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Archiv "Vertragsärzte: Alternative Modelle zur ärztlichen Vergütung" (08.07.1994)

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THEMEN DER ZEIT AU FSÄTZ E

Vertragsärzte

Alternative Modelle

zur ärztlichen Vergütung

Wieviel Geld für die Finanzierung des Gesundheitswesens als angemessen erachtet wird, hängt von der Bedeutung ab, die der Gesunderhaltung und dem Erreichen eines ho- hen Alters in der Gesellschaft zuerkannt wird. Die Vergü- tung ärztlicher Arbeit wird in Form und Höhe entschei-

dend von diesen gesellschaftlichen Bedingungen be- stimmt. Im folgenden soll versucht werden, die bereits praktizierten ebenso wie die theoretischen Möglichkeiten der Vergütung ärztlicher Leistungen mit ihren Vor- und Nachteilen darzustellen.

1. Vergütung nach Einzelleistungen

Die Vergütung von einzelnen durch den Arzt erbrachten Leistun- gen erlaubt durchaus einen Ver- gleich mit Entgeltverfahren, die im gewerblichen Bereich verbreitet sind.

Mit Einzelleistungsvergütungen konnten über viele Jahrzehnte Erfah- rungen gesammelt werden. So sind die nachteiligen Auswirkungen bes- ser bekannt als bei anderen nur vor- übergehend angewendeten oder un- erprobten Vergütungsformen.

Eine Akzeptanz der Einzellei- stungsvergütung kann nur durch Transparenz erreicht werden. Sie er- laubt dem Zahlungspflichtigen, die Berechtigung des Honoraranspruchs zu prüfen. Im Sachleistungssystem ist an diese Stelle die Wirtschaftlich- keitsprüfung in Form von Auffällig- keits- und Zufälligkeitsprüfungen ge- treten. Durch die im Sachleistungssy- stem zusätzlich eingeführten Men- genbegrenzungsregelungen wird aber belegt, daß die genannten Instru- mente offenbar unzureichend sind.

Daraus aber den Schluß zu ziehen, die Einzelleistungsvergütung sei ge- nerell eine ungeeignete Methode zur Ermittlung einer Vergütung, die der Leistung des Arztes angemessen ist, erscheint ohne Vergleich mit den Mängeln, die anderen Vergütungs- formen immanent sind, nicht ge- rechtfertigt. Die Einzelleistungsver- gütung hat für die Betroffenen unter- schiedliche Konsequenzen:

Vorteile für die Patienten: Diese Form der Vergütung gewährleistet für den Patienten eine relativ hohe Sicherheit, weil alles, was notwendig, und vieles, was möglich ist, nicht aus-

schließlich aus ethischen Motiven und medizinischen Gründen, son- dern gelegentlich auch aus monetä- rem Anreiz vom Arzt durchgeführt wird. Unter der Voraussetzung einer transparenten Abrechnung kann der Patient — oder im Sachleistungssy- stem die gesetzliche Krankenversi- cherung — die einzelnen Leistungen und die Angemessenheit des Hono- raranspruchs beurteilen.

Nachteile für die Patienten: Ein aus der Einzelleistungsvergütung ge- gebenenfalls resultierendes Über- maß an Leistungen kann besonders bei nicht risikolosen Eingriffen zu Belastungen für den Patienten oder im Extremfall zu iatrogenen Gesund- heitsschäden führen.

Vorteile für die Ärzte: Die Ver- gütung des Arztes entspricht im we- sentlichen dem durch die Leistungs- erbringung entstehenden Arbeitsum- fang. Weil die Vergütung aufwands- orientiert ist, können Unterschiede in der Vergütung zwischen den Ärzten damit begründet werden. Wer mehr leistet, erhält mehr Honorar.

Nachteile für die Ärzte: Bei auf- wandsorientierter Vergütung wird die aus Wissen und Erfahrung ent- stehende Fähigkeit zur Beschrän- kung nicht belohnt. Das Unterlassen überflüssiger Leistungen als Ergebnis kritischer Überprüfung der Notwen- digkeit löst keinen Honoraranspruch aus. Der Arzt, der mit einem gerin- gen Maß an wohl überlegten Leistun- gen das Ziel der Linderung oder Hei- lung einer Krankheit erreicht, muß einen monetären Nachteil in Kauf nehmen.

Vorteile für die Gesellschaft: Die Gesellschaft kann das transparente Leistungsgeschehen inhaltlich beur-

teilen und entweder akzeptieren oder Mengenbegrenzungen zum Schutz der Beitragszahler bewirken.

Nachteile für die Gesellschaft:

Die Vielfalt der Leistungen er- schwert die Überprüfung auf Ange- messenheit der Leistungsmenge im Verhältnis zu den aus der Morbidität abzuleitenden tatsächlichen Versor- gungsbedürfnissen.

11. Fallpauschalen

Behandlungsfallpauschalen kön- nen entweder auf zeitlich begrenzte Betreuungsabschnitte (A) — zum Beispiel Quartale — bezogen sein, für die Behandlung bestimmter Krankheitszustände (B) vereinbart, statistisch aus den gebietsarztgrup- pentypischen Spektren der häufig- sten Leistungen (C) zusammenge- stellt oder als praxisspezifische Be- handlungsfallpauschalen (D) gestal- tet werden. Diese Varianten treffen sowohl auf Total- als auch Teilpau- schalen zu. Allerdings sind Fallpau- schalen für Arztgruppen, die fast ausschließlich differenzierte Aufträ- ge ausführen, kaum anwendbar.

A) Auf Zeitabschnitte bezogen Mit der auf einen Zeitabschnitt bezogenen Behandlungsfallpauscha- le können — bei der Heterogenität der Leistungsspektren — nur be- stimmte, während eines vorgegebe- nen Zeitabschnitts erbrachte Lei- stungen pauschal vergütet werden. Je mehr das Leistungsspektrum einer Praxis von Besonderheiten bestimmt wird, die sowohl in bezug auf die Schwierigkeit der Erbringung als Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 27, 8. Juli 1994 (29) A-1877

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THEMEN DER ZEIT

auch hinsichtlich der damit verbun- denen Kosten von den „Durch- schnittsleistungen" abweichen, um so weniger eignen sich pauschale Ver- gütungsformen, weil das Prinzip der Angemessenheit mißachtet wird.

Dies trifft besonders auf Pauschalen zu, die allein Bezug zum Zeitab- schnitt der Behandlung haben und nicht zu den Leistungsinhalten.

Vorteile für die Patienten: Mit Quartalspauschalen wird die Mög- lichkeit eröffnet, im einzelnen Fall entweder mehr oder weniger Lei- stungen zu erbringen, als durch die zwangsläufig am Durchschnitt orien- tierte Pauschale vergütet wird. Dies verschafft Spielraum in der Entschei- dung, weil Erwägungen zur Wirt- schaftlichkeit oder Effektivität nicht im einzelnen angestellt werden müs- sen. So wird der Arzt die Zahl der Patientenkontakte auf das Notwendi- ge beschränken, weil ein mit der Ein- zelleistungsvergütung verbundener Übermaßanreiz wegfällt. Die Be- schränkung der Arzt-Patientenkon- takte auf das medizinisch Notwendi- ge ist ein möglicher Vorteil.

Nachteile für die Patienten: Eine Pauschale provoziert die Befürch- tung, daß notwendige Maßnahmen, die zwangsläufig mit Kosten verbun- den sind, unterlassen werden. Das Risiko ist jedoch bei hoher Arztdich- te und damit in Anbetracht der mög- lichen Entscheidung des Patienten, einen bestimmten Arzt nicht mehr aufzusuchen, als gering einzuschät- zen. Hinzu kommen der moralische und der forensische Aspekt.

Vorteile für die Arzte: Der gut ausgebildete und berufserfahrene Arzt wird nicht dazu verleitet, aus monetären Motiven Leistungen zu erbringen, die er unter Abwägung der Notwendigkeit unterlassen kann.

Er spart so auch Kosten. Ferner tritt

— unter anderem durch Vereinfa- chung der Abrechnung und weitge- hendes Wegfallen der Wirtschaftlich- keitsprüfung — eine kostenmindern- de Verwaltungsvereinfachung ein, die bei allen pauschalen Vergütungs- formen für die Praxen wie auch für die KVen und die Krankenkassen zu den Vorteilen zu zählen ist.

Nachteile für die Ärzte: Eine quartalsbezogene Behandlungsfall- pauschale würde aufwandsunabhän-

AUFSATZE

gig an alle Ärzte derselben Gebiets- bezeichnung gezahlt. Sie könnte des- halb nur insoweit eingeführt werden, als unzweifelhafte Praxisbesonder- heiten, die den Rahmen des üblichen Leistungsspektrums sprengen, davon ausgenommen bleiben.

Die Einführung innovativer Lei- stungen in die vertragsärztliche Ver- sorgung müßte zu einer angemesse- nen Erhöhung der Pauschalen füh- ren, sofern es sich nicht um „Exklu- sivleistungen" handelt, die neben der Pauschale weiter als Einzelleistungen vergütet werden müssen. Die Ver- handlungen mit den Versicherern darüber würden sicher schwierig.

Vorteile für die Gesellschaft: Das Leistungsgeschehen würde von einer zwangsläufigen Mengendynamik ab- gekoppelt, diese wäre lediglich noch fallzahlabhängig. Die Fallzahlen ha- ben aber eine enge Korrelation zur Mitgliederentwicklung und damit zu einem der Faktoren, welche die wirt- schaftliche Lage der Krankenkassen bestimmen Eine Anbindung der ärztlichen Vergütung an die wirt- schaftliche Gesamtsituation wird — in welcher Form auch immer — be- stehen bleiben. Mit pauschalen Ver- gütungen für zeitlich begrenzte Be- treuungsabschnitte wäre die Ausga- benentwicklung in der ambulanten Versorgung besser prognostizierbar.

Nachteile für die Gesellschaft:

Die Transparenz über die Häufigkeit und Verteilung pauschal abgegolte- ner Leistungen ginge verloren. Die Bereitschaft der Arzte zur Präsenz und zur Erbringung schwieriger oder aufwendiger und innovativer Lei- stungen, die pauschal abgegolten werden, könnte nachlassen.

B) Indikationsbezogen

Pauschalen mit Diagnose- oder Indikationsbezug werden im Bereich der ambulanten Versorgung vielfach zunächst an den Symptomen ausge- richtet werden müssen, weil die Dia- gnose erst erarbeitet werden muß.

Insofern besteht hier ein wesentli- cher Unterschied zum Krankenhaus, wo es sich um einen zeitlich begrenz- ten „Fall von . ." unabhängig davon handelt, ob die Einweisungsdiagnose richtig oder falsch war.

Vorteile für die Patienten: Der

Arzt wird bemüht sein, bei einer für die Behandlung einer bestimmten Erkrankung festgelegten Gebühr die- se möglichst bald beanspruchen zu können. Er muß also die Erkrankung schnell und erfolgreich heilen, was bei allen pauschalen Vergütungsfor- men für den Patienten wie für den Arzt wirtschaftlich von Nutzen ist.

Nachteile für die Patienten: Eine Einengung der Honorierung auf die Behandlung definierter Krankheiten (nach ICD?) beinhaltet das Risiko, daß gesundheitliche Probleme des Patienten, die sich nicht in ein Sche- ma von Krankheiten einordnen las- sen, vernachlässigt werden könnten.

Vorteile für die Ärzte: Vergleich- bare Vorteile wie bei der zeitbezoge- nen Behandlungsfallpauschale erge- ben sich nur zum Teil, weil insbeson- dere bei der permanenten Betreuung multimorbider Patienten und auch bei der Behandlung nicht schwerwie- gender Gesundheitsstörungen indi- kationsbezogene Pauschalen keinen angemessenen Bezug zur Leistungs- erbringung haben.

Nachteile für die Ärzte: Je nach Wissensstand, Erfahrung und Hal- tung des Arztes wird der Verdacht auf das Vorliegen von Krankheiten, die zu einer indikationsbezogenen Pauschale mit nennenswertem Hono- rar führen, unterschiedlich oft ent- stehen. Dies kann zum einen den Vorwurf provozieren, die Ärzte wür- den die Diagnosen zu ihrem wirt- schaftlichen Vorteil manipulieren.

Andererseits kann auch trotz multi- pler Beschwerden und zahlreicher Symptome die Diagnose „o.B." lau- ten. Wie die einer solch günstigen Diagnose vorangegangenen ärztli- chen Bemühungen zu vergüten wä- ren, bleibt offen.

Vorteile für die Gesellschaft: Un- ter der Voraussetzung, daß die pau- schal vergüteten Behandlungen be- stimmter Krankheitsbilder über- haupt ausreichend präzise definiert werden können und die Zahlen mit der Morbidität korrelieren, entsteht möglicherweise ein Vorteil für die prognostische Kalkulation der Ge- sundheitskosten.

Nachteile für die Gesellschaft:

Die Kosten der ambulanten oder auch stationären Behandlung wür- den letztlich abhängig von der Häu-

A-1880 (32) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 27, 8. Juli 1994

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THEMEN DER ZEIT

figkeit bestimmter Verdachtsdiagno- sen.

C) Gebietsgruppenspezifisch Aus der bisherigen Einzellei- stungsabrechnung läßt sich ermitteln, welche Leistungen für die einzelnen Gebietsarztgruppen charakteristisch sind. Diese in großer Häufigkeit un- vermeidbar zu erbringenden Leistun- gen könnten zu Teilpauschalen zu- sammengefaßt werden, speziellere Leistungen daneben weiter einzeln vergütet werden.

Vorteile für die Patienten: Der Arzt könnte sich auf das wirklich Notwendige bei der Erbringung die- ser typischen Leistungen beschrän- ken. Er hätte mehr Zeit für die per- sönliche Zuwendung und zur Erbrin- gung speziellerer, nicht pauschal ab- gegoltener Leistungen. Im übrigen gleichen die Vorteile den unter II. A) aufgeführten.

Nachteile für die Patienten: Wie bei allen pauschalen Vergütungsfor- men bestünde das Risiko einer Lei- stungsunterlassung.

Vorteile für die Arzte: Neben der Abrechnungsvereinfachung entstün- de für diesen Teilbereich der Lei- stungen der Vorteil, daß sie je nach Umständen zeitlich verdichtet oder gedehnt ohne Behinderung durch den Ausschluß von Nebeneinander- berechnungen erbracht werden kön- nen. Rationalisierungsvorteile für Arzt und Patienten würden aus einer zu erwartenden Reduzierung der In- anspruchnahmefrequenz erwachsen.

Nachteile für die Ärzte: Eine Un- gleichbehandlung der Ärzte dersel- ben Gruppe im Verhältnis zwischen der identischen Pauschale und dem unterschiedlichen Aufwand aufgrund der verschiedenen Patientenkollekti- ve wäre auch bei dieser pauschalen Vergütungsform gegeben.

Vorteile und Nachteile für die Gesellschaft: Als Nachteil für die Kostenträger kann der Anreiz be- trachtet werden, die neben einer Teilpauschale verbleibenden Einzel- leistungen vermehrt zu erbringen. Im übrigen vergleichbar II A) und B).

D) Praxisspezifisch

Auf der Basis der nach Einzellei- stungsabrechnung innerhalb eines

AUFSATZE

festzulegenden Zeitraums erarbeite- ten und als wirtschaftlich erachteten Honoraransprüche eines Arztes und dem daraus zu ermittelnden indivi- duellen Gesamtfallwert könnte — am besten auf freiwilliger Grundlage

— unter bestimmten Voraussetzun- gen eine praxisspezifische Behand- lungsfallpauschale an die Stelle der Einzelleistungsvergütung treten.

Vorteile und Nachteile für die Patienten: Vergleichbar II A), B) und C).

Vorteile für die Ärzte: Der ent- scheidende Vorteil bestünde darin, daß — Freiwilligkeit vorausgesetzt — die Entscheidung entweder zugun- sten einer weiter bestehenden Ein- zelleistungsabrechnung — gegebe- nenfalls mit komplexen Anteilen — oder für die arztindividuelle Behand- lungsfallpauschale nach der spezifi- schen Praxisstruktur getroffen wer- den könnte. Eine solche fallzahlab- hängige Pauschale müßte in ihrer Höhe weitgehend dem Honorar ent- sprechen, das bis dahin aus dem für die Praxis zutreffenden und als wirt- schaftlich akzeptierten Leistungs- spektrum beansprucht worden ist. Im übrigen entstünden vergleichbare Vorteile, wie unter II A), B) und C).

Nachteile für die Arzte: Die Nachteile sind infolge der Entschei- dungsfreiheit nicht so wie bei verfüg- ten Vergütungsformen zu werten, weil eine Alternative erhalten bliebe.

Der Arzt könnte die jeder Vergü- tungsregelung anhaftenden Nachtei- le gegeneinander abwägen und die seiner Praxisstruktur besser entspre- chende Form wählen.

Vorteile für die Gesellschaft: Die Diskussion auch außerhalb der Ärz- teschaft über die adäquate Vergü- tung ärztlicher Leistungen könnte durch das Freiwilligkeitsprinzip bei einer Wahl zwischen unterschiedli- chen Vergütungsformen an Bedeu- tung verlieren, weil sie aus der Ärzte- schaft selbst nicht mehr so angeregt würde wie bisher. Das mit dem GSG partiell vom Gesetzgeber übernom- mene Experimentieren mit ärztlichen Vergütungsformen bis hin zu Detail- regelungen könnte zugunsten einer rahmensetzenden gesetzgeberischen Kompetenz wieder verlassen werden.

Nachteile für die Gesellschaft:

Angenommen, daß weiterhin mehr

oder weniger gut an die medizinische Entwicklung angepaßte Budgetrege- lungen bestehen bleiben, sind keine nennenswerten Nachteile zu erken- nen, selbst wenn der größere Teil der Ärzte die Entscheidung für die Ein- zelleistungsvergütung träfe.

III. Leistungskomplexe Faßt man Leistungen zu Kom- plexen zusammen, bieten sich dafür verschiedene Wege an:

1. Zusammenfassung verfah- rensgleicher Leistungen zu einer Ge- bührenordnungsposition (zum Bei- spiel Injektionen).

2. Zusammenfassung ablaufsbe- zogener Leistungen (zum Beispiel Versorgung einer Wunde unter Lo- kalanästhesie mit Naht, Verbänden usw. bis zur abgeschlossenen Wund- heilung).

3. Zusammenfassung krank- heitsbezogener Leistungen, ver- gleichbar der indikationsbezogenen Pauschale.

4. Bildung von Komplexen aus den statistischen Häufigkeiten der abgerechneten Einzelleistungen.

Aus der Aufzählung geht hervor, daß für die Bildung von Leistungs- komplexen keine wesentlich anderen Möglichkeiten als für die Bildung von Pauschalen bestehen. Die Leistungs- komplexe (1.) und (2.) stehen als ein- griffsbezogene Vergütungen der Ein- zelleistungsvergütung nahe. Die Lei- stungskomplexe (3.) und (4.) weisen dagegen eine Nähe zu Pauschalen auf, auch wenn sie nicht a priori, son- dern zum Beispiel erst nach Erbrin- gen einer Mindestzahl von Leistun- gen abgerechnet werden könnten.

Für die Kategorien (2.), (3.) und (4.) müßte demnach bestimmt werden, ob die Komplexe nur abgerechnet werden könnten, wenn die mit ihnen abgegoltenen Leistungen sämtlich vollständig erbracht worden sind, oder ob die Erbringung von „Schlüs- selleistungen" ausreichend wäre.

Aus Gründen der Mengenbe- grenzung wird eine Festlegung der Anzahl abrechenbarer Leistungs- komplexe innerhalb eines Abrech- nungszeitraumes unvermeidbar sein.

Dann aber sind die Leistungskomple- xe nach (3.) und (4.) für den Einzel- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 27, 8. Juli 1994 (33) A-1881

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THEMEN DER ZEIT

fall den entsprechenden Pauschalen identisch. Der Unterschied bestünde nur darin, daß letztere in allen Be- handlungsfällen abgerechnet werden könnten.

Fordert man, daß ein Leistungs- komplex erst abgerechnet werden kann, wenn alle seine Bestandteile erbracht worden sind, fällt der be- triebswirtschaftliche Vorteil, den ei- ne Pauschale in bestimmten weniger leistungsintensiven Fällen hat, voll- ständig weg. Die Unwirtschaftlichkeit aus der Erbringung entbehrlicher Leistungen zum Erreichen des In- halts eines Leistungskomplexes wür- de — im Gegensatz zur Einzellei- stungsvergütung mit „kollektiver Haftung" durch Punktwertverfall — in die eigene Praxis verlegt.

IV. Praxisbudgets

Den Praxen könnten für die am- bulante ärztliche Versorgung eines Versichertenkreises fallzahlabhängi- ge Budgets zur Verfügung gestellt werden, die zugleich zum Beispiel die Kosten für die Arzneiversorgung und die Krankenhausbehandlung umfas- sen. Hierbei ergibt sich die Frage nach der Begrenzung (Heil- und Hilfsmittel, Krankentransportkosten, Kosten für Kuren, Rehabilitation, Lohnfortzahlung, Krankengeld usw.). Dabei ist unverkennbar, daß die Praxen oder regionale Zusam- menschlüsse von Praxen versiche- rungstypische Risiken übernehmen müßten.

Vorteile für die Patienten: Eine Konzentration der Verantwortung für die gesamte gesundheitliche Be- treuung durch die Praxen muß dazu führen, daß eine maximale Effizienz aller im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung stehenden Be- reiche angestrebt wird. Die Praxis müßte also im wohlverstandenen Ei- geninteresse unter den Alternativen einer Behandlung mit praxiseigenen Therapiemöglichkeiten, mit Arbeits- ruhe, Pharmakotherapie, Kranken- hausbehandlung usw. die effiziente- ste Kombination anstreben, um ko- stengünstig den optimalen Behand- lungserfolg zu erzielen.

Nachteile für die Patienten: Ein solches System muß die Beziehung

AUFSATZE

zwischen Arzt und Patient belasten.

Der Kranke würde — je nach den Bereichen, die im Budget mit verwal- tet werden — einem gewissen Druck des Arztes ausgesetzt sein, sich unab- hängig von seinen eigenen Vorstel- lungen so effektiv wie möglich behan- deln zu lassen.

So würde beispielsweise die Ab- wägung zwischen konservativer oder invasiver Therapie vor allem nach dem Erfolgsprinzip und erst in zwei- ter Linie nach den persönlichen Be- dürfnissen des Kranken erfolgen. Ei- ne Einflußnahme auf möglichst kurze Krankenhausaufenthalte und Ar- beitsunfähigkeitszeiten könnte so- wohl Vorteile als auch Nachteile für die Patienten sein.

Vorteile für die Ärzte: Abhängig von der Ausstattung des Budgets würde den Ärzten ein betriebswirt- schaftlicher Vorteil auch aus den Einsparungen erwachsen, die bei ver- ordneten Leistungen erzielt werden.

Mit der Übernahme erheblicher zu- sätzlicher unternehmerischer Risi- ken müßte außerdem auch ein ent- sprechender „Unternehmergewinn"

verbunden werden.

Nachteile für die Ärzte: Bei un- zureichender Ausstattung des Bud- gets oder fehlenden Kompensations- regelungen kann — etwa bei epide- mischen Krankheiten — ein betriebs- wirtschaftlich kaum kalkulierbares

„Versicherungs"-Risiko entstehen.

Vorteile für die Gesellschaft: Die Effizienz würde mit einem derartigen System wahrscheinlich am höchsten sein. Dabei müßte allerdings akzep- tiert werden, daß die niedergelasse- nen Ärzte — gegebenenfalls in Ko- operation mit Krankenhausärzten — eine weit höhere Kompetenz zuge- sprochen bekommen als bisher. Dies kann als Vorteil oder als Nachteil be- trachtet werden.

Nachteile für die Gesellschaft:

Die zwangsläufig mit einem solchen System verbundene Erhöhung der Kompetenz der Ärzte stellt auch ein ordnungspolitisches Problem dar, bei dem viele Widerstände auftreten werden. Die den Ärzten neben der medizinischen abzufordernde ökono- mische, juristische und verwaltungs- technische Kompetenz ist bei der derzeitigen Aus- und Weiterbildung nicht vorauszusetzen.

V. Gehaltszahlungen Auf die Abwägung der Vor- und Nachteile dieser Vergütungsform wird verzichtet. Es sei lediglich ein Verweis auf die schlechten Erfahrun- gen erlaubt, die in anderen Ländern, besonders in der ehemaligen DDR damit gemacht worden sind. Auch würden die Mängel in der Bezahlung der Krankenhausärzte in eine ambu- lante Versorgung durch angestellte Ärzte übertragen.

Die Motivation ärztlichen Han- delns erwächst hierbei vor allem aus ethischen Prinzipien. Die monetäre Stimulation zu überdurchschnittli- cher Leistung in Intensität und Ar- beitszeit würde weitgehend entfallen, so daß mehr Ärzte für die ambulante Versorgung gebraucht würden als in einem System, das auf Freiberuflich- keit gründet.

Schlußbemerkung

Versucht man, die den verschie- denen Vergütungsformen eigenen Vorteile und Mängel zu vergleichen, kommt man zunächst zu der Überle- gung, mit einer Mischform der Ver- gütungen die jeweiligen Vorteile mit- einander zu verbinden. Die von einer Seite als Vorteile angesehenen Um- stände werden aber von anderer Sei- te als Nachteile verstanden.

Die Frage nach der optimalen Vergütungsform ist also aus ärztli- cher Sicht zu beantworten. Überle- genswert wäre es, dem Arzt, der im Sachleistungssystem — also als Ver- tragsarzt — tätig ist, alternative Ver- gütungsformen anzubieten. Eine Wahlmöglichkeit und damit eine frei- willige Entscheidung zum Beispiel entweder für die Einzelleistungsver- gütung oder für eine praxisspezifi- sche Behandlungsfallpauschale könnte — solange keine grundlegen- de Änderung des Systems eintritt — zur Entspannung in der Diskussion um die richtige Form der Vergütung ärztlicher Arbeit beitragen.

Dr. med. Manfred Moewes Leiter der Honorarabteilung Kassenärztliche Bundesvereinigung Herbert-Lewin-Straße 3

50931 Köln A-1882 (34) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 27, 8. Juli 1994

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