• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Interview mit Dr. med. Andreas Köhler und Dr. med. Carl-Heinz Müller, Vorstände der KBV: „Der Schlussstein fehlt noch“" (11.03.2011)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Interview mit Dr. med. Andreas Köhler und Dr. med. Carl-Heinz Müller, Vorstände der KBV: „Der Schlussstein fehlt noch“" (11.03.2011)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 10

|

11. März 2011 A 497

„Der Schlussstein fehlt noch“

Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) über mehr Einfluss für die Regionen, Ziele für die nächste Amtsperiode und Forderungen an die Politik

satz für Hausärzte zu suchen, gab es.

Heute wird anerkannt, dass es eine wohnortnahe ambulante haus- und fachärztliche Versorgung geben muss. Dass die ambulanten Struk - turen und das, was sie leisten, an - erkannt werden – das ist schon ge- lungen in den letzten sechs Jahren.

Anfangs hatten wir noch Kopfpau- schalen und die Koppelung der Aus- gaben an die Grundlohnentwick- lung. Heute haben wir ein Vergü- tungssystem mit einer starken Ver - sichertenzentrierung und mit einer Berücksichtigung der Krankheitslast.

Das neue System ist nicht perfekt, aber wichtige Punkte sind gesetzt.

Müller: Aus meiner Sicht ist eben- falls wesentlich, dass der drohende Ärztemangel jetzt auch politisch anerkannt ist. Es ist uns zudem als Selbstverwaltung gelungen, die Ho- norartöpfe für Haus- und Fachärzte zu trennen – ohne den Gesetzgeber –, und zwar so, dass sie nun in allen

KVen nach gleichen Regeln umge- setzt werden. Das zeigt, dass wir in der Selbstverwaltung auch effektiv handeln können. Wir haben den richtigen Weg eingeschlagen, aber wir müssen ihn auch fortsetzen.

Es gibt aber auch massive Kritik: an der Honorarreform und der Verteilung der Honorare, an der zunehmenden Zentralisierung und an der Abwehr von Selektivverträgen.

Köhler: Die zentralistischen Vor- gaben der Honorarverteilung waren falsch. Wir müssen sie unbedingt regionalisieren. Allerdings setzt das eine gesetzliche Änderung voraus, die wir im Rahmen des Versor- gungsgesetzes fordern.

INTERVIEW

mit Dr. med. Andreas Köhler und Dr. med. Carl-Heinz Müller, Vorstände der KBV

Herr Dr. Köhler, Herr Dr. Müller, die Frage, ob Sie erneut für den Vorstand der KBV kandidieren, haben Sie bereits mit Ja beantwortet. Was reizt Sie an einer neuerlichen Amtsperiode?

Fotos: Georg J. Lopata

Köhler: Wir haben in der zurücklie- genden Amtsperiode erneut funda- mentale Veränderungen erlebt, und zwar in vielen Bereichen, ob Versor- gung, Vergütung oder Qualitätssiche - rung. Jetzt steht das Versorgungsge- setz an, und damit fehlt der wesent - liche Schlussstein einer dauerhaft zukunftsfähigen haus- wie fachärzt - lichen ambulanten Versorgung. Die- sen Schlussstein wollen wir mit set- zen helfen, damit es wieder attraktiv ist, niedergelassener Arzt bezie- hungsweise Psychotherapeut zu sein.

Müller: Wir haben bestimmte Wege eingeschlagen, und die möchten wir nun auch weitergehen. Es ist eine Herausforderung, dem drohenden Ärztemangel entgegenzuwirken und Kollegen von der kurativen Ver - sorgung zu überzeugen. Wir wollen darüber hinaus die Vernetzung von Haus- mit Fachärzten sowie von am- bulantem und stationärem Bereich vorantreiben. Dazu kommt die Auf- gabe, Ärzte mit anderen Berufsgrup- pen wie Psychologischen Psycho- therapeuten oder Pflegekräften so zusammenzubringen, dass sie im Team Patienten versorgen.

Was waren im Rückblick wichtige Entwicklungen in der zurückliegenden Amtsperiode?

Köhler: Man vergisst schnell, dass noch vor wenigen Jahren die Ab- schaffung der fachärztlichen ambu- lanten Versorgung gefordert wurde.

Auch Tendenzen, nichtärztlichen Er-

Auf der Bundesebene gibt es macht- volle Player. Da ist eine starke KBV als Gegengewicht notwendig.

Andreas Köhler

P O L I T I K

(2)

A 498 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 10

|

11. März 2011 Köhler: Auch eine Regionalisie-

rung wird ein Grundproblem nicht lösen: dass es eine unbegrenzte Nachfrage nach ambulanten ärztli- chen Leistungen gibt, aber nur eine begrenzte Geldmenge. Instrumente zur Steuerung, die wir fordern, sind die Kostenerstattung, die Transpa- renz ermöglicht und auf die Eigen- verantwortung der Versicherten setzt. Alternativ dazu gäbe es die Möglichkeit einer prozentualen Kostenbeteiligung des Versicher- ten. Die dritte Möglichkeit wäre ei-

ne Differenzierung des GKV-Kata- logs in Grund- und Wahlleistungen.

Aber der Gesetzgeber unterstützt leider keine dieser Alternativen.

Was wollen Sie also tun?

Köhler: Der einzige Weg, der uns derzeit bleibt, ist die Regionalisie- rung. Vor Ort kann man gerechtere Steuerungsoptionen einsetzen. Es reicht im Grunde nicht einmal aus, die Honorarverteilung auf der Ebe- ne der KV zu steuern. Wir müssen

die einzelnen Landkreise betrachten und die dortigen Verhältnisse in der Honorarverteilung abbilden.

Und wo liegen die Grenzen dieser stärker regionalisierten Politik?

Köhler: Zu Beginn unserer Amts- periode hatten wir 531 Krankenkas- sen, gegenwärtig sind es 151. Wir haben einen sehr starken GKV- Spitzenverband und einen macht- vollen Gemeinsamen Bundesaus- schuss, dazu Konzentrationsbewe- gungen im stationären Bereich durch größere Klinikketten. Das be- deutet: Auf der Bundesebene gibt es machtvolle Player. Deshalb brau- chen die niedergelassenen Ärztin- nen und Ärzte einen Repräsentan- ten in den entsprechenden Gremien, damit ihre Interessen dort vertreten werden. Eine starke KBV als Ge- gengewicht ist notwendig.

Wie wird es im Streit Selektivvertrag versus Kollektivvertrag weitergehen?

Köhler: Noch vor fünf, sechs Jahren hieß es: Die Regelversorgung wird über Selektivverträge gesteuert wer- den. Heute wird anerkannt, dass der Kollektivvertrag die Grundlage ei- ner ambulanten flächendeckenden Versorgung ist. Wir sind im Übrigen nicht grundsätzlich gegen Selektiv- verträge, sondern wir unterstützen sie als Suchmodell für eine bessere Versorgung. Wir haben nur ein Pro- blem damit, wenn der Selektivver- trag den bisherigen Kollektivvertrag ersetzt, im Grunde aber nur der Or- ganisator wechselt. In der nächsten Amtsperiode muss eine abschließen- de Diskussion stattfinden, wie das Verhältnis Selektivvertrag zu Kol- lektivvertrag sein soll, auch wegen der Probleme um Fairness und Ver- sorgungsgerechtigkeit.

Müller: Wissen Sie, Praxisabläufe werden durch Selektivverträge nicht einfacher. Und beim Kollek- tivvertrag reden wir ja nun auch über eine Vertragsform, bei der wir nach vorne denken, uns neue Ziele setzen, zum Beispiel im Hinblick auf steigende Demenzerkrankun- gen oder vergleichbare Anforderun- gen. Der Kollektivvertrag muss kein starres Gebilde sein, sondern kann dazu beitragen, Versorgung zu verbessern. Das wird eine der span-

nendsten Fragen der nächsten Le- gislaturperiode: Wie können die Anhänger dieser beiden Vertrags- formen zu gemeinsamen Zielen ge- langen, damit Patientenversorgung und Vergütung besser werden?

Köhler: Das wird keine einfache oder freundliche Debatte werden.

Aber es bewegt sich doch schon et- was, wenn Verfechter von Selektiv- verträgen befinden: Das, was sich als gut erweist, muss auch im Kol- lektivvertrag stattfinden.

Die Politik leugnet den Ärztemangel nicht mehr. Wird es damit leichter für die KBV, Forderungen durchzusetzen?

Köhler: Ich finde, Fragen der Arzt- zahl insgesamt und Fragen der Arztverteilung werden heute viel zu kritisch diskutiert. Ich unterstütze den Anspruch, dass es an jedem Ort möglichst eine gleich gute ambu- lante Versorgung geben soll und Ärzte deswegen gut verteilt arbei- ten müssen. Nur: Um Ärzte gerecht zu verteilen, muss ich sie erst ein- mal haben. Dazu kommt: Wir ha- ben eine immer stärkere Speziali- sierung in der ambulanten fachärzt- lichen Versorgung, auch aufgrund von Verlagerungseffekten aus dem stationären Bereich. Das erfordert im Grunde mehr ambulant tätige Ärzte. Man sollte vorsichtig sein mit der Aussage, es sei alles nur ein Verteilungsproblem.

Müller: Es ist doch heute teilweise schon in Städten schwer, einen Nachfolger für eine hausärztliche Praxis zu finden. Außerdem hat jede Stadt ein großes Einzugsgebiet, aus dem heraus Patienten kommen. Das darf man nicht ignorieren. Dazu kommt: Ärzte und Ärztinnen, die Familie und Beruf verbinden, wollen nicht mehr 50 Stunden oder mehr arbeiten. Ältere Kollegen übrigens auch nicht mehr. Das, was auf dem Papier noch Überversorgung ist, ist in Wahrheit oft schon das Gegenteil.

Köhler: Zum Thema Ärztemangel wird es harte Diskussionen geben, schon wegen der Gegenposition der Krankenkassen. Nur: Ohne Ärzte keine Versorgung. Und Versorgung ist nicht nur unser Job, sondern auch der der Kassen. ■

Das Interview führten Josef Maus und Sabine Rieser.

Der Kollektivvertrag muss kein starres Gebilde sein, sondern kann dazu beitragen, die Versorgung zu verbessern.

Carl-Heinz Müller

Vor der jüngsten Honorarreform hatten die KVen mehr Spielräume, aber zufrieden waren die Ärzte auch nicht.

P O L I T I K

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wir wollen auch deshalb dar auf hinarbeiten, dass die Finanzierung von notwendigen Ge- räten für die Praxis möglich ist – aber ohne dass man dafür zwingend eine Vielzahl

Köhler: Ich habe den Eindruck, dass die Kassen teilweise nicht mehr bereit sind, vor Ort Versor- gungsverantwortung zu überneh-?. men und über Versorgungsstruktu- ren

Wir können den Si- cherstellungsauftrag nicht einfach zurückgeben, aber ich empfinde zunehmend diesen Sicherstel- lungsauftrag nicht mehr als Frei- heit für die Ärzte, sondern

Wir wollen eine bessere Vergütung, aber wenn der Preis dafür zusätz - liche Qualitätssicherungsmaßnah- men oder noch mehr Dokumentati- onserfordernisse sein sollte, dann.. werden

Wir se- hen im Gesetzgebungsverfahren le- diglich eine finanzrelevante Ent- scheidung: Dass die Krankenkassen für Fördermaßnahmen in unterver- sorgten Regionen 0,1 Prozent der

Jüngere tun sich leichter Dennoch ist der Aufwand für das neuartige Kodieren nach seinen Er- fahrungen in der Testphase erheb- lich: „Wir haben im MVZ eine Pro- jektgruppe

Wolf: Unsere zweite Forderung be- trifft das Zielpreismodell, bei dem sich Krankenkassen und Apotheker auf einen Preiskorridor für be- stimmte Wirkstoffe verständigen.. Das hat

Bei einer ähnlichen Teilnahmerate in den Jahren 2009 bis 2012 rechnet das ZI damit, dass sich rund 30 Prozent der Versicherten, die im Jahr 2003 der Altersgruppe der 55-