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Archiv "Empfehlungen zur Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in der ärztlichen Berufsausübung" (28.05.1982)

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Die Information:

Bericht und Meinung

Schweigepflicht und Datenschutz

> Mit zunehmender Industriali- sierung und Technisierung wach- sen die Möglichkeiten, Arbeitsab- läufe zu standardisieren und zu automatisieren, Kommunikations- möglichkeiten zu verstärken und ein großflächiges Informations- netz im Verbund herzustellen.

> Die Entwicklung der elektroni- schen Datenverarbeitung mit bis- her ungeahnten Speicher-, Zentra- lisations-, Verbund- und Zugriffs- möglichkeiten und die daraus re- sultierenden Veränderungen von Verwaltungstechnik und Bürokra- tie haben auch vor dem Medizin- betrieb nicht Halt gemacht.

> Der medizinische Fortschritt und die damit verbundene Spezia- lisierung, die veränderten Arbeits- bedingungen der Ärzte, die Ko- operation der Ärzte untereinander und mit einer Reihe anderer Be- rufsgruppen sowie die Möglich- keiten und Notwendigkeiten der medizinischen Forschung eröff- nen immer neue Dimensionen.

Dr. Vilmar zeigte die Gefahren auf, die von einer mißbräuchlichen Nutzung von Datensammlungen (Dateien) ausgehen können: Die Übermittlung von Daten geschieht zwischen den Ärzten, vom Arzt zum Krankenhaus, vom Kranken- haus zum Krankenhaus und vom Arzt beziehungsweise Kranken- haus zu den Kostenträgern, öffent- lichen Verwaltungen, Meldebehör- den, Sozialgerichten, Arbeitge- bern bis hin zu Straßenverkehrs- behörden und anderen Bürokra- tien. Es bestehen daher vielfältige Möglichkeiten, die Schweige- pflicht und den Datenschutz zu unterminieren. Dies um so eher, da von den „datenhungrigen" In- stitutionen ein fast system-imma- nenter Druck ausgeht, patienten- bezogene Daten zu erhalten.

Vielfach, so stellte Vilmar fest, sei den datenregistrierenden Institu- tionen überhaupt nicht bewußt, was mit den weitergegebenen Da- ten geschehen kann und welche

• Fortsetzung auf Seite 24

„1. Der Patient wird sich dem Arzt mit seinen gesundheitlichen und persönlichen Problemen nur anvertrauen, wenn er weiß, daß der Arzt über das ihm Anvertraute Schweigen bewahrt. Der Arzt kann seinerseits dem Patienten oft nur dann wirksam helfen, wenn er dessen Probleme und damit die physischen, psychischen und so- zialen Umstände seiner Erkran- kung kennt.

Die gewissenhafte Einhaltung der beruflichen Schweigepflicht ist daher neben fachlichem Wissen, Können und Berufserfahrung we- sentliches Element der Vertrau- enswürdigkeit des Arztes gegen- über dem Patienten.

2. In einer Zeit wachsender Ab- hängigkeiten des einzelnen von Sozialleistungen, Versicherungs- leistungen und Verwaltungserfor- dernissen ist der Schutz des Pa- tientengeheimnisses gefährdet, weil der einzelne in seiner Ent- scheidung über eine Entbindung des Arztes von der Schweige- pflicht oft nicht mehr frei ist. Das Patientengeheimnis kann daher nur wirksam geschützt werden, wenn gewährleistet wird, daß auch dann, wenn der Patient den Arzt von der Schweigepflicht ent- bindet,

> der Arzt vor Auskunftsertei- lung gewissenhaft prüft, ob der Patient die Tragweite seines Ein- verständnisses beurteilen kann,

> die vom Arzt gegebenen Infor- mationen auf den durch die Ein- willigung gedeckten Zweck und in ihrem Umfange auf das unbe- dingt erforderliche Maß begrenzt bleiben,

> der Empfänger der Information die erhaltenen Patientenangaben

nur im Rahmen des Zweckes ver- wendet, zu dessen Erfüllung er sie mit Zustimmung des Patienten vom Arzt erhalten hat,

> vor einer Änderung der Zwecksetzung durch den Empfän- ger dementsprechend erneut die Zustimmung des Patienten einge- holt werden muß,

> die erhaltenen Informationen dann gelöscht oder zumindest für die weitere Verarbeitung gesperrt werden, wenn sie für die eige- ne Aufgabenwahrnehmung nicht mehr benötigt werden.

3. Ein persönlich dem Arzt anver- trautes Geheimnis darf die zwei- seitige Vertrauensbeziehung nicht verlassen. Auch bei nicht persön- lich anvertrauten dem Arzt durch Gespräch und Untersuchung be- kannt gewordenen Angaben muß der Kreis der Wissenden begrenzt sein

> auf die Ärzte, die gleichzeitig oder nacheinander die Betreuung übernehmen,

> auf die Mitarbeiter des Arztes, die in seinem Verantwortungsbe- reich tätig sind,

> auf die Studenten, die im Rah- men ihrer Ausbildung, z. B. in Vorlesungen, Praktika und Kur- sen, von der Krankheitsgeschichte einzelner Patienten Kenntnis er- halten.

Auch unter ihnen ist die Informa- tion auf das erforderliche Maß zu begrenzen und ein der Informa- tion entgegenstehendes Interesse des Patienten zu berücksichtigen.

4. Die ärztliche Schweigepflicht ist nicht ersetzbar durch andere Verschwiegenheitspflichten, wie RESOLUTION

Empfehlungen zur Beachtung

der ärztlichen Schweigepflicht bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in der ärztlichen Berufsausübung

20 Heft 21 vom 28. Mai 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe KB

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Die Information:

Bericht und Meinung RESOLUTION

sie zum Beispiel Behörden, Ge- richten, Krankenhausträgern, So- zialleistungsträgern und Versiche- rungen obliegen; durch das Ange- bot der Amtsverschwiegenheit wird daher die dem Arzt persön- lich auferlegte Schweigepflicht nicht aufgehoben. Deswegen muß auch der angestellte oder beamte- te Arzt gegenüber seinem Arbeit- geber oder Dienstherrn die Schweigepflicht wahren, es sei denn, mit einer ärztlichen Unter- suchung oder Begutachtung ist — erkennbar für den Betroffenen — die Mitteilung des für den Aus- kunftszweck entscheidenden Er- gebnisses an den Arbeitgeber, Dienstherrn oder die beauftragen- de öffentliche Stelle verbunden.

5. Von seiner beruflichen Schwei- gepflicht kann der Arzt grundsätz- lich nur durch den Patienten oder andere geheimnisgeschützte In- formanten befreit werden. Hierfür bedarf es entweder seiner aus- drücklichen Erklärung oder seiner stillschweigenden bzw. mutmaßli- chen Einwilligung, und zwar auch für den Umfang der weiterzuge- benden Information. Aus der Er- klärung, mit der der Patient den Arzt von der Schweigepflicht ent- bindet, muß grundsätzlich hervor- gehen, wem gegenüber, über wel- chen Sachverhalt und zu welchem Zweck Auskünfte erfolgen sollen.

6. Gesetzliche Mitteilungspflich- ten, welche die ärztliche Schwei- gepflicht durchbrechen, dürfen nur dann und insoweit eingeführt werden, als sie zur Abwehr kon- kreter Gefahren für das Gemein- wohl notwendig sind. Vergleich- bar strenge Anforderungen müs- sen an Mitteilungsbefugnisse ge- stellt werden, durch die der Arzt zwar nicht verpflichtet, aber be- rechtigt werden soll, Patientenge- heimnisse ohne Einholung einer Zustimmung des Patienten zu of- fenbaren.

Solche Mitteilungsbefugnisse durchbrechen die Schweigepflicht aus der Sicht des Geheimnisge- schützten ebenso wie Mitteilungs- pflichten und gefährden daher das

Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt.

Die Befugnis des Arztes, zur Wah- rung eines höherwertigen Rechts- gutes auch gegen den Willen des Patienten sein Schweigen zu bre- chen, muß auf Ausnahmefälle be- grenzt bleiben, in denen ohne Mit- teilung eine konkrete Gefährdung anderer Personen eintritt. Eine mögliche Eigengefährdung des Patienten reicht für ein Durchbre- chen der Schweigepflicht nicht aus, es sei denn, er ist infolge Ein- schränkung seiner Einsichts- und Willensfähigkeit nicht in der Lage, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen.

7. Die medizinische Forschung ist auf die Erfassung und Verarbei- tung personenbezogener Anga- ben angewiesen. Als Grundlage des Fortschrittes in der Heilkunde liegt medizinische Forschung so- wohl im Interesse des einzelnen Patienten als auch im Interesse der Gesellschaft. Forschungsvorhaben sind kein höherwertiges Rechtsgut als der Geheimnisschutz des Indi- viduums.

Personenbezogene Angaben dür- fen dementsprechend grundsätz- lich auch zum Zwecke der medizi- nischen Forschung nur mit der Zu- stimmung des betroffenen Patien- ten oder Probanden an andere Ärzte oder an Forschungseinrich- tungen weitergegeben werden.

Kein Arzt kann verpflichtet wer- den, personenbezogene Daten zu Forschungszwecken an Dritte wei- terzugeben. In Konfliktfällen muß der Arzt nach bestem Wissen und Gewissen Güterabwägungen zwi- schen dem Forschungsziel einer- seits und den Individualrechten der Patienten/Probanden anderer- seits vornehmen und verantworten und die Ethikkommissionen der Landesärztekammern anrufen. Als Entscheidungshilfe wird auf die vom Vorstand der Bundesärzte- kammer herausgegebenen Emp- fehlungen des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer zur Beachtung der ärztlichen

Schweigepflicht bei der Verarbei- tung personenbezogener Daten in der medizinischen Forschung vom 23. Juli 1981 (DEUTSCHES ÄRZ- TEBLATT, Heft 30/1981) ver- wiesen.

8. Die Schweigepflicht besteht ausschließlich zum Schutze des Pa- tienten. Ihm gegenüber ist der Arzt zur Auskunft und Aufklärung ver- pflichtet, sofern dadurch nicht Ge- heimnisrechte Dritter berührt wer- den. In Fürsorge um den Patienten muß der Arzt aber die Möglichkeit haben, die Aufklärung inhaltlich einzuschränken, wenn eine umfas- sende Information nach seiner Überzeugung die Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsbe- einträchtigung hervorruft.

9. Datenschutz bezweckt die Si- cherung der in Dateien erfaßten Angaben über Personen auf Rich- tigkeit und Vollständigkeit sowie deren Schutz vor Vernichtung, Verfälschung, unbefugtem Zugriff Dritter und mißbräuchlicher Ver- wendung.

Datenschutz ist ebenso wie die ärztliche Schweigepflicht auf den Schutz der Privatsphäre ausge- richtet. Deswegen müssen die Da- tenschutzgesetze die Anforderun- gen an die befugte Weitergabe personenbezogener Gesundheits- daten mit den Anforderungen an die ärztliche Schweigepflicht gleichsetzen und diese Anforde- rungen auch denjenigen Personen und Stellen auferlegen, die von ei- nem Arzt oder direkt vom Patien- ten oder Dritten personenbezoge- ne Gesundheitsdaten erhalten haben.

10. Richtlinien, aus denen sich das richtige ärztliche Verhalten in jedem Einzelfalle zweifelsfrei ab- leiten läßt, kann es nicht geben.

Die vorstehenden Thesen können daher dem Arzt das eigenverant- wortliche, gewissenhafte und sachgerechte Abwägen seiner Pflichten auch bei schwerwiegen- den Ermessensentscheidungen nur erleichtern."

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Ausgabe A/B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 21 vom 28. Mai 1982 21

Referenzen

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