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Archiv "Konzertierte Aktion: Gemeinsame Selbstverwaltung wahrt ihren Handlungsspielraum" (03.04.1980)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Konzertierte Aktion:

Gemeinsame

Selbstverwaltung wahrt ihren

Handlungsspielraum

„Der Erfolg der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen hängt ab vom Erfolg der Selbstverwaltung." Dieser Satz leitete den Bericht im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, Heft 14 vom 5. April 1979, über den Verlauf der letztjährigen Frühjahrssitzung der „Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen" ein. Im März 1979 hatten die gründlichen Vorarbeiten von Ärzten und Krankenkassen zur erfolgreichen Abgabe von Empfehlungen für die wichtigsten Ausgabenbereiche der gesetzlichen Krankenversicherung geführt.

I> Nach der diesjährigen Frühjahrssitzung der Konzertierten Aktion, die am 21. März stattfand, hat diese Aussage unverändert ihre volle Gültigkeit, obwohl eine Empfehlung zur Veränderung der kassen- ärztlichen Gesamtvergütungen nicht abgegeben wurde. In vielen Vorgesprächen zwischen den Krankenkassenverbänden und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung war der Verlauf der Konzertier- ten Aktion wiederum besprochen und intensiv vorbereitet worden.

Die Vertragspartner kamen dabei nach eingehenden Beratungen und sorgfältigem Abwägen des Für und Wider zu dem Ergebnis, eine Empfehlung für die Veränderung der kassenärztlichen Gesamtver- gütungen nicht anzustreben. Diesmal sollen die zweifellos anstehen- den Probleme zeitlich nach der Konzertierten Aktion gelöst werden.

In diesem Sinne erarbeiteten die Vertragspartner eine gemeinsame Erklärung für die Sitzung der Konzertierten Aktion. Warum dieses Vorgehen?

Im März 1979 hatte die Konzertierte Aktion einer Empfehlung zur angemessenen Veränderung der kassenärztlichen Gesamtvergütun- gen zugestimmt, die, beginnend mit dem 1. Juli 1979, eine Laufzeit der Honorarverträge auf Landesebene von 18 Monaten vorschlug.

Danach sollte also das ganze Jahr 1980 in die Laufzeit der Verträge einbezogen werden, obwohl zum damaligen Zeitpunkt lediglich die Orientierungsdaten für das Jahr 1979 vorlagen. In einer Phase guten Wirtschaftswachstums und damit relativer Stabilität war beispiels- weise die Preissteigerungsrate im Jahreswirtschaftsbericht 1979 mit 3 Prozent prognostiziert worden. Inzwischen wissen wir, daß diese Zahl zu niedrig gegriffen war:

Keine Empfehlung zur Veränderung

der Gesamtvergütungen, sondern gemeinsame Erklärung von Kassen- verbänden und KBV über das Vorgehen im

Laufe des Jahres 1980

Empfehlungen zur Veränderung der Arzneimittelhöchst- beträge, zur

Ausgabenentwicklung für Krankenhauspflege sowie für

Heil- und Hilfsmittel III Vorbereitungszeit für den Kassenarzt

bleibt vorerst

noch bei sechs Monaten

Heft 14 vom 3. April 1980 869

(2)

Konzertierte Aktion

Die tatsächliche Preissteigerungs- rate in 1979 lag mit + 4,1 v. H.

deutlich höher. Darüber hinaus ist für das laufende Jahr bereits heute klar abzusehen, daß die im Jahres- wirtschaftsbericht 1980 niederge- legte Zahl von 4,5 ebenfalls unrea- listisch ist. In erster Linie die Aus- wirkungen der rigorosen Erdölver- teuerungen treiben die Preise auf breiter Front in die Höhe und las- sen befürchten, daß am Jahresen- de 1980 bei der Preissteigerungs- rate eine Sechs vor dem Komma stehen kann.

Allein schon diese grundlegend veränderten Rahmenbedingungen

— bei den damaligen Beratungen und Verhandlungen in dieser ra- santen Entwicklung von keinem der Beteiligten vorherzusehen — bringen die Prämissen der Hono- rarempfehlung vom März 1979 ins Wanken. Konnte noch im letzten Jahr der allgemeinen Aussage im Empfehlungstext durchaus zuge- stimmt werden, es gebe keine An- zeichen dafür, daß der Anstieg der Praxiskosten je Kassenarzt über dem Anstieg der Grundlohnsum- me je Mitglied liegen wird, so muß für dieses Jahr genau das Gegen- teil befürchtet werden. So schlägt gerade die überproportionale Ver- teuerung der erdölabhängigen Produkte voll auf die Praxiskosten durch. Hinzu kommt der Preis- schub bei Röntgenfilmen als Fol- ge der Silberpreisexplosion — und all dies bei deutlich schmäleren Umsatzsteigerungen der Kassen- ärzte.

Dr. Hans Wolf Muschallik:

Die Grenze des Zumutbaren ist überschritten

Im Vorbereitungsausschuß für die Konzertierte Aktion war seitens der Ärzteschaft wiederholt auf die- se besorgniserregende Entwick- lung hingewiesen worden. Mit den Spitzenverbänden der Kranken- kassen wurden Gespräche ge- führt, um gemeinsam Lösungen im Sinne einer Lastenverteilung zu finden. Die Zusammenhänge und Hintergründe dieser Entwicklung,

insbesondere auch die wirtschaft- liche Situation des Kassenarztes, stellte der Vorsitzende der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung, Dr.

Hans Wolf Muschallik, in seinem einleitenden Kurzreferat in der Konzertierten Aktion dar. (Das Re- ferat ist im vollen Wortlaut auf den Seiten 871 und 872 wiederge- geben.)

Unter Berücksichtigung der Aus- wirkungen der laufenden Honorar- verträge für die Krankenkassen, der Arztzahlentwicklung, der Um- satzentwicklung je Kassenarzt und der Steigerung der Praxiskosten kam Muschallik zu der Feststel- lung: „Die Grenze des für die Kas- senärzteschaft Zumutbaren ist überschritten." Der notwendigen Kostenbalance im Gesundheits- wesen und dem Bemühen um Bei- tragssatzstabilität stellte er daher die Erhaltung des Realeinkom- mens des freipraktizierenden Kas- senarztes als „gleichrangige und gleichgewichtige" Forderung ge- genüber.

Im Vorfeld der Frühjahrssitzung der Konzertierten Aktion war — auch unter Anspielung auf die Ge- spräche zwischen Kassenärztli- cher Bundesvereinigung und den RVO-Krankenkassen — von ver- schiedenen Seiten das Reizwort vom „Nachschlag" in die Diskus- sion gebracht worden. Der Län- derausschuß der Kassenärztlichen Bundesvereinigung — das Gre- mium der Ersten und Zweiten Vor- sitzenden sowie der Hauptge- schäftsführer der Kassenärztli- chen Vereinigungen der Länder — hatte einhellig und ausdrücklich die Forderung nach einem „Nach- schlag" für das Jahr 1980 und da- mit auch für das zweite Halbjahr nicht erhoben. Die Übertragung dieser Vokabel auf den ärztlichen Bereich ist im übrigen völlig de- plaziert. Das Wort „Nachschlag"

charakterisiert die Forderung sei- tens der Arbeitnehmerschaft zur nachträglichen Einkommensver- besserung trotz bestehender Tarif- verträge. Die freipraktizierenden Kassenärzte sind demgegenüber selbständige Unternehmer, deren

wirtschaftliche Existenzfähigkeit wesentlich von der Entwicklung der Praxiskosten bestimmt wird.

Dabei geht es im übrigen aber nicht nur um die 55 000 Kassen- ärzte allein, sondern darüber hin- aus auch um die 250 000 in den Arztpraxen beschäftigten Mitar- beiter und die 23 000 Auszubil- denden.

Selbst die Bundesregierung hält es für angemessen, wenn die Mi- neralölkonzerne wegen des ge- stiegenen Rohölpreises bei den Benzinpreisen beachtlich zulan- gen und zum Jahresende erhebli- che Gewinne vorweisen. Wenn aber beispielsweise der Röntgen- filmpreis geradezu in die Höhe schnellt, dann soll dies allein zu Lasten der Ärzte gehen!?

Hier steht also nicht die Forderung nach Einkommenszuwächsen der Kassenärzte im Raum, sondern die Abdeckung von steigenden Pra- xiskosten.

Wochenzeitung hat deutschen Kassenärzten schlechten Dienst erwiesen Den Vogel der Unbedarftheit im Zusammenhang der „Nachschlag- diskussion" schoß jüngst die Wo- chenzeitung „Medical Tribune"

ab. In ihrer bekannt anmaßenden und sensationsheischenden Art

„veröffentlichte" und kommen- tierte sie in der Ausgabe vor der

Frühjahrssitzung der Konzertier- ten Aktion angebliche Honorar- statistiken der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bzw. des Zen- tralinstitutes.

Nach diesen Statistiken sollte sich im Jahre 1978 das Einkommen vor Steuern der Fachärzte auf über 200 000 DM und dasjenige der All- gemeinärzte/Praktiker auf über 150 000 DM belaufen. Gleichzei- tig wurden die Steigerungsraten für die gesamten Betriebsausga- ben in 1978 bei den Praktikern auf

• Fortsetzung auf Seite 873

870 Heft 14 vom 3. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Konzertierte Aktion

Vor fast genau einem Jahr habe ich Ihnen die Grundlage einer in vielen Beratungen von den Ver- tragspartnern erarbeiteten spezifi- zierten honorarpolitischen Rah- menvereinbarung darstellen kön- nen. Unter Abwägung mit den Orientierungsdaten für das Jahr 1979 haben Sie von dem damals noch nicht ratifizierten Vertrags- werk zustimmend Kenntnis ge- nommen, wobei Klarheit darüber bestand, daß seine Laufzeit das gesamte Jahr 1980 einschließen sollte.

Heute kann ich Ihnen nach der weitgehenden Verwirklichung der Empfehlung in den Gesamtverträ- gen auf Landesebene über erste Ergebnisse berichten, die aus der Sicht der Kassenärzte wegen der deutlich schlechter werdenden wirtschaftlichen Entwicklung we- nig erfreulich sind.

In der ersten Jahreshälfte 1979 hat sich die kassenärztliche Gesamt- vergütung entsprechend der Emp- fehlung von 1978 entwickelt. Die kassenärztliche Gesamtvergütung wurde zu diesem Zeitpunkt nach einem Kopfpauschale errechnet, und analog dem vorgesehenen Steigerungsprozentsatz wuchsen die Ausgaben der RVO-Kassen um 5,5 v. H. je Mitglied.

Im zweiten Halbjahr 1979 wurde die kassenärztliche Gesamtvergü- tung wieder nach Einzelleistungen errechnet. Jedoch wurden gewis- se Einschränkungen vereinbart:

So blieb zum Beispiel das Gesamt- volumen für das Laborhonorar pauschaliert, und für die Entwick-

lung des Fallwertes wurde eine Obergrenze empfohlen.

Heute kann man nach vorliegen- den Abrechnungsergebnissen des 3. Quartals und ersten Trendmel- dungen über den Verlauf des 4.

Quartals 1979 feststellen, daß die Ausgabenentwicklung für ambu- lante ärztliche Leistungen der RVO-Kassen im zweiten Halbjahr 1979 hinter der Entwicklung des ersten Halbjahres und damit hinter der allgemeinen Erwartung, die der Honorarempfehlung zugrunde lag, zurückbleiben wird. Dies wer- te ich mit der gebotenen Vorsicht als Zeichen eines weiter zuneh- menden Kostenbewußtseins bei den Ärzten wie aber auch bei den Versicherten, ich sage dies aber insbesondere auch im Hinblick auf den deutlich verringerten Zu- wachs der Zahl der Behandlungs- fälle.

Auch die Ausgabenentwicklung bei den Ersatzkassen blieb im Be- reich der ambulanten vertragsärzt- lichen Versorgung äußerst stabil.

Einschließlich der zum 1. Juli in Durchführung der Dernbacher Er- klärung vereinbarten Abstriche beim Honorar für Laborleistungen stabilisierte sich die Ausgabenent- wicklung im weiteren Verlauf des Jahres sehr schnell und erreichte zum Ende des Jahres eine Ausga- bensteigerung von insgesamt 5,3 v. H. je Mitglied.

Damit kann ich feststellen, daß für 1979 die Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversiche- rung für ambulante ärztliche Lei- stungen deutlich hinter dem An-

stieg der Grundlohnsumme von rund 6 v. H. zurückblieb.

Andererseits hat aber die Zahl der Kassenärzte 1979 erneut um 2,2 v. H. —'dies entspricht einer Zahl von 1288 — zugenommen.

Da weiter die im Orientierungsda- tenpapier für 1979 genannte Preis- steigerungsrate von 3 v. H. deut- lich überschritten wurde — was ganz besonders auf die Kosten in den Arztpraxen durchschlug —, kann heute auch ohne die Kennt- nis der endgültigen Abschlußzah- len mit großer Sicherheit gesagt werden, daß die Praxiskosten auch 1979 überproportional ge- stiegen sein werden.

Die durchschnittliche Umsatzstei- gerung je Arztpraxis wird wohl ge- rade ausgereicht haben, den An- stieg der Praxiskosten aufzufan- gen. Eine Anpassung des Einkom- mens des Arztes an die gestiege- nen Lebenshaltungskosten hat 1979 nicht stattgefunden.

Wie sieht

es nun für dieses Jahr aus?

Der mit den Ersatzkassen für 1980 abgeschlossene Vertrag sieht eine Steigerung der Gebührensätze um 4,5 v. H. vor. Unter sorgfältiger Abwägung der allgemeinen Aus- sagen und Erwartungen in der Empfehlung zur Veränderung der kassenärztlichen Gesamtvergü- tungen der Konzertierten Aktion vom März letzten Jahres haben Er- satzkassen und Ärzte um diesen Prozentsatz hart gerungen.

Angesichts der Preissteigerungs- raten in den ersten Monaten die- ses Jahres kann man zum jetzigen Zeitpunkt bereits feststellen, daß auch diese Anhebung der Gebüh- ren nicht ausreichen wird, um das durchschnittliche Realeinkommen eines Vertragsarztes zu erhalten.

Dies wiegt um so schwerer, als die Praxiskosten bei bestimmten Arzt- gruppen durch explosionsartige Preissteigerungen bei häufig oder

Muschallik: Erneute Überprüfung im Fortschreiten des Jahres 1980

Ausführungen des Ersten Vorsitzenden der KBV in der Sitzung der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen vom 21. März 1980 zum Tagesordnungspunkt „Empfehlung zur Veränderung der kassen- ärztlichen Gesamtvergütungen"

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 3. April 1980 871

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Konzertierte Aktion: Muschallik

fast immer benötigten Ver- brauchsmaterialien in die Höhe schnellen.

C> So sind beispielsweise die

Preise von Röntgenfilmen als Fol- ge des Preisanstiegs für Silber im Laufe der letzten acht Monate um nahezu 90 v. H. angehoben wor- den. Da die Filmkosten vor dieser rasanten Preisbewegung zirka 15 bis 20 Prozent der gezahlten Ver- gütung für Röntgenleistungen ausmachten, können Sie selbst er- messen, mit welchen Praxisko- stensteigerungen die röntgenolo- gisch tätigen Arztgruppen kon- frontiert werden. Es mehren sich die Fälle, in denen die berufliche Existenz insbesondere bei jung niedergelassenen Röntgenologen, in Frage gestellt ist.

C> Um so nachdrücklicher begrü-

ße ich die Bereitschaft aller Kran- kenkassenverbände, mit uns ge- meinsam für diesen besonders eklatanten Tatbestand über den Bewertungsmaßstab einen Aus- gleich zu schaffen.

Unter dem Eindruck der seinerzei- tigen stabilen Preisentwicklung hatten wir im März 1979 einer Ho- norarempfehlung mit den RVO- Kassen schon für das ganze Jahr 1980 zugestimmt, wobei ein Preis- anstieg von 2,25 v. H. im Jah- resdurchschnitt zugrunde gelegt worden war.

Im ersten Halbjahr 1980 steigt der Punktwert - unter Ausklamme- rung der Laborleistungen- um 3,5 v. H. Im zweiten Halbjahr 1980 soll der Punktwert - unter Einbezie- hung der Laborleistungen - um weitere 1,5 v. H. steigen. Bleibt die Fallzahlentwicklung in der Größenordnung des letzten Jah- res, so werden die Ausgaben der Krankenkassen für kassenärztli- che Leistungen im gesamten Jahr 1980 deutlich geringer steigen als im Jahr 1979, und dies, obwohl die Grundlohnsumme in diesem Jahr stärker als im Vorjahr wachsen wird.

C> Die Entwicklung des durch-

schnittlichen Umsatzes je Kassen- arzt wird keine Größenordnung er- reichen, durch die der zu erwar- tende Praxiskostenanstieg aufge- fangen werden kann - nicht zu reden von einer Erhaltung des Realeinkommens des Kassenarz- tes. Die Steigerung der Praxisko- sten wird in dem Ihnen vorliegen- den Orientierungsdatenpapier für 1980 auf 5,5 v. H. geschätzt. Diese Schätzung stellt- um in der Spra- che der Bundesregierung zu blei- ben - nicht nur ein ehrgeiziges Ziel dar, sondern muß von mir nach dem heutigen Erkenntnis- stand als zu niedrig und damit als unrealistisch bezeichnet werden.

..,. Schon mit diesen wenigen Zahlen wird deutlich erkennbar, daß die Grenze des für die Kassen- ärzteschaft Zurnutbaren über- schritten wird. Bei allem Verständ- nis für die komplizierte volkswirt- schaftliche Allgemeinsituation, für die Notwendigkeit einer ausgewo- genen Kostenentwicklung im Ge- sundheitswesen und für das Be- mühen um die Stabilität des Bei- tragssatzes - für mich steht dem gleichrangig und gleichgewichtig die Forderung nach mindestens der Erhaltung des Realeinkom- mens des freipraktizierenden Kas- senarztes gegenüber. Wem es ernst ist mit dem Willen zur Erhal- tung unseres Gesundheitssiche- rungssystems mit den in ihm frei- beruflich tätigen Kassenärzten, der muß Verständnis für diesen meinen Standpunkt und die dar- aus resultierende Forderung auf- bringen.

Angesichts der von mir geschil- derten Situation aus der Sicht der Ärzteschaft haben wir in einge- henden Erörterungen mit unseren Vertragspartnern versucht, auch in diesem Jahr einen gemeinsa- men Vorschlag für eine Empfeh- lung der Konzertierten Aktion zur Veränderung der kassenärztlichen Gesamtvergütung zu erarbeiten. Aufgrund des unterschiedlichen Erkenntnisstandes bei Ärzten und

872 Heft 14 vom 3. April1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Krankenkassen über die Auswir- kungen der letzten Empfehlung der Konzertierten Aktion auf die kassenärztliche Gesamtvergü- tung, die Einnahmen der Kassen- ärzte, die Praxiskostenentwick- lung und die Ausgabenentwick- lung bei den Krankenkassen konn- te eine gemeinsame Empfehlung nicht unterbreitet werden.

..,. Gemeinsamkeit hingegen konnte zwischen den Partnern darüber erzielt werden, daß wir im Fortschreiten des Jahres 1980 in eine erneute Überprüfung der dann besser für alle Seiten er- kennbaren Entwicklung eintreten werden. Dann sich ergebende Konsequenzen werden auf der Ebene der gemeinsamen Selbst- verwaltung, wie sie § 368 f Abs. 4 RVO beschreibt, gezogen werden.

ln diesem Sinne haben die Bun- desverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundes-

vereinigung eine gemeinsame Er-

klärung abzugeben (welche auf Seite 873 im Wortlaut wiedergege- ben ist).

Wir bitten alle Mitglieder der Kon- zertierten Aktion im Gesundheits- wesen, welche uns in den Sitzun- gen der vorangegangenen Jahre dankenswerterweise behilflich wa-

ren, zu übereinstimmenden Emp-

fehlungen zu kommen, um ihr Ver- ständnis, daß angesichts der be- sonders schwierigen Lage im ge- genwärtigen Zeitpunkt die Träger der gemeinsamen Selbstverwal- tung von Ärzten und Krankenkas- sen keinen übereinstimmenden Vorschlag vorlegen konnten und daher um die Respektierung bei der Ausschöpfung des ihnen ge- setzlich überlassenen Handlungs- rahmens.

Entnehmen Sie bitte abschließend meinen Ausführungen sowohl meine große Sorge um die ZukUnft der deutschen Kassenärzte als auch meine unveränderte Bereit- schaft, zur Lösung der Probleme, vor denen die Konzertierte Aktion steht, beizutragen.

D

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Gemeinsame Erklärung

der Bundesverbände der Krankenkassen einschließlich Bundesknappschaft und der Kassenärztlichen Bundesver- einigung in der Sitzung der Konzertierten Aktion im Ge- sundheitswesen am 21. März 1980

Kassenärztliche Bundesvereini- gung und Bundesverbände der Krankenkassen einschließlich Bundesknappschaft haben in mehreren Gesprächen die wirt- schaftliche Entwicklung und die Auswirkungen im Hinblick auf die Empfehlung der Konzer- tierten Aktion im Gesundheits- wesen vom 22. März 1979 zur Veränderung der kassenärztli- chen Gesamtvergütungen erör- tert. Dabei wurden die weitere Entwicklung als unsicher ange- sehen und die Auswirkungen der Empfehlung bis zum Ende des Jahres 1980 unterschied- lich beurteilt.

Kassenärztliche Bundesvereini- gung und Bundesverbände der Krankenkassen einschließlich Bundesknappschaft sehen sich daher zum gegenwärtigen Zeit- punkt nicht in der Lage, der Konzertierten Aktion im Ge- sundheitswesen einen gemein- samen Vorschlag für eine Emp- fehlung gemäß § 405 a Abs. 1 RVO zur Veränderung der Ge- samtvergütungen zu unterbrei- ten.

Sie haben sich jedoch darüber verständigt, im Laufe des Jah- res 1980 in eine erneute Über- prüfung der weiteren Entwick- lung einzutreten und gegebe- nenfalls in einer gemeinsamen Empfehlung gemäß § 368 f Abs.

4 RVO entsprechende Konse- quenzen zu ziehen.

Die Kassenärztliche Bundesver- einigung und die Bundesver- bände der Krankenkassen ein- schließlich Bundesknappschaft werden wie bisher auftretende Probleme in partnerschaftli- chem Verständnis lösen. ❑

Konzertierte Aktion

• Fortsetzung von Seite 870 +3,8 v. H. beziffert, während sie bei den Fachärzten um —3,5 v. H.

gesunken sein sollten.

I> An dieser Stelle sei mit Nach- druck betont, daß es sich bei die- sen „Veröffentlichungen" weder um KBV- noch um ZI-Statistiken handelt. Dies hätte ein Sachken- ner sofort erkennen müssen.

Die angegebenen Einkommens- zahlen sind keinesfalls repräsenta- tiv. Obwohl der durchschnittliche Umsatz je Kassenarzt in 1979 um +4,6 v. H. je Arzt (die Wochenzei- tung behauptet + 1,2 bzw. + 1,6 v.

H.) stieg, liegt das durchschnittli- che Einkommen der Ärzte niedri- ger als angegeben. Dies hat auch seinen Grund in den bundes- durchschnittlich höheren Praxis- kostenanteilen.

I> Sowohl die Nachschlagdiskus- sion als auch die „Veröffentli- chung" falscher Statistiken hat die Verhandlungsposition der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung im Vorfeld der Vorbereitung der Kon- zertierten Aktion nicht gerade ge- stärkt. Im Gegenteil, der Kassen- ärzteschaft wurde dadurch ein schlechter Dienst erwiesen.

Aber zurück zur Konzertierten Ak- tion. Nach dem einleitenden Refe- rat durch Dr. Muschallik, welches der Vorsitzende des Hartmann- bundes, Dr. Horst Bourmer, in sei- nen Aussagen voll bekräftigte, er- griff für die Spitzenverbände der Krankenkassen der Vertreter des Bundesverbandes der Ortskran- kenkassen, Horst Ruegenberg, das Wort. Er betonte, „daß die Ärz- te hinsichtlich der von ihnen er- brachten Leistungen alles daran- setzen, das System der gesetzli- chen Krankenversicherung finan- zierbar zu halten. Die hierauf ge- richteten Verträge zwischen den Ärzten und den Krankenkassen" — so Ruegenberg weiter — „sind Ver- träge der Vernunft und der part- nerschaftlichen Zusammenar- beit." Ruegenberg machte aber keinen Hehl daraus, daß eine sol-

che Partnerschaft auch erhebli- chen Belastungen ausgesetzt wer- den kann. Dies gelte vor allen Din- gen dann, wenn Sonderentwick- lungen einträten, die nicht vorher- sehbar seien oder die erhebliche Kostensteigerungen verursachten.

Im übrigen schloß er sich den Aus- führungen von Muschallik vollin- haltlich an.

Die „Gemeinsame Erklärung"

von Kassenverbänden und KBV paßte Brückner/Ehrenberg nicht I> Die von Muschallik verlesene gemeinsame Erklärung der Bun- desverbände der Krankenkassen einschließlich der Bundesknapp- schaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Wortlaut im Kasten oben) löste im Plenum der Konzertierten Aktion erhebliche Unruhe aus. Bundesarbeitsmini-

ster Dr. Herbert Ehrenberg, Vorsit- zender der Konzertierten Aktion, orakelte von einem Zugeständnis der Krankenkassen zum Nach- schlag. Sowohl Ruegenberg als auch Muschallik wiesen diese Be- hauptung zurück, wobei Muschal- lik auch auf die Unsinnigkeit des Begriffes in diesem Zusammen- hang hinwies.

Senator Brückner, Bremen, unter- stellte den Vertragspartnern, sie wollten die Konzertierte Aktion un- terlaufen. Er machte daher den Vorschlag, die Konzertierte Aktion solle auf ihrer Herbstsitzung in ei- ne Überprüfung der weiteren Ent- wicklung eintreten und gegebe- nenfalls dann eine Empfehlung zur kassenärztlichen Gesamtver- gütung abgeben. Diesen Vor- schlag griff Ehrenberg so eifrig auf, daß man fast den Eindruck gewinnen mußte, er wäre vorher

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 3. April 1980 873

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Konzertierte Aktion

abgesprochen worden. Eindring- lich redete er auf die Vertragspart- ner ein, ihre Erklärung in diesem Sinne zu ändern. Zu diesem Zwek- ke unterbrach er eigens die Sit- zung.

Rechtlich gesehen, hat die Kon- zertierte Aktion einmal jährlich, bis zum 31. März, Empfehlungen insbesondere über die angemes- sene Veränderung der Gesamtver- gütungen und der Arzneimittel- höchstbeträge abzugeben (§ 405 a RVO). Dieser Empfehlung müssen die Vertreter der Träger der ge- setzlichen Krankenversicherung und der Kassenärzte ausdrücklich zustimmen, andernfalls ist eine Empfehlung nicht zustande ge- kommen. Im letzteren Falle haben dann die Bundesverbände der Krankenkassen und der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung ent- sprechend dem § 368 f Abs. 4 RVO direkt eine Empfehlung über die angemessene Veränderung der Gesamtvergütungen abzugeben.

Wenn es also in der Konzertierten Aktion bis zum 31. März eines je- den Jahres nicht gelingt, eine Empfehlung abzustimmen, so sind die Vertragspartner auf Bundes- ebene am Zuge. Von diesem ge- setzlich ausdrücklich eröffneten Handlungsspielraum wollten die Vertragspartner in diesem Jahr wegen der von Muschallik darge- stellten schwierigen Situation Ge- brauch machen. Zum gegenwärti- gen Zeitpunkt sahen sie sich nicht imstande, der Konzertierten Ak- tion eine gemeinsame Empfeh- lung vorzuschlagen.

Haltung und Absicht der Vertragspartner

— und die Konsequenzen So durfte es niemanden wundern, daß nach der Sitzungsunterbre- chung die Vertragspartner unver- ändert an ihrer eingenommenen Haltung festhielten und diese nochmals bekräftigten. Muschallik gab im Namen der Spitzenverbän- de der Krankenkassen, der Kas- senzahnärztlichen Bundesvereini- gung und der Kassenärztlichen

Bundesvereinigung eine drei Punkte umfassende Erklärung ab:

— „Die Vertragspartner sind über- rascht, daß ihre gemeinsame Er- klärung als ein Unterlaufen der Konzertierten Aktion angesehen werden könnte;

— sie betonen unter nochmaligem besonderen Hinweis auf ihre Aus-

700 Millionen DM Defizit oder

560 Millionen DM Überschuß?

In der gesetzlichen Kranken- versicherung seien im ver- gangenen Jahr 700 Millionen DM mehr ausgegeben als eingenommen worden, er- klärte Bundesarbeitsmini- ster Dr. Herbert Ehrenberg vor der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen. Da- durch werde, so Ehrenberg, zukünftig die Beitragssatz- stabilität ernsthaft gefähr- det. Der Bundesarbeitsmini- ster verschwieg allerdings, daß es für diesen Ausgaben- überhang einen ganz plausi- blen Grund gibt:

Der durchschnittliche Bei- tragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung sank in 1979 gegenüber 1978 von 11,41 v. H. auf 11,26 v. H. Die Folge war eine Minderung der Beitragseinnahmen bei den Aktivversicherten um 1,26 Milliarden DM. Hätten die Krankenkassen ihre Bei- träge nicht gesenkt, so wäre der gesetzlichen Kranken- versicherung in 1979 ein Überschuß von 560 Millio- nen DM verblieben.

Der Minister sollte also die Krankenkassen vor übertrie- benen Beitragssatzsenkun- gen warnen. Nur so wird ein Schuh aus der Sache!

führungen, die Herr Ruegenberg und Herr Dr. Muschallik abgege- ben haben, daß sie keine Notwen- digkeit sehen, an der abgegebe- nen Erklärung, die verlesen wur- de, eine Textänderung vorzu- nehmen;

— die Vertragspartner schlagen vor, daß im vorbereitenden Aus- schuß zur nächsten Konzertierten Aktion zu gegebener Zeit die Fra- ge geprüft wird, ob in der diesjäh- rigen Herbstsitzung ein Situa- tionsbericht seitens der Vertrags- partner über den Stand der Bera- tungen angezeigt ist."

Diese unmißverständlich eindeuti- ge und überzeugende Haltung der Vertragspartner mußte auch der Bundesarbeitsminister anerken- nen. Nach kurzer Diskussion schloß er den Tagesordnungs- punkt ab.

• Damit ist eine Empfehlung der Konzertierten Aktion zur ange- messenen Veränderung der kas- senärztlichen Gesamtvergütungen in diesem Jahr nicht abgegeben worden. Die Vertragspartner wer- den im Laufe dieses Jahres — wie sie gemeinsam erklärt haben — zu- sammenkommen, um in eine er- neute Überprüfung insbesondere der wirtschaftlichen Situation des Kassenarztes einzutreten. In einer Bundesempfehlung können sie dann entsprechende Konsequen- zen ziehen. Damit ist zwar für die Kassenärzte noch kein konkretes Ergebnis sichtbar, aber nutzlos war der Kraftakt auf keinen Fall:

• Schon jetzt wird für die Kran- kenkassen und die Öffentlichkeit erkennbar, daß die Kassenärzte im Herbst zumindest mit deutlichen Forderungen für 1981 aufwarten werden. Dies sollte die Kranken- kassen veranlassen, frühzeitig über tragfähige Lösungen nachzu- denken.

> Auf ein wichtiges Ergebnis der Gespräche zwischen den Ver- tragspartnern soll aber noch ver-

• Fortsetzung auf Seite 876

874 Heft 14 vom 3. April 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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Wir stehen heute vor der Aufga- be, zum dritten Mal eine Emp- fehlung zum Arzneimittel- höchstbetrag abzugeben. In der Sitzung der Konzertierten Aktion vor einem Jahr war hier- aus, den Spitzenverbänden, Skepsis gegenüber diesem In- strument angeklungen. Aber die Einsicht, daß der damalige Erfahrungszeitraum von einem halben Jahr zu kurz für eine endgültige Bewertung war, hat- te die Beteiligten veranlaßt, trotz der Bedenken auch für 1979 eine gemeinsame Emp- fehlung zu verabschieden.

Nunmehr liegen weitere Erfah- rungen vor, und ich glaube, wir können sagen, daß sie positiver als anfänglich befürchtet sind.

Die Ausgaben für Arzneimittel sind im Jahr 1979 um wenig mehr als 5 v. H. gegenüber dem Vorjahreszeitraum ge- stiegen.

Als es nach den Rechnungser- gebnissen des ersten Quartals 1979 so aussah, als ob die von der Konzertierten Aktion im letzten März vorgegebenen 5,7 v. H. Steigerungsrate bei wei- tem nicht eingehalten werden könnten, zogen die Kassenärzt- liche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände die Alarm- glocke, indem sie gleicherma- ßen an Ärzte und an die Versi- cherten appellierten, sich ko- stenbewußt zu verhalten.

Dieses Frühwarnsystem, das in den von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden erarbeiteten Grundsätzen zum Arzneimittel- höchstbetrag vereinbart wor- den ist, hat — so meinen wir behaupten zu können — wesent- lich dazu beigetragen, daß die Ausgabensteigerung auf dem Arzneimittelsektor dann doch insgesamt einen abgeschwäch-

ten Verlauf genommen hat. Die Angesprochenen haben auf diesen Appell reagiert und so einer Überschreitung vorge- beugt.

Vor dem Hintergrund dieser po- sitiv zu bewertenden Entwick- lung haben sich die Beteiligten

— das sind die Spitzenverbände der Krankenversicherung, die Kassenärztliche Bundesvereini- gung, der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und die Apothekerschaft—auch in diesem Jahr wieder um eine angemessene Fortschreibung des Arzneimittelhöchstbetra- ges bemüht. Ich möchte Ihnen das Ergebnis der gemeinsamen Beratung kurz vortragen:

> Unter Berücksichtigung al- ler wesentlichen Parameter, insbesondere der Preis-, Men- gen- und Strukturkomponente sowie der Grundlohnsummen- entwicklung, gelangten die Be- teiligten zu der Auffassung, daß die Arzneimittelhöchstbeträge für 1980 so festgesetzt werden sollten, daß sich die Aufwen- dungen der Träger der gesetzli- chen Krankenversicherung für Arzneimittel im Jahre 1980 um nicht mehr als 5,9 v. H. je Mit- glied gegenüber den entspre- chenden Werten des Vorjahres erhöhen.

Ferner ist Übereinstimmung darüber erzielt worden, die im Gesetz vorgesehene Geringfü- gigkeitsgrenze, die inzwischen Eingang in die auf Landesebe- ne getroffenen Vereinbarungen gefunden hat, unverändert bei- zubehalten .. .

Ich möchte an dieser Stelle kurz auf ein Bedenken der Spit- zenverbände eingehen, wel- ches auch vielfach in der Öf- fentlichkeit diskutiert wird, nämlich das Problem des ho- hen Medikamentenkonsums ..

Häufig liest und hört man von einem erschreckend ho- hen Arzneimittelverbrauch, von Vielfach-Medikation, von Arz- neimittelmüll usw. Der Begriff einer „übermedikamentierten Gesellschaft" wurde bereits ge- prägt. Laut einer Repräsentativ- befragung der Bevölkerung ab 14 Jahren in der Bundesrepu- blik Deutschland durch die

„Bundeszentrale für gesund- heitliche Aufklärung" nahmen in einer Zeitperiode von drei Monaten

—22 v. H. kein Medikament,

—46 v. H. drei und mehr Medika- mente,

—13 v. H. mehr als sechs Medi- kamente ein.

Das Verschreiben von Medika- menten auf Wunsch des Patien- ten ist nicht selten. Für viele Patienten erscheint die ärztli- che Behandlung ohne eine Me- dikamentenverschreibung „un- vollständig".

Zwar empfinden laut der o. g.

Umfrage 27 v. H. der Befragten die Einnahme von Arzneimit- teln als einen schädlichen Ein- griff in den Körper und würden 14 v. H. von ihnen gern weniger Medikamente einnehmen; eine verstärkte Aufklärung über Arz- neimittelrisiken, Nebenwirkun- gen sowie über die Gefahr der Abhängigkeit erscheint not- wendig. Zu dieser Aufklärungs- arbeit bieten die Krankenkas- sen weiterhin ihre Mithilfe an.

Ich bitte, nach diesen Ausfüh- rungen nicht mißverstanden zu werden. Der Beitrag der Arznei- mittel für eine moderne Ge- sundheitsversorgung wird all- gemein und auch von der Kran- kenversicherung anerkannt.

Arzneimittel tragen nicht nur zur Heilung und Linderung zahlreicher Krankheiten we- sentlich bei, sie sind in der Re- gel auch eine kostensparende und wirtschaftliche Alternative bei der Krankheitsbehandlung.

Einem übermäßigen Arzneimit- telkonsum, bei dem das Arznei- mittel als „Allzweck-Problemlö- ser" eingesetzt wird, sollte je- doch Einhalt geboten wer-

den .. .

Dr. Kurt Friede:

Gegen übermäßigen Arzneimittelkonsum

Aus den Ausführungen des Geschäftsführers des Bundesver- bandes der Betriebskrankenkassen zur Empfehlung „Arznei- mittelhöchstbetrag"

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 14 vom 3. April 1980 875

(8)

10,7

Zahnersatz 12,0

Arzneimittel 6,5 5,3

Tabelle 1: Entwicklung der Leistungsausgaben in der GKV im Jahre 1979

— Veränderungsraten gegenüber 1978 in v. H.

insgesamt je Mitglied Leistungsausgaben

insgesamt darunter für Ärzte Zahnärzte

8,2 7,0 5,2

7,0 5,8 4,0

13,4 6,2 11,7 Heil- und Hilfsmittel

stationäre Behandlung Krankengeld

12,1 5,1 10,5 übrige

Leistungsausgaben Quelle: BMAuS

13,2 11,9

Konzertierte Aktion

• Fortsetzung von Seite 874 wiesen werden: Alle Spitzenver- bände der Krankenkassen haben ihre feste Absicht bekundet, in Kürze im Bewertungsausschuß gemeinsam mit den Ärzten über einen Ausgleich der gestiegenen Röntgenfilmpreise im Bewer- tungsmaßstab zu beraten. Dies ist sehr zu begrüßen, zumal Abhilfe dringend erforderlich ist.

Arzneimittel-

höchstbetrag 1980:

+ 5,9 Prozent

Die Empfehlung über die ange- messene Veränderung der Arznei- mittelhöchstbeträge für 1980 war vergleichsweise problemlos. Die unmittelbar Beteiligten — die Spit- zenverbände der Krankenkassen, der Bundesverband der Pharma- zeutischen Industrie und die Kas- senärztliche Bundesvereinigung — hatten sich im Vorfeld der Konzer- tierten Aktion nach eingehenden, teilweise kontrovers geführten Diskussionen schließlich auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt.

Danach sollen die Aufwendungen für verordnete Arzneimittel im Jahr 1980 um nicht mehr als 5,9

v. H. gegenüber den Werten des Vorjahres steigen. Gleichzeitig ei- nigten sich die Vertragspartner, die im § 368 f Abs. 6 RVO formu- lierte „geringfügige Überschrei- tung" des Arzneimittelhöchstbe- trages wie im Vorjahr mit 10 v. H.

des Steigerungsbetrages zu defi- nieren. Damit wird erst bei einem Zuwachs der Arzneimittelausga- ben von mehr als 6,5 v. H. je Mit- glied in eine Ursachenforschung für die Gründe der Überschreitung eingetreten werden.

Für 1979 hatte die Konzertierte Ak- tion eine Veränderung der Arznei- mittelhöchstbeträge um 5,7 v. H. je Mitglied empfohlen. Diese Emp- fehlung hatte in alle Gesamtverträ- ge auf Landesebene Eingang ge- funden. Durch frühzeitige Infor- mierung der Kassenärzte über die besorgniserregende Ausgaben- entwicklung für Arzneimittel im 1.

Quartal 1979 sowie durch einen gemeinsamen Maßhalteappell der Spitzenverbände der Krankenkas- sen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung an die Versi- cherten gelang es, die Ausgaben- entwicklung für verordnete Arz- neimittel in Grenzen zu halten, ja, am Ende blieb die Ausgabenstei- gerung für das ganze Jahr 1979

mit 5,3 v. H. je Mitglied sogar deut- lich unter der von der Konzertier- ten Aktion empfohlenen Höchst- marke. Bei der Festsetzung des Arzneimittelhöchstbetrages 1979 war analog dem Jahreswirt- schaftsbericht 1979 von einer Preisentwicklung in Höhe von + 3 v. H. und von einer Mengenent- wicklung von +2,7 v. H. ausge- gangen worden. Tatsächlich wur- de in der Preisentwicklung dieser Ansatz um + 0,6 v. H. überschrit- ten (die Preisentwicklung betrug + 3,6 v. H.), während die Mengen- entwicklung mit 1 v. H. unter der Annahme blieb.

Für den jetzt angestrebten Höchst- betrag von +5,9 v. H. wurde — in Analogie zum diesjährigen Jahres- wirtschaftsbericht — eine Preisent- wicklung von +4,5 v. H. angesetzt.

Sollte diese Preisrate überschrit- ten werden, so hat eine darauf zu- rückzuführende Überschreitung des Arzneimittelhöchstbetrages für die Ärzteschaft keine Konse- quenzen auf die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Arzneiver- ordnung. Die Erwartung der Men- genentwicklung sowie die Aus- wirkung der Strukturkomponen- te wurden deutlich zurückge- schraubt und nur noch mit einem Zuwachs von + 1,4 v. H. in Ansatz gebracht. Dieser Prozentsatz ist knapp bemessen; er liegt unter der tatsächlichen Entwicklung des Jahres 1979 und bedeutet gegen- über dem Ansatz von 1979 eine Reduzierung auf die Hälfte. Dies ist ein ehrgeiziges Ziel, das zu er- reichen in erster Linie mit vom Krankenstand abhängt. Hierbei wird es entscheidend darauf an- kommen, ob die Morbiditätsent- wicklung in der Größenordnung des 2. Halbjahres 1979 bleibt.

Schon heute ist aber erkennbar, daß zur Einhaltung dieses Arznei- mittelhöchstbetrages flankierende Maßnahmen notwendig sein wer- den. Die Kassenärztliche Bundes- vereinigung strebt daher eine Ver- einbarung mit den Spitzenverbän- den der Krankenkassen an, die in ihrer Umsetzung dazu beitragen soll, dem Arzt künftig eine verbes-

876 Heft 14 vom 3. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(9)

Konzertierte Aktion

Empfehlungen der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen, 21. März 1980

serte Information zukommen zu lassen. Dies betrifft zum einen An- gaben über die von ihm verursach- ten Arzneikosten. So soll in Zu- kunft jeder Kassen- und Vertrags- arzt regelmäßig von seiner Kas- senärztlichen Vereinigung über die Zahl der von ihm verordneten Rezepte sowie die Durchschnitts- kosten je Rezept informiert wer- den.

Nach Klärung gewisser Vorausset- zungen ist weiterhin die Mitwir- kung bei der Erarbeitung und Aus- wertung des GKV-Arzneimittelin- dex beabsichtigt. Dabei sollen die Ergebnisse hinsichtlich der Häu- figkeitsstruktur der verordneten Arzneimittel ihren Niederschlag in der ärztlichen Fortbildung finden.

Des weiteren ist die zügige Umset- zung der Empfehlungen aus der letzten Herbstsitzung der Konzer- tierten Aktion zum Arzneimittelbe- reich erforderlich. Dem Arzt muß schnellstmöglich im Rahmen der angestrebten Systematisierung und Objektivierung der Arzneimit- telinformationen eine Übersicht über diejenigen Arzneimittel an die Hand gegeben werden, die ei- nem solchen Informationsan- spruch genügen. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist in diesem Zu- sammenhang die Beseitigung des bestehenden Listenwirrwarrs.

Schließlich ist eine wichtige flan- kierende Maßnahme die Aufklä- rung der Versicherten darüber, daß Arzneimittel nicht schlechthin als „Problemlöser" für die vielen Unannehmlichkeiten und Unpäß- lichkeiten des Alltags angesehen werden dürfen.

Die Konzertierte Aktion schloß sich nach kurzer Aussprache dem Vorschlag der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Bundes- verbandes der Pharmazeutischen Industrie und der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung an. (Die.

Ausführungen des Geschäftsfüh- rers des Bundesverbandes der Be- triebskrankenkassen, Dr. Kurt Friede, der diesen Tagesord- nungspunkt einleitete, sind im Auszug auf Seite 875 wiedergege- ben).

Zur Veränderung der Arzneimittelhöchstbeträge

• Die Konzertierte Aktion empfiehlt.

die Arzneimittelhöchstbeträge für 1980 so festzusetzen, daß sich die Aufwendungen der Träger der Kran- kenversicherung für Arzneimittel im Jahre 1980 um nicht mehr als 5.9 v.

H. je Mitglied gegenüber den entspre- chenden Werten des Vorjahres er- höhen.

fp Dieser Empfehlung haben die Ver- treter der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der Kas- senärzte zugestimmt.

Zur Ausgabenentwicklung für Krankenhauspflege

4) Die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen geht von der Erwar- tung aus, daß die voraussichtliche Entwicklung der Einnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung für 1980 auch bei Aufrechterhaltung der Beitragssatzstabilität ausreicht. die Krankenhäuser in die Lage zu verset- zen, ihre Aufgaben voll zu erfüllen und ihre Leistungsfähigkeit unter Be- rücksichtigung des medizinischen Fortschritts weiter auszubauen.

• Die Festsetzung der Pflegesätze der einzelnen Krankenhäuser auf der Grundlage der Selbstkosten eines sparsam wirtschaftenden, leistungs- fähigen Krankenhauses bleibt davon unberührt.

• Die Konzertierte Aktion geht dabei von der Erwartung aus, daß die Län- der und die Krankenhäuser sich unter Wahrung ihres humanitären Auftrags weiterhin bemühen,

- alle Möglichkeiten der Rationalisie- rung auszuschöpfen,

- Maßnahmen zur strukturellen Ver- besserung mit kostendämpfendem Effekt fortzuführen,

- den von der Versorgungsstufe nach dem Krankenhausbedarfsplan ent-

sprechenden Leistungsrahmen einzu- halten.

Die Konzertierte Aktion nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis. daß die Spitzenverbände der Krankenversi- cherung und die Deutsche Kranken- hausgesellschaft ihre Beratungen über ein gemeinsames Verfahren und Orientierungsdaten zur Personalbe- darfsermittlung im Krankenhaus zü- gig fortsetzen werden, um baldmög- lichst zu einem Ergebnis zu gelangen.

Zur Ausgabenentwicklung für Heil- und Hilfsmittel sowie zahntechnische Leistungen

Die Konzertierte Aktion im Gesund- heitswesen hält es für dringlich gebo- ten, den noch weit überhöhten An- stieg der Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel und für zahntechnische Leistungen beim Zahnersatz in die finanzielle Gesamtentwicklung der ge- setzlichen Krankenversicherung ein- zuordnen. Die Ausgabenentwicklung vor allem in diesen Leistungsberei- chen gefährdet zur Zeit die Beitrags- satzstabilität.

Den Spitzenverbänden der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung wird empfohlen, die eingeleiteten Analysen über die Entwicklung in den einzelnen Teilbereichen verstärkt fort- zusetzen und Maßnahmen zur Ko- stendämpfung mit den jeweiligen Ver- tragspartnern abzustimmen. Dabei sollte den unterschiedlichen Verhält- nissen der einzelnen Leistungsberei- che Rechnung getragen werden.

Zur Gesamtentwicklung

Die Konzertierte Aktion im Gesund- heitswesen appelliert an alle Beteilig- ten, auch die in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten, durch weiteres kosten- und gesund- heitsbewußtes Verhalten zur Erhal- tung der Beitragssatzstabilität beizu- tragen. Auch Bund, Länder und Ge- meinden sind hierzu aufgerufen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 3. April 1980 877

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Anteil in v. H. der Gesamtleistungsausgaben Ausgaben für

Zahnersatz 8.3

Arzneimittel 14,7

Ärzte Zahnärzte

18,3 6,8

Heil- und Hilfsmittel stationäre Behandlung Krankengeld

übrige Leistungsausgaben

5,6 30,0 7,7 8,6

Tabelle 2: Anteile der einzelnen Leistungsausgaben an den Gesamtleistungsausgaben in der GKV im Jahre 1979

Quelle: Vorläufige Werte nach KV 45; ohne Seekasse

Ausgaben

für Krankenhauspflege

Auch in Vorbereitung dieses Ta- gesordnungspunktes hatten sich die unmittelbar Betroffenen — die Spitzenverbände der Krankenkas- sen, die Deutsche Krankenhaus- gesellschaft und die Ärzteseite — zusammengesetzt, um über eine Empfehlung zur Ausgabenent- wicklung für die stationäre Be- handlung zu beraten. Dabei ka- men sie übereinstimmend zu der Auffassung, daß die letztjährige Empfehlung der Konzertierten Ak- tion, so wenig verpflichtend sie letztlich auch für die Kranken- hausträger war, doch ihre Wir- kung gezeigt hat und deshalb in diesem Jahr erneut bekräftigt wer- den sollte.

Immerhin blieb das Krankenhaus—

der mit einem 30-v.-H.-Anteil an den Gesamtaufwendungen größte Ausgabensektor der Krankenkas- sen — 1979 in der Entwicklung mit + 5,1 v. H. deutlich unter dem Ein- nahmenzuwachs. So betrug zwar die Steigerungsrate des durch- schnittlichen Pflegesatzes in 1979 gegenüber 1978 + 6,1 v. H., die Gesamtzahl der Pflegetage erhöh- te sich um +0,7 v. H., gleichzeitig nahm aber die Verweildauer im Krankenhaus um nahezu 1 v. H.

ab. Die Verweildauer belief sich 1979 auf durchschnittlich 13,9 Tage.

In der Sitzung der Konzertierten Aktion dankte im Namen der Spit- zenverbände der Krankenkassen der Vertreter des VdAK, Alex Wi- niarski, allen Beteiligten für die im

Jahre 1979 erfreuliche Ausgaben- entWicklung im Krankenhaussek- tor. Er stellte zusammenfassend fest, „daß es sich bei der von den unmittelbar Beteiligten erneut vor- geschlagenen Empfehlung kei- neswegs nur um ,eine Handvoll schöner Worte' handelt, sondern um eine Aussage der Konzertier- ten Aktion, die, unbeschadet der besonderen gesetzlichen Situa- tion in diesem Bereich, auch im Jahre 1980 hilfreich sein kann, die Ausgabenentwicklung im Kran- kenhaus in dem durch die Grund- lohnentwicklung gesetzten Rah- men zu halten."

„Wir alle wissen", so Winiarski,

„welche Grundsatzfragen sich für die Aufgabenstellung und die Funktion der Konzertierten Aktion stellen, wenn dieser Rahmen — aus welcher Motivation auch immer — nicht eingehalten wird."

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesell- schaft, Prof. Dr. Hans-Werner Mül- ler, machte deutlich, daß Erklärun- gen der Konzertierten Aktion zur Ausgabenentwicklung der Kran- kenhäuser von diesen sehr ernst genommen werden, es in diesem Jahr allerdings zu einer Aufstok- kung des Krankenhauspersonals kommen müsse. Immerhin fehlen nach Auffassung der Deutschen Krankenhausgesellschaft 20 000 Ärzte und 30 000 Krankenschwe- stern. Dennoch müsse es, so Mül- ler, dadurch nicht zur Beitrags- satzinstabilität kommen, da die notwendige Personalausweitung nicht von heute auf morgen reali- sierbar sei.

Konzertierte Aktion

Letzteres trifft schon deshalb zu, weil — als Voraussetzung dafür — die Erarbeitung von Richtlinien für eine sach- und fachgerechte Per- sonalbedarfsermittlung noch in vollem Gange ist. Die Konzertierte Aktion empfahl aber, die Beratun- gen zwischen den Spitzenverbän- den der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesell- schaft zügig fortzusetzen, um baldmöglichst zu einem Ergebnis zu gelangen.

Im übrigen erneuerte die Konzer- tierte Aktion ihre Empfehlung aus dem letzten Jahr. Danach wird die Erwartung ausgesprochen, „daß die voraussichtliche Entwicklung der Einnahmen in der gesetzli- chen Krankenversicherung für 1980 auch bei Aufrechterhaltung der Beitragssatzstabilität aus- reicht, die Krankenhäuser in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben voll zu erfüllen und ihre Leistungs- fähigkeit unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts weiter auszubauen".

Am Rande sei noch ein kleiner Dis- put zwischen dem Bremer Senator für Gesundheit, Herbert Brückner, und dem Präsidenten der Bundes- ärztekammer, Dr. Karsten Vilmar, erwähnt. Brückner forderte unter Anspielung auf den Text der Emp- fehlung, „Maßnahmen zur struktu- rellen Verbesserung mit kosten- dämpfendem Effekt fortzuführen", vor allem eine gute Kooperation zwischen Krankenhaus und nie- dergelassenen Ärzten. So weit so gut! Nur brachte Brückner in die- sem Zusammenhang seine weithin bekannten Vorstellungen einer se- mistationären Versorgung, der Forderung nach Abschluß von In- stitutsverträgen und der gemein- samen Nutzung von Apparaten in die Diskussion.

Hier nun konterte Vilmar, der die Bereitschaft der Ärzteschaft zur Unterstützung sinnvoller Maßnah- men hervorhob, gleichzeitig aber auf die wissenschaftlich erwiese- ne Fragwürdigkeit gewisser Mo- dellversuche im Stadtstaat Bre- men aufmerksam machte.

878 Heft 14 vom 3. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(11)

Konzertierte Aktion

Verhandlungspartner der Arzte, hier in der „Konzertierten Aktion" am 21. März. Linkes Bild (v. I. n. r.): Fritz Tervooren und Paul Jopek (beide vom Bundesverband der Innungskrankenkassen), Gustav Lindemann und Günter Janßen (beide vom Bundesver- band der Landwirtschaftlichen Krankenkassen); mittleres Bild (v. I. n. r.): Dr. Franz-Josef Oldiges und Willi Heitzer (beide vom Bundesverband der Ortskrankenkassen), Dr. Hans-Albrecht Bischoff (Bundesverband der Betriebskrankenkassen); rechtes Bild (v. I. n. r.): Dr. Kurt Friede (Bundesverband der Betriebskrankenkassen); Hans-Wilhelm Müller und Alex Winiarski (beide vom Verband der Angestellten-Krankenkassen) Fotos: Darchinger

Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel

Sehr eingehend beschäftigte sich die Konzertierte Aktion mit der Ausgabenentwicklung für Heil- und Hilfsmittel und für zahntech- nische Leistungen beim Zahner- satz.

Immerhin waren beide Bereiche mit Zuwächsen von jeweils + 12,1 v. H. bzw. 10,7 v. H. je Mitglied im letzten Jahr Spitzenreiter in der Ausgabenentwicklung. Wurden 1970 für Heil- und Hilfsmittel noch 2,8 v. H. aller Leistungsausgaben aufgewendet, so waren es 1979 nahezu 5,4 v. H. Der Anteil der zahntechnischen Leistungen ist noch stärker emporgeschnellt; er wuchs in diesem Zeitraum von 1,4 v. H. auf 4,2 v. H.

Diese Zuwachsraten, so der Ge- schäftsführer des Bundesverban- des der Innungskrankenkassen, Fritz Tervooren, können zu einer ernsthaften Gefahr für die Bei- tragssatzstabilität in der gesetzli- chen Krankenversicherung wer- den. Ein vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vor- gelegtes Papier machte deutlich, in welchen Leistungsgruppen überproportionale Ausgabenzu- wächse zu verzeichnen waren.

Demnach sind im Jahre 1978 die Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel

von Badeanstalten, Bestrahlun- gen, Massagen und Heilgymnastik um + 20 v. H., die Heil- und Hilfs- mittel besonderer Art — dazu gehö- ren Aufwendungen für Anschaf- fung, Unterhaltung und Betrieb von Dialyse-, Sauerstoff- und Inha- lationsgeräten, Fahrstühlen, Geh- wagen und Geräte ähnlicher Art — sogar um 25,9 v. H., die Heil- und Hilfsmittel von Optikern um 8,9 v. H., dagegen die Heil- und Hilfs- mittel von Orthopäden, Ortho- pädiemechanikern und Schuhma- chern sowie von Bandagisten le- diglich um 4,9 v. H. gestiegen.

Unter Bezugnahme auf den er- heblichen Ausgabenzuwachs für physio-therapeutische Leistungen stellte Tervooren die Frage, ob

„sich in der ärztlichen Verord- nungsweise ein gewisser Wandel vollzieht". Konkret meinte er, „daß möglicherweise manche Ärzte von der Arzneiverordnung zur Verord- nung physio-therapeutischer Lei- stungen überwechseln". Diese An- nahme ist wohl sehr vordergrün- dig. Sie wurde von Tervooren selbst insoweit relativiert, als er unter Hinweis auf die starke Zu- nahme der Zahl derjenigen, die diese Leistungen erbringen, auf die dadurch bedingte steigende Bereitschaft der Ärzte, sie zu ver- ordnen, und die Förderung des Verlangens der Patienten, sie in Anspruch zu nehmen, aufmerk- sam machte. Diese Annahme trifft

wohl eher zu. Ein Arzt wird nur dann physio-therapeutische Lei- stungen verordnen, wenn auch die Möglichkeit der Leistungserbrin- gung in einer für den Patienten angemessenen Entfernung ge- währleistet ist. Wird in einem länd- lichen Bezirk, in welchem bislang kein Leistungserbringer tätig war, ein Badeinstitut eröffnet, so wer- den Verordnung und Inanspruch- nahme von physio-therapeuti- .schen Leistungen sprunghaft steigen.

Die Konzertierte Aktion zog die Konsequenzen aus den Arbeitspa- pieren und der Diskussion dahin- gehend, daß sie es für dringlich geboten hält, den noch weit über- höhten Anstieg der Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel und für zahn- technische Leistungen beim Zahn- ersatz in die finanzielle Gesamt- entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung einzuord- nen.

Gleichzeitig empfahl sie den Spit- zenverbänden der Träger der ge- setzlichen Krankenversicherung, die eingeleiteten Analysen über die Entwicklung in den einzelnen Teilbereichen verstärkt fortzuset- zen und Maßnahmen zur Kosten- dämpfung mit den jeweiligen Ver- tragspartnern abzustimmen. In der Herbstsitzung soll das Thema un- ter strukturellen Gesichtspunkten erneut beraten werden.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 3. April 1980 879

(12)

Konzertierte Aktion

Vorbereitungszeit bleibt vorerst

bei sechs Monaten

In einem weiteren Tagesord- nungspunkt berichtete die Staats- sekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Frau Anke Fuchs, über den Stand der Bemühungen zur Gewährlei- stung einer ausreichenden prakti- schen Berufserfahrung der Kas- senärzte/Kassenzahnärzte vor der Zulassung. Schon im Herbst 1978 hatte die Konzertierte Aktion emp- fohlen, das ärztliche Ausbildungs- recht so zu gestalten, daß eine ausreichende praktische Erfah- rung im Rahmen der ärztlichen Ausbildung vermittelt werden kann. Da sich dieses Ziel nicht kurzfristig erreichen läßt, wurde die Bundesregierung gebeten, darauf hinzuwirken, daß als Zwi- schenlösung im Rahmen der Richtlinien der Europäischen Ge- meinschaft eine angemessene Vorbereitungszeit auf die kassen- ärztliche Tätigkeit eingeführt wer- den kann.

Nunmehr gab Frau Fuchs be- kannt, daß Bundesminister Dr. Eh- renberg in einem Schreiben an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften namens der Bun- desregierung darum gebeten hat, beim Rat der Europäischen Ge- meinschaften entsprechende Vor- schläge zur Ergänzung der maß- geblichen Richtlinien zu machen.

Durch eine derartige Ergänzung, so Frau Fuchs weiter, sollen die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften vorübergehend ermächtigt werden, Ausnahmen mit dem Ziel vorzusehen, daß für die Aufnahme einer Tätigkeit als freiberuflicher Arzt im Rahmen der entsprechenden Sozialversiche- rungssysteme oder nationalen Ge- sundheitsdienste eine bis zu zwei- jährige praktische Tätigkeit vorge- schrieben werden kann.

> Frau Fuchs kündigte abschlie- ßend an, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die

derzeit geltenden Regelungen über die Vorbereitungszeit auf die kassenärztliche und kassenzahn- ärztliche Tätigkeit in den Zulas- sungsordnungen für Kassenärzte und Kassenzahnärzte nicht än- dern wird, so daß es zunächst bei der bisherigen halbjährigen Vor- bereitungszeit auf die kassenärzt- liche und der zweijährigen Vorbe- reitungszeit auf die kassenzahn- ärztliche Tätigkeit bleibt. Die Bun- desregierung wird sich nach den Ausführungen von Frau Fuchs mit Nachdruck dafür einsetzen, daß das angestrebte Ziel möglichst bald erreicht wird.

> Die Ankündigung von Frau Fuchs, die bestehende Regelung über eine sechsmonatige Vorbe- reitungszeit entgegen den EG-Ärz- te-Richtlinien aufrechtzuerhalten, ist zu begrüßen. Keinesfalls ist da- mit aber die Erhaltung einer den Erfordernissen moderner medizi- nischer Erkenntnisse entspre- chenden qualitativ hochwertigen ambulanten kassenärztlichen Ver- sorgung der Bevölkerung schon gewährleistet. Dazu bedarf es der unverzüglichen Umsetzung der Empfehlung der Konzertierten Ak- tion vom Herbst 1979, wonach als Übergangsregelung nur derjenige Kassenarzt werden kann, der eine zweijährige Assistentenzeit im Krankenhaus und in freier Praxis zum Erwerb hinreichender berufs-

praktischer Erfahrungen absol- viert hat.

Die Bundesregierung sollte daher in Brüssel auf eine schnelle Ent- scheidung drängen. Schon heute kann festgehalten werden, daß die Ärzte sicher gemeinsam mit den Krankenkassen in der nächsten Herbstsitzung der Konzertierten Aktion die Frage nach einer zwei- jährigen Vorbereitungszeit erneut aufwerfen werden, falls bis dahin keine Reaktion aus Brüssel erfolgt ist.

Themen der Herbstsitzung

Abschließend beriet die Konzer- tierte Aktion die Gestaltung der Struktursitzung im Herbst 1980.

Das Thema „Fragen einer huma- nen Krankenversorgung" war schon in der letzten Herbstsitzung festgelegt worden. Der Vorberei- tungsausschuß hatte die Aufgabe übernommen, eine Strukturierung dieses Themas vorzuschlagen.

Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen einigten sich die Mit- glieder des Vorbereitungsaus- schusses auf ein Arbeitspapier des BMA. Danach soll das Thema auf folgende Beziehungen des Patien- ten zum Verordnungssystem un- tersucht werden:

— Patient und Heilberufe,

— Patient und technische Abläufe,

— Patient und organisatorische Abläufe.

Für die drei Teilbereiche sollen mögliche Problemsituationen, die sich beispielsweise aus der zuneh- menden Spezialisierung der Heil- berufe oder aus der unzureichen- den Qualifikation des Personals ergeben können, herausgearbeitet werden. Die Konzertierte Aktion gab für den Gliederungsvorschlag des BMA genauso wie für ein ähn- lich aufgebautes Arbeitspapier der

Gesundheitsministerkonferenz grünes Licht.

Damit stehen für die diesjährige Herbstsitzung folgende Themen zur Beratung an:

> Fragen einer humanen Kran- kenversorgung,

> Strukturprobleme bei der Er- bringung bzw. Abgabe von Heil- und Hilfsmitteln sowie von Zahn- ersatz,

> gegebenenfalls ein Situations- bericht seitens der Vertragspart- ner über den Stand der Beratun- gen über eine Honorarempfeh- lung.

Bis zu dieser Sitzung, die am 24./

25. November 1980 stattfinden soll, wird der Vorbereitungsaus- schuß wiederum ein gutes Stück Arbeit leisten müssen.

Dr. med. Eckart Fiedler Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

880 Heft 14 vom 3. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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