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Archiv "Protest gegen das Übermaß an Bürokratie und Gängelung" (19.05.1988)

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„Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hat sich bereits in ihrer außerordent- lichen Sitzung am 19. März 1988 in Köln mit dem vom Bundesarbeitsmini- ster vorgelegten Entwurf einer Struk- turreform im Gesundheitswesen be- faßt und hierzu eine Resolution verab- schiedet. Auf der Grundlage dieser Re- solution stellt die Vertreterversamm- lung heute fest, daß auch der Regie- rungsentwurf zur Strukturreform im Gesundheitswesen der Zielsetzung und dem Anspruch einer vernünftigen Strukturreform nicht gerecht wird und insbesondere eine Lösung der die ge- setzliche Krankenversicherung finan- ziell besonders belastenden Probleme

der Finanzierung versiche- rungsfremder Leistungen,

der Finanzierbarkeit der Krankenversicherung der Rentner,

der Überkapazitäten durch weiterhin steigende Zahlen bei Arz- ten, Zahnärzten, Apothekern und den Heilhilfsberufen und

der weiterhin steigenden Ausgaben im Bereich der stationären Krankenhausbehandlung

nicht erhält. Solange diese Pro- bleme nicht gelöst sind, kann das in den Vordergrund der Strukturreform im Gesundheitswesen gestellte Ziel der Beitragssatzstabilität nach Auf- fassung der Vertreterversammlung nicht erreicht werden. Insbesondere die neue und in ihren Auswirkungen unabsehbare Kostenbelastung durch den Beitrag der gesetzlichen Kran- kenversicherung zur Absicherung des sozialen Risikos der Pflegebe- dürftigkeit ist mit dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht zu verein- baren.

Um so wichtiger ist es nach Auf- fassung der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung, daß der Handlungsspielraum der Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen durch dieses Gesetz nicht so eingeengt wird, daß flexible Regelungen zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten medizinischen Ver- sorgung der Bevölkerung unter Be-

achtung des Wirtschaftlichkeitsgebo- tes nicht mehr gewährleistet sind. Ei- ne bedarfsgerechte und den medizi- nischen Fortschritt einbeziehende Versorgung der Bevölkerung darf nicht durch eine überzogene Forde- rung nach Beitragssatzstabilität un- möglich gemacht werden.

Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erkennt an, daß gegenüber dem Re- ferentenentwurf in der jetzt vom Bun- deskabinett beschlossenen Gesetzes- vorlage für den Bundestag Verbesse- rungen enthalten sind. Nach Auffas- sung der Vertreterversammlung ent- hält jedoch nach wie vor der Regie- rungsentwurf ein Übermaß an Büro- kratie als Ausdruck des Mißtrauens gegenüber der Bereitschaft der Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zur Lösung der ihr übertragenen Aufgaben.

Die Vertreterversammlung hält es insbesondere für unvertretbar,

• die Festlegung des Umfanges der in eine Stichprobenprüfung ein- zubeziehenden Zahl von Ärzten nicht der individuellen Vereinbarung der Vertragspartner unter Berücksichti- gung realisierbarer Prüfkapazitäten zu überlassen, sondern hierfür im Gesetz nicht durchführbare Mindest- quoten vorzugeben;

• den Umfang der für Prüf- zwecke auf maschinell verwertbaren Datenträgern zu übermittelnden be- ziehungsweise aufzubereitenden Da- ten nicht der Vereinbarung der Ver- tragspartner unter dem Gesichts- punkt der Begrenzung auf das für Prüfzwecke erforderliche Maß zu überlassen, sondern gesetzlich so- wohl den Krankenkassen als auch den Kassenärztlichen Vereinigungen ein Ausmaß an Datenspeicherung und Datenübermittlung aufzuerlegen, das für Prüfzwecke weder erforder- lich noch zweckmäßig ist und damit Kosten in hundertfacher Millionenhö- he verursacht.

Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung kann auch nicht akzeptieren, daß

r einerseits den freiberuflich tätigen

Kassenärzten ein hohes Maß an Prü- l

fungen zugemutet wird, jedoch fü psychiatrische Institutsambulanzen und sozialpädiatrische Zentren Son- derregelungen geschaffen werden sollen, die diese de facto weitgehend

von entsprechenden Prüfungen frei-

stellen. Die den Kassenärztlichen

Vereinigungen für die ambulante Ver-

sorgung gesetzlich übertragene Ge- währleistungspflicht erfordert es, daß alle Leistungsbereiche der ambu- lanten Versorgung in gleicher Weise in die Prüfung bei den Kassenärzt- lichen Vereinigungen und den dafür eingerichteten Prüfungsausschüssen der gemeinsamen Selbstverwaltung einbezogen werden.

Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung lehnt die Übertragung weiterer Auf- gaben aus der ambulanten Kranken- versorgung an Krankenhäuser oder andere Institutionen ab, weil damit weder medizinische Vorteile für die Patienten noch wirtschaftliche Vortei- le für die Krankenkassen verbunden sind. Die freie Arztwahl der Patienten wird so unterlaufen und die klare Ver- antwortung des behandelnden Kas- senarztes für seine Patienten wird in Frage gestellt.

Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

LL

lehnt die Einführung der Verwendung von Rentenversicherungsnummern oder vergleichbaren Versicherten- kennzeichen ab. Der vorgesehene Umfang der personenbezogenen Speicherung von Gesundheitsdaten und deren Weitergabe zu anderen Zwecken als der Leistungsabrech- nung sind als Eingriff in die Persön- lichkeitsrechte der Patienten und die Integrität des Datenschutzes nicht hinnehmbar. Insbesondere für Zwek- ke der Abrechnungsprüfung ist eine solche umfassende Regelung des Datenaustauschs nicht notwendig.

Dabei verschließt sich die Vertreter- versammlung keiner vernünftigen Forderung nach Leistungs- und Ko- stentransparenz.”

Frankfurt, 9. Mai 1988

Kernpunkte kassenärztlicher Kritik

Resolution der KBV-Vertreterversammlung zur Strukturreform im Gesundheitswesen

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feld für solche Verbesserungen ein- zusetzen.

In diesem Zusammenhang dankte er ausdrücklich dem Vorsit- zenden der KV Bayerns, Professor Sewering. „Er hat durch seine Ge- spräche mit der CSU . . . erreicht, daß der im Vordergrund unserer Kritik stehende § 131, der die vor- stationäre Diagnostik und die nach- stationäre Therapie zum Inhalt hat- te, gestrichen und durch eine Ver-

tragsregelung ersetzt worden ist."

Dieser Erfolg sei um so wichtiger, als der Bundesarbeitsminister bis da- hin hartnäckig an dieser Vorschrift festgehalten hatte.

Professor Häußler mahnte am Schluß seiner Ausführungen zum Strukturreformgesetz die Kassenärz- te zu einheitlichem Vorgehen. „Wir steuern alle dasselbe Ziel an. Sollte es da nicht möglich sein, auch einen gemeinsamen Kurs zu fahren?

Sie tragen die Hauptlast der Verantwortung für die Arbeits- und Existenzmöglich- keiten der Kassenärzte von heute und von morgen, die acht Mitglieder des Vorstan- des und der neue Hauptgeschäftsführer der KBV (v. 1. n. r.): Dr. med. Otfrid P.

Schaefer, Sanitätsrat Dr. med. Karl Hans Metzner, Professor Dr. med. Dr. phil. Sieg- fried Borelli, Dr. med. Klaus Voelker, Dr. jur. Rainer Hess, Dr. med. Ulrich Oesing- mann, Professor Dr. med. Ernst-Eberhard Weinhold, Dr. med. Guido Piepgras und - am Pult bei seinem Bericht zur Lage - Professor Dr. med. Siegfried Häußler

Unter den Ehrengästen der KBV-Vertreterversammlung im „CP Plaza", Frankfurt, in der ersten Reihe (v. 1. n. r.): Dr. Detlef Bal7er, der amtierende Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen; Dr. Erwin P. Odenbach, Geschäfts- führender Arzt der Bundesärztekammer, und deren Präsident, Dr. Karsten Vilmar

Mit dem EBM auf

r dem richtigen Weg

Die Anwendung des neuen EBM habe außergewöhnlich scharfe Reaktionen in der Ärzteschaft aus- gelöst mit persönlichen Invektiven, die Professor Häußler als kritische Subkultur einstufte. Sie hätten ihn allerdings weniger berührt, als die verantwortungslose Art, wie Ängste geschürt und Panikmache betrieben wurden. Dabei habe man sich auf Zahlen gestützt, die an das bekannte Wort von der Statistik als dritter Po- tenz der Lüge erinnerten. Als Bei- spiel für die Brüchigkeit dieser Ar- gumentation zitierte Professor Häußler Fehlmeldungen: „Bei den Kinderärzten scheine sich ein Um- satzminus von 14 Prozent gegenüber dem 4. Quartal '86 abzuzeichnen, hieß es. Die Gruppe der Kinderärzte kam auf eine Steigerung von rund 20 Prozent! Den Urologen wurde ein Minus von 15 Prozent geweissagt. Es wurden rund 3 Prozent. Die Ortho- päden sprachen von einer Gefähr- dung ihrer Leistungsfähigkeit durch den neuen EBM und erreichten ein Plus von 1,15 Prozent."

Die Schuld habe man den Kas- senärztlichen Vereinigungen gege- ben. Pfui-Rufe der Delegierten lö- ste Häußlers Zitat der Schlagzeile ei- ner „ärztlichen" Zeitung aus: „Ent- ziehen Sie den KVen Ihr Ver- trauen!"

Ironisch fragte der KBV-Vorsit- zende, ob denn nun eine „wunder- same Brotverminderung" stattge- funden habe, wenn fast alle Arzt- gruppen von Umsatzverlusten rede- ten, obwohl in diesem 1. Quartal der Abrechnung nach dem neuen EBM 67 Millionen DM mehr an Ersatz- kassenhonorar ausgeschüttet wor- den seien. Der Punktwert im Ersatz- kassenbereich hätte vermutlich die Vorgabe erreicht, wenn nicht wegen erhöhter Auszahlung im 3. Quartal 21 Millionen DM an die Ersatzkas- sen hätten zurückgezahlt werden müssen.

Druck auf den Punktwert habe es auch dadurch gegeben, daß Ärzte mit engumgrenzter Spezialtätigkeit sich plötzlich auf die neuen Grund- leistungen gestürzt hätten. Mancher-

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KBV-Vorstandsmitglied Professor Dr. Ernst-Eberhard Weinhold (rechts im Bild) griff mehrfach in die Diskussion ein, zu Grundsatzausführungen über Probleme der künf- tigen kassenärztlichen Versorgung der Bevölkerung ebenso wie zu Detailfragen der Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes

orts sei der Patient wohl gar auf

„optimale Abrechnungsfähigkeit"

untersucht worden. Der KBV-Vor- sitzende gab aber seiner Zuversicht Ausdruck, daß die Punktwertent- wicklung sich in den nächsten Quar- talen stabilisieren werde.

Die Frage, ob sich die Kassen- ärzte mit dem neuen Einheitlichen Bewertungsmaßstab auf dem richti- gen Wege befänden, könne mit Vor- behalt bejaht werden. Selbstver- ständlich habe die Neufassung des EBM Veränderungen des Anteils einzelner Arztgruppen am Honorar- volumen bewirkt. Das war aber vor- auszusehen; denn welchen Sinn hät- te eine Neuordnung, wenn sie alles beim alten belassen und eine Besitz- standsgarantie geben würde. Aller- dings würde man prüfen müssen, wo es Schwankungen gegeben hat, die mit den Zielsetzungen nicht verein- bar sind, und wie Abhilfe geschaffen werden kann.

Kollegen, Leistungs- spektrum erweitern!

Professor Häußler sagte ande- rerseits:

• „Soweit einzelne Ärzte mit ihrem Leistungsspektrum nicht dem Leistungsbild ihrer Gruppe entspre- chen und ihre Praxis weitgehend auf Leistungen ausgerichtet haben, die im Punktansatz reduziert worden sind, mußten sie Honorareinbußen erwarten. So zeigte sich, daß allein das Labor ein Viertel des Honorar- einkommens der Internisten aus- machte und die Rezepterneuerung überraschenderweise einen Umfang besaß wie bei keiner anderen Arzt- gruppe!"

• Unter dem Beifall der Dele- gierten stellte Professor Häußler fest: „Rezepterneuerungen und La- bor sind keine tragfähige Basis mehr für eine Praxis." Das spreche aber nicht gegen, sondern für die EBM- Reform. Nicht primär deren Ansät- ze müßten geändert werden, son- dern die Kollegen müßten ihr Lei- stungsspektrum erweitern, auch wenn das sicherlich nicht immer in einem einzigen Quartal möglich sein werde.

Der Vorsitzende der gastgebenden Kas- senärztlichen Vereinigung Hessen, Dr.

Otfrid P. Schaefer, leistete nicht nur ei- nen wesentlichen organisatorischen Bei- trag zum Gelingen der vorbereitenden Sitzungen des KBV-Vorstandes und -Länderausschusses im Hause der KV in Frankfurt, sondern auch wichtige Beiträ- ge zur Sachdiskussion

Entschieden zurückgewiesen wurde von Professor Häußler die Kritik an der Informationspolitik der KBV. Wenn sie ihre Daten erst heute vorlege, dann deshalb, weil wegen der technischen Schwierig- keiten eine frühere Auswertung gar nicht möglich war, derselbe Grund,

wegen dem man auch von der Be- richtigung irreführender Pressever- öffentlichungen absehen mußte.

Nach einer kurzen Darstellung der Geschichte der EBM-Reform ging der Referent auf den Vorwurf einer Technikfeindlichkeit des Vor- standes ein, gegen den man sich von Anfang an habe wehren müssen.

Professor Häußler betonte: „Die Technik ist und bleibt Bestandteil der modernen Medizin Investi- tionen in medizinische Technik müs- sen ebenso gesichert sein wie der Betrieb der Geräte und die Amorti- sation ihrer Anschaffungskosten.

Was wir verhindern wollen und nach dem gesetzlichen Wirtschaftsgebot verhindern müssen, ist ihr medizi- nisch und ökonomisch unrationeller Einsatz, die Technik als kurzer Weg zur schnellen Mark."

Professor Häußler wiederholte seine Mahnung, daß die Ergebnisse eines einzigen Abrechnungsquartals und einer Kassenart noch keine si- chere Basis für wesentliche Verän- derungen sein könnten. Nur wo sich heute schon Existenzbedrohungen für einzelne Arztpraxen abzeichne- ten, müsse man in den KVen der

Länder über Abhilfe nachdenken.

„Was andererseits sich aus der

heutigen Diskussion ergeben könn- te, wären Hinweise auf Fehlentwick- lungen in der Anwendung des neuen

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Protest gegen das Übermaß an Bürokratie und Gängelung

Um es gleich zu sagen: Die Generalabrechnung mit dem Ge- sundheits-Reformgesetz , die man- cher nach den heißen Diskussionen der letzten Monate vielleicht erwar- tet hatte, blieb auch bei der Sitzung der Vertreterversammlung der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung aus. Dazu wäre auch der Bericht zur Lage des KBV-Vorsitzenden, Pro- fessor Dr. Siegfried Häußler, nicht angetan gewesen. Denn Häußler kritisierte zwar nachdrücklich die Philosophie des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, setzte sich aber zugleich dafür ein, Verbesse- rungen auf dem Verhandlungswege zu erreichen. Nach der Aussprache zu seinem Lagebericht resümierte Häußler: Man könne sich doch nicht in die Ecke setzen und immer wieder sagen: das Gesetz wollen wir nicht, sondern man müsse versuchen, das Beste daraus zu machen.

Für Entspannung hatte bereits eine gemeinsame Sitzung der Vor- stände von KBV und Hartmann- bund zwei Tage zuvor gesorgt. Da-

bei war ein Schreiben des HB-Vor- sitzenden, Professor Dr. Horst Bourmer, das eine gnadenlose Ab- rechnung mit dem Gesetzesvorha- ben sowie der KBV-Taktik enthielt, erörtert worden. Jetzt, am 9. Mai in der gedämpften Atmosphäre des Frankfurt Plaza-Hotels, hielten sich nahezu alle Delegierten an die Emp- fehlung der beiden Vorstände, die Diskussion über diesen Bourmer- Brief außen vor zu lassen. Und so beschränkte sich auch Bourmer selbst nur auf eine eher milde Rep- lik; und die kam erst gegen Schluß der Aussprache. Er wiederholte sei- ne Kritik, mit dem Gesetz werde Etikettenschwindel betrieben, han- dele es sich doch nicht um ein Re- formgesetz, sondern tatsächlich um ein Kostendämpfungsgesetz, ja, um ein „verkapptes Beitragseinfrie- rungsgesetz". Selbst diese kurze Einlassung Bourmers kam erst, nachdem der frischgebackene Präsi- dent des Berufsverbandes Deutscher Internisten, Dr. Hartmuth Wein- holz, den Kollegen vom HB öffent- lich für seinen kritischen Brief ge- dankt hatte: bei diesem Gesetz sei- en drastischere Gegenmaßnahmen wahrlich gerechtfertigt.

Die Wortmeldungen aus dem Kreis der Delegierten konzentrier- ten sich zumeist auf einige wenige Sachfragen, so vor allem auf die vor- und nachstationäre Versorgung im

Neben dem neuen Vorsitzenden der KV Nordrhein, Dr, Norbert Tautz (r.): der lang- jährige frühere Vorsitzende und heutige Ehrenvorsitzende der KBV, Dr. Hans Wolf Muschallik, der seine langjährige Erfahrung und seinen heute noch großen politi- schen Einfluß weiterhin für die Kassenärzteschaft einsetzt

EBM. Solche Fehlentwicklungen in Richtung unberechtigter Honorarer- höhung könne an der Abrechnungs- häufigkeit einzelner Leistungsposi- tionen durch bestimmte Arztgrup- pen liegen, so wenn etwa die HNO- Ärzte rund ein Viertel ihres Umsat- zes aus den Nummern 61 und 4 er- zielen. Hier sollte man, auch kurzfri- stig, Präzisionen im Leistungsinhalt solcher Positionen in Erwägung zie- hen."

Professor Häußler erinnerte daran, daß Änderungen des EBM aber nur im Einvernehmen mit den Krankenkassen möglich sind. Er rief den Delegierten weiterhin ins Gedächtnis zurück, daß die Kas- senärztliche Bundesvereinigung sich nicht mutwillig an die Herkulesar- beit der EBM-Erneuerung gemacht habe.

Schon der Ortskrankenkassen- tag 1977 habe eine Eindämmung der Kosten der sogenannten Apparate- medizin und eine Hinwendung zur hausärztlichen Versorgung gefor- dert. Für 1987 hätten die Kranken- kassen dann die Abführung der

„Rationalisierungsgewinne" aus dem Labor in Höhe von 800 Mio.

DM angefordert. „Wer verfolgt hat, wie die Laborleistungen verfielen und zu Schleuderpreisen vermarktet wurden, der weiß, daß kein KBV- Vorstand die Forderung der Kassen mit einem schlichten Nein hätte ab- wehren können. Alle, die heute kla- gen, sollten nachrechnen, daß das rund 4,3 Prozent Honorarverlust be- deutet hätte." In mühsamen Ver- handlungen habe man erreicht, daß das im Laborsektor frei werdende Geld auf zuwendungsintensive ärzt- liche Leistungen umgeschichtet wer- den sollte. Das war die Ausgangsla- ge für den neuen EBM.

Der KBV-Vorsitzende betonte noch einmal, der EBM sei kein eher- nes Gesetz, an dem nichts geändert werden dürfte. „Er ist aber auch keine Knetmasse, aus der sich jeder sei eigenes Wunschbild formen kann." Schwf

I Der EBM ist kein

ehernes Gesetz

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Aufmerksame Zuhörer bei der „VV": die vor kurzem mit überwältigender 'Mehrheit wiedergewählte Präsidentin der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Dr. Ingeborg Retzlaff; die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Dr. Hedda Heuser-Schrei- ber; der Präsident der Ärztekammer Hamburg, Dr. Rolf Bialas

beschreiben: Negativlisten, Positivli- ste, Richtgrößen, massive Erhöhung der Praxiskosten „für die Absicherungsbürokratie". Andere Delegierte malten die Auseinander- setzungen mit den Patienten über die Verordnung nach Festpreisen aus.

Kossow wandte sich gegen die Haltung, „mit diesem Gesetz könne man ja leben". Er betonte: „Wir können damit nicht leben — jeden- falls nicht, wenn wir weiter hausärzt- lich tätig sein wollen!" Häußler pflichtete Kossow bei; er sprach vom

„Mosaik-Effekt" der vielen kleinen bürokratischen Maßnahmen. Pro- fessor Dr. Ernst-Eberhard Wein- hold fragte, an die Bundesregierung und die Koalitionsparteien gerich- tet, weshalb man ausgerechnet die Ärzte, aber auch andere Leistungs- träger derart „zwiebele" und somit verärgere, da doch deren Mitarbeit beim Umsetzen der „Gesundheits- reform" dringend vonnöten sei.

KBV-Vorstandsmitglied Weinhold wiederholte seine im Deutschen Ärzteblatt in einem Namensbeitrag schon ausführlich dargelegte Aussa- ge, daß das Gesundheitswesen zu den expandierenden Wirtschafts- zweigen gehöre. Er erneuerte den Zweifel, ob das Postulat der Bei- tragssatzstabilität überhaupt in

die

Zeit passe: Während die Wirtschaft geradezu zur Verschwendung ange- regt wurde, wolle man im Gesund-

heitswesen ein Zuteilungssystem etablieren.

Diskussionsbeiträge wie die von Professor Weinhold, aber auch an- derer Delegierten zeugten von Ver- ärgerung und zugleich Ratlosigkeit angesichts eines Gesetzgebers, der einen von den Kassenärzten als falsch angesehenen Weg unverdros- sen weitergeht. Bei allem Unmut obsiegte in der Vertreterversamm- lung die pragmatisch-realistische Li- nie, innerhalb des vorgegebenen Gesetzesrainnen soviel zu verbes- sern als nur möglich ist. Diese Hal- tung steht auch hinter der einstim- mig angenommenen Entschließung zur Strukturreform.

Die Aussprache zum Thema Strukturreform förderte aus dem Delegiertenkreis einen weiteren Be- schluß zutage. Der Vorstand wurde aufgefordert, sich für die Beibehal- tung der außerordentlichen Mitglie- der in den Vorständen der Kassen- ärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung einzusetzen. Die Bundesregie- rung konstatiert in der Gesetzesbe- gründung lapidar, für die außeror- dentlichen Mitglieder bestehe kein Bedürfnis mehr. Die Vertreterver- sammlung war indes der wohlbe- gründeten

Meinung, auf den Rat je- ner Kollegen nicht verzichten zu

können — auch im Interesse der Zu- sammenarbeit von Kassenpraxis und Krankenhaus. NJ Krankenhaus. Ärger bereitet hier

vor allem jene Vorschrift, nach der das Bundesarbeitsministerium eine Rechtsverordnung erlassen kann, sofern die Vertretungen von Kassen, Kassenärzten und Krankenhäusern nicht innerhalb von zwei Jahren die Modalitäten vertraglich regeln. Das politische Ziel müsse es sein, erklär- te KBV-Hauptgeschäftsführer Dr.

Rainer Hess, im Verlauf des parla- mentarischen Verfahrens eine „rei- ne Selbstverwaltungslösung" zu er- reichen.

Eine reine Selbstverwaltungslö- sung soll auch in Sachen Großgerä- te-Planung angestrebt werden. Hier sieht der Gesetzgeber in Bonn bis- her ebenfalls vor, die Selbstverwal- tung zu überspielen, sofern sie sich nicht über die regionale Verteilung von Großgeräten einig werden kann. In einem solchen Falle soll die oberste Landesbehörde bestim- men.

Die Selbstverwaltung soll auch, geht es nach den Vorstellungen der Kassenärzte, bei den Wirtschaftlich- keitsprüfungen allein zum Zuge kommen Die Delegierten sprachen sich gegen die gesetzliche Vorgabe aus, eine zweiprozentige Stichprobe pro Quartal zu ziehen; das Verfah- ren solle vielmehr allein den Abma- chungen der Selbstverwaltungen von Kassen und Kassenärzten überlassen werden.

Zuteilungssystem im Gesundheitswesen

Mißtrauen gegenüber Datenträ- geraustausch und dem ausufernden Sammeln von Leistungsdaten zog sich durch viele Diskussionsbeiträ- ge. Die Angst vor einem Übermaß an Bürokratie drückte sich in eini- gen eindrucksvollen Diskussions- beiträgen aus. KBV-Vorstandsmit- glied, Dr. Otfrid P. Schaefer, be- klagte den gigantischen Verwal- tungsapparat, der im Gefolge des Gesetzes einzuziehen drohe. Vor al- lem Dr. Klaus-Dieter Kossow sprach den versammelten Delegier- ten offensichtlich aus dem Herzen, als er versuchte, den kassenärzt- lichen Alltag ab 1989 prophetisch zu

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