• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Homöopathie: Die Nachfrage steigt" (29.03.2002)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Homöopathie: Die Nachfrage steigt" (29.03.2002)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A

ufgrund fehlender Erfahrung und mangelnder intellektueller Aus- einandersetzung begegnen viele Schulmediziner den homöopathisch ar- beitenden Kollegen mit Hochmut“, meint Dr. Jürgen Borchert (Bremen) und bekennt: „Während meiner ersten Berufs- jahre als Arzt habe ich selber verächtlich über die Homöopathie gedacht.“ Bei den Patienten aber wächst das Interesse an Homöopathie. Aus einer bundesweiten Umfrage der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung ging die 200 Jahre alte Methode als das beliebteste von zwölf zur Wahl gestellten alternati- ven Heilverfahren hervor.

Mehr als zwölf Prozent der Deutschen haben nach der Repräsentativumfrage schon eine homöopathische Behandlung in Anspruch genommen, und mehr als drei Viertel davon geben an, dass die Einnahme des homöopathischen Mittels zu einer nachhaltigen Verbesserung ihrer Beschwerden führte. Nach einer Umfra- ge des Marplan-Instituts möchten 72 Prozent der Deutschen mit homöopathi- schen Arzneimitteln behandelt werden.

Auch Christoph Trapp, Sprecher des Deutschen Zentralvereins homöopathi- scher Ärzte (DZVhÄ), bestätigt: „Wir erhalten immer mehr Anfragen.“ Vor al- lem Eltern, deren Kinder unter Neuro- dermitis, Allergien und Asthma leiden, suchen Hilfe bei homöopathisch arbei- tenden Ärzten. Bei diesen chronischen und rezidivierenden Erkrankungen er- zielt die Homöopathie oft Heilerfolge, wo die Schulmedizin nicht weiterkommt.

Auch Dr. Horst Hauptmann (Augs- burg) weiß aus 30-jähriger Erfahrung, dass bei jungen Patienten die Homöo- pathie oft besonders gut „anschlägt“.

Hauptmann erläutert die Besonderhei- ten seiner Kinderarztpraxis: Nach dem Motto von Samuel Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie: „Es gibt keine Krankheiten, nur Kranke“, reicht dem homöopathisch arbeitenden Päd-

iater die Diagnose Masern nicht. „Ich schaue mir an, was ist das für ein Kind?

Ist es weinerlich? Ist es anhänglich oder eher abweisend?“, erklärt der Augsbur- ger Kinderarzt. Bei einem an Masern erkrankten Kind kämen rund 20 ver- schiedene Mittel infrage.

Da es bei Kindern schwierig ist, die subjektiven Symptome zu erfragen, seien in der homöopathischen Pädiatrie die beobachteten Phänomene („Zeichen“) von besonderer Bedeutung, berichtete Hauptmann auf dem Kongress des Deut- schen Zentralvereins homöopathischer Ärzte in Hamburg. „Ein Zeichen ist et- was, das ich sehen, hören, riechen oder

tasten kann. Ich sehe den tiefen Riss in der Unterlippe, die Varizen auf den Ton- sillen oder das Zupfen an Lippen und Nase; ich höre den bellenden Husten oder den Stridor laryngialis congenitus;

ich rieche den aashaften foetor ex ore; ich taste die einseitige Kälte des Fußes.“

Auch im Krankenhaus machen Kin- derärzte gute Erfahrungen mit Hah- nemanns Methode. Im Dr. von Hau- nerschen Kinderspital der Universität München läuft seit April 1995 das Mo- dellprojekt „Homöopathie in der Kin- derheilkunde“. Seither ist ein homöo- pathisches Konsil auf den Stationen zur Selbstverständlichkeit geworden. „Eine begleitende homöopathische Therapie kann sowohl in den Ambulanzen als auch auf den Stationen eingesetzt wer- den, wenn die Indikation dazu ärztlich gestellt worden ist. Bei akuten Krank- heiten erfolgt die Wahl des homöo- pathischen Arzneimittels aufgrund der aktuellen Lokalsymptome. Bei chro- nisch kranken Kindern wird eine aus- führliche homöopathische Anamnese erhoben“, berichtet Dr. Sigrid Kruse (München).

Zur Dokumentation und für die Su- pervision wird eine kurze Videoaufnah- me des Kindes gemacht. Anschließend erfolgt die homöopathische Arzneimit- telfindung. Es werden einerseits akute Krankheiten und Störungen wie bei- spielsweise virale Infekte der oberen Luftwege, akute Magen-Darm-Infek- te, Blähungskoliken bei Säuglingen, Unruhezustände bei Säuglingen und entwicklungsverzögerten Kindern ho- möopathisch behandelt.

Andererseits seien gerade die chro- nischen Krankheiten oft Anlass für ei- ne homöopathische Behandlung, sagte Kruse. „Beispiel dafür sind Infektan- fälligkeit, allergische Krankheiten wie Neurodermitis, Heuschnupfen und Asth- ma bronchiale, wiederkehrende Kopf- oder Bauchschmerzen ohne nach- weisbare Ursache, häufig wiederkehren- de Harnwegsinfektionen, Bettnässen, Krampfanfälle, Tic, Verhaltensstörun- gen oder die begleitende Therapie bei krebskranken Kindern.“ Nach fünf Jah- ren Modellprojekt habe sich gezeigt, dass es gute Möglichkeiten für eine homöopathische Begleittherapie in ei- ner Universitätskinderklinik gibt.

Diese Offenheit ist nicht selbstver- ständlich, denn Kritiker behaupten, die Heilerfolge der Homöopathen würden nur auf Placebo-Effekten beruhen. Di- verse randomisierte Studien haben je- doch mittlerweile gezeigt, dass eine homöopathische Behandlung dem Pla- cebo-Effekt überlegen ist. Eine Studie P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 13½½½½29. März 2002 AA831

Homöopathie

Die Nachfrage steigt

Vor allem Eltern von Kindern mit chronischen Erkrankungen sind an dieser Alternative zur Schulmedizin interessiert.

Medizinreport

Ein speziell für Kinder ausgerichteter Ratgeber stellt homöopathische Kombinationsmittel vor, welche die Selbstheilungskräfte des Organismus anregen: Annette Porcher-Spark:

Moderne Homöopathie für kleine Pa- tienten. Aurelia-Verlag, Baden-Ba- den, 2001, 136 Seiten, 40 Abbildun- gen, 13,19 AA.

(2)

von Reilly et al. (Lancet 1994; 344:

1601–1606) zeigte, dass die mit einer homöopathischen Präparation von Gras- pollen behandelten Patienten eine stär- kere Verbesserung ihrer Pollinosis- Symptome zeigten als diejenigen, die ein Placebo bekommen hatten. In der klinischen Doppelblindstudie von Wie- senauer und Lüdtke (Phytomedicine 1995; 2,1: 3–6) war Galphima glauca bei der Behandlung der Pollinosis dem Pla- cebo überlegen. Aabel behandelte Pati- enten, die unter Birkenpollenallergie leiden, mit dem homöopathischen Mit- tel Betula (British Homeopathic Jour- nal 2000; 89: 161–168). Sie zeigten dar- aufhin seltener und weniger schwere Symptome als die Patienten, die Place- bos erhalten hatten.

Auch im Vergleich mit anderen Me- dikamenten schneiden die homöopathi- schen Mittel gut ab. Das homöopathi- sche Nasenspray ist für die Behandlung des Heuschnupfens genauso wirksam und gut verträglich wie die herkömmli- che Therapie mit Chromoglicinsäure

(Weiser et al.: Forsch Komplemen- tärmed 1999; 6: 142–148). Und Taylor et al. veröffentlichten einen Aufsatz (BMJ 2000; 321: 471–476), nach dem bei Rhi- nitis allergica die homöopathische Be- handlung eine deutliche signifikante und klinisch relevante Verbesserung des nasalen inspiratorischen Peak flow (nasal inspiratory peak flow) bewirkte – etwa im gleichen Ausmaß, wie mit der topischen Anwendung von Steroiden zu erzielen ist.

Auch nach der 1997 von Linde veröf- fentlichten Meta-Analyse (Lancet 1997;

350: 834–843) weist ein Ergebnis größer als eins auf eine bessere Wirksamkeit der homöopathischen Therapie im Ver- gleich zu Placebo hin. In die statistische Analyse flossen 89 Studien ein, die Er- gebnisse von mehr als 10 500 Patienten wurden ausgewertet. „Die Ergebnisse unserer Meta-Analyse sind nicht mit der Hypothese vereinbar, dass die klini- sche Wirksamkeit der Homöopathie vollständig auf den Placebo-Effekt zu- rückzuführen ist.“ Vera Stadie

Multiple Sklerose

Entzündliche und degenerative Formen

Die multiple Sklerose (MS) ist wahr- scheinlich auf verschiedene Ursachen zurückzuführen und ihr Erscheinungs- bild nur das phänomenologische End- produkt dieser Vielfalt. Zu dieser Ein- schätzung kommt Prof. Wolfgang Brück vom Institut für Neuropathologie der Charité. Er hat in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Wien und Roche- ster/USA zeigen können, dass die Zer- störung der Markscheiden und der Ner- venzellfortsätze zwei voneinander un- abhängige Prozesse sind. Bisher nahm man an, dass die MS die Folge einer Autoimmunreaktion ist, bei der das Im- munsystem sich gegen Bestandteile der Markscheide von Nervenzellen richtet und die Hüllsubstanz mehr oder weni- ger großflächig zerstört.

Die Wissenschaftler fanden nun her- aus, dass Immunphänomene allein die MS nicht in ihrem ganzen Ausmaß er- klären können. Die Zerstörung der Oli- godendrozyten, welche die Markschei- den bilden, beruht auch auf Schäden oder Störungen im Stoffwechsel dieser Zellen. Diese Stoffwechselstörungen sind vermutlich auf Gendefekte zurück- zuführen. Die Forscher haben anhand histopathologischer Untersuchungen auch nachweisen können, dass bei einer größeren Gruppe von Patienten die Zerstörungen an den Achsenzylindern der Nervenzellen, die in der Magnet- Resonanz-Tomographie als „schwarze Löcher“ erscheinen und eine schlechte Prognose anzeigen, als degenerative Vorgänge einzustufen sind.

Mit der Kenntnis unterschiedlicher Arten der multiplen Sklerose kommen auch gezieltere Therapien in den Blick, die den zugrunde liegenden Krank- heitsmechanismus berücksichtigen – zumal Interferon als Immunpharma- zeutikum nur bei etwa einem Drittel der Patienten wirksam ist. Bei den de- generativen Vorgängen, die antient- zündlich nicht zu beeinflussen sind, wird man vermutlich versuchen, den Stoffwechsel der Oligodendrozyten zu verändern – zum Beispiel mit Wachs-

tumsfaktoren. EB

P O L I T I K

A

A832 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 13½½½½29. März 2002

Charakteristika der Behandlung

Charakteristisch für die Homöopathie ist, dass jeder Patient individuell und ganzheitlich behandelt wird. Es gibt nicht die Krankheit, sondern nur den indi- viduellen kranken Menschen – aus homöopathischer Sicht eine Einheit von Körper, Geist und Seele. Daher ist es für den homöopathischen Arzt wichtig, ein Gesamtbild vom Befinden des Patienten zu erhalten. Am Beginn der homöopathischen Behandlung steht eine ausführliche Befragung, die Erst- oder Basisanamnese. Neben den Krankheitssymptomen und dem körperlichen Befinden sind dabei charakteristische Beschreibungen des Patienten von Beschwerden und deren Begleitumständen, bisherige Erkrankungen und die Lebensumstände wichtig. Auch die psychische Verfassung, Gemütsregungen, Schlafverhalten und die Lebensumstände des Patienten spielen eine Rolle.

Eine anschließende körperliche Untersuchung ergänzt das Anamnese- Gespräch. Die Erstanamnese dauert mindestens eineinhalb Stunden. Zur Überprüfung der laufenden Behandlung ist eine etwa 30-minütige Folgeana- mnese vorgesehen.

Homöopathische Arzneien werden aus pflanzlichen, tierischen oder mine- ralischen Rohstoffen hergestellt und mit lateinischen Namen bezeichnet. Wur- zeln, Blätter, Blüten oder Samen von frischen oder getrockneten Pflanzen sind der Grundstoff der meisten Homöopathika. Bevor ein Stoff in die Reihe der homöopathischen Mittel aufgenommen wird, wird er einer Arzneimittelprü- fung unterzogen. Arzneimittelprüfungen an gesunden Probanden sind neben der Anamnese die Voraussetzung für die Anwendung des Simile-Prinzips. Die Prüfungen zeigen die Symptome, die der Wirkstoff bei Gesunden auslöst. Aus diesen Symptomen setzt sich das Arzneimittelbild zusammen. Die homöopa- thische „Materia Medica“ umfasst heute mehr als 2 000 Mittel. Weitere Infor-

mationen unter: www.homoeopathy.de. Vera Stadie

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Hausärzte (General Practitioners) im Staatlichen Gesundheits- dienst erhalten für das im April 1993 begonnene Fi- nanzjahr eine Erhöhung ihrer Bezüge um nur 1,5 Prozent auf

Es spricht also einiges dafür, das Angebot einer spezialisierten ambu- lanten Palliativversorgung im Sinne der betroffenen Patienten zu nutzen als eine Chance, „den Tagen mehr

Für die zurückliegenden Fortbildungsbeiträge können die erworbenen Punkte nicht mehr nachgetragen werden.. Das Deut- sche Ärzteblatt dokumentiert aber auch weiterhin die

„Hausärzte" ein Gegengewicht zu den berufspolitischen Aktivitäten des BPA Verband Deutscher Haus- ärzte (früher: Berufsverband der Praktischen Ärzte und Ärzte für

Eine entsprechende Regelung für die angestellten Ärzte im stationären Be- reich durch den Gemeinsamen Bundes- ausschuss, das heißt hier durch die Spit- zenverbände der

Wenn aber bereits innerhalb der Ärzteschaft Unei- nigkeit herrscht und beispielsweise die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages 2001 keinerlei Bedeutung für leitende Ärzte haben, darf

Die Kopf- pauschale für die auf der Liste des niedergelassenen Arztes eingetragenen Pa- tienten erhöht sich auf 7,05 Pfund, für 65- bis 74jährige Patienten auf 9,15 und für..

Es ist damit zu rechnen — wie auch bei den zurückliegenden Bera- tungen zum Rettungssanitätergesetz deutlich wurde — daß tarifrechtlich für den Rettungssanitäter