[62] Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 34–3523. August 2004 V E R S I C H E R U N G E N
A
m 1. Juli wurde es ernst.Denn an diesem Tag trat das neue Kostenrechts- modernisierungsgesetz (Kost- RMoG) in Kraft. Das Gesetz führt neue Vergütungen für Rechtsanwälte und Gerichts- gebühren ein. Dies wird die Kosten der deutschen Rechts- schutzversicherer in die Höhe treiben. Die Versicherungs- branche hat 25 000 Schaden- akten analysiert. Folge: Durch das neue Gesetz errechnen die Versicherer eine Kosten- steigerung von 21 Prozent.
Das Justizministerium hinge- gen nennt nur eine Progressi- on von lediglich 14 Prozent.
Auf jeden Fall werden die Prämien steigen. Da die Prä- mien im Rahmen eines Treu- händerverfahrens auf Basis von Daten der jeweils letzten zwei Jahre ermittelt werden, rechnet die Branche erst im Oktober 2005 mit der vollen Wucht der Kostenexplosion.
Altkunden müssen also erst im Herbst 2006 mit saftigen Erhöhungen rechnen. Neu- kunden könnten schon jetzt als Folge des neuen Gesetzes zur Kasse gebeten werden.
Doch das erscheint unwahr- scheinlich. Kein Versicherer will zunächst vorpreschen und als Buhmann dastehen.
Welche Kosten ab 1. Juli auf den Verbraucher zukom- men? Dazu zwei Beispiele aus der Praxis:
❃Ein Arbeitnehmer erhält von seinem Arbeitgeber die Kündigung. Sein monatliches Bruttogehalt beträgt 2 250
Euro. Er akzeptiert die Kün- digung nicht und beauftragt einen Anwalt mit der au- ßergerichtlichen Abwehr der Kündigung. Der Anwalt wen- det sich schriftlich an den Ar- beitgeber. Der Streitwert richtet sich nach dem Brutto- gehalt von drei Monaten (6 750 Euro). Der Anwalt er- hielt bislang eine Vergütung in Höhe von 281,75 Euro, nach neuem Recht kann er 487,50 Euro berechnen. Macht für die gleiche Tätigkeit eine Steigerung von 73 Prozent.
Da der Arbeitgeber die Kün- digung nicht zurücknehmen will, erhebt der Anwalt Kün- digungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Die Klage wird abgewiesen. Bislang er- hielt der Anwalt 750 Euro (ohne Auslagen und ohne Mehrwertsteuer) an Gebüh- ren, seit dem 1. Juli kassiert er für die gleiche Tätigkeit 1 181,25 Euro. Macht eine Er- höhung von 58 Prozent.
❃Ein Vermieter kündigt das Mietverhältnis wegen Eigen- bedarfs. Die Mieterin möchte aber nicht ausziehen und be- auftragt einen Anwalt mit der außergerichtlichen Abwehr der Kündigung. Da der Ver-
mieter nicht nachgibt, rät der Anwalt der Mieterin zum Auszug, da die Aussicht auf Erfolg gering scheint. Der Streitwert, nach dem der An- walt seine Gebühren abrech- nen kann, berechnet sich nach dem Jahresmietzins, hier 10 200 Euro. Nach diesem Wert erhielt der Anwalt bis- lang eine Gebühr von 394,50 Euro. Nach dem neuen Ge- setz kann er 683,80 Euro be- rechnen. Macht eine Erhö- hung von 73 Prozent.
Mehr Beratung der Versicherer Vor diesem Hintergrund wol- len die Rechtsschutzversiche- rer ihren Kunden künftig auch Rechtsberatung anbie- ten. Dies ist in vielen euro- päischen Ländern bereits Usus. Die Bundesregierung will das Rechtsberatungsge- setz bis September überarbei- ten. „Das Gesetz dient in sei- ner jetzigen Form offensicht- lich dem Schutz einer be- stimmten Berufsgruppe. Es ist anachronistisch und in Eu- ropa einmalig“, klagt ein Sprecher des Gesamtverban- des der Deutschen Versiche- rungswirtschaft. Rolf Combach
Rechtsschutz
Bald unerschwinglich?
Seit dem 1. Juli können die Rechtsanwälte höhere Honorare verlangen.
Einer aktuellen emnid-Stu- die zufolge sind mehr als 90 Prozent der Bundesbürger davon überzeugt, ihren Le- bensstandard nach dem Be- rufsleben ohne Eigeninitiati- ve nicht mehr halten zu kön- nen. Bei Wahlfreiheit (ge- setzliche oder private Rente) würden 74 Prozent den glei- chen Betrag lieber in eine private Versicherung einzah- len. Gefragt sind dort fle- xible und sichere Vorsorge- produkte, welche die Versor- gungslücke der gesetzlichen Rente schließen. Während für mehr als zwei Drittel der Befragten eine private Ren- tenversicherung und noch
für weit über die Hälfte der Erwerb einer Immo- bilie als Altersvorsorge grundsätzlich infrage kommen, sind risikoträchtige Produkte wie Immo- bilienfonds oder Aktien nur für eine Minderheit ein möglicher Baustein in ihrer persönlichen Al- tersvorsorge. Noch weniger hoch im Kurs bei der Bevölkerung steht die Riester-Rente. Lediglich für 26 Prozent kommt diese Vorsorgeform fürs Alter
überhaupt infrage. In der Prioritätenliste rangie- ren bei den Bundesbürgern die private Renten- versicherung und Immobilien mit Abstand vorn.
Jeweils 22 Prozent der Befragten setzen diese beiden Altersvorsorgeinstrumente auf Platz eins.
Weit abgeschlagen sind Immobilenfonds und Ak- tien, die nur je ein Prozent für ihre private Alters-
vorsorge bevorzugen. WZ
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Caro