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Archiv "Interview mit Dr. med. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: „Wir müssen wieder gestalten können“" (24.07.2009)

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A1494 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 30⏐⏐24. Juli 2009

P O L I T I K

Am 27. September ist Bundestagswahl, und die KBV hat ihre Forderungen an eine neue Bundesregierung formuliert.

Können Sie denn angesichts der an- haltenden Kritik an den ärztlichen Körperschaften noch für alle niederge- lassenen Ärztinnen und Ärzte sprechen?

Köhler: Solange die niedergelasse- nen Ärzte und auch die Psychothe- rapeuten unsere Pflichtmitglieder sind, haben wir die Legitimation, Forderungen in ihrem Auftrag zu stellen. Diese Forderungen sind ja über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt und heftig diskutiert worden, gemeinsam mit den Kas- senärztlichen Vereinigungen und den Berufsverbänden.

Wie lauten die wichtigsten Forderungen?

Köhler: Die zentrale Forderung ist sicherlich die Klärung des Verhält- nisses zwischen dem Kollektivver-

trag, der die wohnortnahe, flächen- deckende Versorgung sichert – und zwar unabhängig davon, welcher Kasse der Versicherte angehört –, und den kassenspezifischen Selek- tivverträgen. Wir brauchen eine Wett- bewerbsordnung, die klärt, wo und wie Versorgung stattfindet.

Gerade in dieser Frage vermisst man in der Politik aber eine klare Linie. Wenn es beispielsweise um die neue Mono- polstellung der Hausärzteverbände bei Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung geht, zieht sich der Riss ja quer durch die Union. Wird man des- halb nach der Wahl weiter an kleinen Schrauben drehen? Oder wird es einen großen Wurf geben?

Köhler: Es wird eine Reform geben müssen. Wer aber glaubt, es kommt der große Wurf, und dann kehrt Ruhe ein, der irrt. Das ist ein kontinuierli- cher Prozess. Die nächste Gesund- heitsreform wird sich erneut mit den

Finanzierungsgrundlagen der ge- setzlichen Krankenversicherung be- fassen müssen. Aber sie wird sich dieses Mal eben auch mit Fragen des Wettbewerbs und der flächen- deckenden Versorgung beschäftigen müssen. Im Moment wird diese Dis- kussion in der Sicherheit geführt, dass am Ende alles gut geht, weil es ja immer noch den Kollektivvertrag gibt, der die Versorgung sicherstel- len muss. Doch das funktioniert lang- fristig so nicht.

Damit der Kollektivvertrag nicht aus- gehöhlt wird, müsste § 73 b SGB V geändert werden, der den Hausärzte- verbänden bei den Hausarztverträgen quasi ein Monopol zuschreibt.

Köhler: Ja. Damit will ich aber nicht sagen, dass es keine Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung ge- ben soll. Wir schlagen ja selbst vor, dass die Kassen ihren Versicherten

INTERVIEW

mit Dr. med. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

„Wir müssen wieder gestalten können“

Es ist Zeit für Grundsatzentscheidungen: Die KBV fordert von der Politik ein Bekenntnis zum Kollektiv- vertrag und eine sinnvolle Wettbewerbsordnung. Vom Wahlkampf im Wartezimmer hält sie nichts.

Klare Forderun- gen:Andreas Köhler setzt sich für Tarif- vielfalt der Kranken- kassen ein. Versi- cherte sollen sich für Kostenerstattung, Hausarzttarife oder die freie Arztwahl entscheiden können.

Foto:Georg Lopata

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 30⏐⏐24. Juli 2009 A1495

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einen solchen Wahltarif anbieten.

Aber es muss klar sein, wer verant- wortlich ist für die wohnortnahe, flächendeckende Versorgung. Es muss klar sein, wo Wettbewerb statt- finden soll und wo nicht. Das kann am Ende auch eine Entscheidung ge- gen das KV-System sein. Aber dann haben wir endlich Klarheit.

Ihre neue Wettbewerbsordnung besteht aus einem dreistufigen Modell: der Grundversorgung, der spezialisierten fachärztlichen Versorgung und der Ver- sorgung im Krankenhaus. Wie grenzen Sie die Bereiche voneinander ab?

Köhler: Also, zunächst einmal freue ich mich darüber, dass sich in- zwischen alle Parteien zur ambulan- ten fachärztlichen Versorgung be- kennen. Das war vor Kurzem noch anders.

Die ambulante fachärztliche Ver- sorgung hat zwei Ausprägungen: zum einen die ganz normale wohnortnahe fachärztliche Versorgung, beispiels- weise beim Augenarzt oder Frauen- arzt. Dort finden die kurative Akut- versorgung, die Versorgung chronisch Kranker, die Prävention statt. Und dann gibt es spezialisierte Leistungen, wie Herzkatheteruntersuchungen oder ambulante Operationen, denn vieles wurde aus den Krankenhäu- sern in die ambulante Versorgung verlagert. Die Fachgruppen, die sol- che Leistungen erbringen, unter- scheiden sich von den wohnortnahen,

fachärztlichen Grundversorgern. Das ist eine schwierige Diskussion auch für die Berufsverbände.

Indem wir die Bereiche in der Vergangenheit aber nicht getrennt betrachtet haben, haben wir keinem das Richtige zugeordnet – finanziell nicht, in Sachen Qualitätssicherung nicht, von der Bedarfplanung her nicht und auch nicht mit Blick auf die Wettbewerbssituation. Genau das wollen wir jetzt leisten, indem wir einen Katalog von hoch speziali- sierten Leistungen definieren. Das gibt uns die Möglichkeit, spezifische Betreuungsleistungen für Fachärzte zu verankern. Und über diese Diffe- renzierung schaffen wir eine klarere Ordnung der Leistungserbringung.

Würden sich die verschiedenen Versor- gungsebenen auch in der Vergütungs- systematik unterscheiden?

Köhler: Ja. Die spezialisiert tätigen Fachärzte stehen im unmittelbaren Wettbewerb mit den Krankenhäu- sern, die sich immer mehr für die am- bulante Versorgung öffnen. Deshalb fordern wir eine Angleichung so- wohl im Hinblick auf die Qualitätssi- cherung und die Bedarfsplanung als auch mit Blick auf die Vergütung.

Das spräche für Fallpauschalen. Dabei wollen Sie doch eigentlich zurück zur Einzelleistungsvergütung.

Köhler: Für die spezialisierte fachärztliche Versorgung wollen wir abweichen von der grundsätzli- chen Forderung nach Einzelleis- tungsvergütung. Wenn man hier ei- ne Angleichung vornimmt, dann ans DRG-System.

Für alle anderen Bereiche fordern wir aber eine Rückkehr zur Einzel- leistungsvergütung. Allerdings muss uns der Gesetzgeber erst mal wieder die Möglichkeit einräumen, das Ho- norarsystem umzustellen. Der ge- genwärtige Fahrplan führt ja noch weiter in die stärkere Pauschalie- rung. Dabei brauchen wir Rahmen- festsetzungen und keine Detailvor- gaben, damit wir auch die regionale Versorgungssituation wieder stärker berücksichtigen können.

Sie haben bereits bei der KBV- Vertreterversammlung im Mai in Mainz gefordert, den Versicherten mehr Wahlmöglichkeiten einzuräumen.

Köhler: Wir wollen, dass jede Kasse verpflichtend drei Tarife einführt.

Die Versicherten sollen sich künftig zwischen einem Kostenerstattungs- tarif, einem Tarif, der die freie Arzt- wahl beinhaltet, und einem Haus- arzttarif entscheiden können. Letzte- res ist aber kein Primärarztmodell.

Darauf lege ich großen Wert. Denn der Versicherte kann immer noch sei- nen Hausarzt frei wählen, und es gibt eine Tarifvielfalt.

Welche Hausaufgaben muss die KBV in nächster Zeit bewältigen?

Köhler: Wir sind bereit, unsere Strukturen sehr viel stärker auf Qua- lität und Transparenz auszurichten.

Wir wollen eine qualitätsorientierte Vergütung und haben dazu auch schon Vorschläge entwickelt, die wir relativ schnell umsetzen könnten.

Welche Rahmenbedingungen benötigen Sie, um sinnvoll weiterarbeiten zu können?

Köhler: Die Hauptbedingung ist, dass die ärztliche Selbstverwaltung ihre Gestaltungskompetenz zurück- erhält und sich der Gesetzgeber dar- auf beschränkt, den Rahmen vorzu- geben. Wir brauchen wieder Stabi- lität. Alle zwei Jahre grundlegend die Versorgungsstrukturen zu ändern, das ist auf Dauer nicht auszuhalten.

Wie reagiert die Politik bisher auf Ihre Forderungen?

Köhler:Auch die Politik erkennt, dass sie Korrekturen vornehmen muss. Nur, jetzt müssen Grund- satzentscheidungen getroffen wer- den. Die Details kann dann die Selbstverwaltung regeln.

In den Regionen protestieren die Ärzte mit Praxisschließungen oder Plakat- aktionen gegen die Folgen der Honorar- reform oder ganz grundsätzlich gegen die Gesundheitspolitik. Was halten Sie vom Wahlkampf im Wartezimmer?

Köhler:Zunächst einmal halte ich es für legitim, dass Ärzte ihren Pro- test kundtun. Das ist Meinungsfrei- heit. Wenn sie allerdings die Warte- zimmer politisieren, ist das nicht richtig und auch nicht gut. Wir als Körperschaft werden das nicht un-

terstützen.

Das Gespräch führte Heike Korzilius.

DIE PRÜFSTEINE

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat am 13. Juli in Berlin ihre gesundheitspolitischen Forderungen an die künftige Bundesregierung formuliert:

Das unkoordinierte Nebeneinander von Kollektiv- und Einzelverträgen muss beendet werden.

Die KVen erhalten den ungeteilten Sicherstellungs- auftrag. Einzelverträge ergänzen die Kollektivverträge.

Eine Wettbewerbsordnung regelt die Sicherstellung auf drei Ebenen: der wohnortnahen haus- und fachärztlichen Grundversorgung, der spezialisierten fachärztlichen Ver- sorgung und der Versorgung im Krankenhaus.

Die Krankenkassen müssen ihren Versicherten künftig drei Tarife anbieten: einen Tarif, der die freie Arztwahl be- inhaltet, einen Hausarzt- und einen Kostenerstattungstarif.

Die Pauschalierung der Honorare wird wieder auf eine Einzelleistungsvergütung umgestellt. Die Vergütung er- folgt qualitätsorientiert.

Referenzen

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