Prof. Dr. H. J. Pesch
Lehrstuhl f¨ur Ingenieurmathematik Universit¨at Bayreuth
Optimale Steuerung partieller Differentialgleichungen Optimal Control of Partial Differential Equations
(Teil 3: SS 2007)
27. ¨Ubung Vorbemerkung:
Der Fokus dieses ¨Ubungsblattes liegt auf der Konstruktion eines Testbeispiels mit analytischer L¨osung f¨ur ein ¨ortlich eindimensionales Optimalsteuerungs- problem mit einem semilinearen parabolischen Anfangs-Randwertproblem als Nebenbedingung; siehe Aufgabe 2. Diese Aufgabe behandelt das Kapitel 5.8.1 des Buchs von F. Tr¨oltzsch. F¨ur den Beweis der globalen Optimalit¨at der L¨osung werden das Schwache Maximumprinzip bei linearen parabolischen Dif- ferentialgleichungen sowie Vergleichsprinzipien bei linearen und semilinearen parabolischen Differentialgleichungen ben¨otigt. Diese werden in Aufgabe 1 be- handelt.
1) Schwaches Maximumprinzip und Vergleichsprinzipien
Es seien Ω⊂IRn ein beschr¨anktes Ortsgebiet undQT := Ω×(0, T],T >0, der zugeh¨orige Orts-Zeit-Zylinder mit Mantel ΣT =∂Ω×(0, T]. Die Menge Σ :=
ΣT ∪ Ω¯ × {0}
heißt parabolischer Rand von QT.
Wir betrachten dann die lineare parabolische Differentialgleichung auf QT, P y :=yt+L y =f
mit dem elliptischen Differentialoperator L y =−
Xn
i,j=1
ai,jyxixj + Xn
i=1
biyxi+c y ,
wobei ai,j, bi, c ∈ C( ¯QT) f¨ur alle i, j = 1,. . ., n und L elliptisch sind, d. h.
(ai,j)i,j ist symmetrisch und positiv definit auf ¯QT.
Man zeige f¨ur Funktionen y∈ C2,1(QT)∩C( ¯QT), die f¨ur klassische L¨osungen geeignet sind:
a) Schwaches Maximumprinzip bei linearen parabolischen Diffe- rentialgleichungen
Wenn f ≤0 (bzw. f ≥0) sowie c= 0 in QT sind, dann gilt:
maxQ¯T
y= max
Σ y (bzw. min
Q¯T
y= min
Σ y).
Hinweis: Man betrachte zun¨achst den Fallf <0 inQT und zeige (durch indirekten Beweis), dass dann y(x, t) < maxQ¯T y f¨ur alle (x, t) ∈ QT, d. h., dass das Maximum von y nicht im Innern von QT liegen kann.
Den Fall f ≤0 f¨uhre man durch Betrachtung von yε:=y+ε e−t,ε >0, auf den ersten Fall zur¨uck. Dann lasse man ε→0 gehen.
Folgerung: Wenn in QT sowohlc≥0, als auch f ≤0 sind, dann gilt:
maxQ¯T
y≤max
Σ y+, wobei y+:= max{0, y}. (1) Gilt f = 0 in QT, so gilt
maxQ¯T
|y|= max
Σ |y|. (2)
Hinweis: Man betrachte den Operator P −c auf Q+T := QT ∩ {(x, t) : y(x, t)>0} und wende Teilaufgabe a) an.
b) Vergleichsprinzip bei linearen parabolischen Differentialgleichun- gen
Es seien y, z ∈C2,1(QT)∩C( ¯QT). Dann gilt:
(i) P y ≤P z in QT und y≤z auf Σ
=⇒ y ≤z auf QT (3)
oder
(ii) P y =P z in QT und y=z auf Σ
=⇒ y=z in QT . (4)
Hinweis zu (ii): Man definiere ¯y:=y e−γ t und zeigeP y =eγ t(P +γ) ¯y.
Dann w¨ahle man γ ∈ IR+ so, dass γ ≥ −c(x, t) f¨ur alle (x, t) ∈ Q¯T ist, und verwende die Folgerung zu Teilaufgabe a).
Folgerung:Ein ¨ahnliches Vergleichsresultat existiert auch f¨ur lineare pa- rabolische Anfangs-Randwertaufgaben mit Randbedingungen der dritten Art. Unter den obigen Voraussetzungen gilt:
yt−∆y ≥0 in QT
∂νy+a y ≥0 in ΣT mit a≥0 =⇒ y ≥0 in QT . y(x,0)≥0 in Ω
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c) Vergleichsprinzip bei semilinearen parabolischen Differential- gleichungen
Es seien y ∈ C2,1(QT)∩C( ¯QT), b ∈ C1(IR) und fi, gi und wi ∈ C( ¯QT), i = 1,2, mit f2 ≥ f1, g2 ≥ g1, w2 ≥ w1. Zudem sei b noch monoton wachsend. Dann gilt f¨ur zwei L¨osungen y1 und y2
der beiden folgenden Anfangs-Randwertprobleme, yt−∆y=fi in QT
∂νy+b(y) =gi in ΣT
y(x,0) =wi in Ω, dass y2 ≥y1 ist.
Hinweis: Man betrachte die Differenz y:=y2−y1 und wende die Folge- rung zu Teilaufgabe b) an.
2) Konstruktion eines Testbeispiels
Wir betrachten ein ¨ortlich eindimensionales Optimalsteuerungsproblem auf dem Rechteck Q:= (0, l)×(0, T) und setzen das Zielfunktional wie folgt an:
minJ(y, u):= 1 2
Zl
0
y(x, T)−yΩ(x)2
dx
| {z }
tracking type
− ZT
0
ay(t)y(l, t) dt
| {z }
Maximierung des gewichteten Zustands am rechten Rand
+
ZT
0
au(t)u(t) + λ 2u(t)2
dt
| {z }
Minimierung der Summe aus gewichtetem Steuerungsaufwand und Energie (Regularisierungsterm)
(5).
Die Nebenbedingungen seien von der Form:
yt(x, t)−yxx(x, t) = 0 in Q , (6)
yx(0, t) = 0 in (0, T), (7)
yx(l, t) +y(l, t) =β(t) +u(t)−χ(y(l, t)) in (0, T), (8)
y(x,0) =a(x) in (0, l), (9)
u∈Uad :=
u∈L∞(0, T) : 0 ≤u(t)≤1 fast ¨uberall .(10) Aufgabe ist es, die Parameter l,T undλ sowie die FunktionenyΩ,ay,au,β,χ und a so zu bestimmen, dass die Optimalsteuerungsaufgabe eine analytische L¨osung (¯y,u, p) besitzt. Die Funktionenklasse, aus denen die Funktionen zu¯ w¨ahlen sind, ist dabei nicht vorgeschrieben. Lediglich f¨ur die Nichtlinearit¨at geben wir eine Stefan-Bolzmann-Randbedingung vor:
χ(y) :=y|y|3. (11)
Zur Konstruktion dieses Testbeispiels gehen wir schrittweise vor, indem wir uns einen geeigneten Kandidaten (¯y,u, p¯ ) f¨ur eine optimale L¨osung vorgeben und dann die oben genannten
”freien“ Funktionen passend dazu w¨ahlen.
a) Man bestimme eine L¨osung ¯y, die das Anfangs-Randwertproblem der Nebenbedingungen l¨ost und bestimme damitl,a(x) und im Wesentlichen auch schon β(t).
b) Man stelle die adjungierte Gleichung auf und bestimme eine L¨osung p.
Diese legt die Funktionen ay(t) und yΩ(x) fest.
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c) Man w¨ahle den Parameter T. (Gibt es daf¨ur eine sinnvolle Bedingung?) d) Dann bestimme man zu ¯y und p eine Steuerung ¯u so, dass sie den not- wendigen Optimalit¨atsbedingungen erster Ordnung gen¨ugt, insbesondere gebe man die Projektionsformel f¨ur ¯uan. Damit lassen sich der Parame- ter λ und die Funktion au(t) festlegen.
Hinweis:F¨urau kann man sich auf eine konstante Funktion beschr¨anken.
Um eine
”sch¨one“ Schaltstruktur mit zwei Randsteuerungsb¨ogen und ei- nem freien Teilst¨uck der Form ¯u = 0 — ¯u∈(0,1) — ¯u= 1 zu erhalten, w¨ahle man die Schaltpunkte t1 und t2 so, dass sie das Intervall (0, T)
¨aquidistant unterteilen. Ist ¯u stetig?
e) F¨ur die so gefundene L¨osung (¯y,u, p) ¨¯ uberpr¨ufe man die hinreichenden Optimalit¨atsbedingungen zweiter Ordnung.
f ) Man beweise, dass die so gefundene L¨osung (¯y,u, p) sogar global optimal¯ ist.
Hinweis: Man entwickle zun¨achst f(u)−f(¯u) bis Terme einschließlich zweiter Ordnung (integrales Restglied). Man beachte dabei, dass zur
”Zwischenstelle“ ˜uder Zustand ˜y=G(˜u) und zu diesem der adjungierte Zustand ˜p=F(˜y) geh¨ort, wobeiF den L¨osungsoperator des adjungierten Anfangs-Randwertproblems bezeichnet.
F¨ur den dann n¨otig werdenden Nachweis der Nichtpositivit¨at von ˜pzeige man zun¨achst y(x, T)−yΩ(x)<0 f¨uralle zul¨assigen Zust¨ande y. Dazu muss man den Nachweis f¨uhren, dass f¨ur alle zul¨assigen Zust¨ande y≥0 gilt; man verwende dazu das Vergleichsprinzip aus Teilaufgabe 1c). Dann wende man das Maximumprinzip f¨ur lineare parabolische Gleichungen sowohl f¨ur die Zustandsgleichung, als auch f¨ur die adjungierte Gleichung an; siehe Teilaufgabe 1a.