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Archiv "Interview mit den KBV-Vorständen Dr. med. Andreas Köhler und Dipl.-Med. Regina Feldmann: „Wir müssen die Grundversorgung durch Haus- und Fachärzte stärken“" (13.09.2013)

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A 1666 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 37

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13. September 2013 der Kassenärztlichen Vereinigung

(KV) bei der Quartalsabrechnung automatisch zugesetzt. Der Chroni- kerzuschlag wird vom Arzt abge- rechnet, die KV streicht den niedri- ger bewerteten.

Und die weiteren neuen Ziffern?

Feldmann: Das sind nur wenige.

Dazu zählt das hausärztliche Ge- spräch im Zusammenhang mit ei- ner lebensverändernden Erkran- kung. Neu aufgenommen wurden zusätzlich zwei Abrechnungszif- fern für die geriatrische Versor- gung von Patienten, vier für Leis- tungen der allgemeinen Palliativ- versorgung und eine für sozial - pädiatrische Leistungen. Für den fachärztlichen Bereich wird ledig-

lich ein neuer Zuschlag eingeführt, die Pauschale zur Förderung der fachärztlichen Grundversorgung.

Feldmann: Für die neu eingeführ- ten Leistungen gibt es auch zusätzli- ches Honorar. Dem hausärztlichen Bereich stehen 124 Millionen Euro zur Verfügung, dem fachärztlichen 126 Millionen Euro. Alle sonstigen Änderungen am EBM mussten wir allerdings punktsummenneutral vor- nehmen. So wurde es im Bewer- tungsausschuss beschlossen.

Die Hausärzte werden es vielleicht be- grüßen, dass sie das ausführlichere Gespräch von mindestens zehn Minu- ten wieder separat abrechnen können.

Allerdings wurde unter anderem dafür die bisherige Versichertenpauschale Andreas Köhler

und Regina Feld- mann entwickeln den EBM weiter: Es geht um Antworten auf den demografi-

schen Wandel und eine angemessene Vergütung der Nie-

dergelassenen.

Fotos: Georg J. Lopata

Zum 1. Oktober tritt die erste Stufe der Reform des Einheitlichen Bewertungs- maßstabs (EBM) in Kraft. Die Ärzte be- fürchten bei solchen Veränderungen, dass die Abrechnung komplizierter wird und ihnen finanzielle Nachteile entstehen. Sind solche Befürchtungen gerechtfertigt?

Feldmann: Nein, die Abrechnung wird eher einfacher. Was die Haus- und Kinderärzte anbelangt, so gibt es zwar von Oktober an fünf statt drei Altersklassen für die Versi- chertenpauschale. Aber man muss nur eine einzige Ziffer angeben.

Die korrekte Zuordnung zur Alters- klasse erledigt die Praxissoftware.

Auch die neue Strukturpauschale für das Vorhalten notwendiger hausärztlicher Strukturen wird von

„Wir müssen die Grundversorgung durch Haus- und Fachärzte stärken“

Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über Notwendigkeiten in der ambulanten Versorgung und die honorarpolitischen Vorstellungen

INTERVIEW

mit den KBV-Vorständen Dr. med. Andreas Köhler und Dipl.-Med. Regina Feldmann

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13. September 2013 A 1667 Feldmann: Das stimmt, aber wie

gesagt: Wir mussten punktsummen- neutral umstellen. Die Kassenärzt - liche Bundesvereinigung (KBV) konnte allerdings erreichen, dass je- der Arzt sein Gesprächsbudget so nutzen kann, wie er es für notwen- dig erachtet. Bei manchem jünge- ren oder leicht erkrankten Patienten benötigt er die Zeit möglicherweise nicht. Dafür sind dann mehrere län- gere Gespräche bei einem anderen Kranken möglich.

Reicht das denn?

Feldmann: Natürlich reicht uns das noch nicht. Es wird ja immer wieder gefordert, dass Hausärztinnen und Hausärzte sich über die medizini- sche Versorgung hinaus mehr küm- mern sollen, also auch Gespräche mit Patienten führen über Organ- spendeausweise, Patientenverfügun- gen und Vorsorgevollmachten. Das geht nicht, wenn das Budget dafür so begrenzt ist wie heute. Wir wer- den darüber mit den Krankenkassen noch sprechen müssen.

Der überarbeitete EBM reduziert die Versichertenpauschale und sieht wieder mehr Einzelleistungen und -zuschläge vor. Weshalb?

Feldmann: Wir müssen die haus- ärztliche Honorierung so gestalten, dass sie das Spektrum der hausärztli- chen Tätigkeit besser abbildet als bis- her. Injektionen, Verbandswechsel, Ultraschall, EKG, Blutdruckmes- sung, längere Gespräche – all das und mehr war in der Pauschale ver- schwunden, etwa 80 bis 90 Prozent aller Leistungen. Die Versicherten- pauschale bekam aber jeder, auch der Hausarzt, der sich auf Akupunktur spezialisiert hat, oder der hausärztlich tätige Internist, der nur onkologische Patienten versorgt. Wir müssen aber die knappen Mittel denen zur Verfü- gung stellen, die tatsächlich grund- sätzlich hausärztlich arbeiten. Für sie gibt es deshalb die neue Gesprächs-

pauschale oder den Zuschlag für not- wendige hausärztliche Strukturen.

Köhler: Hinzu kommt noch ein As- pekt: Der Aufwand, der für die Be- handlung von alten, chronisch kran- ken Patienten notwendig ist, wurde über den EBM nur unzureichend abgebildet. Aufgrund der Pauschale können wir nur schwer nachweisen, dass der Aufwand zur Lösung der entsprechenden Behandlungspro- bleme gestiegen ist. Wir müssen al- so einzelne Schritte und Leistungen dokumentieren, um nachweisen zu können, warum wir mehr Geld for- dern. Gleichzeitig muss der büro- kratische Aufwand für diese Doku- mentation sich in Grenzen halten.

Das versuchen wir.

Noch einmal zurück zur punktsummen- neutralen Umgestaltung des EBM. Das heißt: Sie verteilen erneut um?

Köhler: Nein. Im fachärztlichen Be- reich finanzieren wir die neue fach- ärztliche Grundpauschale zum einen mit den zusätzlichen 126 Millionen Euro, die vereinbart sind, und zum anderen werden wir die für diesen Bereich verhandelten Honorarzu- wächse für das Jahr 2013 dafür ver- wenden. Das ist keine Umvertei-

lung. Aber es gibt natürlich Fach- arztgruppierungen, die nicht vom Honorarzuwachs profitieren werden.

Feldmann: Auch für die Hausärzte gilt: Wir nehmen ihnen kein Geld weg, sondern definieren die Leis- tungen neu. Das bedeutet: Ein typi- scher Hausarzt erhält zwar eine et- was niedrigere Versichertenpau- schale für die Versorgung eines Pa- tienten, aber er erhält zusätzlich die Strukturpauschale. Und er kann das, was er bisher auch schon ge- macht hat, nun separat abrechnen:

als Gesprächsleistung oder über den Chronikerzuschlag beispielsweise.

Manche KV sorgt sich, dass in ihrer Region sehr viele Hausärzte schlechter honoriert werden könnten, gerade Stadtstaaten. Zu Recht?

Feldmann: Nein. Keine KV wird durch den neuen EBM begünstigt oder benachteiligt. Wir bewerten nur die hausärztlichen Leistungen neu. Honorarverteilung ist die Auf- gabe der Region. Das begrüßen vie- le Kolleginnen und Kollegen – üb- rigens auch in Großstädten wie Ber- lin, wo ich gerade bei einer Info- Veranstaltung war. Ich empfehle ei- nen Blick in unsere Info-Broschüre, die dem Deutschen Ärzteblatt bei- gelegt war, und unsere Homepage.

Unter www.kbv.de/honorar sind auch Beispiele gerechnet.

Die EBM-Neuerungen zum 1. Oktober sind beschlossene Sache. Derzeit ver- handeln Sie mit den Kassen über die Honorarsteigerungen für 2013. Wo lie- gen die größten Konflikte?

Köhler: Es geht im Wesentlichen um drei Punkte: Erstens um den In- flationsausgleich, also die jährliche Anpassung des Orientierungswerts.

Wir fordern eine Erhöhung um 2,6 Prozent, der GKV-Spitzenverband bietet nur 0,5 Prozent. Zweitens geht es um die jährliche Veränderung der Morbiditätsrate. Auch hier ist noch nichts entschieden, was mit dem drit- ten Punkt zusammenhängt: der Fra-

Es ist schwer, mit Pauschalen nachzweisen, warum

wir mehr Geld fordern.

gekürzt. Und die Anzahl der Gespräche ist kontingentiert.

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13. September 2013 ge, welche Leistungen künftig noch

im Rahmen der morbiditätsorientier- ten Gesamtvergütung honoriert wer- den und welche extrabudgetär.

Die KBV hat sich nach ihrer Befragung der Vertragsärzte und -psychothera- peuten auf sieben Meilensteine festge- legt, die es in den nächsten Jahren zu erreichen gilt. Meilenstein zwei ist die extrabudgetäre Honorierung der haus-

und fachärztlichen Grundversorgerleis- tungen, um die Sie jetzt verhandeln. Er- reichen Sie Ziel zwei in dieser Runde?

Köhler: Wir hoffen es, aber wir sind mit den Kassen im Konflikt.

Es geht um etliche Milliarden Euro.

Köhler: Ja, aber das heißt nicht, dass es um zusätzliche finanzielle Mittel geht. Wir wollen aber, dass die Krankenkassen für diesen Be- reich, wie zuvor für die Psycho- therapie, das volle Morbiditätsrisi- ko übernehmen. Das hat auch et- was mit Planbarkeit zu tun. Heute ist es doch so, dass wir mit den Honorarverteilungsmaßstäben ei- ne völlig versorgungsfremde Men- gensteuerung vornehmen müssen, weil die nachgefragten Leistungen und die dafür zur Verfügung ge- stellte Geldmenge nicht zusam- menpassen.

Wie stehen die Chancen?

Köhler: Der Erweiterte Bewer- tungsausschuss wird am 25. Sep- tember tagen. Es geht darum, Kom-

promissvorschläge zu entwickeln.

Wir müssen die haus- und fachärzt- liche Grundversorgung stärken, weil es der demografische Wandel erfordert. Hinzu kommt ganz allge- mein: Wir haben einfach Nachhol- bedarf beim Honorar insgesamt.

Wir kommen aus einer 20 Jahre lan- gen Budgetierung. Da können wir in den Honorarverhandlungen nicht

immer nur über einen Inflationsaus- gleich und eine etwas höhere Krankheitslast der Bevölkerung als Anpassungskriterien sprechen. Wir müssen die Vergütung auch weiter- entwickeln.

Die EBM-Änderungen zum 1. Oktober sind Teil eins einer größeren Reform.

Teil zwei soll im Sommer 2014 greifen.

Was wird sich dann ändern?

Feldmann: Wir müssen mit den Krankenkassen über die wirtschaft - liche Situation der Hausarztpraxen sprechen. Die Anschaffung und Amortisation von Geräten ist ein wichtiger Aspekt. Junge Allgemein- ärztinnen und -ärzte wollen das, was sie in ihrer Aus- und Weiterbil- dung gelernt haben, in der Praxis auch einsetzen. Wir wollen auch deshalb dar auf hinarbeiten, dass die Finanzierung von notwendigen Ge- räten für die Praxis möglich ist – aber ohne dass man dafür zwingend eine Vielzahl von Leistungen er- bringen muss. Das Gerät soll so fi- nanziert werden, dass es nur einge-

setzt wird, wenn es dem Arzt aus dem Krankheitsgeschehen heraus sinnvoll erscheint.

Wie sieht es mit Plänen zur Finanzie- rung sinnvoller Kooperationen und Teamstrukturen aus?

Feldmann: Auch das ist ein Thema bei der zweiten EBM-Reformstufe.

Es wird in Zukunft in der Versorgung auf Teamstrukturen und die Delega - tion hausärztlicher Tätigkeit ankom- men. Wenn ein Hausarzt aber beson- ders qualifizierte Praxismitarbeiter mit Aufgaben in der Versorgung der Patienten betraut, dann muss er auch ein Auto und dessen Versicherung fi- nanzieren. Das kann er nicht aus sei- nem heutigen Honorar. Derzeit fi- nanzieren die Krankenkassen solche Strukturen fast ausschließlich in von Unterversorgung bedrohten oder be- reits unterversorgten Gebieten. Diese Situation wünschen wir uns nicht.

Wir benötigen andere Kriterien. Für die Betreuung der älter werdenden Bevölkerung müssen wir hier zu Lö- sungen kommen.

Köhler: Daneben wird es bei der zweiten Reformstufe um die Neube- wertung haus- und fachärztlicher Leistungen gehen. Sie stammen ja noch aus den Jahren 2000 und 2001.

Manches werden wir höher bewer- ten müssen, manches niedriger auf- grund der Kostenstrukturen, die dem zugrunde liegen. Dadurch kann es zu Umverteilungen kommen, das wissen die betroffenen Arztgruppen.

Darüber hinaus wird es darum ge- hen, die sprechende fachärztliche Medizin besser zu stellen als heute.

Regt es Sie auf, dass mittlerweile fast jedes Thema strittig ist und im Erwei- terten Bewertungsausschuss landet?

Köhler: Ja, das regt uns auf. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Interessen weit auseinanderliegen. Die Kran- kenkassen versuchen, aus Sorge vor Zusatzbeiträgen alle Ausgabenblöcke kleinzuhalten. Wir versuchen, die Er- wartungen unserer Ärzte durchzuset- zen. Ich finde es schlecht, dass fast alles konfliktiv entschieden wird.

Aber es wird auch immer schwieri- ger, Kompromisse einzugehen.

Das Interview führten Josef Maus und Sabine Rieser.

Es wird künftig auf Teamstrukturen und Dele - gation von ärztlichen Tätigkeiten ankommen.

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