Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 38⏐⏐21. September 2007 A2543
P O L I T I K
L
ob und Skepsis hat die For- derung von Bundesgesund- heitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hervorgerufen, in Pflegeeinrichtun- gen sogenannte Heimärzte anzustel- len. „Das ist ein erster Schritt“, sagte der Präsident des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer. Darüber hinaus müssten Pflegeheime ver- pflichtet werden, die ärztliche Ver- sorgung der Bewohner sicherzustel-len. Zurückhaltend reagierten hinge- gen Ärzteverbände auf den Vorstoß.
So sieht der Vorsitzende des NAV- Virchow-Bundes, Dr. med. Klaus Bittmann, keine Veranlassung für die Einführung eines speziellen Heimarztes. Vielmehr müssten die neuen Möglichkeiten genutzt wer- den, die Pflege in die integrierte Versorgung einzubeziehen, schlägt Bittmann vor. Als reine „Phantom- diskussion“ bezeichnete der Vorsit- zende des Hartmannbunds, Dr. med.
Kuno Winn, das Vorhaben. Ange- sichts des Ärztemangels sei nicht zu erwarten, dass es Heimen gelingen werde, Ärzte für eine Beschäftigung zu gewinnen.
Schmidt hatte zuvor kritisiert, dass es zu viele Einweisungen in
Krankenhäuser gebe, weil Ärzte in Pflegeeinrichtungen fehlten. Abhil- fe soll die Pflegereform schaffen.
Pflegekassen sollten darauf hinwir- ken, „dass stationäre Pflegeeinrich- tungen Kooperationen mit niederge- lassenen Ärzten eingehen oder eige- ne Heimärzte einstellen“, heißt es dazu in dem 260-seitigen Referen- tenentwurf zur Pflegereform, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Für Auseinandersetzungen inner- halb der Regierung sorgten zudem Passagen in dem Entwurf, wonach Arbeitnehmern zur Pflege von An- gehörigen ein zehntägiger Sonder- urlaub finanziert werden soll. Nach dem Referentenentwurf ist die Lohn- ersatzleistung für den Pflegeurlaub
„innerhalb der Koalition noch nicht endgültig abgestimmt“. Wir können nicht immer neue Leistungen ein- führen, wenn wir schon Schwierig- keiten haben, die bestehenden zu be- zahlen“, sagte CDU-Gesundheits- experte Jens Spahn. Die Union geht von rund 750 Millionen Euro Mehr- kosten für den Pflegeurlaub aus. Das Gesundheitsministerium rechnet da- gegen mit lediglich 100 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr.
Gestritten wird auch über die Mit- nahme von Alterungsrückstellungen innerhalb der privaten Pflegever- sicherung sowie über den Aufbau von sogenannten Pflegestützpunk- ten. Obwohl der Entwurf hierbei den Vorgaben der Koalitionsspitzen von Mitte Juni folgt, ist die Union skep- tisch. Einig sind sich Union und SPD hingegen in der Frage der Fi- nanzierung von Pflegeleistungen.
So werden die Pflegesätze in drei Stufen angehoben. Dafür wird der Beitragssatz zur Pflegeversicherung zum 1. Juli 2008 um 0,25 Prozent- punkte auf 1,95 Prozent steigen.
Nach Einschätzung der Regierung wird damit die Finanzierung der Pflegeleistungen für die nächsten sieben Jahre gesichert.
Unterdessen hat der Medizini- sche Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) das ge- plante Mitspracherecht von Leis- tungserbringern bei der Erstellung von Prüfberichten über Pflegeein- richtungen scharf kritisiert. Diese Regelung laufe allen Bemühungen um eine Verbesserung der Pflege- qualität entgegen, warnte Peter Pick, Geschäftsführer des MDS.
Pflege-TÜV – Aufgabe der Krankenkassen?
Hintergrund der Äußerungen ist ein Mitte August vorgestellter Bericht des MDS über die Qualität in Pfle- geeinrichtungen. Darin wiesen die Kassenexperten auf Missstände in der ambulanten und stationären Pfle- ge hin (DÄ, Heft 37/2007). Um die Qualität der Pflege zu verbessern, hatten Koalitionspolitiker gefordert, einen „Pflege-TÜV“ einzuführen.
Pick äußerte hierfür Verständnis. Er stellte jedoch klar, dass diese Auf- gaben bereits vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK)
übernommen würden. I
Samir Rabbata
PFLEGEVERSICHERUNG
Heime sollen eigene Ärzte einstellen
Der Referentenentwurf zur Pflegereform sorgt für Wirbel. Ärzteverbände kritisieren die Einführung von „Heimärzten“, die Union warnt vor ausufernden Kosten.
Ein vertrauens- volles Arzt-Pati- ent-Verhältnis ist gerade für alte Menschen wichtig.
Einen festen „Heim- arzt“ in Pflegeein- richtungen fordert Bundesgesund- heitsministerin Ulla Schmidt. Ärztever- bände setzen auf langfristige Koope- rationen mit nieder-
gelassenen Ärzten. Foto:Superbild