DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Sponsorship, positiv gestaltet
Wenn die Pharma-Industrie Pu- blikationen fördert, die der ärzt- lichen Aufklärungsarbeit dienen, so wird das oft — wie auch Beschlußan- träge auf dem 91. Deutschen Ärzte- tag in Frankfurt wieder gezeigt ha- ben — als Versuch der Arzneimittel- Hersteller ausgelegt, die Ärzte auf bestimmte Präparate einzuschwö- ren.
Es kann und soll hier nicht in Abrede gestellt werden, daß solche Versuche stattgefunden haben und wohl auch weiterhin stattfinden wer- den. Es darf aber ebensowenig in Abrede gestellt werden, daß manche dringliche ärztliche Veröffentli- chung ohne hilfreiche Förderung der Industrie niemals hätte erscheinen können.
Ein Beispiel dafür liefert die vom Berufsverband der Frauenärzte herausgegebene Informationsserie
„Aus der Praxis — Mehr Informatio- nen vom Frauenarzt" , in der kürz- lich das sechste Blatt erschienen ist.
Thema: „Empfängnisverhütung bei jungen Mädchen".
Hinter dem Motto — „Wenn man sich alt genug für die Liebe, aber zu jung für ein Kind fühlt" — stehen harte soziale Fakten und zu- gleich tiefe Sorgen einer durch ge- sellschaftlichen Wertewandel verun- sicherten Generation. Alljährlich werden etwa 20 000 Mädchen zwi- schen zwölf und achtzehn Jahren schwanger, ohne es gewollt zu ha- ben. Die Zahl der Abbrüche bleibt im dunkeln. Man weiß nur, daß sie nicht niedrig ist. Selbstmorde junger Mädchen wegen ungewollter und unbewältigter Schwangerschaft sind keine Seltenheit.
Ausgehend von einer neutralen Information über alle Methoden der Empfängnisverhütung, hebt das In- fo-Blatt des Berufsverbandes der Frauenärzte die für junge Mädchen geeigneten hervor, es ermutigt zu dem oft mit Angst belasteten Ge- spräch zwischen Mädchen und Arzt, zwischen Tochter und Mutter oder Freundin und Freundin, aber auch zwischen den jugendlichen Partnern selbst.
Die psychischen Besonder- heiten, denen die angesprochenen Jahrgänge noch unterliegen, werden ohne abschreckende „Belehrung`
Das liegt an dem glück- lichen Einfall der Initiatoren, die Jugendlichen in die Abfassung der Texte einzuschalten. Der Jargon stimmt, von der Sprache und der Kommunikation her ist das Ver- ständnis gesichert.
So gut gemachte und eingängig servierte ärztliche Aufklärung sollte vom Verdacht unerwünschter Fir- menwerbung auch dann ausgenom- men sein, wenn die Schriften am En- de den dezenten Hinweis auf einen Sponsor enthalten. KG
Dudeln
mit 115 dB .. .
Alles ist gefährlich. Selbst das unschuldige Dudelsackblasen! Die HNO-Doktoren Hartenstein und Brittain aus Rutland im US-Ostkü- stenstaat Vermont (wo Frau Zuck- mayer ihr entzückendes Erinne- rungsbuch an die Emigration ge- schrieben hat) haben ihrer Fachzeit- schrift mitgeteilt, daß ein Dudel- sackbläser sein linkes Ohr einem Schalldruck von sage und schreibe 115 Dezibel aussetzt.
Die Schmerzgrenze, sagt die Autorität Pschyrembel, liegt bei 130 dB. Und die amerikanische Arbeits- schutz-Gesetzgebung verlangt, daß ein Arbeitnehmer einer Lautstärke von 115 dB nicht länger als 15 Minu- ten hintereinander ausgesetzt sein darf.
Sind Dudelsackbläser Arbeit- nehmer? Nun, ein schottischer Mili- tärbläser ist erstens wohl Dudelsack-
„Pfeifer` und zweitens ist er Be- rufssoldat, also Arbeitnehmer; aber zum Beispiel ein dudelnder abruzzi- scher Schafshirt . . .?
Bloß: die Empfindlichkeit des Gehörs hat mit der Arbeitnehmerei- genschaft sicher nichts zu tun. Ein Schallschutzpfropfen im Ohr kann die Gefahr erheblich mildern, schla- gen Hartenstein und Brittain vor.
Aber macht das Musikmachen denn überhaupt noch Spaß, wenn man es gar nicht mehr hört?
FRAGEN SIE DR. BIERSNYDER!
Mager- bzw. Freßsueht
Sehr geehrter Herr Kollege, sehr interessant ist ja die These über die Mager- beziehungsweise Fre ßsucht, wonach unsere Streßge- sellschaft dafür angeschuldigt wird.
Was halten Sie davon?
Dr. Biersnyder antwortet: Gar nichts, weil der Personenkreis, der üblicherweise an dieser Störung lei- det, nicht gerade zu den streßge- schädigten Personen unserer Gesell- schaft gehört. Wie Sie sicherlich wis- sen, sind besonders Mädchen der Mittel- und der Oberschicht davon betroffen. Vergessen Sie außerdem nicht, daß zur Ausbildung einer neu- rotischen Störung grundsätzlich auch ein persönlicher Freiraum ge- hört; also hinreichend Geld und freie Zeit.
Allerdings: Es ist bekannt, daß nicht nur das Dudelsackblasen (oder -pfeifen), sondern das Mitwirken im Orchester überhaupt auf die Dauer gehörschädigend sein kann, insbe- sondere wenn das Orchester im Opernhaus im „Graben" sitzt und entsprechend geballtem Schall aus- geliefert ist. Es gibt für den Gesetz- geber, der ja Leben und Gesundheit seines Volkes und seiner Wähler zu schützen hat, eben nur eins: Die Komponisten sind gesetzlich zu ver- donnern, nur noch piano oder höchstens gelegentlich einmal mez- zoforte zu komponieren. Und eine parlamentarische Musik-Dezibel- Kommission wird eingesetzt, die in der gesamten Orchesterliteratur der Musikgeschichte die Lautstärkean- gaben nach unten zu korrigieren hat.
Discos? Na, klar: Abschaffen. Oder nur noch Miniboxen zulassen, mit höchstens 15 Watt.
Und die Dudelsäcke müssen selbstverständlich umgebaut werden
— die drei Pfeifen dürfen eben nicht mehr neben dem linken Ohr stehen, sondern müssen künftig unten aus dem Dudelsack heraushängen.
Kombiniert mit dem Schottenrock könnte das ja sogar ganz reizvoll aussehen. . . bt A-2340 (24) Dt. Ärztebl. 85, Heft 34/35, 29. August 1988