P O L I T I K
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A1558 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 22⏐⏐3. Juni 2005
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ach dem jüngsten Urteil des Bun- dessozialgerichts (BSG) zum so genannten 10-Pfennig-Punktwert vom 28. Januar 2004 stehen Psychologi- schen Psychotherapeuten und ärztlichen Psychotherapeuten, die mehr als 90 Prozent psychotherapeutisch tätig sind, Nachzahlungen in Millionenhöhe für ihre zwischen 2000 und 2004 erbrachten Leistungen zu. Erste Abschlagszahlun- gen auf die Nachvergütung haben in- zwischen fast alle Kassenärztlichen Ver- einigungen (KVen) geleistet. Der Streitum die Finanzierung ist jedoch längst nicht abgeschlossen – die meisten KVen verhandeln noch mit den Krankenkas- sen um eine Beteiligung an den zum Teil sehr hohen Summen:An der Spitze liegt mit 120 Millionen Euro die KV Nord- rhein, gefolgt von Berlin mit 66 Millio- nen und Hessen mit 57 Millionen. In Berlin hat erstmalig ein Schiedsamt fest- gelegt, die Krankenkassen zur Hälfte an der Finanzierung zu beteiligen und ebenso die Psychotherapeuten mit 4,74 Millionen. Diese Entscheidung dürfte
wegweisend sein. Da die KV keine Rückstellungen gebildet hat, ist der Facharzttopf durch die Nachvergütun- gen besonders belastet. Auch weil Berlin mit 31 Prozent bundesweit den höchsten Anteil an Psychologischen Psychotherapeuten im Vergleich zu Fachärzten hat, und zwar 1 607 zu 3 515.
Etwa die Hälfte der KVen schüttet nur an diejenigen die Nachvergütungen aus, die Widerspruch gegen ihre Honorar- bescheide eingelegt haben.
In der KV Nordrhein sanken die
„Restpunktwerte“ für nicht genehmi- gungspflichtige Leistungen extrem, zum Beispiel bei der IKK auf 0,06 Cent. Er- neute Verhandlungen mit den Kassen waren notwendig, die bei BKK, AOK und IKK mit einer Stützung endeten (Tabelle). Bei den Ersatzkassen steht die Stützung noch aus: der Punktwert für das vierte Quartal liegt bei 0,3147 Cent. Das sind 4,56 Euro beispielsweise für eine 50-minütige probatorische Sit-
zung. Petra Bühring
Vergütung psychotherapeutischer Leistungen
Weiter Streit um die Finanzierung
Überblick über den Stand der Nachvergütungen in den Bundesländern
Stand der Nachvergütungen psychotherapeutischer Leistungen
Kassenärztliche Gesamtnach- Auszahlung Wer erhält die Nachzahlung? Aktueller Mindestpunktwert Restpunktwert
Vereinigung vergütungssumme (Durchschnitt; in Cent) (3. oder 4. Quartal)
Baden-Württemberg teilweise; Verhandlungen alle Berechtigten zwischen 2,0 und
mit Krankenkassen; 3,8 Cent
Schiedsamtsverfahren
Bezirksdirektion Freiburg 15,7 Mio. 4,96
Bezirksdirektion Karlsruhe 14,2 Mio. 4,80
Bezirksdirektion Reutlingen 14,7 Mio. 5,44
Bezirksdirektion Stuttgart 28,3 Mio. 5,52
Bayerns 16 Mio. Abschlagszahlung nur Widerspruchsführer 5,11 EK 3,95; PK 4,27; BKK 4,60*
Berlin 66 Mio. Auszahlung soll über alle 4,42 EK 4,28; PK 3,49
Quartale gestreckt werden.
1. Auszahlung Ende März
Bremen 11 Mio. teilweise; Verhandlungen nur Widerspruchsführer 5,01 EK 4,23; PK 2,91
mit Kassen
Hamburg 20 Mio. ganz ausgezahlt; alle 4,74 EK 3,26; PK 2,58
Verhandlungen
Hessen 57 Mio. 15,75 Mio.; Verhandlungen nur Widerspruchsführer 4,68 EK 3,2; PK 2,6
Mecklenburg-Vorpommern 2,7 Mio. 1,3 Mio.; Verhandlungen alle 4,6 EK 3,6; AOK 3,5; BKK 4,1
Niedersachsen 25 Mio. ganz ausgezahlt; nur Widerspruchsführer 5,07 EK 3,40; PK 2,76
Verhandlungen
Nordrhein 120 Mio. Akonto-Zahlung im April; alle 5,05 EK 0,3147; BKK 3,33;
Verhandlungen, PK 3,50
Schiedsamtsverfahren
Rheinland-Pfalz 9 225 000 Mio. Gesamtsumme ausgezahlt; nur Widerspruchsführer 4,67–5,05 3,0–4,38
Verhandlungen
Saarland 2,2 Mio. 850 000 im Januar; alle Honorarverhandlungen EK 3,51; PK 1,95
Auszahlung erst für 2004 noch nicht
nach Verhandlungen abgeschlossen
Thüringen 3,8 Mio. noch keine Abschlags- noch nicht festgelegt – –
zahlungen; Verhandlungen mit Kassen beginnen erst
Sachsen Keine Auskunft
Sachsen-Anhalt 14 Mio. – – 4,4
Schleswig-Holstein 14 Mio. bereits ganz ausgezahlt alle 4,8 0,05
Westfalen-Lippe 50 Mio. Zahlung über vier Quartale, Widerspruchsführer 5,29 PK 2,5; EK 2,8; PK 2,5
teilweise bereits ausgezahlt 100 Prozent
*EK = Ersatzkassen; PK = Primärkassen; BKK = Betriebskrankenkassen Quelle: Kassenärztliche Vereinigungen