• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Interview mit Dr. med. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: „Die Krankenkassen sind sehr rigide“" (07.12.2012)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Interview mit Dr. med. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: „Die Krankenkassen sind sehr rigide“" (07.12.2012)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 49

|

7. Dezember 2012 A 2447

„Die Krankenkassen sind sehr rigide“

In den Regionen wird noch mehr vereinbart – das war während der Honorarverhandlungen auf Bundesebene mehrfach zu hören. Nun wollen manche Kassen offenbar eher weniger zahlen.

Herr Dr. Köhler, die ersten Kassenärzt - lichen Vereinigungen (KVen) melden, dass die Krankenkassen bei der Umset- zung der bundesweiten Honoraremp- fehlungen für 2013 mauern. Welchen Eindruck haben Sie?

Köhler: Es scheint nirgendwo gut zu laufen. Teilweise gehen die Lan- desverbände der Krankenkassen hinter das zurück, was der Bewer- tungsausschuss auf Bundesebene empfohlen hat. Die Kassen provo- zieren damit Schiedsamtslösungen, was wir nicht nachvollziehen kön- nen. Bei den Verhandlungen auf Bundesebene war jedem klar, dass die Ergebnisse regional angepasst werden müssen. Gerade die Kassen haben immer wieder betont, dass aufgrund der regionalen Verhand- lungsspielräume noch weiteres Ho- norar hinzukommen werde.

Nun bleiben die Angebote unter dem, was die Bundesebene empfohlen hat.

Köhler: Das ist auch insofern ärgerlich, als dass die KBV zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Ober grenzen für das Honorar 2013 akzeptiert hat, ganz im Gegenteil.

Es hat im Sommer bei den Honorarver- handlungen sehr viel Ärger gegeben.

Die Kassen forderten sogar Honorarab- senkungen. War nicht damit zu rech- nen, dass sie ihre Linie beibehalten?

Köhler: Nein, eben weil immer die Rede davon war, dass ja in den Län- dern durch die Anpassung an den Bedarf vor Ort noch mehr Honorar verhandelt würde.

Wie erklären Sie sich dann das Vorge- hen der Kassen?

Köhler: Ich habe den Eindruck, als würden nun in Reaktion auf das,

was auf Bundesebene an Konflikten entstanden ist, die Verhandler auf Landesebene provoziert. Das geht aber so nicht. Wenn die Kranken- kassen es ernst meinen mit der Selbstverwaltung, dann dürfen sie nicht alles durch Provokationen den Schiedsämtern hinschieben.

Die Honorarbeschlüsse auf Bundes - ebene umfassen mehrere Punkte. Gibt es solche, um die es in den Regionen keine Auseinandersetzungen gibt?

Köhler: Nein. Es scheint keine Be- reitschaft bei den Kassen zu geben, die Morbidität vor Ort und die be- sonderen regionalen Versorgungssi- tuationen zur Kenntnis zu nehmen.

Stichwort Morbidität: Das Institut des Bewertungsausschusses hat zu den Veränderungsraten in den einzelnen Ländern doch Daten vorgelegt. Warum wird selbst darüber noch gestritten?

Köhler: Das können wir nicht nachvollziehen. Sicher muss man

diese Daten regional noch differen- zierter betrachten. Aber es kann nicht sein, dass man beispielsweise bei der Berücksichtigung der Mor- bidität für das Jahr 2013 noch hinter die bundesweiten Berechnungen zurückgeht. Das war auch nicht Sinn und Zweck des Versorgungs- strukturgesetzes, das unter anderem die Verbesserung der Versorgung in ländlichen Gebieten zum Ziel hat.

In den letzten Wochen wurde kontro- vers diskutiert, ob ein Honorarplus da- zu dienen sollte, bestimmte Leistungen besser zu bezahlen oder neue Leistun- gen zur Versorgungsverbesserung.

Spielt dieser Konflikt bei den regiona- len Honorarverhandlungen eine Rolle?

Köhler: Ja, und zwar wenn verhan- delt wird, ob und wie man be- stimmte Leistungen und Praxen för- dern will. Auch da sind die Kassen sehr rigide. Nur: Es gibt klare Kri- terien, was unter Versorgungsge- sichtspunkten sinnvoll zu fördern

INTERVIEW

mit Dr. med. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Kassenwettbewerb auch beim Honorar:

Die Umsetzung der einzelnen bundes - weiten Honoraremp- fehlungen wirkt sich von Kasse zu Kasse an ders aus. Das er- schwere Einigungen auf Landesebene, sagt Andreas Köhler.

Foto: Georg J. Lopata

P O L I T I K

(2)

A 2448 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 49

|

7. Dezember 2012 wäre. Da kann es nicht nur darum

gehen, neue Leistungen einzufüh- ren, sondern auch darum, bestimm- te Leistungen besser zu bezahlen.

Ist es richtig, dass sich KBV und GKV- Spitzenverband Bund bereits auf eine Art Katalog von Leistungen verständigt haben, die förderungswürdig wären?

Köhler: Ja. Wir hören allerdings, dass es in den Ländern Krankenkas- senverbände gibt, die sämtliche Grundsatzdiskussionen, die wir im Bewertungsausschuss geführt ha- ben, noch einmal von vorne begin- nen. Sie ignorieren einfach die vor- handenen Empfehlungen.

Die Kassen sollen genehmigungspflich- tige psychotherapeutische Leistungen und probatorische Sitzungen in Zukunft außerhalb der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung finanzieren. Ist es richtig, dass auch dies zum Teil infrage gestellt wird?

Köhler: Ja, selbst hier fangen Kas- senverbände auf Landesebene an nachzuverhandeln. Dabei war das ein unglaublich schwieriger Be- schluss.

Sie hatten erwähnt, dass die Kranken- kassen Beschlüsse des Schiedsamts forcieren. In den letzten Jahren sind diese nicht immer zu ihren Gunsten ausgefallen. Weshalb diese Strategie?

Köhler: Ich habe den Eindruck, dass die Kassen teilweise nicht mehr bereit sind, vor Ort Versor- gungsverantwortung zu überneh-

men und über Versorgungsstruktu- ren zu verhandeln. Möglicherweise stehen sie auch nicht einmal zu den Beschlüssen, die ihr Spitzen- verband auf Bundesebene mitträgt.

Bleibt nur ein Schiedsverfahren, weil die Kassen auf Landesebene sich nicht einig sind?

Köhler: Gut möglich. Fakt ist, dass die Beschlüsse des Bewertungsaus- schusses sich ganz unterschiedlich auf Kassen auswirken können. Ein Beispiel: Die Zahl derjenigen, die eine Psychotherapie in Anspruch nehmen, ist von Kassenart zu Kassenart unterschiedlich hoch.

Deswegen trifft ein Beschluss zur Vergütung der Psychotherapie Er- satzkassen stärker als Primärkassen.

Umgekehrt . . .

Köhler: . . . treffen Entscheidungen über die Besserstellung von Ärzten in der Grundversorgung eher Pri-

märkassen wie die AOK. Die Um- setzung von Honorarbeschlüssen hat also auch etwas mit dem Wett- bewerb unter den Kassen zu tun.

Das heißt: Bevor man Beschlüsse mit- trägt, die die eigene Position finanziell verschlechtern, wartet man eher ein Schiedsverfahren ab?

Köhler: So ist es. Wenn man sich al- lerdings vergegenwärtigt, dass es um eine bessere Versorgung geht, wird das einen Schiedsamtsvorsitzenden möglicherweise nicht kaltlassen.

Viele KVen hatten sich eine stärkere Regionalisierung der Honorarverhand- lungen gewünscht, um vor Ort bessere Ergebnisse zu erzielen. Könnte das in Zukunft noch gelingen?

Köhler: Ich fürchte leider, dass aufgrund des Kostendrucks die Ver- handlungen auf Landesebene auch in Zukunft nicht einfacher werden.

Und wenn sich die ambulante Versor- gung in bestimmten Regionen rapide verschlechtert? Müssten die Kassen nicht spätestens dann reagieren und über Honoraranreize nachdenken?

Köhler: Wenn Kassen sich zu der Versorgungsverantwortung, die sie haben, bekennen, müssen sie auch etwas dafür tun, dass bestimmte Regionen, Strukturen, Leistungsbe- reiche mit Anreizen versehen wer- den. Irgendwann muss das Einse- hen kommen. Denn Krankenkassen sind, man kann es nicht oft genug sagen, keine Sparkassen.

Was kann der KBV-Vorstand tun, um die Basis für regionale Verhandlungen dort zu verbessern, wo noch nicht die Schiedsämter angerufen sind?

Köhler: Wir werden sicher noch den Kontakt zum GKV-Spitzenver- band Bund suchen, auf die Situati- on hinweisen, ebenso auf falsche Behauptungen wie die von Hono- rarobergrenzen. Ob das Auswirkun- gen haben wird, kann ich noch nicht sagen. Wir werden zudem kri- tisieren, dass es offenbar eine Ge- samtstrategie der Kassen gibt, die die Vereinbarungen auf der Bundes- ebene außer Kraft setzen soll. Wenn das so ist, dann brauchen wir dort auch nicht mehr zu verhandeln.

Das Interview führte Sabine Rieser.

Als Ergebnis der Verhandlungen wurden Eck- punkte festgelegt, die Honorarerhöhungen zwi- schen 1,15 bis 1,27 Milliarden Euro begründen:

Der Orientierungswert, die Preiskomponen- te des Honorars, wird um 0,9 Prozent angehoben (plus 270 bis 290 Millionen Euro).

In den Regionen können Zuschläge auf den Orientierungswert vereinbart werden, um be- stimmte Leistungen oder bestimmte Leistungs - erbringer besonders zu fördern.

250 Millionen Euro sollen die Krankenkas- sen zur Verfügung stellen, um gezielt die Grund- versorgung im fachärztlichen Bereich sowie die palliativmedizinische und geriatrische Versorgung im hausärztlichen Bereich zu fördern.

Antrags- und genehmigungspflichtige Leis- tungen der Richtlinien-Psychotherapie sowie pro- batorische Sitzungen werden aus der morbiditäts- orientierten Gesamtvergütung herausgenommen und extrabudgetär bezahlt.

Veränderungen in der demografischen Struktur der Versicherten und in ihrer Morbidität sind zu berücksichtigen. Der Bewertungsaus- schuss empfiehlt, auf Basis der Behandlungsdia - gnosen als Veränderungsraten für die Morbidität zwischen 0,58 (Berlin) und 2,69 Prozent (Sach- sen-Anhalt) anzusetzen. Die empfohlenen Verän- derungsraten auf der Grundlage demografischer Kriterien liegen zwischen 0,18 (Bremen) und 0,83 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern).

DAS WIRD FÜRS HONORAR EMPFOHLEN

Einige KVen haben bereits das Schiedsamt angerufen, an- dere verhandeln noch oder haben Verhandlungen mit den Krankenkassen angesetzt. Die Atmosphäre ist zum Teil sehr angespannt. Das Schiedsamt angerufen haben Bay- ern, Hamburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Verhandelt wird noch in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersach- sen, Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die Verhandlungen beginnen erst noch im Saarland und in Westfalen-Lippe.

DIE VERHANDLUNGEN

P O L I T I K

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

rung wird ein Grundproblem nicht lösen: dass es eine unbegrenzte Nachfrage nach ambulanten ärztli- chen Leistungen gibt, aber nur eine begrenzte Geldmenge.. Instrumente

Jüngere tun sich leichter Dennoch ist der Aufwand für das neuartige Kodieren nach seinen Er- fahrungen in der Testphase erheb- lich: „Wir haben im MVZ eine Pro- jektgruppe

Köhler: Herr Baum, wir wollen doch lediglich in unterversorgten Gebieten dann, wenn wir keine Ärzte finden, die wirtschaftlich selbstständig tätig werden, die Mög-

Aber wenn nun die Zahl der Studienplätze erhöht werden soll, dann benötigen wir auch mehr Hochschullehrer, mehr Ausbil- dungsplätze an den Universitätskli- niken und

Ganz ent- scheidend wird aber sein, dass sich die geplante Regierungs- kommission über das Reform- modell auch verständigt.. Ihre Forderungen zum Rechtsrahmen für Selektiv-

Ulla Schmidt (SPD) und der bayeri- sche Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) machen sich weiterhin für ein Verhandlungsmonopol der Hausärzteverbände bei den HzV- Verträgen

Im Moment wird diese Dis- kussion in der Sicherheit geführt, dass am Ende alles gut geht, weil es ja immer noch den Kollektivvertrag gibt, der die Versorgung sicherstel- len muss..

Eine di- rekte Abrechnung zwischen Arzt, Patient und Krankenkasse könne für Honorargerechtigkeit und mehr Transparenz sorgen, heißt es.. Im schleswig-holsteinischen