• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "FRAGEN SIE DR. BIERSNYDER! Intelligenz oder Bequemlichkeit" (08.10.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "FRAGEN SIE DR. BIERSNYDER! Intelligenz oder Bequemlichkeit" (08.10.1986)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DIE GLOSSE

Prioritäre

Krankheitsziele

Runde Daten üben offenbar einen magischen Einfluß auf das Denken aus: Beim ersten Jahrtausend soll- te die Welt untergehen, beim zwei- ten Jahrtausend sollte die Ge- sundheit für alle erreicht sein.

Nachdem einige kleinere medizini- sche, ökonomische und struktu- relle Hindernisse auf dem Weg zu diesem Ziel nicht rechtzeitig be- seitigt sein dürften, muß nun neu und genauer geplant werden.

Die Zwecke der Medizin — Krank- heit zu vermeiden und zu heilen, sowie einen vorzeitigen Tod zu verhindern — sind zwar jedem leid-

lich klar und selbstverständliche Grundlage ärztlichen Handelns, aber leider völlig ungeplant. So konnte es geschehen, daß Wissen- schaft und Medizin immer allen Kranken und ohne jede zeitliche Vorgabe helfen und die Ziele der Medizin uneingeschränkt errei- chen wollten. Das mußte ja in die Hose gehen. Nun wird durch streng wissenschaftliches Planen von prioritären Krankheitszielen

FRAGEN SIE DR. BIERSNYDER!

Intelligenz

oder Bequemlichkeit

Sehr geehrter Herr Doktor, mein Sohn will alle sogenannten

„schwierigen" Fächer jetzt vor dem Abitur abwählen und danach Medizin studieren. Was meinen Sie dazu?

Dr. Biersnyder antwortet: Diese Idee spricht sicher für die Intelli- genz Ihres Sohnes, aber auch für eine gewisse Bequemlichkeit. Un- ter den gegenwärtigen Bedingun- gen in der Medizin und bei der zu erwartenden großen Konkurrenz wird sich besonders diese Be- quemlichkeitshaltung ungünstig auswirken. Es ist deswegen Ihrem Sohn dringend von einem Medi- zin-Studium abzuraten. ❑

die Sache endlich mal richtig an- gepackt. Zunächst wird ein zeitli- ches Ziel gesetzt (das Jahr 2000) und dann eben gerade nicht mehr mit einem absoluten Heilungsan- spruch wie bisher aufgetreten. Die Hälfte des heutigen Alkoholikervo- lumens soll auch noch im Jahr 2000 vorliegen, 50 Prozent der dann unter 16jährigen sollen dann noch rauchen, 0,3 Prozent der im Jahr 2000 Neugeborenen sollen ruhig untergewichtig sein. Auch für Schlaganfälle, Straßenver- kehrsunfälle, Herzinfarkt, Blinde, Taube, Lahme, überhaupt für alles werden solche realistischen Plan- ziele der Morbidität erarbeitet. Das Ganze ist streng nach dem Muster sozialistischer Fünf-Jahres-Pläne entworfen, von denen man weiß, wie sehr sie den Menschen zu mo- tivieren und die Bereitstellung von

Der Zielgruppenarzt

Die „Diplom-Mediziner-Idee war kaum publik, da wurden durch In- diskretionen weitere Schubladen- Pläne bekannt. Wir fragten den zu- ständigen Referenten im Bundes- gesundheitsministerium: „Herr Dr.

Hasenbein, es läuft das Gerücht, daß weitere revolutionäre Pläne zur Arztausbildung erarbeitet wor- den sind. Was ist da dran an den Spaltungs-Ideen?"

„Das sind böswillige Unterstellun- gen. Wir wollen den Arztberuf nicht aufspalten. Allerdings gibt es ...

äh ... gewisse Überlegungen."

„Welche Überlegungen genau?"

„Es sind mehr Denkmodelle. Wir könnten uns vorstellen, die Arzt- ausbildung nach bestimmten Be- darfs- und Berufsgruppen-Krite- rien laufen zu lassen. Sehen Sie, die komplizierte Entwicklung in der modernen Medizin verlangt ei- ne immer weitergehendere Spe- zialisierung. Wir denken etwa an den Internisten für Beamte, den Neurologen für leitende Angestell- te und Manager, den HNO-Arzt für Künstler, den ..."

„Moment. Wieso Künstler?"

Mitteln für gesellschaftlich vorran- gig erklärte Ziele zu legitimieren erlauben.

Weil das menschliche Streben gerne auf Positives ausgerichtet ist, sollte das Programm zuerst

„positive prioritäre Krankheitszie- le" (PPK) heißen. Positiv in Verbin- dung mit Krankheit mag zwar für Ärzte, nicht aber für den Normal- sterblichen tragbar sein. Kurz- fristig dachte man an „negative prioritäre Krankheitsziele" (NPK), aber mit negativen Zielen hat man so seine Schwierigkeiten. Viel- leicht heißt das Programm auch

„positive prioritäre Gesundheits- ziele" (PPG). Besser würde es damit noch nicht, weil das eine ja nur das Komplementäre des ande- ren ist, aber es ist immerhin ge- plant. R. v. P.

„Musiker und Maler sind doch ganz anders von ihren Sinnesor- ganen abhängig als etwa Rechts- anwälte oder Müllkutscher. Wir könnten uns auch den Orthopä- den für Polizisten im Außendienst vorstellen. Entsprechend dem hö- heren Verletzungsrisiko werden hier viel höhere Anforderungen gestellt."

„Dann müssen Sie auch den Toxi- kologen für Demo-Teilnehmer vor- sehen. Wegen Chemie-Keule und so ..."

„Ha, ha, gute Anregung. Darüber hinaus möchten wir auch regiona- le Aspekte beachten."

„Was meinen Sie?"

„Sehen Sie, in Bayern wird am meisten gerauft, im Ruhrgebiet gibt es die meisten Schnapstrinker und, und, und... All diese Ge- sichtspunkte wollen wir berück- sichtigen."

„Großer Gott!"

„Ja, auch religiöse Dinge werden nicht tabu sein. Es geht auf die Dauer nicht an, daß ein katholi- scher Chirurg einen protestanti- schen Magendurchbruch behan- delt..." UM 2756 (30) Heft 41 vom 8. Oktober 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE