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Archiv "Was gestern schon nicht mehr als Wundergalt" (01.05.1975)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen FEUILLETON

Freilich — auch die Naturwissen- schaftler werden in ihrer Todes- stunde irrational nach der Mutter rufen oder nach dem Freund oder nach der Familie und auch einen unbegründeten Trost, entgegen ih- rer früheren Überzeugung, mit Dankbarkeit entgegennehmen. Aus dieser Sicht genügt es, den weni- ger Gebildeten ein parapsycholo- gisches Buch vorzuwerfen, das das Leben nach dem Tod wahrschein- lich macht. Die von den Naturwis- senschaften vorgezeichnete harte Realität gerät so aus menschlicher Sicht ins Hintertreffen. Der End- effekt ist, daß die meisten Vertreter der exakten Wissenschaften, die Ersatzreligion Parapsychologie als Arabeske unserer Kultur nicht be- rühren und sich damit nur ober- flächlich befassen — etwa in der Art, wie man einen ebenfalls mäßig guten Kriminalfilm oder eine

„Science Fiction" zum Zeitvertreib oder zur Erholung im Fernsehen ansieht. Von der gemütsmäßigen Seite gehören wir, die Autoren, wohl auch dazu.

Solange parapsychologische Dar- bietungen, als okkultistische Prak- tiken, Bücher, Filme usw. diese ihre Funktion aus der genannten Sicht wahrnehmen, ist wohl nichts zu sagen. Die Lage hat sich indes deshalb zugespitzt, weil die Para- psychologen versuchen, unter Miß- brauch von Statistiken, physikali- schen Geräten und Anordnungen und zum Teil selbst mit Hilfe von Physikern, die mit der Biologie un- vertraut sind, in die Naturwissen-

*) Werner Keller: „Was gestern noch als Wunder galt", Droemer/Knaur Verlag, Zürich (1973)

schaften einzudringen, und sie zu zersetzen beginnen. Der Weg wird dabei konsequent so beschritten, daß Stimmen der Kritiker unter- schlagen werden und statt einfa- cher logischer Deduktionen das jeweilige „missing link" durch kritik-

lose Fallbeschreibungen oder ei- nen nur das Gemüt befriedigenden Überbau ersetzt wird. Würde tat- sächlich eine „neue Welt" existie- ren, die der Autor Keller wohl in Übereinstimmung mit vielen Reli- gionsgemeinschaften und Sekten postuliert und vor deren Tor wir stehen, wie er und wohl schon Tausende vor ihm der Menschheit versprochen haben, so kann man die Tür zu ihr derartig wie Keller, dann Rhine und Bender, auf die er immer wieder Bezug nimmt, nicht aufstoßen.

Damit, daß okkultistische Schrift- steller immer wieder auf das Zeug- nis von akademisch Graduierten Bezug nehmen, ihnen auch in Vor- worten danken, wird die Situation für die Okkultisten nicht besser.

Denn sie danken nur immer den Okkultisten unter ihnen, so daß ein sektiererischer Charakter sichtbar wird. Soweit auf besonders expo- nierte und angesehene Wissen- schaftler Bezug genommen wird, so wäre es gut — und das gilt ganz allgemein —, sich auch diese ge- nauer anzusehen, denn unter ihnen gibt es welche, die ihren guten Na- men zu leicht durch überschnelle Urteile auf Gebieten abgeben, für die sie nicht kompetent sind. Man erinnere sich nur an Virchow, dem wir die „Kurierfreiheit" zu verdan- ken haben, oder an August Bier, der sich in höherem Lebensalter für die Homöopathie einsetzte und

Wenn wir ein in großer Aufla- ge erschienenes Buch mit dem Titel „Was gestern noch als Wunder galt" einer nähe- ren Prüfung unterziehen — obwohl es ein gewisses zeit- liches Opfer von uns erfor- dert —, so deshalb, weil es von Zeit zu Zeit nötig ist zu sagen, daß das Weltbild der Naturwissenschaften noch heil ist und einer Korrektur durch einen Schriftsteller mittels eines sogenannten

„Sachbuches" nicht bedarf.

Selbst die Tatsache, daß er Forschungsstätten - in den USA besucht hat, macht da- bei keinerlei Eindruck auf uns. Solche Hinweise kennen wir aus der langjährigen Hochschulpraxis, wenn bei Neubewerbungen etwa als Zeichen besonderer Qualifi- kation der Hinweis „... Er war auch in den USA" einem Bewerber die Laufbahn ge- ebnet hat, und nicht immer Rechtens. — Man hat uns auch vorgehalten, die Men- schen müßten doch „etwas haben", an das sie sich klammern könnten, was — wenn es schon nicht die Reli- gion ist — ihrem einmal vor- handenen genuinen Bedürf- nis nach Irrationalität entge- genkommt. Wir haben ver- sucht, diesen Komplex an an- derer Stelle zu behandeln (Prokop und Uhlenbruck, 1974). Daß dies schwierig und vielschichtig ist, brau- chen wir nicht zu betonen, denn auch die Vertreter der Naturwissenschaften fragen, wenn sie älter werden, nach Sinn und Zweck des Lebens und nach dem „Morgen".

sie selbst betrieb (Bier, 1925, 1930), ganz abgesehen von den unange- messenen Argumentationen mit Paracelsus oder Goethe. Und be- sonders den großen Goethe hat auch Keller wieder in seine Argu- mente eingeführt! Dabei hat sich

Was gestern schon

nicht mehr als Wundergalt

Bemerkungen zu einem Buch von Werner Keller*)

Otto Prokop und Gerhard Uhlenbruck

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 18 vom 1. Mai 1975 1313

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Was gestern schon nicht mehr als Wunder galt

Goethe nicht nur einmal, sondern mehrfach fundamental geirrt.

Wenn sich Gelehrte wie Zinöenko, Leontjew, Lomov und Lurija (1974) sehr kritisch mit der Parapsycholo- gie auseinandersetzen, so kann man das nur begrüßen. Wenn sie hier und da gewisse Zugeständnis- se machen, so kann man das be- stenfalls als taktische Variante an- sehen. Das gilt zum Beispiel für das „Sehen von Farben" durch Blinde, worauf sie Bezug nehmen.

Das Studium der Literatur hätte ih- nen aber vor Augen geführt, daß selbst diese parapsychologische Praktik schon alt ist, und die Arbei- ten ihres Landsmannes Chowrin (1898) beweisen das: Chowrin, Oberarzt an der Irrenanstalt in Tambow, konnte nämlich schon da- mals wahrscheinlich machen, daß von einem Sehen hier keine Rede sein konnte, sondern Farben gele- gentlich von Personen mit hyper- sensiblem Tastsinn auf Grund ihrer Wärmetönung erahnt werden kön- nen (vgl. Schrenck-Notzing, 1919).

Man sollte also tatsächlich solche

„Fähigkeiten" nicht mit der Para- psychologie vermischen.

Zweifel, nichts als Zweifel

Wer sich Urteile über die „Phäno- mene des sechsten Sinns" anmaßt, sollte nicht pauschal oder apriori- stisch an dieses Gebiet herange- hen, sondern Steinchen für Stein- chen seines liebenswürdigen Mo- saiks überprüfen. Nach welchen Gesichtspunkten dies zu gesche- hen hat, wollen wir im folgenden anraten. Es ist das der Stil, der sonst in der Naturwissenschaft gilt:

Zweifel und nochmals Zweifel an- zubringen, denn: „Am Beginn jeder Wissenschaft steht der Zweifel"

(Aristoteles). Andere Denkschema- ta sind uns fremd und werden auch nicht mit Hinweisen auf Platon, Agrippa von Nettesheim, Crookes, Zöllner, Richet und andere in uns erweckt.

Sicher können wir die Flut der Ok- kultliteratur und das breite Interes- se an der Magie, denen wir uns ge- genübersehen, nicht aufhalten,

denn dazu fehlen uns profunde Kenntnisse über die Ätiologie die- ses kulturellen Rückfalls, an dem sicher nicht allein der steigende Mißbrauch an Alkohol und Psycho- drogen (so Mackarness, 1974) ur- sächlich ist.

Gehen wir das Buch von Keller nur kurz durch. Schon auf der ersten Bildtafel begegnet uns der Mord von Sarajewo, den Bischof Lanyi in einem Wahrtraum vorausgesagt hat (Seite 39). Daß es mit dem Hellse- hen in die Zukunft beim Bischof Lanyi in Wirklichkeit aber anders war und nicht klar ist, wann die Traumniederschrift erfolgte, wann der Traum überhaupt zustande kam, und daß aus Autoritätsglau- ben Umstellungen vorgenommen wurden, bezeugt Gubisch 1961, der diesen Fall untersucht hat. Auf der zweiten Bildtafel sieht der erstaun- te Leser den berühmten Kapuziner- mönch Padre Pio, der angeblich te- lepathisch begabt war und auch die Wundmale Christi (Stigmatisa- tion) hatte. Freilich ahnt der Leser nicht, daß der Pater schon 50 Jah- re früher als Betrüger entlarvt wur- de, der seine Wundmale mit Zug- pflaster aus der Drogerie bewirkte (Wimmer, 1974). Zumindest dieser Umstand darf den Leser mit vollem Recht daran zweifeln lassen, daß auch an den anderen Fähigkeiten des frommen Mannes auch nur ein Körnchen Wahrheit ist. Der Arzt in- des macht sich zumindest Seite 335 des Kellerschen Buches seine Gedanken, wenn dort der Autor von Padre Pio auch die Kraft der

„Bilokation" erwähnt. Ein Schwer- kranker aus Viareggio sah Padre Pio in seine Stube kommen, ob- wohl er zur selben Zeit über 500 km entfernt im Kloster San Giovan- ni Rotondo weilte. Diese Darstel- lung mutet wie ein Rückfall in ein- fachen Dämonenglauben an, wie ihn etwa Frau David-Neel 1932 von den Tibetanern beschrieben hat.

Auch wenn die Psychiatrie hier und da, wie auch andere Fächer, ihren Mangel haben mag, so weiß sie doch über Halluzinationen Schwer- kranker, Sterbender oder aber sol- cher von Alkoholikern und Toxiko- manen bestens Bescheid, und man

darf daher dem Autor die einschlä- gige Literatur von Studentenlehr- büchern und speziellen Fachbü- chern empfehlen.

Bei dem ausgesprochenen Mangel an handfesten Ergebnissen kom- men die Parapsychologen und die ihnen anhängenden Schriftsteller immer wieder auch auf den Me- dienkult zurück. Daß Keller hier selbst wieder auf Medien wie Eusa- pia Paladino zurückgreift, ist nicht so unverständlich, da auch Prof.

Bender (1971) sie neu auferstehen lassen hat. Was davon zu halten ist, haben wir (Prokop, 1974) in Übereinstimmung mit Rosenbusch (1925) und Wimmer (1972) schon zum Überdruß gezeigt. Daß Wim- mer dies unangefochten in einer Zeitschrift für Kriminalisten getan hat und tun konnte, in der routine- mäßig Abhandlungen über Betrü- ger und Verbrecher erscheinen, zeigt die Lage und den Standort.

Daß nun selbst Slade, ein einfacher Gaukler, dessen parapsychologi- sche „Fähigkeiten" der Fachwelt bekannt sind (Lehmann, 1925, Klinckowstroem, 1925), erneut dem staunenden Publikum vorgeführt wird, beweist, daß der Autor die Li- teratur offensichtlich nicht kennt oder deren Existenz nicht zur Kenntnis nimmt. Slade hat seine Tricks eingestanden, und dem gro- ßen Houdini waren sie bekannt. In solchen Fällen, in denen außerge- wöhnliche Dinge mit Jahrmarktcha- rakter behauptet werden, empfiehlt sich die Zuziehung eines Mitglie- des des regionalen magischen Zir- kels, ferner die Rückfrage beim Be- trugsdezernat der regionalen Poli- zei oder gar bei einem Universi- tätsinstitut für gerichtliche Medizin.

Ohne auf die anderen neu aufer- standenen Medien Bezug zu neh- men, ist es an dieser Stelle interes- sant, auf die „Psychophotogra- phie" etwas einzugehen, weil die Photographie nun auch zur Doku- mentation von den Verfassern ebenso wie von der Polizei täglich gleich anderen Tausenden Perso- nen benutzt wird. Nach Keller hat sich der Physiker Hippolyte Bara- duc erfolgreich mit einer Art

1316 Heft 18 vom 1. Mai 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Was gestern schon nicht mehr als Wunder galt

„Aura"-Photographie des Men- schen befaßt. Er photographierte seine Frau 15 Minuten und eine Stunde nach ihrem Tode im Bett.

Die phototechnisch minderwerti- gen Lichtbilder zeigen eine weiße, nebelartige Substanz, offenbar um den Leichnam der Frau herum, was als „Seele” angesprochen wurde.

Vorher soll dieser Autor das Phä- nomen auch schon bei seinem ver- storbenen Sohn, den er auch gleich nach dem Tod photogra- phiert hatte, beobachtet haben. — Wie arglos, kann man hier nur sa- gen, denn die Aufnahmen wurden schon zu einer Zeit gemacht, als sich die Kriminalisten am Tatort und die Gerichtsmediziner reich- lich der Photographie bedienten und täglich Leichen photographier- ten — ohne solche Phänomene überhaupt oder gar hintereinander gleich zweimal, wie Baraduc, zu entdecken. Entweder, so muß man schließen, wurden hier Platten ver- wendet, die nicht lichthoffrei waren (weiße Bettdecke) und überbelich- tet wurden, oder es liegt ganz ein- fach das Produkt eines simplen Betruges durch einen abartigen Menschen vor. Denn wer baut gleich nach dem Tode seines Soh- nes oder seiner Gattin eine Kame- ra auf, um die teuren Toten zu pho- tographieren? Ferner wäre es gut gewesen, noch Rosenbusch 1925 zu lesen, der über Dr. Baraducs photographische Künste noch mehr zu berichten weiß (Photogra- phie einer Gebetsäule vom Eiffel- turm in den Himmel), doch das Dreimännerbuch — ein wirkliches Sachbuch — Gulat-Wellenburg, Klinckowstroem und Rosenbusch gilt in Okkultismuskreisen als Tabu und darf nicht erwähnt werden.

Etwas mehr Sorgfalt wäre auch bei der Erwähnung der Geisterstimmen auf Tonbändern am Platz gewesen.

In der Medizin sind wir es ja inzwi- schen gewöhnt, daß sich nicht nur Heilkundige und Fachfremde wie z. B. Köhnlechner ihrer bemächti- gen und viele davon trotz Mangel an solider Ausbildung ihrer Phanta- sie freien Lauf lassen — sondern auch Schriftsteller. Von „Heilun- gen" fasziniert, werden akausale

Mittels der Hochfrequenzphotographie wollen einige Parapsychologen die „Le- bensaura" des Menschen dokumentie- ren. Dieses Verfahren, auch als Kirlian- Photographie bekannt, fasziniert nicht nur einige Parapsychologen, sondern wird auch dazu verwendet, den Effekt der Akupunktur nachzuweisen oder gar Akupunkturstellen. Daß dieses Verfah- ren, bei dem Tesla-Entladungen auf photographischem Material aufgezeich- net werden, einfach rundweg als „ok- kultistisch" bezeichnet werden kann, zeigen die Autoren Prokop, Radam und Strauch von der Humboldt-Universität in seinem Beitrag zu einem Werk von Herbert Schäfer (Bremen). Das abgebil- dete Hochfrequenzbild zeigt die angeb- liche „Lebensaura" an einer zwei Tage alten Leichenzehe

Ketten von Deduktionen entwickelt, die wohl beim Laien, nicht aber beim Fachmann verfangen. Glei- ches gilt auch für die Physik, daß sich z. B. auf Tonbändern Stimmen einschleichen: Diese Frage gehört nun einmal mehr in ein anderes Fachgebiet als das der Parapsy- chologen, die hier eben nicht „Ex- perten" sind, wie Keller Seite 299 seines Buches glaubt. Schon als Kinder wußten wir, als wir noch am Detektorradio, das wir uns selbst bastelten, eine „Lichtantenne" neh- men konnten, daß sich die Hochfre- quenz auch über Lichtleitungen in die Wohnungen einschleicht und je nach apparativem Aufwand sich Störungen im Rundfunkempfang einstellen können.

Schlimm sind auch die Deduktio- nen zur Auraphotographie mit der Kirlian-Methode. Was hier gezeigt und auf den Tafeln Seite 243/44 ab- gebildet wird, hat mit Geheimnis und Parapsychologie und mit einer Bioaura nichts, aber auch gar nichts zu tun, denn die sog. „Elek- trophotographie" oder „Hochfre- quenzphotographie" stellt die An- wendung eines einfachen physika- lischen Prozesses dar: die Darstel- lung einer elektrischen Entladungs- korona, wie das schon Schnauss in seinem Buch aus dem Jahre 1903 (Titel: „Photographischer Zeitver- treib") dem Photoamateur als Spielerei empfohlen hat. Der große

„Fortschritt" liegt heute darin be- gründet, daß wir bei Hochfrequenz- (Tesla-)Strömen besonders schöne Funken bekommen und wir das Spiel mit Farbmaterial besonders attraktiv machen können, wie auch die abergläubischen Autoren An- dreas und Kilian das abgebildet haben. Zusammen mit unseren Mit- arbeitern Radam und Strauch konnten wir auf Farbmaterial wun- derbare „Lebensaura"-Bilder auf diese Weise an einem Fünfmark- stück, einer Leichenzehe, einem Schlüssel und einer zwanzig Jahre alten getrockneten Affenhand zei- gen (Prokop/Radam/Strauch, 1974).

Deshalb sind die törichten Erwä- gungen zu dieser Methode, die, wie wir sehen (vgl. Aaronson, 1974) in

USA angestellt werden, wertlos.

Betrug ausgeschlossen?

Mit besonderem Mißvergnügen nehmen wir auch die Bildtafel Sei- te 225 zur Kenntnis, auf der Ted Serios bei seiner Gedankenphoto- graphie mit einem seiner Produkte dargestellt wird. Verstimmt auch deshalb, weil außer Keller auch die Professoren Tenhaeff, Bender und Neuhäusler und Dr. Eisenbud von diesem Verfahren überzeugt und begeistert sind und jeden Betrug für ausgeschlossen hielten. Wir ha- ben an anderer Stelle schon darauf Bezug genommen und eingehend zitiert (Prokop, 1974 a und b), was hier geschehen ist. Und so lesen wir, daß Serios an die Frauenkir- che in München „gedacht" hat, die

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 18 vom 1. Mai 1975 1317

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Was gestern schon nicht mehr als Wunder galt

er noch nie gesehen hat - sie wohl aber mit seinen Gedanken auf Polaroidfilm bannen konnte -, in- dem er durch ein einfaches Papp- röhrchen, das er vor die Linse hielt, schaute - worauf dann ex- poniert wurde. Und mit Staunen le- sen wir (Seite 291), daß Physiker, Psychologen, Psychiater, Experten für Optik usw. alles genauestens überwacht haben!

Die Wahrheit ist jedoch, daß dem Phänomen der "Gedankenphoto- graphie" ein simpler Trick zugrun- de liegt, den wir mit einfachen Mit- teln nachgestellt haben. Der Ent- decker der "Gedankenphotogra- phie", die man mit jedem Apparat machen kann, Ted Serios, hat sei- nen Trick inzwischen auch einge- standen.

Mit großem Erstaunen darf man auch Kellers Ausführungen über den Paragnosten Gerard Croiset zur Kenntnis nehmen. Auf der Bild- tafel Seite 329 ist er auch in einem Lichtbild bei der "Arbeit" abgebil- det. Seine prophetischen Kenntnis- se und telepathischen Leistungen, die in allen modernen parapsycho- logischen Büchern gewürdigt wer- den, jedoch als "banale Schaubu- denschlager" von Gonrad disquali- fiziert wurden und schon Gubisch, Pelz und andere nicht überzeugen konnten, gehen wohl etwas zu weit.

So bezeichnet er - wie der Kölner Stadtanzeiger Nr.142/12 vom 21./22.

Juni 1973 mitteilt - in einer Mord- sache einen harmlosen Bürger als Mitwisser ("Der Mann weiß mehr über das Verbrechen"). Er wurde nach mehrstündiger "Verneh-

mung" durch die Söhne des Er-

mordeten mit schweren Verletzun- gen in ein Krankenhaus eingelie- fert.

Die sowjetischen Autoren Zincen- ko, Leontjew, Lomov und Lurija bringen in ihrem Beitrag von 1974 sein Bild mit folgender Unter- schrift: "Der Holländer Gerard Croi- set stellt sich auf Kongressen für Parapsychologie als Demonstra- tionsobjekt und -subjekt zur Verfü- gung. Man weiß mittlerweile, daß er ein gewitzter Hochstapler ist."

Des Astronauten "Psi-Signale"

Blättern wir um und sehen uns die nächste Bildseite von Kellers Buch an. Sie zeigt den amerikanischen Astronauten Edgar D. Mitchell bei einem Mondspaziergang. Hier le- sen wir, daß Mitchell auf dem Hin- flug zum Mond und auf dem Rück- flug "Psi-Signale" auf die Erde ge- sandt hat, die für vier Sensitive be- stimmt waren und auch empfangen wurden. ln Durharn wurde ein posi- tives Ergebnis bestätigt. Nach Zincenko und anderen sind die Er- gebnisse jedoch negativ gewesen.

So wird in diesem Buch schließlich alles gemischt und mit christlicher Mystik, meditierenden Hindus und

Yoga, dem "Spuk von Rosenheim"

und ESP-Karten aufgemacht, und zum Abschluß sieht man nochmals auf der hinteren Einbandseite des Buches konkret, was der Leser al- les kennengelernt hat: "Hirnfunk vom Mond", "Farbsehen ohne Augen", "Pflanzen spüren Gefahr",

"Wenn Tote sich melden" usw.

usw. Werner Keller - so heißt es auf dem Einband - versteht es meisterhaft, Wissenschaft lebendig werden zu lassen.

Hier müssen wir einige allgemeine Feststellungen treffen, da das Wort

"Wissenschaft" so gröblichst miß-

braucht wird. Winter hat 1973 eini- ge interessante Ausführungen ge- macht, indem er überprüft, was hin- ter den Begriffen Wissenschaft und wissenschaftliche Analyse steckt.

Er kommt dabei zu der lapidaren Feststellung, daß keine Analyse mehr Informationen liefern kann, als in den Ausgangsdaten enthal- ten ist. Doch wie sehen die Aus- gangsdaten in der Parapsychologie aus? Es handelt sich um "Informa- tionen", die für Analysen überhaupt nicht geeignet sind, weil sie - um Winters Kriterien heranzuziehen -

~ über die gegebenen Bestim- mungsstücke des Problems quanti- tativ unzureichend sind, um das fehlende Bestimmungsstück zu er- mitteln, und

~ nicht zuverlässig genug sind, um die realen Eigenschaften der

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Objekte möglichst unverfälscht wi- derzuspiegeln.

Die in den parapsychologischen Arbeiten zutage tretende Phanta- sie, die ständige Produktion neuer Ideen und die fehlende Durchhalte- kraft, mit These und Antithese auch nur ein einziges Problem richtig, das heißt auch mit Antithese, zu Ende zu bringen, charakterisiert ihre Arbeit. Wie solche Persönlich- keiten im Hinblick auf die Brauch- barkeit in wissenschaftlichen Teams bei Dreitzel und Wilhelm (1964) abschneiden ("nicht krea- tiv"), mag der Leser selbst über- prüfen. Zur Fairneß in der Wissen- schaft gehört Objektivität und zur intellektuellen Anständigkeit der Wille, den wir bei vielen Okkulti- sten unserer Zeit und der vergan- genen Epochen vermissen, nämlich die Wissenschaft anzuhören (vgl.

dazu Mohr 1972). Wer der Meinung ist, Parapsychologie und Metaphy- sik gehörten zu den Qualitäten des Lebens, setzt diese Disziplinen ge- danklich Gemüt gleich, verläßt aber dabei die in der Wissenschaft einmal nötige Bereitschaft zu zwei- feln. Diejenigen, die sich so äu- ßern, sind aufgefordert, aus dem uns dargebotenen - ohne nähere Prüfung präsentierten - magischen Mosaik Punkt für Punkt heraus- zugreifen und selbst zu überprüfen.

Wir verfolgen die Fragen - gleich vielen anderen - sehr wach und kommen zu dem Urteil, daß auch der moderne Okkultismus (Para- psychologie) nichts bietet, das den Horizont des Wissenschaftlers durch eine echte Phänomenologie erweitern würde.

Literatur bei den Verfassern Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. Otto Prokop 104 Berlin

Institut für Gerichtliche Medizin der Humboldt-Universität Hannoversche Straße 6

Prof. Dr. Gerhard Uhlenbruck

5 Köln 41

Kerpener Straße 15 (Abteilung

Experimentelle Innere Medizin)

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