Prof. Dr. H. J. Pesch
Lehrstuhl f¨ur Ingenieurmathematik Universit¨at Bayreuth
Optimale Steuerung partieller Differentialgleichungen Optimal Control of Partial Differential Equations
(Teil 1: SS 2006)
11. ¨Ubung Vorbemerkung:
Ziel dieses ¨Ubungsblattes ist die Ein¨ubung der Herleitung von Optimalit¨atsbe- dingungen, jetzt auch mit der formalen Lagrange-Technik. Die ersten beiden Aufgaben sind hilfreich bei der Konstruktion von Testbeispielen mit analy- tischer L¨osung f¨ur die Bewertung numerischer Approximationsverfahren. Die dritte Aufgabe behandelt ein sehr allgemeines elliptisches Optimalsteuerungs- problem auf zwei Wegen. Die vierte Aufgabe behandelt elliptische Optimal- steuerungsprobleme mit Dirichletschen Randsteuerungen, die — aus gutem Grund — nicht Gegenstand des der Vorlesung zugrundeliegenden Buches von F. Tr¨oltzsch sind.
1) Ein modifiziertes Optimalsteuerungsproblem mit einer verteilten Steuerung und einer Dirichlet-Randbedingung
Gegeben sei ein beschr¨anktes Lipschitzgebiet Ω⊂IRN,yΩ ∈L2(Ω),eΩ∈L2(Ω) und eΓ ∈ L2(Γ). Die Funktion eΓ sei Randwert einer Funktion y ∈ H1(Ω).
Leiten Sie die notwendigen Optimalit¨atsbedingungen f¨ur die Aufgabe minJ(y, u) :=
Z
Ω
(y−yΩ)2 dx
unter den Nebenbedingungen
−∆y=u+eΩ, y|Γ=eΓ,
−1≤u(x)≤1 her.
Hinweis: Man nehme der Einfachheit halber an, dass Ω ⊂ IR2 ∼= C ist und transformiere das elliptische Randwertproblem zun¨achst auf homogene Rand- bedingungen.
2) Ein modifiziertes Optimalsteuerungsproblem mit einer verteilten Steuerung und einer Neumann-Randbedingung
Gegeben sei ein beschr¨anktes Lipschitzgebiet Ω⊂IRN,yΩ ∈L2(Ω),eΩ∈L2(Ω) und eΓ ∈ L2(Γ). Leiten Sie die notwendigen Optimalit¨atsbedingungen f¨ur die Aufgabe
minJ(y, u) := 1 2
Z
Ω
(y−yΩ)2 dx+ Z
Γ
eΓyds+ 1 2
Z
Ω
u2dx unter den Nebenbedingungen
−∆y+y=u+eΩ,
∂νy=eΓ,
−1≤u(x)≤1 her.
Hinweis: Man wende ¨Ubung 4, Aufgabe 4 und ¨Ubung 10, Aufgabe 2 an.
3) Herleitung notwendiger Optimalit¨atsbedingungen f¨ur ein Optimalsteuerungsproblem
mit einem Differentialoperator in Divergenzform
Wir betrachten das Optimalsteuerungsproblem zu der bereits in ¨Ubung 5 be- handelten allgemeineren partiellen Gleichung in Divergenzform mit dem dort eingef¨uhrten gleichm¨aßigen elliptischen Differentialoperator A:
minJ(y, v, u) := λΩ
2 ky−yΩk2L2(Ω)+λΓ
2 ky−yΓk2L2(Γ)+λv
2 kvk2L2(Ω)+λu
2 kuk2L2(Γ) unter den Nebenbedingungen
Ay+c0y=d v in Ω,
∂ν,Ay+α y=b u auf Γ1, y= 0 auf Γ0
sowie den Box-Beschr¨ankungen
va(x)≤ v(x)≤vb(x) fast ¨uberall in Ω , ua(x)≤u(x)≤ub(x) fast ¨uberall auf Γ1.
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a) Herleitung der notwendigen Optimalit¨atsbedingungen mit der formalen Lagrange-Technik:
Man leite die notwendigen Optimalit¨atsbedingungen erster Ordnung mit der formalen Lagrange-Technik her.
Hinweis: Man verwende als Zustandsraum Y :={y∈H1(Ω) : y|Γ0 = 0}
und setze als Lagrange-Funktion an L(y, u, v, p) =J(y, u, v) − Z
Ω
(Ay+c0y−d v) pdx
− Z
Γ1
(∂ν,Ay+α y−b u)pds .
Nehmen Sie außerdem wie in Abschnitt 2.10 der Vorlesung an, dass der Multiplikator p im Randintegral gerade der Randwert des Multiplika- tors pim Gebietsintegral ist.
b) Herleitung der notwendigen Optimalit¨atsbedingungen ohne die formale Lagrange-Technik:
Beweisen Sie jetzt die notwendigen Optimalit¨atsbedingungen erster Ord- nung zu obiger Aufgabe.
Hinweis: Man zeige: Das abstrakte quadratische Optimierungsproblem im zugrundeliegenden Hilbertraum L2(Ω)×L2(Γ1) lautet:
v∈Vadmin,u∈Uad
f(v, u) := λΩ
2 kSvv+Suu−yΩk2L2(Ω) +λΓ
2 kEΓ (Svv+Suu)−yΓk2L2(Γ1) +λv
2 kvk2L2(Ω)+λu
2 kuk2L2(Γ1)
mit geeigneten linearen, stetigen Operatoren Sv,Su und EΓ.
Analog zu den Lemmata 2.16, 2.17 der Vorlesung lautet die notwendige und hinreichende Bedingung f¨ur ein Minimum (¯v,u)¯ ∈Vad×Uad von f
fv0(¯v,u¯) (v−¯v) +fu0(¯v,u¯) (u−u¯)≥0 ∀ (v, u)∈Vad×Uad, wobei (fv0, fu0) = gradf der Fr´echet-Gradient von f ist.
Die in dieser Aufgabe ben¨otigte Verallgemeinerung des Lemmas aus der Ubung 10, Aufgabe 2 ¨ubertr¨agt sich analog, insbesondere bleibt die¨ Hauptaussage unver¨andert; nur die Randwertprobleme sind entsprechend gegen die allgemeineren Randwertprobleme auszutauschen (Beweis nicht erforderlich, da analog zu ¨Ubung 10, Aufgabe 2).
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c) Optimale station¨are Temperaturquelle mit vorgegebener Außentemperatur Man stelle verm¨oge der Teilaufgabe b) f¨ur das in 1.1.1 beschriebene Pro- blem der optimalen station¨aren Temperaturquelle mit vorgegebener Au- ßentemperatur die notwendigen Bedingungen auf.
4) Ein Optimalsteuerungsproblem mit einer Dirichletschen Randsteuerung
Gegeben sei ein beschr¨anktes Lipschitzgebiet Ω ⊂ IRN sowie yΩ ∈ L2(Ω) und ein Parameter λ > 0. Leiten Sie mithilfe der formalen Lagrange-Technik die notwendigen Optimalit¨atsbedingungen f¨ur die Aufgabe
minJ(y, u) := 1 2
Z
Ω
(y−yΩ)2 dx+λ 2
Z
Γ
u2ds unter den Nebenbedingungen
−∆y= 20, y=u ,
0≤u(x)≤10 her.
Hinweis: Setzen Sie die Lagrange-Funktion wie folgt an:
L(¯y,u, p¯ 1, p2) =J(y, u)− Z
Ω
(−∆y−20) p1dx+ Z
Γ
(y−u)p2ds und integrieren Sie zweimal partiell.
Bei diesem Typ von Aufgaben, darf man nicht voraussetzen, dassp1|Γ =p2ist.
Der tiefere Grund liegt darin, dass man als Steuerung eine Funktionu∈H12(Γ) vorgeben muss, um den Zustand y∈H1(Ω) zu garantieren; siehe Bemerkung 3 zu Aufgabe 1 der 4. ¨Ubung. Dies ¨andert die Analysis Dirichletscher Randsteue- rungsaufgaben deutlich gegen¨uber den bisher untersuchten Modellproblemen;
siehe
Casas, E., Raymond, J.-P.: Error estimates for the numerical ap- proximation of Dirichlet boundary control for semilinear elliptic equations, zur Publikation eingereicht; siehewww-mip.ups-tlse.fr/
publis/files/05.09.pdf.
Abgabe: L¨osungsvorschl¨age zu den Aufgaben werden vorgerechnet oder aus- geteilt. Hausaufgaben k¨onnen wegen Geldmangels leider nicht korrigiert wer- den.
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