der Berufsbezeichnung. Die „Medi- kantin“ soll die herkömmliche „Arzt- helferin“ ersetzen, damit jedem klar- werde, daß die Arzthelferin qualifi- ziert und selbständig sei und weitaus mehr leiste, als nur „Sprechstunden- hilfe“ zu sein, erklärte Keim-Meer- mann. „Wir brauchen ein gemeinsa- mes Symbol, das all unsere Botschaf- ten transportiert.“ Dazu eigne sich die neue Bezeichnung. Sie sei unge- wohnt, aufrüttelnd und vielleicht auch provozierend, aber keinesfalls negativ besetzt.
Mit der Bezeichnung „Arzthelfe- rin“ würden viele noch immer verbin- den, daß der Beruf ein Anlernberuf sei, den man nebenbei machen könne, meinte auch Ilse Oppermann, im Bundesvorstand zuständig für die Aus- und Weiterbildung. In der drei- jährigen Ausbildung hätten die Arzt- helferinnen medizinisches, kaufmän- nisches und verwaltungstechnisches Fachwissen erworben, stellte Opper- mann heraus. „Die Medikantin soll für die fachlich vielseitige und hoch- qualifizierte Praxismitarbeiterin der Zukunft stehen und damit für eine wichtige Säule im ambulanten Ge- sundheitssystem.“
Aus für die
„Helferin“
„Die Helferin hat ausgedient“, brachte es die stellvertretende Bun- desvorsitzende, Karin Diehl, auf den Punkt. Das Tätigkeitsspektrum der Arzthelferin hätte sich über die Jahr- zehnte gewandelt und sei komplexer geworden. Sie besitze nicht nur fach- liche Qualifikationen, sondern über- nehme auch eigenständige Aufgaben- bereiche in der Praxis und sei darüber hinaus in zunehmendem Maße für das computergestützte Praxismanage- ment verantwortlich. Dies gehe aus der Berufsbezeichnung nicht mehr hervor. Dagegen „eröffnet uns die neue Bezeichnung Medikantin die Möglichkeit, unsere Rolle als Ma- nagerin in der Praxis neu zu definie- ren; sie ist zudem flexibel für zukünfti- ge Entwicklungen.“
Daß die Änderung der Berufs- bezeichnung allein noch nichts bewir- ke, gaben einige Teilnehmerinnen in der anschließenden Diskussion zu be-
denken. Sie vertraten die Auffassung, daß die momentane Situation ein viel aggressiveres Vorgehen erfordere. In der Öffentlichkeit werde zur Zeit auch „viel Stimmung gemacht“, ent- gegnete Diehl. Eine Blitzumfrage bei Arbeitsämtern habe ergeben, daß die Zahl arbeitsloser Arzthelfe- rinnen in den letzten Monaten nicht gestiegen sei.
Keim-Meermann forderte die Teilnehmerinnen schließlich auf, mehr Selbstbewußtsein an den Tag zu legen und sich ins Gespräch zu bringen. „Als Partnerinnen der Kassenärztlichen Vereinigungen, der Kassen, der Ärzte und der Patien- ten sind wir eine unverzichtbare Stütze des ambulanten Gesundheits- wesens.“ Dr. Sabine Glöser
Die in die vertragsärztliche Ver- sorgung eingeschalteten Ärzte sehen sich seit Inkrafttreten der Stafette von Kostendämpfungsgesetzen in einem Dauer-Dilemma: Einerseits sollen/müssen sie die Krankenversi- cherten auf der Basis des allgemein anerkannten Standes der medizini- schen Erkenntnisse behandeln (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch V), andererseits sind sie bei budgetier- ten Gesamtvergütungen, gesetzlich erzwungener Beitragssatzstabilität (§§ 71 Abs. 1, 141 Abs. 2 SGB V) und bei verschärften Wirtschaftlichkeits- prüfungen sowie anderen sozial- rechtlichen Auflagen (zum Beispiel:
Gesamthaftung für das Arznei- und Heilmittelbudget) strengen sozial- und zivilrechtlichen Bestimmungen unterworfen. Dieser Spagat bringt die Leistungserbringer (nicht nur die Ärzte) immer häufiger in Kon- fliktsituationen. Leidige Auseinan- dersetzungen in der Arztpraxis und berufsethische Probleme nehmen überhand.
Sparreserven ausgeschöpft
Inzwischen sind die noch ru- dimentär vorhandenen Spar- und Rationalisierungsreserven in vielen Arztpraxen ausgeschöpft. Die Im- ponderabilien mit der erneut revi- dierten Gebührenordnung im ver- tragsärztlichen Sektor (EBM), die ge- setzlich erzwungene Abstaffelung der Punktzahlen für Labor- und Groß- geräteleistungen (§ 87 Abs. 2 SGB V)
und rigider gefaßte Schlüsselparagra- phen im Privatliquidationssektor – Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) – gehen an die Substanz jeder Arzt- praxis.
Schleichende Rationierung
Trotz aller Beschwichtigungen ist eine schleichende Rationierung bereits Realität. Denn gemäß § 76 Abs. 1 SGB V haben die gesetzlich Versicherten bei der ärztlichen Be- handlung einen uneingeschränkten Anspruch auf die „Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Ver- tragsrechts“ – mit allen Nebenbedin- gungen. Patienten, die mit der „erfor- derlichen Sorgfalt“ (§ 276 BGB) be- handelt und mit Arzneimitteln ver- sorgt werden müssen, werden manch- mal nur mit der „üblichen Sorgfalt“
bedient. Gefordert wird jedoch – auch von den Krankenkassen –, auf der Basis des jeweiligen Standes der medizinischen Erkenntnis und des Machbaren und ohne Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten zu behandeln. Rigide Wirtschaftlich- keitsprüfungen und ein dem Grup- pendurchschnitt angepaßtes Be- handlungsverhalten tun ein übriges, daß die Kassenärzte zu Behand- lungs- und Verordnungsdefiziten ver- anlaßt werden. Kaum ein Richter, kein höchstes Sozialgericht schreiten ein, wenn dadurch grundgesetz- lich garantierte Rechtsstaatsprinzi- pien (Art. 20 Grundgesetz) geopfert
werden. HC
A-2844
P O L I T I K AKTUELL
(28) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 44, 1. November 1996