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Archiv "Reglementierte Fortbildung: Keine Garantie für eine bessere Versorgung" (11.04.2003)

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istorie: Beim 93. Deutschen Ärzte- tag 1990 in Würzburg fiel der An- trag auf Einführung eines freiwil- ligen Fortbildungszertifikats nach Aus- sage von „Zeitzeugen“ mit Pauken und Trompeten durch!

Der in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt geplante Fortbildungsnach- weis entsprach in seiner Struktur dem, was in den USA Anfang der 80er-Jahre unter dem Begriff „Physicians Recogni- tion Award“ (PRA) als Pflicht-Fortbil- dung in einigen Bundesstaaten einge- führt worden war. Nach den in den USA geltenden Bestimmungen wird die Approbation (License) für einen Bundesstaat auf Zeit (in der Regel fünf

Jahre) erteilt. Die Erneuerung der Li- cense setzt die Vorlage eines Führungs- zeugnisses und den Nachweis, nicht be- rufserheblich krank zu sein, voraus. Zu- dem wird in den meisten US-Bundes- staaten ein Fortbildungsnachweis über die Teilnahme an 150 Stunden Fortbil- dung bestimmter Kategorien gefordert.

Seit Anfang der 90er-Jahre themati- sierten in Europa primär Gremien der

Union Européenne des Médecins Spé- cialistes (UEMS) die Bedeutung von Continuing Medical Education (CME) im Sinne des fortwährenden berufsbe- gleitenden Lernens eines Facharztes.

Etwa zeitgleich mit der Diskussion in den Gremien der UEMS beschäftig- te sich auch die Bundesärztekammer mit Zertifizierungsmöglichkeiten ärztli- cher Fortbildung. In der Folge empfahl die Bundesärztekammer den Lan- desärztekammern die Durchführung verschiedener Modell-Projekte zur Zer- tifizierung ärztlicher Fortbildung und zur Vergabe von Fortbildungszertifika- ten an Ärzte. Der 50. Bayerische Ärzte- tag stimmte im Oktober 1997 einem auf zwei Jahre befristeten Modell-Projekt

„Freiwilliges Fortbildungszertifikat der Bayerischen Landesärztekammer“ zu.

Von April 1998 bis April 2000 nahmen daran sie- ben Prozent der berufs- tätigen Ärzte in Bayern teil, bis zum 31. Dezem- ber 2002 stieg die Betei- ligung auf zwölf Pro- zent.

Befristung der Zulassung

Am 14. September 2000 konsentierte der Deut- sche Senat für ärztliche Fortbildung in Würz- burg Regularien zur Zertifizierung von Fortbildungsveran- staltungen auf der Basis von 150 Punk- ten in drei Jahren, analog zur Empfeh- lung der UEMS. Der Vorstand der Bun- desärztekammer empfahl in seiner Sit- zung im Oktober 2000 den Landesärz- tekammern die Annahme dieses struk- turierten Konzepts zur Fortbildungs- zertifizierung. In der Folge wurden die Regularien zur Vergabe des freiwil- ligen Fortbildungszertifikats weiterent- wickelt – einerseits von der Bundes- ärztekammer in einer aus Vertretern der Landesärztekammern zusammen- gesetzten Arbeitsgruppe, die eine ak- tualisierte Empfehlung des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung (Kon- sensusgespräch am 12. September 2002) vorbereitete, andererseits auf europäi- scher Ebene von einer Arbeitsgruppe T H E M E N D E R Z E I T

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Reglementierte Fortbildung

Keine Garantie für eine bessere Versorgung

Die Überprüfung der ärztlichen Fortbildung steht in der Diskussion. Ein Blick über die Grenzen kann den Blick dafür schärfen, was notwendig ist.

Johann Wilhelm Weidringer

1

, Hans Hellmut Koch

1

, Robert Schäfer

2

, Justina Engelbrecht

3

, Cees Leibbrandt

4

, Leonhard Harvey

4

, Blair Ferguson

5

, John Parboosingh

6

1Bayerische Landesärztekammer

2Ärztekammer Nordrhein

3Bundesärztekammer

4Union Européenne des Médecins Spécialistes (UEMS)

5The College of Physicians and Surgeons of Ontario (CPSO)

6The Royal College of Physicians and Surgeons of Canada (RCPSC)

Geht es nach dem Willen der Bundesgesundheitsministerin, soll bald die Verlängerung der vertragsärztlichen Zulassung vom Nachweis der Fortbildung abhängig gemacht werden.

Foto:dpa

(2)

des European Accreditation Council for Continuing Medical Education (EACCME) der UEMS (Arbeitsge- spräch am 23. November 2002).

Die aktuelle Rohfassung des Refe- rentenentwurfes eines Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssy- stems sieht vor, dass die vertragsärztli- che Versorgung generell auf fünf Jahre befristet wird und an den Nachweis der Fortbildung geknüpft werden soll (SGB V – § 95 c – neu Absatz 2 b). Das vom Bundesministerium für Gesund- heit und Soziale Sicherung (BMGS) ge- plante „Deutsche Zentrum für Qualität in der Medizin“ soll unter anderem Empfehlungen für die Anerkennung von Fortbildungsmaßnahmen für die an der vertragsärztlichen Versorgung teil- nehmenden Ärzte erarbeiten. Wie be- reits in den Eckpunkten des BMGS an- gekündigt, soll die Verlängerung der Kassenzulassung künftig abhängig ge- macht werden „vom Nachweis einer un- abhängigen qualitätsgesicherten Fort- bildung“.

Unterschiede bei der

Verpflichtung zur Fortbildung

Die Akzeptanz des freiwilligen Fortbil- dungszertifikats scheint mittlerweile sehr gut zu sein. Viele Repräsentanten von Print- und virtuellen Medien wün- schen „Akkreditierungen“, das heißt Anerkennungen von Fortbildungsange- boten zur Vergabe von Fortbildungs- punkten durch Ärztekammern. Die An- träge auf Zuerkennung von Fortbil- dungs-Zertifikat-Punkten für Fortbil- dungsveranstaltungen boomen nach- haltig, zumindest im Bereich der Baye- rischen Landesärztekammer. Über das freiwillige Fortbildungszertifikat soll auch der Öffentlichkeit dargelegt wer- den, dass sich Ärzte im Interesse der bestmöglichen Patientenversor- gung fortbilden.

Der Bericht „To err is human“ des Institute of Medicine (IOM) der US- amerikanischen National Academy of Sciences sorgte im Jahr 1999 für Aufse- hen. Fazit der Analyse ist, dass etwa vier von 100 stationär behandelten Pa- tienten behandlungsbedingte Gesund- heitsschäden, die in mehr als der Hälf- te der Fälle auf vermeidbare Fehler

zurückzuführen sind, erleiden. Dabei handele es sich vorrangig um System- fehler, um Organisationsmängel in der Gesundheitsversorgung. Individuelle Versäumnisse von „Leistungserbrin- gern“ seien – quantitativ – nur von nachrangiger Bedeutung für das Ent- stehen von Fehlern in der Gesund- heitsversorgung.

Auf der Grundlage verschiedener Studien schätzen die Autoren des IOM- Reports die fehlerbedingten Todesfälle in den USA auf etwa 50 000 bis 100 000 pro Jahr. Selbst bei niedriger Schätzung ist diese Todesrate in den USA höher als die für Kfz-Unfälle, Brustkrebs oder Aids. Die finanziellen Folgen vermeid- barer Fehler im US-amerikanischen Gesundheitswesen sollen sich auf um- gerechnet 20 bis 35 Milliarden Euro pro Jahr belaufen (3, 8, 9).

Ebenfalls im Jahr 1999 erregte der

„Bristol-Case“ via BBC-News – vor al- len Dingen über das Internet – weltwei- tes Aufsehen: Eine retrospektive Ana- lyse von 1 827 am Herzen operierten Kindern hatte ergeben, dass etwa 170 davon zu Tode gekommen waren oder bleibende Schäden erlitten hatten (5).

Als ursächlich für die zum Teil fata- len Verläufe waren aufgeführt worden:

> Fehler in der anfänglichen Betreu- ung und Diagnostik,

> Wartezeit zwischen Diagnose und Operation,

> Fehler während Operation und Narkose,

> unzureichende Qualität der post- operativen Nachsorge auf Intensiv- und/oder Normalstation

Die retrospektive Analyse ergab, dass die Operation selbst auf den teils fatalen postoperativen Verlauf einen geringeren Einfluss hatte als die nicht ausreichende postoperative Nachsorge.

Die Vermeidung medizinischer Feh- ler und deren Risikofaktoren liegt si- cher im Interesse einer bestmöglichen Gesundheitsversorgung der Bevölke- rung und ist deshalb auch und beson- ders ein ärztliches Anliegen. Wenn Po- litik und Öffentlichkeit hierbei aus- schließlich auf die Ärzteschaft fokus- sieren, könnte dies zu kurz gesprungen sein. Immerhin thematisierte auch die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) im Jahr 2002 unter TOP 11.1 „Rezerti- fizierung oder systematische Darle-

gung der Kompetenzerhaltung im Ge- sundheitswesen“ erkennbar erweitert auf sämtliche Personen im Gesund- heitswesen, wohingegen die GMK- Entschließung im Jahr 2001 nur von ei- ner „Rezertifizierung von Ärzten“

ausging.

Der Grad der Verpflichtung zur ärzt- lichen Fortbildung ist in den Staaten Europas unterschiedlich ausgeprägt.

Ärztliche Fortbildung ist

> durch Gesetz vorgeschrieben in:

Frankreich, Italien, den Niederlanden, Norwegen (Primärärzte), Österreich;

> vom Berufsstand vorgeschrieben in: Irland, Großbritannien, Schweiz;

> freiwillige Verpflichtung in: Belgi- en, Dänemark, Deutschland, Finnland, Griechenland, Island, Luxemburg, Por- tugal, Spanien.

Aufwand für Fortbildung wird vergütet

Vorgeschrieben ist eine Rezertifizie- rung von Ärzten in den Niederlanden seit 1994 und in Norwegen (Primärärz- te) seit 1985 nach Ablauf von fünf Jah- ren. Es gibt eine gesetzliche Verpflich- tung zur Re-Validation in Großbritan- nien seit Februar 2002 alle fünf Jahre.

Fortbildung erfordert zeitlichen und finanziellen Aufwand der Teilneh- mer. In überwiegend staatlich organi- sierten Gesundheitssystemen wird Ärzten üblicherweise ein gewisser Teil des Aufwandes für die Fortbildung di- rekt oder indirekt vergütet. Wenn auch ärztliche Fortbildung zum Bei- spiel in Belgien eine „freiwillige Ver- pflichtung“ ist, so werden doch für ärztliche Fortbildung pro Person und Jahr 500 Euro von den Krankenversi- cherern gezahlt; auch werden bei nachgewiesener Fortbildung höhere Gebühren für ärztliche Beratung und Behandlung gewährt.

In Österreich waren im Dezember 2001 10,2 Prozent der Ärzte, die ein Diplom – einem Fortbildungszertifikat entsprechend – erwerben können, Di- plominhaber (2 755 Ärzte).Von den Di- plominhabern sind 13,2 Prozent Ärzte für Allgemeinmedizin, 8,1 Prozent chir- urgische Fachärzte, 10,4 Prozent Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kiefer- krankheiten. In Deutschland hatte bei- T H E M E N D E R Z E I T

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spielsweise die Ärztekammer Bremen im Januar 2002 an zehn Prozent der ge- meldeten Ärzte ein freiwilliges Fortbil- dungszertifikat vergeben (2).

Konzepte in Kanada

Das Royal College of Physicians and Surgeons of Canada (RCPSC) bietet ei- ne exzellente, webbasierte Plattform für die ärztliche Fortbildung (www.main port.org). Sie enthält ein strukturiertes Fortbildungsangebot und ein individuell zusammenstellbares „Nach-

schlagewerk“ zur Anwendung im ärztlichen Alltag, Links zu Suchmaschinen sowie Meta- analysen. Ein „Web-Diary“

unterstützt das focusorientier- te Lernen der Ärzte.

Die Effektivität des web- basierten Fortbildungskon- zepts belegte ein Feldversuch mit 500 kanadischen Ärzten:

Das diagnostische und thera- peutische Procedere hatte sich sechs bis zwölf Monate nach aktiver Arbeit innerhalb des Fortbildungsprojekts po- sitiv verändert.

86 Prozent der berufstäti- gen Fachärzte in Kanada nahmen im Jahr 2001 am Fortbildungskonzept „Main- tenance of Certification“ des Royal College teil, das seit 2001 verpflichtend für des- sen Mitglieder ist. Inzwi-

schen hat der Staat Manitoba zum Li- zenzerhalt eine Teilnahme am Fortbil- dungsprogramm des RCPSC vorge- schrieben.

Derartige Kontrollen der ärztlichen Berufsausübung sind auch deswegen verständlich, weil die rund 60 000 be- rufstätigen Ärzte in Kanada für jede der zehn Provinzen eine eigene Lizenz benötigen, um dort praktizieren zu dür- fen; des Weiteren spielt die (weiterbil- dungsbedingte) Migration auch unter kanadischen Ärzten eine Rolle, und es müssen zudem wegen Ärztemangels viele Ausländer in einer geeigneten Form zugelassen werden.

In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung von Assessment-Verfahren immer wieder betont – insbesondere

zur Umsetzung der staatlich vorgegebe- nen Prinzipien für die regionalen Colle- ges of Physicians and Surgeons:

> to protect the public (die Öffent- lichkeit zu schützen),

> to guide the profession (den Be- rufsstand anzuleiten).

In jedem dieser Colleges repräsen- tiert eine Quote von circa einem Drittel Laien die Öffentlichkeit.

Verschiedene Assessmentverfahren, bei denen üblicherweise ein Kollege ei- nen anderen bewertet, führten wieder- holt zu dem Ergebnis, dass circa 90 Pro-

zent der Ärzte „gute“ Arbeit leisten, es bei circa fünf bis acht Prozent zu gewis- sen Beanstandungen kommt (mit nach- folgenden „reassessments“) und circa ein bis zwei Prozent nur noch einge- schränkt/unter Aufsicht oder gar nicht mehr tätig werden dürfen.

Wirksamkeit von Assessmentverfahren

Validität und Reliabiliät des Assess- ment-„Instrumentariums“, wie Bewer- tung von Patienten-/Krankenakten, Art und Weise der Patientenversorgung so- wie die Qualifikation der bewertenden Kollegen, sind in gewissem Rahmen standardisiert.

Teil des Assessment-Programms ist die im Einzelfall erforderliche (nach-) qualifizierende Fortbildung, manchmal auch die Tätigkeit unter Aufsicht von Kollegen mit nachfolgender Möglich- keit, die ärztliche Lizenz wieder vollgül- tig zu erhalten.

Studien haben die Wirksamkeit von Assessmentverfahren belegt: Das Assess- ment-Folge-Ergebnis zeigte bei zufälli- ger Auswahl in einem Beobachtungszeit- raum von circa zehn Jahren eine Verbes- serung (6, 7, 10). Dementsprechend lau- tet einer der Leitsätze des College of Physicians and Surgeons of Ontario (CPSO): „Assess- ment drives performance“.

Die Assessments sind letzt- lich Folge eines durch die ka- nadische Regierung in den Provinzen veranlassten Pro- gramms „Monitoring and En- hancement of Physician Per- formance“ (MEPP). Die As- sessment-Stufen, von denen die Stufe I („screening“ aller Ärzte) beispielsweise in Onta- rio nicht durchgeführt wird, sind bei kanadischen Ärzten auch unter dem Begriff „Wed- ding-Cake“ (Grafik) bekannt.

Beispiel Staat Ontario (11,8 Millionen Einwohner): Es gibt 21 Colleges, die 24 Fachrich- tungen regulieren – im Sinne von Selbstverwaltungsorga- nen bei hochverpflichtender Gesetzgebung und ausgepräg- ter Überwachung durch die Regierung. Funktionen der Colleges sind unter anderem ärztliche Registrierung, Abarbeitung von Beschwerden, Dis- ziplinarverfahren, Patientenangelegen- heiten (vor allem Aufklärung von Vor- würfen wegen sexuellen Missbrauchs), Überprüfung praktischer Fähigkeiten.

Von vielen Ärzten wird der aus- geprägte Vorschrifts-/Regulierungscha- rakter seitens der Regierung beklagt, ebenso der Mangel an Ärzten; ange- strebt wird eine höhere Selbstregulie- rungsmöglichkeit durch die Colleges.

Jeder Arzt, der eine „Ontario-Li- cense“ hat, zahlt an das College of Phy- sicians and Surgeons of Ontario jährlich einen pauschalen Mitgliedsbeitrag von 855 CAN-Dollar (circa 600 Euro).

Rund 28 000 Ärzte haben eine „Onta- T H E M E N D E R Z E I T

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Der so genannte Wedding-Cake: Das Screening auf Stufe 1 durch- laufen alle Ärzte in bestimmten Abständen. Bei Hinweisen auf relevante Qualitätsprobleme ist auf Stufe 2 ein Assessment vor- gesehen. Bestehen weiter Bedenken, kommt es auf Stufe 3 zu einer detaillierten Überprüfung der ärztlichen Berufsausübung.

Grafik

Quelle:BMJ1999;319:1188–1190

(4)

rio-License“, aber nur ungefähr 20 000 Ärzte üben ihren Beruf in Ontario aus.

Die Arzt-Lizenz ist gültig, solange der Jahresbeitrag gezahlt wird – mit Aus- nahme der Provinz Manitoba, in der die Lizenz automatisch erlischt, falls der Beruf länger als drei Jahre nicht in Ma- nitoba ausgeübt wird.

Das College of Physicians and Sur- geons of Ontario führt pro Jahr etwa 750

„Level-II-MEPP-Assessments“ durch – bei Zufallsauswahl der zu besuchenden Ärzte. Den betreffenden Ärzten entste- hen keine zusätzlichen direkten Kosten für eine „On-site-Visit“, die zum Bei- spiel bei Primärärzten (meist) einen hal- ben Tag dauert. Das Level-II-Assess- ment kann man als Kollegialgespräch be- zeichnen mit Fragen zu Behandlungs- prinzipien, Überprüfung der Krankenak- tenführung, des hygienischen Standards auf der Grundlage bestimmter Indikato- ren (auch zur Versorgungsqualität). Die Kosten von 1 400 CAN-Dollar (knapp 1 100 Euro) werden vom CPSO getra- gen (via ärztlicher Mitgliedsbeiträge).

Das College betont die zugrunde liegen- de Philosophie: „Doctors help doctors“.

Beim „Level-III-MEPP“ gibt es seit 1990 für Hausärzte ein eintägiges Assess- ment, das in einer „Simulations-Umge- bung“ an der McMaster University, Ha- milton, Ontario, in einem speziell dafür gegründeten und eingerichteten Institut durchgeführt wird. Derzeit werden in Ontario jährlich etwa 50 Level-III-As- sessments für Haus- und Fachärzte durchgeführt. Für Fachärzte findet die- ses Assessment in Form dreitägiger Visi- ten vor Ort statt – durchgeführt von spe- ziell qualifizierten Ärzten. Die vom ein- zelnen Arzt zu zahlende Gebühr hierfür beträgt 3 700 CAN-Dollar (circa 2 600 Euro), wobei die Realkosten bei 6 000 CAN-Dollar (circa 4 300 Euro) pro Assessment liegen.

Berechtigtes Postulat des lebenslangen Lernens

Fazit: Sicherlich ist das Postulat lebens- langen Lernens berechtigt – hat sich doch die Halbwertszeit der Aktualität medizinischen Wissens auf einen Zeit- raum von weniger als fünf Jahren redu- ziert. Aber: „Beenden Sie die Abhän- gigkeit von Vollkontrolle und Routine-

prüfungen, um Qualität zu erzielen . . .“, so lautet eine der Grundregeln für Qua- litätsmanagement, die W. E. Deming be- reits 1950 formulierte (11); sinngemäß kommentiert dies Deming dahinge- hend, dass es zu lange dauere, um durch Qualitätsüberprüfungen die Qualität zu verbessern, dies zudem völlig unwirt- schaftlich sei.

Der Nachweis, dass Pflichtfortbil- dung unmittelbar eine bessere Patien- tenversorgung bedeutet, ist bis heute noch nicht geführt. Unterschiedliche Gesundheitssysteme kennen verschie- dene Strukturen für die Qualifizierung von Angehörigen in den Gesundheits- berufen, verschiedene Sozialgemein- schaften definieren unterschiedlich, was ihnen ärztliche Fortbildung wert ist.

Überregulierungen sollten vermieden werden

Massive Reglementierungen einerseits wie auch überzogene Erwartungen ge- genüber einer leitliniengerecht erbrach- ten Diagnostik und Therapie anderer- seits können sogar zur Einschränkung ärztlicher Leistungen führen – so die Kernaussage in einem Beitrag des Bri- tish Medical Journal vom Juli 2002 unter dem Titel „Surgeons must know their li- mitations, but so must Governments“

(4). Empfohlen wird, bei hohem Morbi- ditätsrisiko Überregulierungen in Bezug auf Interventionen zu vermeiden. Diese könnten dazu führen, dass relativ riskan- te Interventionen im Sinne einer Risiko- minimierung in vielen Bereichen über- haupt nicht mehr durchgeführt werden und somit prinzipiell bestehende ku- rative Möglichkeiten bei bestimmten, schwierig zu therapierenden Krankhei- ten und Verletzungen völlig wegfallen.

Kann die Überprüfung kompetenten ärztlichen Handelns ein künftiges „All- heilmittel“ sein? Ist die allumfassende Überprüfung ärztlichen Kompetenzer- haltes ein wünschenswertes und vor al- len Dingen auch ein in naher Zukunft oder überhaupt erreichbares Ziel? Un- terstellt, dass hieraus mittelfristig ein Nutzen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung resultiert – wer über- nimmt zumindest die „Anschub-Finan- zierung“? Von Wissenschaftlich-Medi- zinischen Fachgesellschaften, ärztlichen

Berufsverbänden und Ärztekammern sowie deren Akademien, Universitäts- und Forschungsinstituten zur Verfü- gung gestellte Strukturen für die in- dividuelle ärztliche Fortbildung auf freiwilliger Basis mit einer begründet selbstbewussten Darstellung gegenüber der nichtärztlichen Öffentlichkeit dürf- ten derzeit ein erreichbares Optimum für die Patientenversorgung sein.

Es bedarf einer Aufwandsabschät- zung, was mit den grundsätzlich be- grenzten Mitteln erreicht werden soll und wie man die Ergebnisse auf Effek- tivität, gegebenenfalls auch Effizienz überprüft.

Aktuell ist die verfasste Ärzteschaft zu einer Mitwirkung am Ausbalancie- ren der Möglichkeiten einer guten Pa- tientenversorgung aufgefordert – bei gleichzeitigem Rückgang der Ärzte- zahlen in der unmittelbaren Patienten- versorgung, bei sich durch pauschalier- te Vergütungssysteme regional verän- dernden Versorgungsformen in Praxen und Krankenhäusern sowie bei staatli- cher Reglementierung. Ziel ist ein trag- fähiges Konzept für die Betreuung des

„Individuums Patient“.

Qualitätsgesicherte, freiwillige Fort- bildungskonzepte, deren Nutzen für je- den Arzt erkennbar ist (siehe Konzept des Royal College of Physicians and Surgeons of Canada mit einer Betei- ligungsrate von 86 Prozent), Bildungs- urlaub als Selbstverständlichkeit, gege- benenfalls fortbildungsbezogene Ver- gütungsregelungen – flächendeckende Kontrollverfahren dann, wenn die Ko- sten hierfür gesichert sind und zuvor die Wirksamkeit von Kontrollmaßnahmen, zumindest in Pilotstudien vergleichend gegenüber der erwähnten Fortbildung des RCPSC faktisch validiert wurde – können aktuelle Postulate sein.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 976–980 [Heft 15]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1503 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Johann Wilhelm Weidringer Geschäftsführender Arzt

Bayerische Landesärztekammer Mühlbaurstraße 16

81677 München

E-Mail: j.w.weidringer@blaek.de T H E M E N D E R Z E I T

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