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Archiv "Medizinische Rehabilitation: Der Fonds sorgt für Unsicherheit" (27.03.2009)

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P O L I T I K

A

us juristischer Sicht gibt es eigentlich keinen Zweifel:

Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen haben das Recht, in ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ge- fördert zu werden. So steht es im Sozialgesetzbuch IX. Rehabilita- tionsleistungen sollen beispiels- weise verhindern, dass Menschen als Folge einer Erkrankung dauer- haft eingeschränkt sind, also nicht mehr arbeiten können oder pflege- bedürftig werden. Diesen gesetzli- chen Auftrag hatte die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) als eine Trägerin von Rehabilitations- leistungen in der Vergangenheit nicht immer umgesetzt. Anders ist es wohl nicht zu interpretieren, dass mit dem GKV-Wettbewerbs- stärkungsgesetz (GKV-WSG) eine rechtliche Klarstellung erfolgte:

Zum 1. April 2007 wurden sämtli- che Rehabilitationsleistungen zu- lasten der GKV zu einer Pflicht- leistung und werden seitdem in den Risikostrukturausgleich (RSA) miteinbezogen – ebenso Mutter-/

Vater-Kind-Leistungen (Vorsorge und Rehabilitation). Damit sollte erreicht werden, dass nicht mehr jene Krankenkassen, die Rehaleis- tungen finanzieren, die „Dummen“

sind.

Positive Bilanz des GKV-WSG

„Wir haben mit dem GKV-WSG ein deutliches Zeichen bei der Re- ha gesetzt“, bilanzierte Marion Caspers-Merk (SPD), parlamenta- rische Staatssekretärin im Bundes- gesundheitsministerium, gut zwei Jahre nach Inkrafttreten der Rege- lung. Die Neuerungen seien aus der Erfahrung heraus notwendig gewe- sen, dass die Krankenkassen eher bei den kleineren Bereichen wie

der Rehabilitation sparten, sagte sie Mitte März beim IIR-Reha- kongress in München.

Die Rehabilitation ist zweifelsoh- ne bislang ein überschaubarer Kos- tenfaktor: Nur rund 1,5 Prozent der GKV-Ausgaben entfallen auf Reha- und Vorsorgeleistungen. Auch dafür, dass das GKV-WSG einen positiven Effekt auf die Reha hatte, gibt es in der Tat Anzeichen. Die Krankenkas- sen gaben für Rehabilitation und Vorsorge im Jahr 2008 etwa 2,6 Mil- liarden Euro aus (2006: 2,4 Milliar- den). Damit haben die Ausgaben in etwa das Niveau von 2003 erreicht.

Steigerungen waren in den vergan- genen zwei Jahren besonders bei den Mutter-/Vater-Kind-Leistungen zu verzeichnen. Diesen Bereich ließen sich die Kassen im vergange- nen Jahr 336 Millionen Euro kosten (2006: 260 Millionen). Allerdings gehe die Zahl der Anträge in diesem Gebiet mittlerweile schon wieder zurück, sagte Caspers-Merk.

Es fehlt an Transparenz Doch der Zuwachs der vergangenen beiden Jahre geht nicht nur auf das GKV-WSG zurück. Ein Großteil der Rehabilitationsleistungen zulas- ten der GKV sind Anschlussrehabi- litationen. Allein in diesem Bereich gab es einen Zuwachs von 1,6 auf 1,67 Milliarden Euro. Das neue Ge- setz hatte jedoch auf diese Leistun- gen keinen Einfluss: Die Anschluss- rehabilitationen waren auch schon zuvor RSA-fähig.

Bei der Entwicklung der Reha- leistungen zulasten der GKV fehlt es nach wie vor an Transparenz. Ei- ne Erhebung der Anträge und Be- willigungen, wie sie bei der Renten- versicherung üblich ist, wurde zwar mit dem GKV-WSG vorgeschrie- ben, diese ist aber als Jahresstatistik konzipiert. Mit Ergebnissen ist da- MEDIZINISCHE REHABILITATION

Der Fonds sorgt für Unsicherheit

Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde die Rehabilitation zur Pflichtleistung der Krankenkassen. Doch in Zeiten des Gesundheitsfonds könnten die Kassen versucht sein, bei der Reha zu sparen – fürchten die Einrichtungen.

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 13⏐⏐27. März 2009 A595

Ungewisser Weg in die Zukunft:Werden die Wirtschaftskrise und der einheitliche Betragssatz die Rehabilitation erneut in eine missliche Lage stürzen?

Foto:mauritius images

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A596 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 13⏐⏐27. März 2009

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her erst im Herbst 2009 zu rechnen.

Dann wird man möglicherweise auch beurteilen können, welchen Einfluss eine weitere Neuerung hat, die Folge des GKV-WSG ist: Der Medizinische Dienst der Kranken- versicherung überprüft nur noch jeden vierten Antrag auf Rehabilitation.

Eine weitere Änderung, die eben- so wie das Wettbewerbsstärkungs- gesetz seit April 2007 Einfluss auf die Rehabilitation hat, ist die Reha- bilitationsrichtlinie des Gemeinsa- men Bundesausschusses. Diese sieht vor, dass nur noch Vertragsärz- te mit einer bestimmten Qualifika- tion Rehaleistungen zulasten der GKV verordnen dürfen. Ausgenom- men davon sind unter anderem An- schlussrehabilitationen. Die Richt- linie hat offenbar keine größeren Engpässe verursacht. Der befürch- tete Einbruch bei den Verordnungen blieb aus – zumindest, wenn man die GKV-Ausgaben für Rehabilita- tion als Messlatte nimmt. Vor zwei Jahren war rund ein Fünftel der Vertragsärzte verordnungsberechtigt (23 024), im April 2008 waren es schon 32 907. Aktuellere Zahlen liegen zurzeit nicht vor.

Das GKV-WSG war ein positives Signal für die Rehabilitation. So viel steht fest. Doch nun sehen die Ei- richtungen mit Sorge in die Zukunft.

Der Gesundheitsfonds mit dem ein- heitlichen Beitragssatz verheiße nichts Gutes, glauben viele. Um Zu- satzbeiträge zu vermeiden, so die Befürchtung, könnten die Kassen nun wieder bei den Rehabilitations- leistungen sparen. Dieser Annah- me widersprach Caspers-Merk. Im Wettbewerb zwischen den Kranken- kassen gehe es künftig nicht mehr um die Beitragssätze, sondern um den Service für die Versicherten und das Profil der Kasse. „Das kann eine Chance für den Rehabereich sein“, prognostizierte sie. Auch der morbi- ditätsorientierte RSA setze hier kei- ne falschen Anreize. Schließlich sei es nicht nur im Interesse der Kassen, multimorbide Patienten zu haben, sondern auch, sie kostengünstig zu behandeln. Insofern müsse es nicht dazu kommen, dass die Kranken- kassen an der Rehabilitation spar- ten. Vielmehr es sei denkbar, dass sie durch die Reha sparen wollten.

Ganz so optimistisch wie Cas- pers-Merk zeigte sich Bernd Beyrle von der Techniker-Krankenkasse diesbezüglich nicht. Er geht davon aus, dass die Kassen zunächst zö- gerlich bei den Ausgaben sind, bis sie die Zuweisungen, die sie aus dem Fonds tatsächlich bekommen, besser einschätzen können. „Wir halten die Fahne der Qualität hoch, aber wir müssen auch das Geld zu- sammenhalten“, erklärte er. Dem Motto „durch Reha sparen“ schloss er sich grundsätzlich an. Gleichzei- tig stellte er aber auch klar: „Daraus sollte niemand den Automatismus ableiten, es würden wieder golde- nen Zeiten anbrechen.“

In den Einrichtungen selbst sind bislang keine Auswirkungen des Gesundheitsfonds zu spüren, wie Christian Baumbach, Kaufmänni- scher Leiter der Kinzigtal-Klinik in Bad Soden-Salmünster, schilderte.

Die Auslastung sei auch in diesem Jahr bislang gut. Weitere Einsparpo- tenziale für die Kassen sieht er im Bereich Rehabilitation nicht. „Noch günstiger können wir die Patienten

nicht versorgen“, betonte er. Nicht zuletzt angesichts der steigenden Anforderungen an die Behandlung.

Durch die Fallpauschalen in den Krankenhäusern werden die Patien- ten immer früher in die Reha ver- legt, außerdem nimmt die Zahl mul- timorbider Rehabilitanden zu.

Mehr Sorgen als der Gesund- heitsfonds bereitet Baumbach aller- dings die Wirtschaftskrise. Damit steht er nicht allein da. Erst kürz- lich hatte der Reha-Rating-Report 2009 des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Essen, den Rehabilitationseinrich- tungen harte Zeiten prophezeit, al- lerdings mit einer gewissen Verzö- gerung ab 2010. Gerade Erwerbs- tätige sind in einer wirtschaftlich schwierigen Lage zurückhaltend, was einen Antrag auf Rehabilitation angeht. Denn sie müssen um ihren Arbeitsplatz fürchten. Das dürfte in

erster Linie Auswirkungen auf die Rehabilitation der Deutschen Ren- tenversicherung haben. Aber auch die GKV ist betroffen, wenn durch hohe Arbeitslosigkeit die Beitrags- einnahmen sinken.

Die Angst, die Kassen könnten bei der Rehabilitation sparen, sitzt tief. Das mag auch daran liegen, dass es trotz wachsender Bedeutung der Rehawissenschaft kaum kon- trollierte Studien zur Wirksamkeit gibt. Die Rentenversicherung enga- giere sich seit Jahren in der For- schung, sagte Dr. Harry Fuchs, Düs- seldorf. „Die GKV hat bis heute kei- nen Pfennig in die Rehaforschung gesteckt“, kritisierte er.

Darüber, wie genau eine gute Re- habilitation auszusehen hat, besteht keine Einigkeit. Die Rentenversi- scherung hat mittlerweile für eini- ge Krankheitsbilder Leitlinien ent- wickelt. Unterdessen hat aber bei- spielsweise auch die AOK-Baden- Württemberg das Projekt „AOK pro Reha“ gestartet. Es richtet sich an Patienten nach Implantation einer Hüft- oder Knietotalendoprothese.

Freiburger Wissenschaftler haben im Auftrag der Krankenkasse ein

„evidenzbasiertes Behandlungskon- zept“ entwickelt. An dem Modell- projekt nahmen 2008 rund 7 500 Pa- tienten teil. Die Wunsch- und Wahl- rechte der Versicherten blieben ge- wahrt, betonte Dr. Christopher Her- mann von der AOK Baden-Würt- temberg. Dies jedoch stellten viele Anwesende beim IIR-Kongress in- frage. Reha-Experte Fuchs bezwei- felt, dass ein solcher Alleingang mit dem neunten Sozialgesetzbuch ver- einbar ist. Denn dieses sehe vor, dass die Träger die Qualität von Rehabilitation gemeinsam weiter- entwickeln sollten. Die Reha-Ein- richtungen könnten vor organisato- rischen Herausforderungen stehen, wenn jede Krankenkasse eigene Vorgaben für eine Behandlung ihrer Versicherten entwickelt. I Dr. med. Birgit Hibbeler

Wir haben mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz bei der Reha ein deutliches Zeichen gesetzt.

Marion Caspers-Merk, parlamentarische Staatssekretärin

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