• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Interview mit Dr. med. Andreas Köhler und Dr. med. Carl-Heinz Müller, KBV-Vorstände „Kodieren, damit die Morbidität in Zukunft voll durchschlägt“" (17.12.2010)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Interview mit Dr. med. Andreas Köhler und Dr. med. Carl-Heinz Müller, KBV-Vorstände „Kodieren, damit die Morbidität in Zukunft voll durchschlägt“" (17.12.2010)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

„Kodieren, damit die Morbidität in Zukunft voll durchschlägt“

Die KBV-Vorstände im Gespräch zum Ärger um die Ambulanten Kodierrichtlinien, zu Nachbesserungen für Hausärzte und zur Bedeutung guter EDV-Lösungen

Herr Dr. Köhler, Herr Dr. Müller, viele Ärzte bezweifeln, dass die Einführung der Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) zum 1. Januar 2011 wirklich notwendig ist. Was sagen Sie diesen Kollegen?

Köhler: Das Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversiche- rung wird immer stärker auf die versichertenspezifische Krankheits- last ausgerichtet. Es werden bereits 70 Milliarden Euro pro Jahr aus dem Gesundheitsfonds entsprechend der Morbidität der Versicherten an die Krankenkassen verteilt. Neben stationären Diagnosen und Arznei- mittelverordnungen spielen ambu- lante Diagnosen eine entscheidende Rolle. Dass sie weiterhin als quali- tativ zu schlecht von den Kassen eingestuft werden und vielleicht so- gar irgendwann für die Zuweisun- gen nach Morbidität keine Rolle mehr spielen sollen, müssen wir verhindern. Sonst werden die Kas- sen bald versuchen, im ambulanten Bereich zu sparen.

Es geht also darum, das Honorar auf- grund der veränderten Krankheitslast zu erhöhen?

Köhler: Diese gesetzliche Vorgabe soll von 2013 an wieder gelten. Für die Jahre 2009, 2010 und 2011 ist es der KBV in den Honorarver- handlungen mit den Krankenkassen nicht gelungen, die Morbiditätsrate zu 100 Prozent geltend zu machen.

Stattdessen beruht ein Teil der Ge- samthonorarsteigerungen auf der demografischen Ent- wicklung, deren Verän- derungsrate allerdings viel niedriger ist. Die

Qualität der Abrechnungsdiagnosen gilt als zu schlecht, und das leider zu Recht. Deshalb müssen die Ärz- te auf Basis der AKR kodieren, da- mit die Morbidität in Zukunft voll durchschlägt. Auch für eine faire Bereinigung des Kollektivvertrags zugunsten von Selektivverträgen sind gute Abrechnungsdiagnosen wichtig.

Viele Ärzte bezweifeln, dass der Morbi- ditätsbezug beim Gesamthonorar nur für zwei Jahre ausgesetzt wird.

Köhler: Ich teile diese Zweifel nicht. Wir müssen angesichts einer älter werdenden Bevölkerung die Morbidität realistisch berücksichti- gen können, sonst wird das Honorar der Vertragsärzte und -psychothera- peuten quasi durch die steigende Krankheitslast aufgezehrt.

Müller: Die Ärzte sind im Jahr 2006 auf die Straße gegangen, da- mit die Grundlohnsummenanbin- dung des ärztlichen Honorars und damit die Unterfinanzierung been-

det wird. Die Morbiditätsent- wicklung zu dokumentie- ren und in Verhandlun- gen mit den Kassen

einzubringen, ist der einzig richtige Weg für die Zukunft.

Was bringt die Übergangsphase von einem halben Jahr?

Köhler: Zeit für weitere Schulun- gen und Informationen. Vor allem müssen die Softwarehäuser die Un- terstützungsfunktionen zum Kodie- ren in der Abrechnungssoftware noch anwenderfreundlicher gestal- ten. Das ist entscheidend, um den Aufwand überschaubar zu halten.

Müller: Das erste Quartal eines Jahres ist häufig wegen der typi- schen Erkrankungen in der Winter- zeit sehr arbeitsintensiv. Nun kön- nen die Ärzte auf die neuen Kodier- richtlinien umsteigen, wenn es et- was ruhiger geworden ist.

Vor allem Hausärzte finden die AKR wenig praktikabel. Wie weit ist die KBV mit Verbesserungen gekommen?

Müller: Das Problem sind nicht die neuen Kodierrichtlinien, sondern der ICD-10-GM. Die Behandlungs- anlässe in der hausärztlichen Ver- sorgung sind sehr vielfältig und las- sen sich meist nicht einer einzigen Diagnose zuordnen. Deswegen be- lastet der unübersichtliche ICD- 10-GM die Hausärzte besonders.

Um kurzfristig Lösungen zu entwi- ckeln, wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Sie ist zwar zu dem Er- gebnis gelangt, dass man die ICD-10-GM für Hausärzte beibe- halten sollte . . .

. . . aber ?

Müller: Aber es ist möglich, den Hausärzten eine Auswahl von Ko-

des zur Verfügung zu stellen, die das Kodieren für

die Mehrzahl

INTERVIEW

mit Dr. med. Andreas Köhler und Dr. med. Carl-Heinz Müller, KBV-Vorstände

„Die Software- häuser müssen die Unterstützungs- funktionen anwen- derfreundlicher ge- stalten“, fordert Andreas Köhler.

A 2488

P O L I T I K

(2)

der Behandlungsfälle erleichtern.

Hierfür können sie die Systematik der sogenannten ICPC2-Kodes nut- zen. Wo dies nicht mit be stehenden ICD-Schlüsselnummern möglich ist, muss die ICD-10-GM weiter- entwickelt werden. Ziel ist es auf jeden Fall, dass die Hausärzte die vorgeschlagene Lösung noch vor dem Ende der Übergangsphase er- proben können.

An welchen Verbesserungen arbeitet die KBV noch?

Köhler: Ein wichtiger Kritikpunkt, auch in der Testphase in Bayern, war der Umgang mit Dauerdiagno- sen bei chronischen Krankheiten.

Wir arbeiten da an einer techni- schen Änderung für eine bessere EDV-Handhabung.

Stimmt es, dass eine fehlerhafte Kodie- rung die Abrechnung blockiert?

Müller: Fehler in der Kodierung, wenn die abgerechnete EBM-Posi- tion zwingend einen bestimmten ICD-Kode voraussetzt, wirken sich erst nach der Übergangsphase auf die Abrechnung aus. Aber auch dann wird nicht die komplette Ab- rechnung verweigert. ■ Das Interview führten Josef Maus

und Sabine Rieser.

„Fehler in der Kodierung wir- ken sich erst nach der Über- gangsphase auf die Abrechnung aus“, erläutert Dr. med. Carl- Heinz Müller.

AKR IM PRAXISTEST

„Prinzipiell richtig“

Dr. med. Karl Wilhelm, Internist und MVZ-Leiter in Dachau, hat die Kodierrichtlinien getestet.

A

ls für Dr. med. Karl Wilhelm erkennbar war, dass die Am- bulanten Kodierrichtlinien (AKR) umgesetzt werden, hat er sich ent- schieden, das neue Regelwerk zu

testen. „Wir wollten da- bei sein, auch, um even- tuell noch Einfluss auf die Um setzung nehmen zu können“, sagt der In- ternist, der Ärztlicher Leiter eines Medizini- schen Versorgungszen- trums (MVZ) mit 42 Ärzten in Dachau nahe München ist.

Das MVZ war eines von 100 Praxen und MVZ in Bayern, die im dritten Quartal die AKR getestet haben.

Seine Einarbeitung? Wilhelm las und lernte die neuen Regeln, außer- dem ließ er sich einen Tag lang von Mitarbeitern der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayerns schulen.

Zweimal tagte eine AKR-Projekt- gruppe, dann ging es los. „Es ist ein neues bürokratisches Sachgebiet, mit dem man sich beschäftigen muss“, sagt der Internist nüchtern.

Sicher seien die Vertragsärzte be- reits seit 2001 in der Pflicht, Dia - gnosen zu kodieren. Aber bisher

„haben wir das doch eher nach indi viduellen Regeln getan“, meint Wilhelm selbstkritisch. „Gerade bei den Dauerdiagnosen gab es einige Datenmüllhaufen.“

Den Aufwand darstellen Der Dachauer betrachtet den zu- sätzlichen Arbeitsaufwand alles an- dere als unkritisch, ist jedoch vom Sinn gründlichen Kodierens über- zeugt: „Ich finde es prinzipiell rich- tig. Es macht die Arbeit transparen- ter. Und gerade wenn man sekto- renübergreifend arbeiten will, sind vergleichbare Kodierregeln wich- tig. Au ßerdem sind die Ambulanten Kodierrichtlinien ein gutes Instru- ment, um seinen Aufwand darzu- stellen.“ Dass durch bestimmte

Kodierregeln auch die Plausibilität von Diagnosen hinterfragt wird, findet Wilhelm ebenfalls richtig:

„Wenn man einen Morbus Crohn dokumentiert, dann muss doch die entsprechende Diagnostik belegt sein, bei mir in Dachau ebenso wie in der Praxis eines Kollegen in Berlin-Köpenick.“

Jüngere tun sich leichter Dennoch ist der Aufwand für das neuartige Kodieren nach seinen Er- fahrungen in der Testphase erheb- lich: „Wir haben im MVZ eine Pro- jektgruppe dafür eingerichtet, die sich am Anfang sehr regelmäßig ge- troffen hat. Danach haben wir uns nur noch alle zwei Wochen getrof- fen. Aber in einem MVZ wie unse- rem ist eine Medizinische Fachan- gestellte schätzungsweise zwei Wo- chen im Monat mit dem korrekten Kodieren beschäftigt. Schließlich muss man seine Patienten sozusa- gen dauernd bearbeiten.“ Für grö- ßere Einheiten sei das machbar, aber Kollegen in Einzelpraxen hät- ten es da schwerer.

Generell werde der Aufwand stark vom Fachgebiet abhängen, meint Wilhelm: „Allgemeinärzte und Internisten müssen ein Rie - senspektrum an Krankheiten ver- schlüsseln, gut organisierte Spezi- alpraxen ein sehr viel kleineres.“

Er glaubt zudem, dass sich jüngere Kollegen, die aus der Klinik die Bedeutung des Kodierens kennen, leichter mit den AKR tun werden als ältere.

Wilhelm hofft nach dem Test- lauf, dass die EDV-Unterstützung noch verbessert wird. Ein weiterer Wunsch von ihm hat sich mittlerwei- le bereits erfüllt, wenn auch nicht ganz so großzügig, wie er es begrüßt hätte: Für die AKR ist eine Konver- genzphase vorgesehen. Richtig ernst wird es erst vom 1. Juli an. ■

Sabine Rieser

Foto: privat

Fotos: Svea Pietschmann

A 2489

P O L I T I K

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wir können den Si- cherstellungsauftrag nicht einfach zurückgeben, aber ich empfinde zunehmend diesen Sicherstel- lungsauftrag nicht mehr als Frei- heit für die Ärzte, sondern

Wir wollen eine bessere Vergütung, aber wenn der Preis dafür zusätz - liche Qualitätssicherungsmaßnah- men oder noch mehr Dokumentati- onserfordernisse sein sollte, dann.. werden

Wir se- hen im Gesetzgebungsverfahren le- diglich eine finanzrelevante Ent- scheidung: Dass die Krankenkassen für Fördermaßnahmen in unterver- sorgten Regionen 0,1 Prozent der

rung wird ein Grundproblem nicht lösen: dass es eine unbegrenzte Nachfrage nach ambulanten ärztli- chen Leistungen gibt, aber nur eine begrenzte Geldmenge.. Instrumente

Jüngere tun sich leichter Dennoch ist der Aufwand für das neuartige Kodieren nach seinen Er- fahrungen in der Testphase erheb- lich: „Wir haben im MVZ eine Pro- jektgruppe

Wolf: Unsere zweite Forderung be- trifft das Zielpreismodell, bei dem sich Krankenkassen und Apotheker auf einen Preiskorridor für be- stimmte Wirkstoffe verständigen.. Das hat

Aber wenn nun die Zahl der Studienplätze erhöht werden soll, dann benötigen wir auch mehr Hochschullehrer, mehr Ausbil- dungsplätze an den Universitätskli- niken und

Bei einer ähnlichen Teilnahmerate in den Jahren 2009 bis 2012 rechnet das ZI damit, dass sich rund 30 Prozent der Versicherten, die im Jahr 2003 der Altersgruppe der 55-