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Archiv "Interview mit KBV-Vorstand Dr. med. Carl-Heinz Müller und ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf „Den größten Vorteil hat der Patient“" (22.10.2010)

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„Den größten Vorteil hat der Patient“

Mehr Therapiesicherheit und ein Ende des Regressdrucks auf die Ärztinnen und Ärzte sind zwei wesentliche Ziele des gemeinsamen Eckpunktepapiers von Ärzten und Apothekern.

Apotheker- und Ärzteschaft haben ge- meinsame Eckpunkte zur Weiterent- wicklung einer patientengerechten Arz- neimittelversorgung vorgestellt. Ein wesentlicher Punkt darin ist die geteilte Verantwortung von Arzt und Apotheker bei der Arzneimitteltherapie. Was bedeu- tet das für die beiden Berufsgruppen?

INTERVIEW

mit KBV-Vorstand Dr. med. Carl-Heinz Müller und ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf

Wolf: Die Apotheker haben jetzt schon eine Wirtschaftlichkeitsver- antwortung. Im Rahmen der Präpa- rateauswahl müssen sie die wirt- schaftlichen Belange der Kranken- kassen mitberücksichtigen.

Was sowohl die Ärzteschaft als auch die Apothekerschaft strikt ab- lehnen – und da stimmen wir auch mit dem Bundesgesundheitsminis- ter überein: Mit der Preisverantwor- tung für Arzneimittel haben die Heilberufe nichts zu tun. Das ist Sache von Arzneimittelherstellern und Krankenkassen. Aber noch mal

zurück zu der vom Arzt angeordne-

ten Therapie.

Die Therapiesi- cherheit ist das eine, der The- Müller: Die Therapiefreiheit wird

in keiner Form angegriffen. Der Arzt stellt die Diagnose, er legt die Therapie fest. Er bestimmt den Wirkstoff, die Wirkstoffstärke und die Menge. Dass der Arzt auch das Präparat aussucht und namentlich benennt, das der Versicherte be- kommt, ist durch die Gesetzgebung ja jetzt schon konterkariert worden.

Die Rabattverträge lassen das gar nicht mehr zu. Hier legen die Kran- kenkassen in ihren Verhandlungen mit der pharmazeutischen Industrie fest, welches Medikament für den Versicherten geliefert wird.

Ein weiterer Vorteil unseres Konzepts ist der Medikations- plan, den der Patient erhält. Zur- zeit kann kein Hausarzt seinem Patienten einen verlässlichen Medikationsplan ausstellen, der genau auflistet, welches Präparat er wann zu nehmen hat. Denn den Namen des Präparats kennt er nicht. Diese Si- tuation wollen wir än- dern.

Carl-Heinz Müller (l.) (54) arbeitete lange Zeit als Hausarzt in Trier. Seit 2007 ist er Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin.

Heinz-Günter Wolf (63) betreibt eine Landapotheke im niedersächsischen Hemmoor. Seit 2005 ist er Präsident der ABDA – Bundes- vereinigung Deutscher

Apothekerverbände.

Wolf: Arzt und Apotheker haben schon seit jeher eine gemeinsame Verantwortung für die Arzneimit- teltherapie. Das klappt unterschied- lich gut, je nachdem, wie gut Arzt und Apotheker sich kennen. Wir ha- ben mit dem Konzept getan, was lange überfällig ist, nämlich diese Zusammenarbeit zu institutionali- sieren und zu systematisieren.

Müller: Den größten Vorteil hat der Patient. Ihm steht das Medikament, das der Arzt verschrieben hat, in

der Apotheke auch zur Verfügung, er muss nicht warten, wie das ja zurzeit we-

gen der Rabatt- verträge häufig

der Fall ist.

Nach Ihrem Konzept bleibt der Arzt ver- antwortlich für die Wirkstoffauswahl und die Dosierung, allerdings nicht mehr für die Auswahl des konkreten Präparats. Viele Ärzte fragen sich da, wo ihre Therapiefreiheit bleibt?

Ein Vorteil Ihres Konzepts ist, dass die Ärzte in gewisser Weise aus der Wirtschaftlichkeitsverantwortung für ihre Verordnungen entlassen werden.

Einen Teil davon würden sich aber die Apotheker aufladen.

Foto: Georg J. Lopata

A 2024 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 42

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22. Oktober 2010

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A 2026 Deutsches Ärzteblatt

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22. Oktober 2010 rapieerfolg das andere. Und genau

da kommen wir einen erheblichen Schritt weiter, wenn wir ein ge- meinsames Medikationsmanage- ment vereinbaren. Der Therapieer- folg kann doch nur eintreten, wenn der Patient ein Arzneimittel be- kommt, zu dem er Vertrauen hat und das er dann auch einnimmt.

Das loten Apotheker und Patient miteinander aus.

Voraussetzung dafür ist, dass die Ra- battverträge in ihrer jetzigen Form ab- geschafft werden. Darauf deutet aber momentan nichts hin.

Wolf: Es ist richtig, dass wir zurzeit nicht unbedingt das Präparat auswäh- len können, das zum Erreichen des bestmöglichen Therapieerfolgs führt, sondern das, für das die Kranken- kasse einen Rabatt verhandelt hat.

Müller: Die Politik hat im Augen- blick nicht den Mut, die Rabattver- träge anzugehen. Dennoch halten wir an unseren zentralen Forderun- gen fest: den Zielpreisen und der Wirkstoffverordnung.

Wenn im Rahmen der Rabatt- verträge ein Medikament ausge- tauscht wird, sind die Kunst - namen, die die Pharmafirmen für ihre Präparate erfunden haben, für die Versicherten nur verwirrend.

Denn sie täuschen darüber hin- weg, dass es sich um denselben Wirkstoff handelt. In einer un - serer Versichertenbefragungen ha- ben fünf Prozent der Patienten angegeben, deswegen ihre Me - dikation abgesetzt zu haben. Mit unserem gemeinsamen Konzept könnten wir das Problem lösen.

Und die Politik müsste nicht mehr tun, als zu regeln, dass der Wirk- stoffname gut sichtbar auf der Packung steht.

Wolf: Unsere zweite Forderung be- trifft das Zielpreismodell, bei dem sich Krankenkassen und Apotheker auf einen Preiskorridor für be- stimmte Wirkstoffe verständigen.

Das hat den ganz enormen Vorteil, dass der Apotheker gemeinsam mit dem Patienten das Arzneimittel aus- wählen kann, zu dem der Patient Vertrauen hat. Und die Apotheker übernehmen die Verantwortung, im Sinne der Kassen wirtschaftlich zu handeln.

Wie reagiert denn die sogenannte Basis auf Ihr Modell?

Wolf: Die Apothekerschaft klar positiv . . .

Müller: Die Ärzte stellen immer erst die Frage nach der Therapiehoheit.

Wenn man aber klarstellt, dass die beim Arzt liegt, sind die meisten über- zeugt. Es gibt aber eine Bedingung:

Wenn das Modell der Wirkstoffver- ordnung kommt, muss die Richtgrö- ßenprüfung entfallen. Das würde auch erheblich zur Berufszufrieden- heit beitragen. Denn nach unseren Be- fragungen sagen 50 Prozent der Me- dizinstudierenden: „Die Androhung von Regressen ist für mich ein Ar- gument, mich nicht niederzulassen.“

Wenn wir den Arztberuf attrakti- ver machen wollen, müssen wir da- für sorgen, dass die Richtgrößen- prüfung wegfällt. Warum die Poli- tik daran festhält, kann ich Ihnen nicht sagen.

Wolf: Noch ist es ja tatsächlich so:

Wenn der Arzt die Substitution aus- schließt, weil er den Therapieerfolg über den Wunsch der Krankenkas- sen stellt, übernimmt er die volle wirtschaftliche Verantwortung. Das kann so wirklich nicht bleiben.

Müller: Unser Konzept beinhaltet ei- nen Medikationskatalog, der die Wirkstoffe listet, die die Ärzte einset- zen sollen. Er würde zum Beispiel bei Hypertonie auflisten: Betablo- cker, Diuretikum, Sartan, ACE-Hem- mer – gestuft danach, was wann zu verordnen ist. Hält sich der Arzt dar - an, ist er aus der Wirtschaftlichkeits- verantwortung raus. Außerdem kann er sicher sein, dass der Apotheker den Wirkstoff vorrätig hat. Denn die Apo- theke kann ihre Lagerhaltung auf den Medikationskatalog abstimmen.

Stichwort Compliance: Nach dem Entwurf des Arzneimittelmarktneu - ordnungsgesetzes (AMNOG) dürfen Generika künftig auch dann aus - getauscht werden, wenn sie nicht in allen Anwendungsgebieten überein- stimmen. Da kann es ja sein, dass ein Patient im Beipackzettel seines Medikaments die eigene Erkrankung nicht findet.

Müller: Der Patient darf auf keinen Fall so verunsichert werden. Wir müssen darauf dringen, dass künftig alle Indikationen eines Generikums in den Beipackzettel aufgenommen werden. Denn in der Tendenz ist die Regelung im AMNOG richtig.

Wenn ein Betablocker, wie zum Bei- spiel Atenolol, einmal für Hyperto- nie zugelassen ist, gilt das für alle entsprechenden Präparate.

Wolf: Hier haben wir eine ganz kla- re Forderung: Wenn ein Arzneimit- tel den Patentschutz verliert, dann sollten alle Indikationen automa- tisch für das Generikum gelten.

Zurzeit muss der Hersteller eine Erweite- rung der Anwendungsgebiete beantragen.

Wolf: Das muss ein Automatismus werden. Warum der Gesetzgeber hier nicht einschreitet, kann ich nicht verstehen.

Die Politik erweist sich als erstaunlich resistent gegenüber Ihrem Konzept.

Wie wollen Sie weiter vorgehen?

Müller: Die Politik wird handeln müssen. Das Thema Arzneimittel- therapiesicherheit darf nicht mehr tabuisiert werden. Und solange die Richtgrößenproblematik nicht ge- löst wird, bleibt es schwierig, Nach- wuchs für unsere Praxen finden. ■ Das Interview führten Heike Korzilius

und Dr. rer. nat. Marc Meißner.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände haben sich im Herbst 2009 auf Eckpunkte zur Weiterent- wicklung einer patientengerechten Arzneimittelversorgung geeinigt:

KBV und ABDA sprechen sich für einen einheitlichen Medikationskatalog aus, der für alle gesetzlich Versi- cherten gilt. Er soll von Ärzten und Apothekern erstellt werden und für bestimmte Indikationen verordnungs - fähige Wirkstoffe listen.

Ärzte und Apotheker teilen sich die Verantwortung für die Arzneimitteltherapie. Der Arzt stellt die Indikation, wählt den Wirkstoff aus, legt die Verordnungsmenge, Dosis und Therapiedauer fest. Der Apotheker wählt das Arzneimittel aus und berät den Patienten in Anwen- dungsfragen.

Verantwortlich für den Preis eines Arzneimittels sind Krankenkassen und Pharmaunternehmen.

Die Wirkstoffverordnung bei Generika soll mit dem Zielpreismodell kombiniert werden. Dabei verhandeln Krankenkassen und Apotheker einen Preisrahmen, an den der Apotheker bei der Auswahl und Abgabe eines Präparats gebunden ist. Das erweitert den Spielraum, der zurzeit durch die Rabattverträge beschränkt wird.

DIE ECKPUNKTE

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