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Archiv "KONZERTIERTE AKTION : DOKUMENTATION: Prävention in der gesetzlichen Krankenversicherung - Referat von Dr. med. Hans Wolf Muschallik, Erster Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung" (06.12.1979)

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Academic year: 2022

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Die Information:

Bericht und Meinung

KONZERTIERTE AKTION: DOKUMENTATION

nutzen. Ich möchte diese Aussage begründen ...

... Drastische Interventionen und Kostendämpfungsmaßnahmen, die sich in erster Linie auf den Arzneimittelbereich konzentrie- ren, werden sich unter Kostenge- sichtspunkten nachteilig auf das gesamte System der sozialen Krankenversicherung auswirken. An die verantwortlichen Gesund- heitspolitiker muß ich deswegen die Frage richten, ob sie selbst meinen, daß die Maßnahmen, zu denen es in den letzten zwei Jah- ren gekommen ist, der Schaffung eines innovativen Klimas dienen.

Es ist dieses innovative Klima, das die pharmazeutische Industrie dringend benötigt, wenn es zu neuen Durchbrüchen und Verbes- serungen bei den medikamentö- sen Heil- und Pflegemethoden kommen und damit die Chance zu weiteren Produktivitätsfortschrit- ten in unserem Gesundheitswesen nicht preisgegeben werden soll. Ich muß meine Frage vor folgen- dem Hintergrund stellen:

..,.. Das Krankheitsspektrum hat sich grundlegend geändert: Infek- tionskrankheiten haben an Bedeu- tung verloren. chronische Krank-

heiten dominieren. Für die Arznei- mittelforschung geht es heute vor allem darum, mehr über die Ursa- chen von chronischen Erkrankun- gen zu erfahren, kausale Therapie- prinzipien und prophylaktisch an- wendbare Maßnahmen aufzuspü- ren und praktisch zu verwirkli-

chen. Wir haben es heute also mit

viel komplizierteren Krankheiten zu tun als noch vor wenigen Jah- ren. Bei ihnen liegen die For- schungskosten pro Projekteinheit ungleich höher als zum Beispiel bei den Infektionskrankheiten. Um diese schwierigen Krankheiten zu meistern, müßten der pharmazeu- tischen Industrie immer mehr fi- nanzielle Mittel, vor allem für die kreative Forschung, zur Verfü- gung stehen. Genau das ist aber nicht der Fall.

..,.. Der Stand der wissenschaftli- chen Erkenntnis, der für die Arz- neimittelforschung maßgebend ist. verändert sich ständig. Die technischen Fortschritte in der Analytik zum Beispiel erlauben heute bei Reinheitsprüfungen den Vorstoß in Größenordnungen, die bisher unvorstellbar waren. Auch diese Entwicklung hat dazu ge- führt, daß die Forschungskosten pro Projekteinheit immer stärker ansteigen.

Bundesarbeitsminister Dr. Herbert Ehrenberg im Gespräch mit dem Berliner Sena- tor für Gesundheit und Umweltschutz, Erich Pätzold (links), und Dipl.-lng. Horst Ruegenberg, Bundesverband der Ortskrankenkassen (rechts)

3238 Heft 49 vom 6. Dezember 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

..,.. Schwierigere Krankheiten und technischer Fortschritt haben die Erfolgsquote für die Entwicklung eines neuen Medikamentes, das allen Ansprüchen an Wirksamkeit und Sicherheit gerecht wird, im- mer kleiner werden lassen. Die Entwicklungszeiten für neue Arz- neimittel werden immer. länger.

Die Frist, in der sich Patente nut- zen lassen, wird kontinuierlich kürzer. Die Zahl der neu entwickel- ten Präparate nimmt trotz steigen- der Forschungsausgaben ab.

Allein schon aufgrund dieser Ent- wicklungen, mit denen wir völlig unabhängig von den staatlichen Interventionen in den Arzneimittel- bereich fertig werden müssen, müßte es ein politisches Ziel aller- ersten Ranges sein, die Arzneimit- telforschung zu fördern, d. h. vor allem, den Unternehmen den Mut und den Anreiz zu geben, wieder verstärkt auf die Karte der For- schung zu setzen. Aber leider ist genau das Gegenteil der Fall ...

... Noch gibt es in Deutschland eine breitangelegte Arzneimittel- forschung . . . Die pharmazeuti- sche Industrie forscht. heute noch in allen Krankheitsbereichen mit Schwerpunkten bei Herz- und Kreislauferkrankungen, bakteriel- len Erkrankungen, psychischen Störungen, der Schmerzbekämp- fung, Erkrankungen der Atemwe- ge, Immunologie, Krebs- und Vi- ruserkrankungen sowie der Beein- flussung der Blutgerinnung. Die Entscheidungen für diese Aktivitä- ten wurden jedoch vor 10, 15 Jah- ren unter völlig anderen Voraus- setzungen gefällt. Noch wendet die deutsche Pharma-Industrie ca.

1,5 Mrd. DM für F

+

E-Aktivitäten auf. Die nominalen Zuwachsraten sind jedoch stark rückläufig und gehen voll zu Lasten der Personal- und allgemeinen inflationären Ko- stensteigerungen. Dies bedeutet, daß die F

+

E-Kosten der pharma- zeutischen Industrie real nicht nur stagnieren, vielmehr sinken sie re- al bereits. Diese Entwicklung ist besorgniserregend und sollte von jedem politisch Verantwortlichen auch als solche erkannt werden.

D

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Die Information:

Bericht und Meinung KONZERTIERTE AKTION: DOKUMENTATION

Mit meinen Darlegungen zum The- ma Prävention in der gesetzlichen Krankenversicherung und dem da- zu von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen, der Bundesärztekammer und der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung gemeinsam getragenen Empfeh- lungstext will ich, ohne auf die vielfältigen und vielschichtigen Probleme der Prävention detail- liert einzugehen, einige Schwer- punkte aufzeigen, um so auch die wichtigsten Aspekte des vorlie- genden Papiers zu begründen.

Zweifelsohne genießt die Gesund- heit nicht nur im Wertbewußtsein unserer Bevölkerung, sondern auch im Rahmen einer aktiven und klassenneutralen Gesundheitspo- litik eine hohe Priorität.

Mit Gesundheit verbindet sich die Vorstellung von Lebensqualität und das Verlangen der Bürger nach Information und Beratung über gesundheitlich richtiges Ver- halten und gesundheitsgemäße Lebensweise.

Trotz und gerade wegen der gro- ßen Hoffnungen, die in diesem Zu- sammenhang der Krankheitsprä- vention entgegengebracht wer- den, ist aus medizinisch-wissen- schaftlicher Erkenntnis, aber auch aus sozialpolitischer Verantwor- tung eine nüchterne Bestandsauf- nahme ihrer praktisch umsetzba- ren Möglichkeiten geboten. Ich verweise hierzu auf die vorliegen- de Arbeit des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung vom Oktober dieses Jahres.

Das in unserer Bundesrepublik schon bestehende sekundärprä- ventive Angebot von Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen

für Krebsieiden, Schwangerenbe- treuung und Krankheiten des Säuglings- und Kleinkindalters, die dazu dienen sollen, durch früh- zeitiges Erkennen und rechtzeitige ärztliche Behandlung Krankheit beherrschbar zu machen, ohne daß ernsthafte Folge- und Begleit- schäden entstehen, hat sich, so- wohl, was das Wissen hierum, als auch, was die Inanspruchnahme dieses Angebots betrifft, einiger- maßen zufriedenstellend entwik- kelt. Es hat sich insgesamt aber auch, vor allem unter Berücksich- tigung der internationalen For- schungslage, gegenüber der Eu- phorie früherer Jahre ein nüchter- nes Problembewußtsein einge- stellt, welches notwendig ist, um bei unseren heutigen Vorhaben Enttäuschungen durch falsch ge- weckte Hoffnungen zu vermeiden.

Neben Lücken in unserem Wissen über die Ursachen und den natür- lichen Verlauf dieser Erkrankun- gen in all ihren Stadien erwiesen sich verschiedene der angewand- ten Methoden der Frühdiagnostik und ebenso der Frühbehandlung als in ihrer Effektivität problemati- scher als erwartet. Es zeigte sich, daß bei geläufigen Untersu- chungstests, die an großen Grup- pen beschwerdefreier Menschen zur sicheren Entdeckung von Krankheitsfrühstadien führen sol- len, besonders hohe Anforderun- gen an die Treffsicherheit gestellt werden müssen.

Daraus folgert, daß sich Entschei- dungen auf dem Gebiet der Prä- vention grundsätzlich an gesicher- ten wissenschaftlichen Maßstäben orientieren müssen. Sie müssen aber auch dazu beitragen, Schwel- lenangst und Unsicherheit bei den Menschen abzubauen und sie zu

eigener Gesundheitsinitiative zu motivieren.

„Prävention", die Verhütung von Krankheiten, oder anders ausge- drückt, die Erhaltung der Gesund- heit, ist — und ich betone dies aus gegebenem Anlaß mit Nachdruck

— weder eine neue Forderung noch ein den Ärzten fremdes Ge- biet, sondern sie ist ein seit der Antike anerkanntes, nach dem Stand des jeweiligen Wissens be- folgtes Grundprinzip. Prävention im Sinne der Krankheitsverhütung oder der Frühintervention gehört deshalb neben der kurativen und rehabilitativen Medizin zu einem festen Bestandteil moderner und zeitgemäßer Gesundheitssiche- rung.

Aber nicht in der Zustimmung zu dieser Feststellung liegt im Zu- sammenhang mit unserem heuti- gen Thema das Problem, sondern in seiner effektiven Verwirklichung bei den sogenannten Zivilisations- krankheiten, und das sind heute vorrangig Krebskrankheiten und Herz-Kreislauf-Leiden.

Gezielte Einwirkung auf Umwelt und Verhalten Die für sekundäre Präventions- maßnahmen erkennbar geworde- nen Schwierigkeiten gelten teils in ähnlicher, teils in modifizierter Weise für den nunmehr verstärkt und alternativ verfochtenen Ge- danken einer sogenannten primä- ren Prävention der Zivilisations- krankheiten. Gemeint ist damit die gezielte Einwirkung auf Umwelt und Verhalten der Menschen da- hingehend, das Auftreten dieser Krankheiten wenigstens teilweise zu verhindern.

Um bei dieser hohen Zielsetzung nicht unerfüllbare Hoffnungen zu wecken, weise ich darauf hin, daß nach unserem heutigen Wissens- stand kausale Aussagen über die Zusammenhänge von allgemeinen Lebensbedingungen und grup- penspezifischem oder individuel- lem Gesundheitsverhalten auf der

Prävention

in der gesetzlichen Krankenversicherung

Referat von Dr. med. Hans Wolf Muschallik,

Erster Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 49 vom 6. Dezember 1979 3239

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Dr. Hans Wolf Muschallik, Erster Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung, bei seinem Referat, dessen Wortlaut auf diesen Seiten dokumentiert ist Die Information:

Bericht und Meinung KONZERTIERTE AKTION

einen Seite und der Krankheitsent- stehung auf der anderen Seite in manchen Bereichen noch hypo- thetischen Charakter haben. Auch die Frage, wie angeschuldigte Um- weltfaktoren und Verhaltenswei- sen wirksam und mit vertretbaren Mitteln beeinflußt werden können, bedarf noch weiterer Konkretisie- rung und modellhafter Erprobung.

Hierbei muß man sich darüber im klaren sein, daß es dennoch nach dem Stand unseres Wissens zu ei- ner Ausrottung aller Krebs- und Kreislaufleiden realistischerweise nicht kommen kann.

Das Ziel präventiver Bemühungen wird also insbesondere in einer verlängerten Spanne der Krank- heitsfreiheit, in einer verbesserten Lebensqualität und einer verlän- gerten Überlebenszeit bei Krank- heitseintritt zu sehen sein.

Die Formulierung dieser weitge- hend erreichbaren Ziele weist trotz mancher medizin-kritischen An- merkungen auf die unverändert hohe Bedeutung hin, die der Früh- erkennung und Frühtherapie im Rahmen der kurativen Versor- gung, der Nachsorge und der Re- habilitation gebührt.

Die bis heute erkennbare Bilanz hinsichtlich des Gesundheitswert- bewußtseins und Informations- standes unserer Bevölkerung wie auch hinsichtlich der derzeitigen Leistungsfähigkeit und Inan- spruchnahme des bereits beste- henden Präventionsangebotes wäre sicherlich um ein Vielfaches positiver, wenn der folgende Grundsatz nicht nur allgemein an- erkannt, sondern vor allem auch tatsächlich beherzigt würde: Alle Bemühungen um eine unter ethi- schem, politisch-sozialem und ökonomischem Aspekt bessere und effizientere Erhaltung und Förderung der Gesundheit, zu de- nen auch Aufklärung, Information, Verstärkung der epidemiologi- schen Grundlagenforschung und die kontrollierte Entwicklung von Interventionsansätzen gehören, haben eines zur unabdingbaren Voraussetzung für den gewünsch-

ten Erfolg: Verhütung von Krank- heit auch durch den Betroffenen selbst.

Die Verantwortung des einzelnen

Wenn Gesundheit mit an der Spit- ze des Wünschenswerten steht und vom Arzt erwartet wird, daß er sich nicht nur um die Wiederher- stellung der Gesundheit, sondern gleichermaßen um ihre Erhaltung und Förderung bis ins hohe Alter hinein bemüht, dann muß auch der einzelne Bürger das Seine da- zu beitragen, krankmachende

Faktoren frühzeitig zu erkennen und auszuschalten. Dies bedeutet Ausschaltung von Risiken für die Gesundheit auch durch eigenes gesundheitsgemäßes Verhalten;

dies bedeutet Verwirklichung von Lebensqualität nicht nur im Vor- stellungsbereich, sondern auch in der alltäglichen Lebensführung.

Genau damit ist für mein Ver- ständnis ein weiteres Kernproblem angesprochen: die Fixierung auch und gerade der persönlichen Ver- antwortung des einzelnen in unse- rem Gesundheitssystem. Die Le- bensqualität Gesundheit läßt sich eben nicht zwangsweise verord- nen oder kollektivistisch ein- führen.

Ohne die Bedeutung der gesund- heitsgerechten Lebens- und Ar- beitsbedingungen zu unterschät- zen, hängt für mich die Verwirkli- chung der Qualität Gesundheit vorrangig davon ab, ob und inwie- weit das stabilitäts- und leistungs- bewahrende Strukturprinzip unse- res freiheitlichen und fortschrittli-

chen Gesundheitssystems die Ver- antwortung des Individuums be- tont und grundsätzlich vor die des Staates stellt.

Unbestritten zählt die Erhaltung und Förderung von Gesundheit zu den öffentlichen Aufgaben von eminenter Bedeutung. Gesundheit als soziales und privates Gut ist aber auch private Aufgabe.

Jeder hat das unveräußerliche Recht auf eine humane Medizin und eine optimale Versorgung und Betreuung durch den Arzt seiner Wahl. Dieses Recht hat aber ande- rerseits sein Korrelat in der bin denden Verpflichtung, in Eigenin- itiative und Eigenverantwortung auf die eigene Gesundheit zu ach- ten und krankheitsbegünstigende Einflußfaktoren nach besten Kräf- ten durch eine entsprechende Le- bensweise selbst zu vermeiden.

Recht auf Leben und körperliche, seelische und soziale Unversehrt- heit, Recht auf Gesundheit bedeu- tet aös meiner Sicht auch Vor-Sor- ge-Pflicht; und das heißt: persönli- che Initiative und Verantwortung.

Persönliche Beratung

durch den frei gewählten Arzt Entscheidend für den Erfolg einer primären Prävention, also von Maßnahmen zur Gesundheitsbera- tung und Gesundheitserziehung, wird es aber auch sein, daß gemäß dem vorgelegten Empfehlungs- entwurf zur Beeinflussung des in- dividuellen Gesundheitsverhaltens sowohl die persönliche Beratung durch den frei gewählten Arzt als auch praktikable Handlungsange-

3240 Heft 49 vom 6. Dezember 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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bote vornehmlich seitens der so- zialen Krankenversicherung zur Verfügung gestellt werden. Faßt man unter Berücksichtigung der sehr differenzierten Erfahrun-

gen, die in den vergangenen Jah-

ren mit der sekundären Prävention gemacht wurden, bei Einführung von Maßnahmen der primären Prävention die wichtigsten verhal- tensmäßigen Risiken zusammen, deren Bekämpfung nach dem Stand des präventiv-medizini- schen Wissens im Rahmen einer gesetzlichen Krankenversiche- rung im Vordergrund stehen soll- ten, so sind dies:

..,.. der Bluthochdruck

..,.. das erhebliche Übergewicht sowie

..,.. der Mißbrauch von Alkohol und Nikotin sowie von Drogen und Arz- neimitteln.

ln diesem Zusammenhang möchte ich betonen, daß man nicht davon ausgehen darf, daß Gesundheit nur der zu verteidigen habe, der frei von jeglicher Krankheit sei. Ein solcher Ansatz verkennt, daß na- hezu jeder erwachsene Mensch ei- nen oder mehrere Zustände auf- weist, die medizinisch als Krank- heit benennbar sind. Gesundheit ist demgemäß das, was ein Mensch je nach Lebensalter, Schicksal, Lebensführung und leib-seelischer Konstitution zum

jeweiligen Zeitpunkt an verbliebe-

nen körperlichen und psychischen Fähigkeiten zu einer positiven Le-

b~nsentfaltung besitzt. Das heißt, auch der Kranke und Behinderte hat noch eine bestehende Ge- sundheit zu erhalten und zu vertei- digen, und damit sind vom Arzt und speziell der kassenärztlichen Praxis gesundheitsberatende und präventive Aufgaben entscheiden- der Art zu erfüllen.

ln Verbindung mit unserem Thema genügt dies allein aber nicht, son- dern es müssen zusammenwir- kend alle am Gesundheitswesen Beteiligten Aufgaben überneh- men, mit denen, verkürzt ausge- drückt, die Erkenntnis vermittelt

Die Information:

Bericht und Meinung KONZERTIERTE AKTION: DOKUMENTATION

wird, daß Gesundheit von der Ju- gend bis ins Alter gepflegt werden muß und es dazu Maßnahmen be- darf, welche die Menschen dazu motivieren und befähigen, ihre in- dividuellen und sozialen Lebens- bedingungen im Sinne einer ge- sundheitsbewußten und gesund- heitsgerechten Lebensweise zu gestalten. Als ein Beispiel weise ich darauf hin, daß die Identifizie- rung und gesundheitliche Betreu- ung von Hochdruckkranken und erheblich Übergewichtigen zwar eine weithin ärztliche Aufgabe darstellt, dabei aber auch Angebo- te in Form von gruppenbezogenen Beratungen oder Trainingskursen, in der Ernährungsberatung, der Raucherentwöhnung, und unter- stützenden Maßnahmen wie auto- genes Training und Bewegungs- therapie für bestimmte Patienten- gruppen eine wichtige und für das Gelingen entscheidende Funktion haben können.

Im Jahr 1980 wird in diesem Sinne auf der Basis des vorliegenden Pa- piers im Raum Düsseldorf-Mett- mann ein erster Modellversuch an- laufen, an dem sich, wie ich zuver- sichtlich annehme, all.e Kassenar- ten beteiligen werden. Dennoch, ein Einheitsrezept zur Gesund- heitsbeeinflussung kann es ange- sichts der individuellen Unter- schiede in den Motiven und in den Bedingungen gesundheitlichen Fehlverhaltens nicht geben, und der richtige Weg wird vom Arzt mit dem Betroffenen gemeinsam her- ausgefunden werden müssen. Da- bei muß davon ausgegangen wer- den, daß Gesundheit nicht nur der Gesunde zu verteidigen hat und Gesundheitsberatung auch und gerade bei Personen mit identifi- ziertem hohen Risiko, bei Kranken und Behinderten und auch bei al- ten Menschen eine notwendige und eine humane Maßnahme ist.

..,.. Bei all diesen Maßnahmen soll als ethische und praktische Maxi- me das Ziel verfolgt werden, den Bürger nicht zu bevormunden, sondern ihn durch Aufklärung und Beratung zu mehr Einsicht und Autonomie zu bewegen, ihm aber

dennoch selbstverantwortlich die Freiheit zu lassen. unter lnkauf- nahme eines erkannten Risikos auch in der Gesundheit seinen ei- genen Stil zu wählen. Gesund- heitsberatung und Gesundheits- beeinflussung darf also keinen passiven und neurotisierenden Charakter haben, sondern muß ei- ne die kompetente Handlungs- autonomie des einzelnen und der Familie stärkende Linie verfolgen.

Die Selbstverwaltung im RVO- Sektor und im Ersatzkassenbe- reich hat sich bereits seit langer Zeit gemeinsam mit der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung mit den hier vorgetragenen Überle- gungen beschäftigt. Die heute vor- liegende Erklärung ist nach mei- ner Überzeugung ein realer An- satz, um in der deutschen sozialen Krankenversicherung einen weite- ren entscheidenden Schritt im Dienst der Gesundheit unserer Be- völkerung zu tun.

Angesichts der Tatsache, daß Mil- lionen Menschen zur Zeit Hungers sterben und ein die Menschenwür- de verachtender Terror eine kri- senhafte Weltlage schafft, welche die Erhaltung des nunmehr seit 35 Jahren bestehenden Friedens in ein sorgenvolles Blickfeld rückt, sage ich als Arzt und unbeirrter Verfechter der Menschenwürde und einer friedlichen Koexistenz der Völker der Konzertierten Ak- tion im Gesundheitswesen aus- drücklich Dank dafür, daß sie die Konzeption zur Einführung einer primären Prävention, die ich auf der Grundlage des vorgelegten Papiers zur Annahme empfehle, zu einem zentralen Thema der heuti- gen Beratungen gemacht hat, und ich schließe meine Ausführungen mit einem Zitat des Amerikaners Godfrey M. Hochbaum:

"Obwohl wir hoffen, daß die Men-

schen jene Entscheidungen tref-

fen, die wir als Gesundheitsberufe

für wünschenswert halten, ist es unsere vorrangige Aufgabe, sie zu motivieren und fähig zu machen, selbst rationale Entscheidungen auf der Basis wichtiger Gründe da- für und dagegen zu treffen." •

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 49 vom 6. Dezember 1979 3241

Referenzen

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