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Archiv "Behandlung des ischämischen Insultes: Nutzen durch Studien belegt" (20.08.1993)

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MEDIZIN

1 Verwirrende Terminologie

Ich finde es sehr begrüßenswert, daß endlich von kompetenter Seite eine klare Stellungnahme zur Akut- therapie der Volkskrankheit „Schlag- anfall" erfolgt.

Als etwas störend empfinde ich nur die gewählte Terminologie.

Nachdem „ischämische Insulte" in vielen Organen auftreten können, er- schiene mir der Begriff „Hirninfarkt"

eindeutiger. Auch das aus dem ame- rikanischen entlehnte „fokale neuro- logische Defizit" wäre einfacher als

„Herdsymptom" (oder „zerebrales Herdsymptom") zu benennen.

Schließlich stellt die Bezeichnung

„ischämischer Infarkt" eine Tautolo- gie dar; jeder Infarkt ist Folge einer regionalen Ischämie mit Unterschrei- tung des Strukturstoffwechsels.

Prof. Dr. Manfred Stöhr

Chefarzt der Neurologischen Klinik mit Klinischer Neurophysiologie des Krankenhauszweckverbandes Augsburg

Stenglinstraße 86156 Augsburg

2 Therapie zu wenig bekannt

Wir möchten auf einige Punkte eingehen, die in dem Aufsatz zwar erwähnt werden, die aber unserer Ansicht nach nicht genügend heraus- gestrichen und betont wurden.

• Bei einem akuten Schlagan- fall oder auch „nur" einer TIA han- delt es sich um eine Notfallsituation, die die stationäre Einweisung des be- troffenen Patienten unbedingt erfor- derlich macht.

() Der Patient muß in den er- sten Stunden und Tagen nach dem Ereignis engmaschig kontrolliert werden, um Blutdruck, Herzfre- quenz, Atmung und Blutzucker zu überwachen. Diese Möglichkeiten sind in der häuslichen Umgebung un-

DISKUSSION

Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. med. Karl Einhäupl in Heft 17/1993

ter der Therapie des Hausarztes nicht gegeben.

Sowohl bei einem akuten Schlaganfall als auch bei einer TIA ist eine ausführliche Diagnostik un- abdingbar. Diese muß auch ein Schä- del-CT beinhalten, da auch der er- fahrenste Neurologe aufgrund der klinischen Untersuchung nicht zwi- schen einem ischämischen Insult, ei- ner Blutung oder einem Tumor un- terscheiden kann.

Selbstverständlich wurden diese Tatsachen von den Autoren ange- sprochen. Wir als in der neurologi- schen Rehabilitation tätige Ärzte ha- ben aber leider bei unseren Patien- ten die Erfahrung gemacht, daß die Mehrzahl der Schlaganfall-Patienten vom Hausarzt nicht bei Beginn der Symptomatik notfallmäßig eingewie- sen wird, sondern erst wenn sich eine unübersehbare Verschlechterung eingestellt hat.

Somit scheinen diese einfachen und notwendigen Grundsätze der Schlaganfall-Therapie bei einem er- heblichen Teil der niedergelassenen Kollegen nicht bekannt zu sein. Im Gegensatz dazu ist dank intensiver Aufklärung und Weiterbildung in den entsprechenden medizinischen Zeitschriften das Verhalten bei An- gina pectoris oder Verdacht auf Herzinfarkt weitgehend standardi- siert und als Notfallsituation bei den niedergelassenen Kollegen akzep- tiert worden.

Diese therapeutischen Forde- rungen bei Schlaganfallpatienten wurden bisher von den in der Fortbil- dung und Wissenschaft tätigen Inter- nisten und Neurologen nur sehr zö- gerlich und zurückhaltend erhoben, wohl auch weil sie auf den ersten Blick keinen Beitrag zur jetzt aktuel-

len Kostendämpfung darzustellen scheinen. Bei näherer Betrachtung sollte man jedoch bedenken, daß durch frühzeitige adäquate Thera- piemaßnahmen das Ausmaß der neu- rologischen Schädigung in vielen Fäl- len begrenzt werden und dadurch auch die dann notwendige neurologi- sche Rehabiliationszeit verkürzt wer- den kann.

Daher hätten wir es befürwortet, wenn gerade im Ärzteblatt, das in Deutschland von allen Kollegen gele- sen wird, diese Zurückhaltung aufge- geben wird und unmißverständlich auf Notwendigkeit des oben be- schriebenen therapeutischen Vorge- hens hingewiesen wird.

Priv.-Doz. Dr. med. J. Mertin Neurologe und Psychiater Chefarzt

Dr. med. J. Durner Internist und Neurologe Oberarzt

Abtlg. Neurologie/

Neuropsychologie Fachklinik Ichenhausen Krumbacher Str. 45 89335 Ichenhausen

3 Nutzen durch Studien belegt

Im Artikel heißt es unter „9. Un- wirksame oder obsolete Behand- lungsmaßnahmen", daß „nach heuti- gen Kriterien. . . sogenannte Nootro- pika" nicht mehr angewendet werden sollten.

Es überrascht uns, daß „soge- nannte Nootropika" pauschal als

„unwirksam oder obsolet" bezeichnet werden. Der typische und bestunter- suchte Vertreter der Nootropika ist Piracetam, das wir unter dem Han- delsnamen „Normabrain" vertreiben.

Wir möchten kurz darlegen, warum wir mit der Einschätzung der Nootro- pika, soweit sie das Piracetam be- trifft, nicht übereinstimmen.

In der am 31. Dezember 1992 im Bundesanzeiger veröffentlichten Mo- nographie zu Piracetam wird als ei- nes der Anwendungsgebiete die „un- terstützende Therapie bei Folgezu- ständen nach ischämischem Hirnin- farkt im Carotis-Stromgebiet" aufge- führt. Der Nutzen von Piracetam bei dieser Indikation wurde durch vier

Behandlung des

ischämischen Insultes

Ar2186 (42) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 33, 20. August 1993

(2)

MEDIZIN

Plazebo-kontrollierte Doppelblind- studien mit insgesamt 200 Patienten nachgewiesen (1,2,3,4).

Unter Punkt 4 des Artikels heißt es: „Die folgenden allgemeinen The- rapie-Empfehlungen gründen ganz überwiegend auf klinischer Erfah- rung und sind nur in wenigen Fällen durch kontrollierte Studien belegt."

Wir können verstehen, daß, wenn kontrollierte Studien fehlen, die kli- nische Erfahrung als Richtlinie der Therapie dienen muß. Nicht ver- ständlich ist uns allerdings, daß man Therapie-Möglichkeiten ablehnt, de- ren Nutzen durch kontrollierte Studi- en belegt sind.

Man kann das Problem, das der Artikel aufwirft, zuspitzen: Für den Arzt ergibt sich die Frage, ob er dem Artikel oder der Monographie glau- ben soll. Für ein forschendes Phar- maunternehmen stellt sich die Frage, welche Konsequenzen es aus der Tatsache ziehen soll, daß angesehene Fachleute nicht kontrollierte klini- sche Erfahrungen höher bewerten als klinische Studien.

Literatur:

1. Herrschaft, H.: Die Wirksamkeit von Pira- cetam bei der akuten cerebralen Ischämie des Menschen. Klinisch kontrollierte Dop- pelblindstudie Piracetam/10% Dextran 40 versus Placebo/10% Dextran 40. Med. Kli- nik 83 (1988) 667-677

2. Ming, A., R. Winterton, V. U. Fritz et al.:

Piracetam versus placebo in first acute, nonhaemorrhagic carotid territory stroke: a double-blind study. Int. Symp. on Progress of Piracetam. Athen, Ciencia y Medicina, Madrid, 1990,139-151

3. Karoutas, G.: A randomized double-blind placebo controlled study of piracetam in patients with acute ischaemic cerebral in- farct in the carotid territory. Int. Symp. on Progress of Piracetam. Athen, Ciencia y Medicina, Madrid 1990,135-138

4. Platt, D., J. Horn, J. D. Summa et al.: Zur Wirksamkeit von Piracetam bei geriatri- schen Patienten mit akuter zerebraler Ischämie. Klinisch kontrollierte Doppel- blindstudie. Med. Welt 43 (1992), 181-190

Dr. med. W. Horn

Cassella-Riedel Pharma GmbH Hanauer Landstraße 521 60386 Frankfurt

Schlußwort

1. Zum Brief von Prof. Stöhn Die Autoren des Konsensuspa- piers haben sich lange Zeit mit der Nomenklatur zerebraler Durchblu- tungsstörungen im Deutschen be-

DISKUSSION

schäftigt. Der Begriff Insult ist der Oberbegriff und inhaltlich nicht identisch mit ischämischem Infarkt.

Unter dem Begriff Insult können sich auch Blutungen oder Subarachno- idalblutungen verstecken. Ischämi- scher Infarkt ist zwar in gewisser Weise eine Tautologie. Die Autoren wollten dies aber von anderen Be- gleiterscheinungen der Ischämie, wie beispielsweise einer haemorrhagi- schen Transformation nach einem embolischen Infarkt abgrenzen.

2. Zum Brief von Priv.-Doz.

Mertin/Dr. Durner:

Das Konsensuspapier stimmt in- haltlich mit den Forderungen, die in dem Leserbrief von PD Dr. Mertin erhoben werden, überein. Wir woll- ten allerdings nicht so apodiktisch auf einer stationären Einweisung be- stehen, da es Patienten mit einer tran- sienten ischämischen Attacke gibt, bei denen auch eine ambulante Abklä- rung möglich ist, und es durchaus älte- re multimorbide Patienten geben kann, die wegen anderer Krankheiten schon zu Hause gepflegt werden und bei denen verständlicherweise auch bei einem eintretenden Schlaganfall der Wunsch bestehen kann, nicht un- mittelbar in ein Krankenhaus einge- wiesen zu werden.

Die Autoren des Konsensuspa- piers sind ebenfalls der Meinung, daß für die Primärdiagnostik eines akuten Schlaganfalles das CT unverzichtbar ist. Bei Patienten mit transienten ischärnischen Attacken kann es aber in Einzelfällen verzichtbar sein. Die Au- toren des Konsensuspapiers unter- stützen durchaus die Auffassung von Herrn Mertin, daß in Zukunft Patien- ten mit Schlaganfällen ebenso behan- delt werden sollten wie Patienten mit einem frischen Myokardinfarkt, das heißt diagnostische und therapeuti- sche Maßnahmen müssen so schnell wie möglich erfolgen.

3. Zum Schreiben der Firma Cassella-Riedel Pharma GmbH:

Zum Zeitpunkt der Abfassung des Konsensuspapiers war die Zulas- sung und Registrierung des Arznei- mittel Piracetam lt. Bundesanzeiger vom 31. Dezember 1992 noch nicht bekannt. Aber selbst wenn diese Be- kanntmachung vorgelegen hätte, wä-

re daraus keine Behandlungsindikati- on des akuten ischämischen Hirnin- farktes durch diese Substanz ableit- bar gewesen. Die vermeintlich gün- stigen Wirkungen von Piracetam konnten nämlich bisher nur bei Tie- ren oder bei Menschen „experimen- tell" erzielt werden und betrafen aus- schließlich physiologische Parameter, jedoch nicht klinische Zustände. In der Nennung der Anwendungsgebie- te im Bundesanzeiger heißt es „Zur symptomatischen Behandlung von chronisch-hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen im Rahmen ei- nes therapeutischen Gesamtkonzep- tes bei dementiellen Symptomen mit der Leitsymptomatik. . . ". Von einer Behandlung des akuten ischämischen Hirninfarktes ist nicht die Rede, le- diglich von einer „unterstützenden Therapie bei Folgezuständen nach ischämischen Hirninfarkt im Carotis- stromgebiet".

Der Hinweis auf die in den letz- ten Jahren durchgeführten Doppel- blindstudien ist nicht überzeugend.

Keine dieser Arbeiten ist in einer in- ternational renommierten Zeitschrift erschienen. Keine dieser Studien ge- nügt vom Studienkonzept, den unter- suchten Patientenzahlen, den Ein- und Ausschlußkriterien und den Zielparametern den Anforderungen einer modernen Studie zur Behand- lung des akuten Schlaganfalles. Um eine vernünftige wissenschaftlich fundierte Aussage über die Wirksam- keit eines Medikamentes beim aku- ten Schlaganfall zu erhalten, sind mi- nimale Patientenzahlen von 300 bis 400 notwendig. Viele kontrollierte Studien zu anderen Substanzen, die bisher durchgeführt wurden, haben Patientenzahlen zwischen 300 bis 1600. Sollten später überzeugende Ergebnisse über die klinische Wirk- samkeit von Piracetam beim akuten ischämischen Infarkt vorgelegt wer- den, kann das Präparat gebührend berücksichtigt werden. Die vorliegen- den Daten reichen für eine Therapie- Empfehlung zur Zeit nicht aus.

Für die Autoren des Konsensuspapiers:

Prof. Dr. med. Hans Christian Diener Neurologische Universitätsklinik Hufelandstraße 55, 45122 Essen

Deutsches Arzteblatt 90 , Heft 33, 20. August 1993 (43) A1-2187

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