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Archiv "Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht in der medizinischen Forschung (Teil 1)" (23.07.1981)

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Die Information:

Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

Die Empfehlung des Vorstandes der Bundesärztekammer zur Be- achtung der ärztlichen Schweige- pflicht bei der Verarbeitung perso- nenbezogener Daten in der medi- zinischen Forschung (Wortlaut auf Seite 1443 dieses Heftes) geht auf eine Anregung zurück, die Profes- sor Dr. Hecker in der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer am 5. Mai 1979 gegeben hat. Hecker machte damals darauf aufmerksam, daß der Zusammenhang von Mißbil- dungen bei Neugeborenen und Umwelteinflüssen nicht ohne Ver- laufsuntersuchungen erforscht werden könne, für die persönliche Daten der Patienten benötigt wer- den. Er machte darauf aufmerk- sam, daß solche notwendigen For- schungsarbeiten durch gesetzli- che Datenschutzregelungen und deren Anwendung erschwert, wenn nicht gar unmöglich ge- macht werden können.

Aufgrund dieses Hinweises und der sich anschließenden Diskus- sion wurde nach Vorarbeiten des Justitiars der Bundesärztekam- mer, Dr. Rainer Hess, am 3. Mai 1980 vom Wissenschaftlichen Bei- rat ein Arbeitskreis „Ärztliche Do- kumentation und Datenschutz"

gebildet. Zur Mitarbeit wurden be- rufen und waren bereit: Prof. Dr.

Dhom, Prof. Dr Dr. Ehrhardt, Prof.

Dr. Friebe!, Prof. Dr. Hecker, Dr.

jur. Hess, Prof. Dr. Holland, Prof.

Dr. jur. Kilian, Dr. Schwartz, Prof.

Dr. Valentin, Prof. Dr. Wagner und der den Vorsitz im Arbeitskreis führende Berichterstatter.

Im Verlauf der Arbeit wurden wei- tere Sachverständige zu mündli-

cher und schriftlicher Beratung hinzugezogen, und zwar Prof. Dr.

Jacob, Dr. Wedel und in dessen Vertretung Dr. Lange-Asschen- feld. Prof. Dr. Bochnik gab weitere schriftliche Hinweise. Auch der Vorsitzende des Wissenschaftli- chen Beirates, Prof. Dr. Wolff, nahm aktiv an den Beratungen teil.

Alle Genannten haben sich in den Sitzungen und/oder in Schriftsät- zen an der Arbeit beteiligt. Der am 30. Mai 1981 nach drei Sitzungen des Arbeitskreises dem Wissen- schaftlichen Beirat vorgelegte Entwurf stellt mithin das Ergebnis interdisziplinärer Zusammenarbeit von Klinikern verschiedener Fach-

richtungen, Epidemiologen, So- zialmedizinern und Juristen dar.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer konnte bei seinen Beratungen außerdem die auf dem 84. Deutschen Ärztetag von Dr. Otfried P. Schaefer, Kas- sel, eingebrachte und mit großer Mehrheit angenommene Ent- schließung berücksichtigen, wo- nach an die Ärzte aller Fachrich- tungen appelliert wird, „allen Ver- suchen, die Schweigepflicht des Arztes weiter auszuhohien, ener- gisch zu widerstehen .

Diese Entschließung hatte nach- drücklich darauf hingewiesen, daß das Recht des Patienten auf Ver- schwiegenheit seines Arztes nicht deswegen aufgehoben oder rela- tiviert werden darf, weil moder- ne elektronische Datenverarbei- tungstechniken eine mannigfalti- ge Verarbeitung und Auswertung auch persönlicher Gesundheitsda- ten erleichtern.

Individuelle Entscheidungs- und Argumentationshilfe Nach eingehender Diskussion ver- abschiedete der Wissenschaftli- che Beirat der Bundesärztekam- mer die Vorlage des Arbeitskreises einstimmig ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen. Der Vor- stand der Bundesärztekammer hat sich in seiner Sitzung am 10. Juli 1981 die Empfehlung des Wissen- schaftlichen Beirates zu eigen ge- macht. Er hat dabei auch den im Wortlaut der Empfehlung nicht ausdrücklich aufgenommenen Hinweis des Wissenschaftlichen Beirates bekräftigt, daß diese Empfehlung in erster Linie indivi- duelle Entscheidungshilfe bieten solle.

In zweiter Linie kann die von der Bundesärztekammer als Arbeits- gemeinschaft aller Ärztekammern beschlossene Empfehlung eine Argumentationshilfe für denjeni- gen Arzt sein, der bei Anwendung der darin festgelegten Grundsätze insbesondere nach gewissenhaf- ter Güterabwägung handelt, trotz- dem aber in rechtliche Auseinan- dersetzungen gerät.

Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arzt vor Aufnahme einer For- schungsarbeit mit personenbezo- genen Daten ohne Einwilligung der Patienten und Probanden ein Protokoll anfertigt, in dem er dar- legt, daß und in welcher Weise er bei dem für ihn zur Rede stehen- den Forschungsvorhaben die in der „Empfehlung zur Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht bei der Verarbeitung personenbezo- gener Daten in der medizinischen Forschung - aufgeführten Krite- rien und Konditionen beachtet hat bzw. beachten wird.

Für die Anwendung der Empfeh- lung mag eine Erläuterung dien- lich sein, die die wichtigsten Grundgedanken aufzeigt, welche in den Beratungen der verschiede- nen genannten Gremien erörtert wurden und dann zu den konkre- ten Formulierungen der Empfeh- lung geführt haben.

Beachtung

der ärztlichen Schweigepflicht in der medizinischen Forschung

J. F. Volrad Deneke

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 30 vom 23. Juli 1981 1441

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Die Information:

Bericht und Meinung Ärztliche Schweigepflicht

Zu Überschrift und Präambel:

Die Überschrift der Empfehlung umfaßt ein Teilgebiet der Proble- matik, die dem Arbeitskreis des Wissenschaftlichen Beirates ur- sprünglich den Namen gegeben hatte, ein Teilgebiet der Problema- tik "Ärztliche Dokumentation und Datenschutz". Hinsichtlich des Begriffes "Dokumentation" ist die Problematik auf die "Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht bei der Dokumentation" reduziert worden. Das Attribut "ärztlich" ist auf für medizinische Forschung relevante ärztliche Dokumentation reduziert worden. Und beim Be- griff "Datenschutz" ist die Proble- matik auf den Datenschutz in der .. Verarbeitung personenbezoge- ner Daten" reduziert worden.

Diese Reduktionen der Thematik im Vergleich zur Benennung des Arbeitskreises entsprechen nicht der ursprünglichen Fragestellung von Hecker und deren erster Erör- terung im Wissenschaftlichen Bei- rat 1979. Sie bedeuten jedoch die Konzentration der Thematik auf deren rechtlichen und ethischen Problemkern. Wenn es gelungen ist, mit der vorliegenden Empfeh- lung diesen Problemkern richtig zu erfassen, sind die dabei gewon- nenen Erkenntnisse unschwer auch auf den Datenschutz in der ärztlichen Dokumentation ganz allgemein anzuwenden und damit auch auf Prävention, ärztliche Ver- sorgung und Rehabilitation z. B.

von Krebskranken und bei ange- borenen Mißbildungen.

Der Wissenschaftliche Beirat hat dementsprechend in der Empfeh- lung für das untersuchte Detail das Allgemeingültige sichtbar ge- macht. So stellt bereits der erste Satz der Präambel eine Grundpo- sition klar:

I> Die medizinische Forschung kann auf die Nutzung personenbe- zogener Daten nicht verzichten.

Dies ist als Feststellung formuliert.

Die Notwendigkeit der Nutzung personenbezogener Daten wird -

im Gegensatz zu unrealistischen Zielvorstellungen in manchen ak- tuellen Datenschutzdiskussionen -gar nicht erst in Frage gestellt.

Ebensowenig wird allerdings in Frage gestellt:

I> Bei der Durchführung von For- schungsvorhaben sind Grundsät- ze des ärztlichen Berufsrechtes und des Datenschutzrechtes zu beachten.

Die Präambel formuliert in dieser Gegenüberstellung den Konflikt.

Sie deutet damit zugleich an, daß dieser Konflikt abstrakt nicht zu lösen ist, sondern daß die Praxis der medizinischen Forschung im- mer wieder neu in concreto mit diesem Konflikt leben muß.

ln der Überschrift findet sich au- ßerdem noch ein Hinweis auf ei- nen weiteren möglichen Konflikt mit der Gegenüberstellung von ärztlicher Berufstätigkeit und me- dizinischer Forschung.

Die aus ärztlicher Ethik zu setzen- den Prioritäten sind nicht immer identisch mit den optimalen Prä- missen für erfolgversprechende

natu rwissenschaftl ich-med izi n i- sehe Forschung. Wo der naturwis- senschaftliche Forscher jedoch Arzt ist, trägt er diesen Konflikt in sich selbst und kann dabei von der Dominanz ärztlicher Ethik gar nicht absehen. Die Möglichkeit ei- nes solchen Konfliktes konnte da- her in der Ausformulierung der Empfehlung vernachlässigt wer- den.

Zu 1:

ln diesem Abschnitt wird Grund- sätzliches zur Verarbeitung perso- nenbezogener Daten in der medi- zinischen Forschung ausgesagt.

Besonders unterstrichen seien die Hinweise,

~ daß ungezielte Erfassung und Speicherung von Daten auch wis- senschaftlich nicht unbedenklich ist und

1442 Heft 30 vom 23. Juli 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT

~ daß die Verwendung von Daten für andere als die ursprünglichen Erhebungszwecke wissenschaft- lich immer problematisch bleibt.

Der Arbeitskreis hat-wie auch die Entschließung des 84. Deutschen Ärztetages bestätigt: mit Recht - auf diese beiden Feststellungen besonderen Wert gelegt. Allein das Vorhandensein von Daten- sammlungen, z. B. in großen Klini- ken, in Versicherungen, in Ge- sundheitsämtern und ähnlichen Institutionen kann dazu verführen, diese Datenbestände auch für an- dere als die ursprünglichen Erfas- sungszwecke ohne gründliche Analyse der Vergleichbarkeit der neuen Fragestellungen mit dem Entstehungszusammenhang der Daten zu nutzen.

Im Gewande der Wissenschaft be- dient sich die ideologisch gesteu- erte Zweckforschung erfahrungs- gemäß mit Vorliebe solcher Schar- latanerie. Einschränkungen für die Verwendung bereits erfaßter und gespeicherter personenbezogener Daten ergeben sich also nicht al- lein aus ethischen und rechtlichen Gründen, sondern- in der bisheri- gen Diskussion allzuwenig beach- tet -auch aus rein wissenschaftli- chen Gründen.

Zu 2:

Im zweiten Absatz wird festge- stellt, daß in aller Regel personen- bezogene Daten in der medizini- schen Forschung nur mit Zustim- mung der betroffenen Patienten oder Probanden verarbeitet wer- den dürfen, jedoch werden im gleichen Atemzug Ausnahmen von dieser Regel eingeräumt. Die Formulierung stellt damit keine absolute Priorität fest. Sie kon- frontiert vielmehr das Rechtsgut

"Freiheit der Forschung" mit dem Rechtsgut "Vertrauensschutz des Individuums". Sie stellt fest, daß es sich um eigenwertige Rechts- güter handelt, die immer neu in concreto für jedes Forschungsvor-

e

Fortsetzung auf Seite 1444

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