• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Hauptversammlung des Hartmannbundes: Es bleibt beim Widerstand" (03.11.2006)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Hauptversammlung des Hartmannbundes: Es bleibt beim Widerstand" (03.11.2006)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A2912 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 44⏐⏐3. November 2006

P O L I T I K

W

ir Ärzte haben monatelang in einer Mischung aus Pro- testen und Dialog versucht, das Schlimmste abzuwenden. Jetzt ist es Zeit für eine Phase des konkreten Widerstands.“ Mit diesen Worten hat Dr. med. Kuno Winn, Vorsitzen- der des Hartmannbundes, am 23.

Oktober regional wechselnde Pra- xisschließungen angekündigt. Von Dezember bis März wollen Mitglie- der des Hartmannbundes damit ex- emplarisch demonstrieren, wohin eine Zerstörung der wohnortnahen und flächendeckenden ambulanten Versorgung führen würde. Sie hof- fen dabei auf Unterstützung der Kollegen und der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen).

Etwas ungewöhnlich war es schon, dass Winn die Aktion wenige Tage vor der Hauptversammlung seines Verbands ankündigte. Doch er war sich offenbar sicher, die Stim- mung richtig einzuschätzen. Die De- legierten begrüßten denn auch am 28. Oktober in Potsdam mehrheit- lich die Kampagne, regten aber an, in Zukunft vor solchen Kampfmaß- nahmen Urabstimmungen vorzuse- hen. So lasse sich die Teilnahmebe- reitschaft eher einschätzen, und man könne zugleich die Ziele einer Akti-

on besser vermitteln. „Manche Kol- legen sind nur ungern bereit, die Pra- xis zu schließen“, gab ein Delegier- ter zu bedenken. Denn das bedeute eine enorme Arbeitsverdichtung vorher und nachher. Andere regten an, Aktionen von vornherein stärker mit anderen Vertragsärzten und, wenn möglich, mit Kollegen aus den Krankenhäusern abzustimmen.

Veränderung bei der ärztlichen Vergütung

Winn hatte zuvor betont, dass es grundsätzlich enge Absprachen ge- be. „Immerhin hat die Politik der schwarz-roten Bundesregierung ei- nes erreicht: Innerhalb der Ärzte- schaft herrscht eine Einigkeit wie seit Jahrzehnten nicht mehr“, beton- te der Hartmannbund-Vorsitzende, der selbst CDU-Mitglied ist. „Die Zeiten, in denen ein Gesundheitsmi- nister wie Horst Seehofer für jede noch so absurde Position einen ärzt- lichen Berufspolitiker als Kronzeu- gen zitieren konnte, sind vorbei.“

Winn ließ zudem keinen Zweifel aufkommen, dass die derzeitige Ge- sundheitspolitik ärztlichen Wider- stand herausfordern muss. 2006 drohe als ein schwarzes Jahr in die Geschichte der Gesundheitspolitik

einzugehen. Denn noch nie hätten Gesundheitspolitiker so wenig Ein- fluss auf eine Reform gehabt, und noch nie habe einer Reform so über- deutlich ein Konzept gefehlt. Be- sonders die Union enttäusche, weil sie in kürzester Zeit gesundheitspo- litische Bekenntnisse über Bord ge- worfen habe und kein gestalteri- scher Mut mehr von ihr ausgehe.

Auf eben diesen machte den De- legierten auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. med.

Wolfgang Böhmer (CDU), keine Hoffnung. Zwar sei es notwendig, das Gesundheitssystem grundsätz- lich zu reformieren, doch „dafür se- he ich weder Vorschläge noch parla- mentarische Mehrheiten“. Böhmer ist davon überzeugt, dass Vertei- lungskonflikte dem Gesundheitssys- tem immanent sind und sich nicht lösen lassen, solange der einzelne Patient nicht verantwortlich einbe- zogen wird. Er ließ jedoch ebenso anklingen, dass die Ärzteschaft ihren Anteil an den Problemen habe, und sprach die Abschottung der Sektoren an, die immer noch große Zahl von Ärzten im System sowie Probleme der Mengensteuerung.

Böhmers Rede fand gemischte Resonanz, auch seine Aussagen zur Kostenerstattung. Möglicherweise bringe ein solches System erhebliche Probleme mit sich, hatte der Minister- präsident zu bedenken gegeben. Dass es nur mündige Patienten gebe, kön- ne nur behaupten, wer noch nie eine Sprechstunde abgehalten habe. „Wie wichtig die Kostenerstattung für uns ist, zeigt gerade wieder der Gesetz- entwurf für die Gesundheitsreform“, stellte hingegen Winn klar. „Da wird zwar das Honorar von floatenden Punkten auf feste Euro-Werte umge- stellt – aber die Budgetierung mit Abstaffelung soll bleiben.“

Die Delegierten plädierten für ei- ne Veränderung bei der ärztlichen Vergütung: „Nur mit einem Kosten- erstattungssystem ist für alle Betei- ligten erkennbar, wie und wohin die Geldströme fließen“, heißt es im Leitantrag. Die Verknüpfung mit einer sozial verträglichen Selbst- steuerung werde zudem eine men- gensteuernde Wirkung entfalten.

Der Hartmannbund vertritt an die- sem Punkt auch eine andere Auffas-

HAUPTVERSAMMLUNG DES HARTMANNBUNDES

Es bleibt beim Widerstand

Nicht nachlassen im Protest gegen die Gesundheitsreform – dazu ist der Hartmannbund entschlossen. Seine Mitglieder planen Praxisschließungen und wollen sich intern noch besser für die Zukunft aufstellen.

Illusionslos stellte Gastredner Prof.

Dr. med. Wolfgang Böhmer fest: „Es ist berechtigt zu sagen, nach dieser Reform stehen wir vor der nächsten.“

Fotos:Hartmannbund/Krahmer

(2)

A2914 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 44⏐⏐3. November 2006

P O L I T I K

sung als die Kassenärztliche Bundes- vereinigung. Doch was Kritik an den KVen und Ausstiegsszenarien aus dem kassenärztlichen System anbe- langt, äußerten sich Winn wie die Delegierten zurückhaltend. Trotz der Unzufriedenheit werde stellenweise wenig Bereitschaft zum Ausstieg sig- nalisiert, hieß es. „Wir sollten den Systemausstieg nicht androhen, denn wir könnten ihn nicht umsetzen“, warnte ein Delegierter. „Ist eine KV, die durch den Gesetzgeber immer engere Fesseln angelegt bekommt, der richtige Gegner?“, gab Winn zu bedenken. Und lieferte gleich die Antwort: „Ich meine, nein. Wer von uns könnte denn über Nacht die Lücke füllen, wenn die KVen nicht wären?“ Gleichzeitig machte er klar, warum der Hartmannbund eigene Lösungs- und Gestaltungswege sucht:

„Wenn der politische Wille erkennbar zu Einzelverträgen auch außerhalb des KV-Systems tendiert, werden wir dem nicht sprach- und tatenlos ent- gegensehen.“

Diese Einschätzung spiegelte sich in den Beschlüssen wider. Der Hartmannbund hat bereits ein eige- nes Referat „Tariffragen und sta- tionäre Versorgung“ eingerichtet.

Nun soll der Vorstand das Bera- tungskonzept weiterentwickeln, un- ter anderem, um Mitglieder bei der Gründung und dem Aufbau Medizi- nischer Versorgungszentren zu be- raten und um Honorarverträge für niedergelassene Ärzte mit anderen Leistungserbringern und den Kran- kenkassen auszuarbeiten. I Sabine Rieser

D

ass es im Rahmen der gerade begonnenen parlamentari- schen Beratungen zur Gesundheits- reform noch zu größeren Änderun- gen der Regierungspläne kommt, gilt als ausgeschlossen. Nachbesse- rungen an der einen oder anderen Stelle des Gesetzentwurfs sind je- doch möglich. Dies gab der stell- vertretende Vorsitzende der Unions- fraktion, Wolfgang Zöller (CSU), bei einer Fachveranstaltung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV) in Berlin zu verstehen.

Zöller stellte klar, Korrekturen seien insbesondere bei der Ausgestaltung alternativer Versorgungsformen möglich. So sollten die Kassenärzt- lichen Vereinigungen (KVen) bei der integrierten Versorgung als Ver- tragspartner auftreten dürfen. Im Gesetzgebungsverfahren werde die Union entsprechende Änderungen anstreben, kündigte Zöller an.

Der Gesetzentwurf sieht bislang vor, dass die KVen sowohl bei der integrierten Versorgung als auch bei der hausarztzentrierten Versorgung

nicht als Vertragspartner agieren dürfen. Sie können auch nicht über die von ihnen gegründeten Dienst- leistungsgesellschaften einbezogen werden. Die politisch immer wieder betonte Wettbewerbsorientierung werde so vollständig aufgehoben, kritisierte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. med. Andreas Köhler.

Würde der Entwurf umgesetzt, gäbe es künftig zwar einen wettbewerbli- chen Sektor mit Sonderverträgen.

Zu diesem hätten aber allenfalls

ausgewählte Akteure Zugang. „Den KVen bliebe nur noch die Rolle des Resteverwerters“, sagte Köhler.

Als Auslaufmodell möchte er die ambulante Versorgung heutiger Prägung dennoch nicht verstanden wissen. Bei der KBV-Veranstal- tung führte Köhler aus, dass es ins- besondere in Ballungsräumen und bei hoch spezialisierten Fächern zu neuen Formen der Zusammenar- beit kommen werde. „Deshalb ist die Einzelpraxis aber noch lange nicht tot“, sagte Köhler. Gerade auf dem Land gebe es keine Alter- native zum niedergelassenen Frei- berufler. Zumal die KVen die Er- tragsgrundlage von Ärzten in dünn besiedelten Regionen mit Investi- tionshilfen und Punktwertgaranti- en sicherten.

Anders sah dies Dr. Michael Philippi, Geschäftsführer der Sana- Managementgesellschaft. Gerade in der Fläche seien Einzelpraxen auf Dauer nicht überlebensfähig. Doch nicht die Versorgung werde ver- schwinden, sondern die gegenwär- tigen Ineffizienzen. Einzelpraxen könnten nur dann wirtschaftlich ge- führt werden, wenn sie Teil eines Netzwerkes unter Einbeziehung von Krankenhäusern würden.

Dass Ärzte hierfür nicht unbe- dingt ihre Freiberuflichkeit aufge- ben und sich in ein Angestelltenver- hältnis begeben müssten, hob Dr.

Wolfram Otto, Leiter des Polikums Berlin-Friedenau, hervor. In seinem Gesundheitszentrum sei schon jetzt die elektronische Patientenakte realisiert. Dieses Modell ließe sich auch auf die Versorgung in der Fläche übertragen. Krankenhäuser, Medizinische Versorgungszentren und Hausärzte könnten die Patien- tenversorgung durch eine elek- tronische Vernetzung effizienter

gestalten. I

Samir Rabbata

GESUNDHEITSREFORM/VERTRAGSÄRZTE

Korrekturen möglich

Das Gesetzgebungsverfahren für die Gesundheitsre- form hat begonnen. Die Union erklärt, sie wolle dabei Forderungen der KVen berücksichtigen.

Klare Linie:

„Dieses Gesetz muss in toto weg!

Und dann muss man an den Leistungskatalog heran“, fordert Dr. med. Kuno Winn.

Die KVen sollten bei der integrierten Versorgung als Vertragspartner auftreten dürfen.

Wolfgang Zöller (CSU), stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Den Versicherten müssten mehr Wahl- und Selbstbestimmungsrechte auch bei der Inanspruchnahme wählbarer medizi- nischer Leistungen eingeräumt werden, insbesondere jener

Das Gesetz sei per se ungerecht, auch wenn mög- licherweise der Arztbezug und die Pa- tientenbezogenheit der Daten auf Grund des Einspruches des Bundes- datenschützers

So viel Freiheitsgrade wurden der Wissen- schaft nicht zugestanden; die Sequenz über Forschung und Lehre wurde von den Drehbuchautoren auf 2 600 Zei- chen begrenzt. Das hat

Der Sachverständigenrat zur Begutach- tung der Entwicklung im Gesund- heitswesen hatte sich Anfang Juli in einer Studie für die Übertragung be- stimmter ärztlicher Aufgaben auf

Die Beschwichtigungen der gesundheitspolitischen Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Birgitt Bender, ließ der Hartmannbund nicht gelten: Gesetzliche und private

Peter Kappen, Allgemeinarzt aus Seligenstadt, initiier- ten Beschluss heißt es, der Politik und Öffentlichkeit müsse plausibel gemacht werden, dass mehr als 40 Prozent des

Die Asymmetrie der Arzt-Patienten- Beziehung ignorierend, wird der Pati- ent nach diesem Ansatz sich selbst überlassen – gängige Floskel: „Es ist ja Ihr

D er Hartmannbund (Verband der Ärzte Deutschlands e.V.) steht für Beharrlichkeit und Kontinuität in der ärztlichen Berufs- und Gesund- heitspolitik ebenso wie bei der Wahl