al- len Beteiligten verständlich.

2144 Heft 30 vom 24. Juli 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Die Information:

Bericht und Meinung

Wieder Gespräche mit den Krankenkassen

In jüngster Zeit sind, mitveranlaßt durch diese Initiativen des Bundes- arbeitsministers, Kontakte zwi- schen den RVO-Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung auf Bundesebene er- neut zustande gekommen.

Dieser Weg erscheint mir sinnvoll, weil sich inzwischen herausgestellt hat, daß wie auch in unserem Be- reich die Landesverbände der Kran- kenkassen zwar ihren Wunsch nach Herbeiführung einer freivertragli- chen Honorarabsprache beteuert haben, Verhandlungstermine hierzu aber nicht zustande gekommen sind und von den Bundesverbän- den mitgeteilt wurde, daß sie heute von allen RVO-Landesverbänden zum Abschluß einer Empfehlungs- vereinbarung auf Bundesebene be- vollmächtigt wären.

Die ersten Beratungen in dieser Richtung haben zwar kein konkre- tes Ergebnis erbracht, sollen aber schon Ende Juli weitergeführt wer- den. Wenn ich auch um Ihr Ver- ständnis bitte, daß ich bei diesem Stand der gemeinsamen Bemühun- gen keine Ausführungen im einzel- nen machen kann, möchte ich doch mit aller Vorsicht die Progno- se stellen, daß die verhärteten Standpunkte, die Ende Mai zu ei- ner Beendigung der Verhandlun- gen auf Bundesebene geführt ha- ben, sich aufzulockern schei- nen.

Außer Zweifel steht allerdings in diesem Zusammenhang auch, daß unabhängig von einer möglichen Zwischenlösung für den Rest die- ses Jahres von den RVO-Kranken- kassen für 1976 eine ähnliche Re- gelung der Bewertung von Labor- leistungen wie bei den Ersatzkas- sen als Conditio sine qua non an- gestrebt wird. Allerdings zunächst noch mit dem Ziel, die bei den Er- satzkassen in guter Vertragspart- nerschaft zustande gekommene Umschichtung frei gewordener Ho- noraranteile auf spezifisch ärztli- che Leistungen, beispielsweise auf

Beratungen und Besuche, nicht nachzuvollziehen. Daß eine solche Regelung bei „allem guten Willen zur Herbeiführung einer Ruhe an der Honorarfront" und bei aller Be- reitschaft zur Diskussion über Ra- tionalisierungseffekte in diesem Leistungsbereich nicht akzeptiert werden kann, bedarf keiner beson- deren Betonung.

Gelingt eine langfristige freivertragliche Regelung?

Unsere heutige Situation, die ich sehr nüchtern beurteile, möchte ich ohne Ironie kennzeichnen mit

ZITAT Alle Achtung

„... Man kann doch nicht sa- gen, daß die deutschen Ärzte habgierige Leute seien, die nur nach ihrer Tasche schau- feln und nicht zuletzt die Überzeugung hätten, daß sie auch eine Dienstfunktion in unserem Lande unter ihren Mitbürgern und ihren Patien- ten vorzunehmen haben."

Helmut Kohl, CDU-Vorsitzen- der und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, zu Franz Alt, Moderator, im ARD-Magazin „Report" am 23. Juni 1975

dem Wortspiel Adenauers: „Die Lage war noch nie so ernst." Wir Kassenärzte sind heute wie in der Vergangenheit bereit und gewillt, die wirtschaftlichen Gegebenheiten in unserem Lande und die wirt- schaftliche Lage bei unseren Part- nern, den Krankenkassen, verant- wortungsvoll zu berücksichtigen.

Das bedeutet heute nicht nur unse- re unveränderte Bereitschaft, alles zu tun, um das System der ambu- lanten ärztlichen Versorgung mit freipraktizierenden Kassenärzten

zu erhalten und weiterzuentwik- kein, sondern auch unsere unver- änderte Bereitschaft, auch in schlechten Zeiten partnerschaftlich zu unseren Kassen zu stehen, so- wie unsere Bereitschaft, einen Be- trag zur Kostendämpfung in der sozialen Krankenversicherung zu leisten, der diese unsere Grundhal- tung der Öffentlichkeit und den Po- litikern verdeutlicht.

• Die Arbeiten der nächsten Tage und Wochen, die trotz der Urlaubs- zeit mit einer Intensität geführt werden, die über die Anforderun- gen der Vergangenheit noch hin- ausgehen, werden zeigen, ob es gelingt, die schweren Bedrohungen unserer Freiberuflichkeit — des Fundaments unseres Wirkens — abzuwehren, und ob es gelingt, im Bereich der Honorarbeziehung zwi- schen Krankenkassen und Ärzten eine langfristige freivertragliche Regelung zustande zu bringen, die einen Beitrag zur Förderung der Stabilität leistet, andererseits es aber auch dem freiberuflichen Arzt ermöglicht, ohne medizinische De- montage und ohne unzumutbare wirtschaftliche Einbußen weiterhin für die Gesundheit unserer Bürger zu wirken.

Ich rufe alle Kassenärzte mit gro- ßem Ernst auch von dieser Stelle dazu auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen und entgegen allen noch so extremistischen Parolen, nicht nur im gesundheits- und sozialpoli- tischen Bereich, weiterhin aktiv mitzuwirken an der Lösung der heute so schwierigen Probleme, damit das politische Pendel zu- künftig nicht in eine bestimmte Richtung schwingt, die dann, und das ist meine feste Überzeugung, dem Menschen und einer modernen Medizin konträr ist.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hans Wolf Muschallik Erster Vorsitzender

der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 5 Köln 41(Lindenthal) Haedenkampstraße 3

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 30 vom 24. Juli 1975 2145

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Aber nach einem Scheitern der Konzertierten Aktion und dem Scheitern einer bundesweiten Empfehlungsver- einbarung war damit zu rechnen, daß auch die Verhandlungen auf

Muschallik hat sich dabei viele Verdienste er- worben: in den fünfziger Jahren um den Zugang zur Berufsaus- übung für alle zulassungswilligen Ärzte, die die gesetzlich

Der Kompromiß: Bestands- schutz für jene, die bis En- de 1983 mehr als 60 Beiträ- ge entrichtet haben; sie sollen die Möglichkeit be- kommen, mit regelmäßi- gen Beitragszahlungen die

Um bei diesem schwierigen, für viele mit Tabus und Ängsten besetzten Thema die Möglichkeit zu einem persönlichen Gespräch zu erhalten, hat die Bundeszentra- le für

95 Prozent der Bevölkerung halten die freie Wahl des Hausarz- tes für besonders wichtig oder wichtig, 89 Prozent die freie Wahl des Facharztes nach Überweisung und 67 Prozent die

„Wir sehen noch vor uns die Jahre der Weimarer Republik, die Weltwirtschaftskrise, den Aufstieg der Diktatur, den 2. Weltkrieg und den Zusammen- bruch. Und wir sehen noch be-

Colchicum autumnale (Herbstzeitlose), Coriandri fructus (Koriander); Equiseti herba (Schachtelhalmkraut), Eucalypti aetheroleum (Eucalyptusöl), Eucalypti folium

Wir sollten auch die Diskussion um den Wert des Hausarztes — des komplexesten und ursprünglich- sten Arzt-Typus, der ganz beson- ders darum weiß, daß der Arzt sei- nem Patienten